Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.06.2012


BPatG 06.06.2012 - 26 W (pat) 30/11

Markenbeschwerdeverfahren – "Perisecco/Riesecco" – zur Kennzeichnungskraft – Warenidentität – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
06.06.2012
Aktenzeichen:
26 W (pat) 30/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 050 125

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 6. Juni 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde sowie der Kostenantrag der Widersprechenden werden zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Gegen die Eintragung der Marke 30 2009 050 125

2

Perisecco

3

für die Ware

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"Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"

5

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Ware

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"Klasse 33: Perlweine“

7

eingetragenen prioritätsälteren Marke 2 095 117

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Riesecco .

9

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr bestehe (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angegriffene Marke halte gegenüber der Widerspruchsmarke den angesichts der Identität der Waren gebotenen deutlichen Abstand in jeder Richtung ein. Beide Marken enthielten in dem Bestandteil "secco" das italienische Wort mit der Bedeutung "trocken", das für Weine sowie Schaum- und Perlweine glatt beschreibend sei. Deshalb werde den übrigen Bestandteilen der beiderseitigen Marken, nämlich den Wortanfängen „Peri“ bzw. „Rie“, erhöhte Aufmerksamkeit entgegengebracht werden. Auf Grund dieser unterschiedlichen Wortanfänge mit ihrer unterschiedlichen Silbenzahl und Vokalfolge könnten die Marken sowohl in schriftbildlicher als auch in klanglicher Hinsicht sicher auseinandergehalten werden. Für eine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung seien weder tatsächliche Anhaltspunkte vorgetragen noch ersichtlich.

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Dagegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, angesichts der aufgrund der Identität der beiderseitigen Waren an den Markenabstand zu stellenden erhöhten Anforderungen sei die Ähnlichkeit der Marken zu groß, um eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können. Die Widerspruchsmarke sei klanglich in der angegriffenen Marke vollständig enthalten. Die ihr vorangestellte Silbe „Pe“ könne die klangliche Ähnlichkeit nicht beseitigen. Wegen der Ähnlichkeit der Anfangsbuchstaben „P“ bzw. „R“ seien auch schriftbildliche Verwechslungen der Marken zu besorgen. Auf Grund der Übereinstimmung der Marken in dem Begriff „secco“ bestehe ferner eine Verwechslungsgefahr in begrifflicher Hinsicht. Die Beurteilung der Markenähnlichkeit durch die Markenstelle beruhe auf einer unzulässigen zergliedernden Betrachtungsweise der Marken und lasse außer Acht, dass Marken vom Verkehr regelmäßig in ihrer Gesamtheit wahrgenommen würden. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr seien Übereinstimmungen im Gesamteindruck wesentlicher als Unterschiede am Anfang. Ergänzend verweist die Widersprechende auf ihrer Ansicht nach vergleichbare Vorentscheidungen des erkennenden Senats sowie des OLG Köln, in denen eine Verwechslungsgefahr der dort verfahrensgegenständlichen Marken bejaht worden ist.

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Die Widersprechende beantragt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juni 2010 und 31. März 2011 aufzuheben und wegen des Widerspruchs die Löschung der Marke 30 2009 050 125 anzuordnen sowie der Markeninhaberin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

II

14

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, jedoch unbegründet. Zwischen den Marken, die sich im vorliegenden Verfahren gegenüberstehen, besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

15

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichen-rechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. z. B. BGH GRUR 2004, 594, 596 – Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 437, 438 – Lila Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (EuGH GRUR 2003, 55, 57 ff., Nr. 51 – Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155, Nr. 59 - Anheuser-Busch/Budvar: GRUR 2007, 318, 319, Nr. 21 – Adam Opel/Autec).

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Ausgehend von diesen maßgeblichen markenrechtlichen Grundsätzen hat die Markenstelle zutreffend festgestellt, dass zwischen den beiden Marken des vorliegenden Widerspruchsverfahrens im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung trotz der Identität der beiderseitigen Waren keine Verwechslungsgefahr besteht. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist die Markenstelle im Erinnerungsbeschluss von einer leicht unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen. Diese Beurteilung der Kennzeichnungskraft begegnet wieder sachlichen noch rechtlichen Bedenken.

