Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.09.2012


BPatG 26.09.2012 - 26 W (pat) 25/11

Markenbeschwerdeverfahren "PRIMAVERA/PRIMERA" – keine Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
26.09.2012
Aktenzeichen:
26 W (pat) 25/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 081 305

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 26. September 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und des Richters am Landgericht Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Gegen die Eintragung der Marke 30 2008 081 305

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PRIMAVERA

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für die Ware

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"Klasse 20: Matratzen"

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ist Widerspruch erhoben worden aus der u. a. ebenfalls für die Ware

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"Klasse 20: Matratzen"

7

eingetragenen prioritätsälteren Marke 306 06 759

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PRIMERA.

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Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen, weil zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Zur Begründung hat sie ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der Identität der Waren und der normalen bzw. allenfalls leicht verminderten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke den markenrechtlich gebotenen Abstand ein. In klanglicher Hinsicht unterschieden sich die Marken trotz gleicher Wortanfänge und -endungen infolge ihrer unterschiedlichen Silbenzahl deutlich voneinander. Dieser Unterschied wirke sich auf das Gesamtklangbild aus und werde nicht unbemerkt bleiben, weil die Betonung der Markenwörter nicht auf den übereinstimmenden Wortanfängen, sondern auf den unterschiedlichen Mittelsilben liege. Auch schriftbildlich wiesen die Marken in allen üblichen Wiedergabeformen deutliche Abweichungen auf. Diese beträfen insbesondere die verschiedene Länge der Markenwörter sowie die Konturen der zusätzlichen Buchstaben "A" und "V" in der angegriffenen Marke. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass das Schriftbild erfahrungsgemäß eine ruhige und wiederholte Wahrnehmung der Marken erlaube. Der Gefahr von Verwechslungen wirke auch entgegen, dass es sich bei der angegriffenen Marke um einen Begriff der italienischen, spanischen und portugiesischen Sprache handele, der von einem nicht unbeachtlichen Teil der deutschen Verkehrskreise in seiner Bedeutung "Frühling" erkannt werde. Angesichts der unterschiedlichen Bedeutungen der Marken sei auch nicht mit begrifflichen Verwechslungen der Marken zu rechnen. Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr durch eine gedankliche Verbindung der Marken seien weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

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Gegen die Zurückweisung des Widerspruchs wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die angegriffene Marke halte den angesichts der Identität der Waren und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke gebotenen deutlichen Abstand nicht ein. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei nicht gemindert, weil es sich bei dem spanischen Wort "PRIMERA" nicht um eine Angabe handele, die zur Beschreibung von Eigenschaften der Ware "Matratzen" geeignet sei. Auch werde die Widerspruchsmarke vom deutschen Verkehr nicht als Begriff verstanden, weil die spanische Sprache im Inland weit weniger geläufig sei als z. B. die englische Sprache. Entgegen der im angegriffenen Beschluss vertretenen Auffassung bestehe zwischen den Marken wegen ihrer identischen Wortanfänge und -endungen eine große klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit. Diese werde auch durch die Unterschiede in den Wortmitten nicht beseitigt, da die Gemeinsamkeiten der Marken überwögen. Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich bei den Marken nicht um Kurzwörter handele, so dass geringfügige Unterschiede eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen könnten. Die von der Markenstelle angenommenen begrifflichen Unterschiede werde der Verkehr nicht erkennen.

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Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Februar 2011 aufzuheben und die Löschung der Marke 30 2008 081 305 anzuordnen.

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Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie ist der Ansicht die Widerspruchsmarke weise nur eine äußerst geringe Kennzeichnungskraft auf, weil sie ein Begriff des spanischen Grundwortschatzes mit der Bedeutung "erste" sei und damit auf die erste - also die beste - Qualität der so bezeichneten Waren hinweise. Die Bedeutung der Widerspruchsmarke werde vom deutschen Durchschnittsverbraucher ohne weiteres erfasst, weil es den vom lateinischen Begriff "primus" abgeleiteten Wortstamm "prim-" im Sprachschatz nahezu aller romanischen Sprachen gebe. Zudem bestehe eine phonetische Ähnlichkeit der Widerspruchsmarke mit dem deutschen Begriff "primär", der u. a. die Bedeutung "an erster Stelle" habe. Das Bundespatentgericht (PAVIS PROMA, 27 W (pat) 193/95, Beschluss vom 25.03.1997) habe in Bezug auf den englischen Begriff "prime" bereits festgestellt, dass dieser vom deutschen Verkehr in seinen Bedeutungen "vorzüglich, erstklassig, ausgezeichnet" verstanden werde. Für den spanischen Begriff "PRIMERA" könne nichts anderes gelten, zumal der deutsche Durchschnittsverbraucher ihn auch durch die europaweit bekannte erste spanische Fußballliga "primera division" kenne. Dass das spanische Wort "PRIMERA" daneben noch andere Bedeutungen habe, sei für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft unerheblich. In Bezug auf die Bewertung der Ähnlichkeit der Marken schließt sich die Markeninhaberin der von der Markenstelle vertretenen Ansicht an und weist ergänzend darauf hin, dass es für die Frage der Markenähnlichkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2001, 1161 - CompuNet/ComNet) nicht auf die Übereinstimmung in einzelnen Lauten und Buchstaben, sondern auf die Silbenzahl, die Silbengliederung und die Vokalfolge ankomme, in denen sich die Marken deutlich voneinander unterschieden. Der Verkehr werde die Unterschiede der Marken wegen ihrer unterschiedlichen Begriffsgehalte auch wesentlich schneller und besser erfassen als bei Phantasiebezeichnungen.

