Entscheidungsdatum: 21.03.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 306 42 322.7
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 21. März 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Dezember 2006 und vom 1. September 2009 aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
I
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die zunächst für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38 und 42, darunter u. a. für die Dienstleistung
"Klasse 38: Telekommunikation"
angemeldete Wortmarke
Call & Surf
mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen (§§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der angemeldeten Marke handele es sich um eine Angabe, bei der der sachliche, beschreibende Begriffsgehalt im Vordergrund stehe, weshalb die angesprochenen Verkehrskreise ihr keinen betrieblichen Herkunftshinweis entnähmen. Die angemeldete Marke sei erkennbar aus den beiden Basisbegriffen „Call“ und „Surf“ des IT- und Telekommunikationsbereichs, verbunden durch ein kaufmännisches "&"-Zeichen, zusammen und werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres im Sinne von "telefonieren und surfen " verstanden. In Bezug auf die Dienstleistung „Telekommunikation" stelle die angemeldete Marke in dieser Bedeutung nur eine beschreibende Angabe über die Art der angebotenen Dienstleistung dar.
Dagegen hat die Anmelderin Beschwerde erhoben. Im Beschwerdeverfahren hat sie das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Anmeldung beschränkt auf die Dienstleistungen der Klasse 38
"Telekommunikationsdienstleistungen, nämlich kombinierte Telekommunikations-Angebote, bestehend aus Telefonie- und Internetdienstleistungen".
Sie hat ferner erklärt, sie strebe die Eintragung der angemeldeten Marke aufgrund von Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG an und nehme hierfür auch eine Zeitrangverschiebung gemäß § 37 Abs. 2 MarkenG in Kauf. Zur Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke hat sie eine Vielzahl von Unterlagen vorgelegt und u. a. vorgetragen, das Angebot "Call & Surf", das eine Telefonie-Flatrate und eine Internet-Flatrate beinhalte, sei der Öffentlichkeit erstmals auf der Internationalen Funkausstellung Ende August/Anfang September 2006 vorgestellt worden. Das Produkt sei für ihre Kunden ab dem 18. September 2006 verfügbar gewesen. Die angemeldete Marke sei in der Folgezeit mit verschiedenen, beschreibenden Zusätzen, wie z. B. WComfort", "Comfort Plus“, "Start", "Basic Surf Flat" und "Basic Call Flat", im Verkehr verwendet worden. Von Anfang an seien die Kombi-Tarife, die unter der angemeldeten Marke angeboten wurden, von den Kunden umfangreich in Anspruch genommen worden. Die Zahl der Privatkundenanschlüsse unter der Marke "Call & Surf" habe sich von Ende 2006 bis Ende 2010 von 2,3 Millionen auf 8,5 Millionen erhöht. Laut Presseberichten hätten im Jahr 2009 insgesamt 29 Millionen Haushalte über einen Internetanschluss verfügt. Werde berücksichtigt, dass die Abnehmer von Telekommunikationsdienstleistungen häufiger ihren Anbieter wechselten, so ergebe sich aus den vorgenannten Zahlen, dass seit der Markteinführung im Jahre 2006 bereits mehr als jeder dritte Haushalt mit einem Internetanschluss Dienstleistungen der Marke "Call & Surf“ in Anspruch genommen habe. Die unter der angemeldeten Marke erzielten Umsätze hätten sich von Ende 2007 bis Ende 2010 von … € erhöht. Für die unter der angemeldeten Marke angebotenen Produkte sei von 2006 bis 2011 in erheblichem Umfang Werbung betrieben worden, zum Beispiel durch Rechnungsbeilagen, Direktmarketing sowie zwei große Werbekampagnen in den Jahren 2010 und 2011.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Dezember 2006 und 1. September 2009 aufzuheben und die Sache zur Entscheidung über die Eintragung der angemeldeten Marke kraft (nachträglicher) Verkehrsdurchsetzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
II
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat nach der erklärten Beschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses auf bereits im Verkehr angebotene Dienstleistungen und der gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG zulässigen Geltendmachung nachträglicher Verkehrsdurchsetzung unter Berücksichtigung der zur Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung vorgetragenen Kunden- und Umsatzzahlen sowie Werbeaufwendungen insoweit Erfolg, als das Verfahren - wie beantragt – an das Deutsche Patent- und Markenamt zur Prüfung der Verkehrsdurchsetzung zurückzuverweisen ist.
Bei der angemeldeten Marke, die aus englischsprachigen, im Inland allgemein geläufigen Begriffen mit den Bedeutungen "telefonieren" und "(im Internet) surfen" gebildet ist und bei der diese beiden für Telekommunikationsdienstleistungen beschreibenden Begriffe in seit langem werbeüblicher Weise durch das kaufmännische "&“-Zeichen verbunden sind, handelt es sich – wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat – von Haus aus um eine Angabe, der auch für die jetzt allein noch beanspruchten, speziellen Telekommunikationsdienstleistungen der Klasse 38 jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. MarkenG). Dieser rechtlichen Beurteilung ist die Anmelderin im Beschwerdeverfahren nicht mehr entgegengetreten, sondern macht nunmehr geltend, die angemeldete Marke habe sich für die nach der im Beschwerdeverfahren erklärten Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses darin verbliebenen Dienstleistungen im Verkehr durchgesetzt (§ 8 Abs. 3 MarkenG). Die damit verbundene Behauptung der Anmelderin, die der Eintragung der angemeldeten Marke entgegenstehenden Schutzhindernisse seien aufgrund mehrjähriger, umfangreicher Benutzung der Marke im Verkehr für die fraglichen Dienstleistungen überwunden worden, sowie die zur Glaubhaftmachung dieses Sachverhalts von der Anmelderin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen lassen eine Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke als möglich erscheinen, so dass eine Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zur Prüfung dieses neuen Sachverhalts geboten ist.
Durch die von der Anmelderin mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Unterlagen und glaubhaft gemachten Angaben zu den seit September 2006 unter der angemeldeten Marke erzielten Umsätzen und den seither getätigten Werbeaufwendungen ist zwar nicht glaubhaft gemacht worden, dass sich die angemeldete Marke für die nunmehr allein noch beanspruchten, besonderen Telekommunikationsdienstleistungen bereits am Anmeldetag (10. Juli 2006) im Verkehr durchgesetzt hat. Dies ist jedoch auch nicht erforderlich, da nach § 37 Abs. 2 MarkenG eine Anmeldung auch dann nicht zurückgewiesen werden kann, wenn ein ursprünglich bestehendes Schutzhindernis erst nach dem Anmeldetag, etwa auch durch Verkehrsdurchsetzung, weggefallen ist, und der Anmelder sich damit einverstanden erklärt, dass ungeachtet des ursprünglichen Anmeldetages und einer etwa in Anspruch genommenen Priorität der Tag, an dem das Schutzhindernis weggefallen ist, als Anmeldetag gelten und für die Bestimmung des Zeitrangs im Sinne des § 6 Abs. 2 MarkenG maßgeblich sein soll. Die von der Anmelderin im Beschwerdeverfahren für den Zeitraum von September 2006 bis Ende 2011 gemachten Angaben, insbesondere zu den für die Marke getätigten Werbeaufwendungen und den unter der Marke erzielten Umsätzen, die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen sind, geben einen ausreichend Anhalt für die Annahme, dass sich die angemeldete Marke für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen im Verkehr durchgesetzt haben kann. Nachdem sich die Anmelderin auch generell mit einer Verschiebung des Zeitrangs der Marke einverstanden erklärt hat, ist das Verfahren – unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse – zur Prüfung der Frage der Verkehrsdurchsetzung gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.