17

Eine Marke verfügt über Kennzeichnungskraft, wenn sie geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren und Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH MarkenR 1999, 189, 194, Nr. 49 – Chiemsee; MarkenR 1999, 236, 239, Nr. 22 - Lloyd/Loints). Für die Bestimmung des Grades der Kennzeichnungskraft ist dabei maßgeblich, inwieweit sich die Marke dem Publikum aufgrund ihrer Eigenart und ihres ggf. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Produkt- und Leistungskennzeichnung einzuprägen vermag, so dass sie in Erinnerung behalten und wiedererkannt wird. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt (BGH GRUR 2008, 905, 907, Nr. 16 – Pantohexal; GRUR 2008, 1002, 1004, Nr. 26 - Schuhpark).

18

Die Widerspruchsmarke „Riesecco“ enthält als Wortbestandteil nicht nur – was auch die Widersprechende nicht in Abrede stellt - den italienischsprachigen Begriff "secco“, der einen Wein oder ein daraus hergestelltes anderes Getränk als „trocken“ beschreibt und der dem durchschnittlich informierten deutschen Durchschnittsverbraucher solcher Getränke auf Grund seiner umfangreichen Verwendung auf Wein-, Schaumwein- und Perlweinetiketten in dieser beschreibenden Bedeutung auch bekannt ist, sondern ist darüber hinaus insgesamt in ihrem Markenbildungsprinzip auch erkennbar an den Begriff "Prosecco“ angelehnt, mit dem ein aus der Prosecco-Traube hergestellter italienischer Perl- bzw. Schaumwein bezeichnet wird, der auch im Inland allgemein bekannt ist, weshalb der Begriff „Prosecco“ für Schaum- und Perlweine einem Freihaltungsbedürfnis unterliegt. Ein solcher beschreibender Anklang reicht bereits aus, um eine Schwächung der Kennzeichnungskraft einer Marke herbeizuführen (BPatG MarkenR 2007, 353, 356 – 1800 ANTIGUO/SIERRA ANTIGUO, bestätigt durch BGH GRUR 2008, 903 – SIERRA ANTIGUO; BPatG PAVIS PROMA 26 W (pat) 532/10 – vital&fit/vitafit).

19

Der Schutzumfang einer an eine freihaltungsbedürftige Angabe angelehnten Marke ist eng zu bemessen und auf die jeweilige eintragungsbegründende Eigenprägung beschränkt (BGH GRUR 2010, 729, 731 – MIXI; GRUR-RR 2010, 205, 208 – Haus & Grund IV). Eine zur Verwechslungsgefahr im Rechtssinne führende Zeichenähnlichkeit ist deshalb zu verneinen, soweit sich die Übereinstimmungen der Marken auf die beschreibende oder sonst schutzunfähige Angabe selbst beschränken (BGH GRUR 2008, 803, 804 – HEITEC). Eine rechtlich relevante Ähnlichkeit der Marken liegt daher im Falle zweier verschiedenartiger Abwandlungen derselben freihaltungsbedürftigen Sachbezeichnung, deren Gemeinsamkeiten sich im Wesentlichen auf diese Sachbezeichnung beschränken, nicht vor (BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 113/04 – FITAMIN/VIT-H-MIN). Nur wenn die Vergleichsmarken weitergehende, ausreichende klangliche, schriftbildliche oder sonstige Ähnlichkeiten in ihrer über die zu Grunde liegende schutzunfähige Angabe hinausreichenden, schutzbegründenden Eigenprägung aufweisen, besteht kein Anlass für eine Einschränkung des nach dieser Eigenprägung zu bemessenden Schutzumfangs der älteren Marke (BGH a. a. O. – HEITEC).

20

Die angegriffene Marke weist zwar mit der Widerspruchsmarke insoweit gewisse formale Ähnlichkeiten, aber andererseits gegenüber dieser auch deutliche Unterschiede auf, die – wie die Markenstelle in den angegriffenen Beschlüssen zutreffend dargelegt und begründet hat – angesichts des eingeschränkten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke ausreichen, um eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr dem maßgeblichen Gesamteindruck nach auszuschließen.

21

Für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Wortmarken ist auf deren unterscheidungskräftige und dominierende Elemente abzustellen (ständige Rechtsprechung; siehe z. B. EuGH GRUR Int. 2004, 850, 853 – PICASSO; GRUR Int. 2005, 256, 259 – Vitakraft; GRUR 2010, 1098, 1099 – Calvin Klein/HABM). Es ist ferner von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile. Dies gilt besonders in solchen Fällen, in denen die Endungen nicht markant in Erscheinung treten oder wenig einprägsam gebildet sind (BGH GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLYFLAM). Für den klanglichen Gesamteindruck einer Marke kommt es weniger auf einzelne Laute als vielmehr auf die Silbengliederung und die Vokalfolge an.

22

Da es sich bei dem beiden Marken gemeinsamen Bestandteil „secco“ für Perlweine und andere alkoholische Getränke um eine beschreibende Angabe handelt, die auch Bestandteil der für Perl- und Schaumweine ebenfalls beschreibenden Bezeichnung „Prosecco“ ist, stellen innerhalb der beiden Marken deren Wortanfänge „Rie“ bzw. „Peri“ die unterscheidungskräftigen Elemente dar. Diese weisen zwar insofern formal Ähnlichkeit auf, als die Buchstaben der Anfangssilbe „Rie“ auch in der Anfangssilbe „Peri“ der angegriffenen Marke mit enthalten sind. Trotz dieser formalen Ähnlichkeit ist die schriftbildliche und klangliche Ähnlichkeit der Anfangssilben bei der Marken dennoch sehr gering, was daraus resultiert, dass die Buchstaben der Anfangssilbe der Widerspruchsmarke in der Anfangssilbe der angegriffenen Marke in völlig veränderter Reihenfolge erscheinen und die Anfangssilbe der angegriffenen Marke zudem als ersten, zusätzlichen Buchstaben den Sprenglaut „P“ enthält. Durch diese Abweichungen weist die angegriffene Marke an ihrem Wortanfang ein deutlich anderes Klangbild auf als die Widerspruchsmarke. Insbesondere führt dabei die zusätzliche Anfangssilbe „Pe“ aus dem Bereich einer klanglichen Ähnlichkeit der Marken im Gesamteindruck hinaus, weil es sich um eine betonte Silbe handelt, die sich noch dazu am unterscheidungskräftigen, regelmäßig stärker beachteten und besser in Erinnerung bleiben Wortanfang befindet. Aber auch in schriftbildlicher Hinsicht reichen die Unterschiede der Marken an ihrem unterscheidungskräftigen Wortanfang zum Ausschluss einer rechtlich relevanten Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG trotz gewisser Übereinstimmungen der Anfangsbuchstaben „R“ und „P“ wegen der deutlich unterschiedlichen Abfolge der darauf folgenden Buchstaben und des erkennbar beschreibenden Charakters der Endsilben „secco“, die erwarten lässt, dass der Verkehr sein Augenmerk mehr auf die Anfangszeiten der Marken richten wird, aus.

23

Auch die von der Widersprechenden behauptete begriffliche Verwechslungsgefahr der Marken besteht nicht. Die beiden Marken in ihrer Gesamtheit weisen keinen Begriffsgehalt auf. Dass die Marken an ihrem jeweiligen Wortende in dem Begriff "secco“ übereinstimmen, vermag die Gefahr begrifflicher Verwechslungen nicht zu begründen. Ausgehend von dem Grundsatz, dass eine schutzunfähige Angabe für sich gesehen nicht Grundlage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr sein darf, reicht eine Übereinstimmung in beschreibenden Begriffen nicht aus, um eine begriffliche Verwechslungsgefahr zu begründen (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BPatGE 22, 231, 232 ff. - OPTItherm/SUPERTHERM; BPatG PAVIS PROMA 25 W (pat) 34/07 - Sucren/SUKRINETTEN).

24

Auch Tatsachen, die eine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung begründen könnten, hat weder die Widersprechende vorgetragen noch sind solche Tatsachen sonst ersichtlich. Die Beschwerde der Widersprechenden konnte daher keinen Erfolg haben.

25

Auch der zulässige Antrag der Widersprechenden, der Markeninhaberin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.

26

Im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren einschließlich des Widerspruchs-Beschwerdeverfahrens trägt im Regelfall jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst (§ 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG). Die Auferlegung von Verfahrenskosten auf eine der am Verfahren beteiligten Parteien setzt voraus, dass eine solche Kostenauferlegung im Einzelfall der Billigkeit entspricht (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG). Solche Billigkeitsgründe sind im vorliegenden Verfahren nicht feststellbar. Insbesondere gibt das Verhalten der Markeninhaberin, die sowohl im Verfahren vor der Markenstelle des Patent- und Markenamts als auch im Verfahren vor dem Bundespatentgericht obsiegt hat, keinen Anlass für eine Kostenauferlegung.

27

Auch für eine Kostenauferlegung auf die Widersprechende aus Billigkeitsgründen sind keine ausreichenden Tatsachen ersichtlich, weshalb es bei der in § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG für den Regelfall vorgesehenen Kostenverteilung bleibt.