II

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Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden besteht nicht die Gefahr der Verwechslung der Marken i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

17

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne der vorstehenden Bestimmung ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke auszugehen (st. Rspr.; vgl. z. B. BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd). Der Schutz der älteren Marke ist allerdings auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (EuGH GRUR 2003, 55, 57 ff. - Arsenal Football Club plc). Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der Waren und Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (EuGH GRUR 2005, 511, 512 - Thomson Life).

18

Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht zwischen den im vorliegenden Verfahren miteinander zu vergleichenden Marken aus den im angegriffenen Beschluss von der Markenstelle angeführten, zutreffenden Gründen nicht die Gefahr von Verwechslungen. Der dagegen gerichtete Vortrag der Widersprechenden erlaubt keine andere Beurteilung der Verwechslungsgefahr.

19

Zwar ist die angegriffene Marke für die Ware "Matratzen" bestimmt, für die auch die Widerspruchsmarke eingetragen worden ist. Ausgehend von dieser Identität der Waren ist ein überdurchschnittlicher Abstand der Marken erforderlich, den die angegriffene Marke von der Widerspruchsmarke jedoch in jeder Richtung einhält, auch wenn zu Gunsten der Widersprechenden entsprechend ihrem Vorbringen eine normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt wird; denn die angegriffene Marke weist gegenüber der Widerspruchsmarke unüberhörbare und unübersehbare Unterschiede auf, die durch die unterschiedliche, für den deutschen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Ware "Matratzen" verständliche Bedeutung beider Marken noch verdeutlicht werden und zu einem sicheren Auseinanderhalten der Marken maßgeblich beitragen.

20

Für den klanglichen Gesamteindruck einer Marke kommt es - wie bereits die Markenstelle zutreffend dargelegt hat - weniger auf einzelne Laute als vielmehr auf die Silbenzahl, die Silbengliederung und die Vokalfolge der zu beurteilenden Marken an (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9 Rdn. 236). In diesen maßgeblichen Punkten weisen die beiderseitigen Marken markante Unterschiede auf. Die angegriffene Marke enthält nicht nur eine Silbe mehr als die Widerspruchsmarke, sondern ihre Silbengliederung "PRI-MA-VE-RA" weicht in der Wortmitte auch deutlich von der Silbengliederung "PRI-ME-RA" der Widerspruchsmarke ab. Zwar werden im Allgemeinen Wortanfänge stärker beachtet als die übrigen Markenteile und das Einschieben von Zwischensilben oder sonstigen wenig auffälligen Abweichungen im Wortinneren sind häufig nicht geeignet, Verwechslungen der Marken zu verhindern. Diese Grundsätze gelten jedoch nicht uneingeschränkt und insbesondere dann nicht, wenn die Betonung der Marken nicht auf deren Wortanfang, sondern auf den die Marken unterscheidenden Teilen im Inneren der Markenwörter liegt (OLG Köln GRUR-RR 2010, 41, 42 - EnzyMax/Enzymix; EuG PAVIS PROMA T-80/08, - RNAiFect/RNActive). So ist die Sachlage auch im vorliegenden Fall, denn die Betonung der Widerspruchsmarke liegt auf der zweiten Silbe und die Widerspruchsmarke auf der ersten und - vor allem - der dritten Silbe, was - trotz der Identität der Anfangs- und Schlusssilben - zu einem deutlich unterscheidbaren Gesamtklangbild der Marken führt.

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Zum Ausschluss einer klanglichen Verwechslungsgefahr der Marken trägt zudem der unterschiedliche Begriffsgehalt der beiderseitigen Marken bei.

22

Etwaige Übereinstimmungen im Klang oder Bild von Marken können durch deren abweichenden Begriffsgehalt so reduziert werden, dass eine Verwechslungsgefahr zu verneinen ist. Zwar wird eine derartige Verwechslungsgefahr durch den Sinngehalt nicht schlechthin kompensiert. Vielmehr besteht dessen Wirkung darin, dass bildliche oder klangliche Unterschiede vom Leser oder Hörer wesentlich schneller und besser erfasst werden, so dass es gar nicht zu Verwechslungen kommt (BGH GRUR 1959, 182, 185 - Quick/Glück; GRUR 1992, 130, 132 - Bally/BALL; GRUR 2000, 605, 607 - comtes/ComTel; GRUR 2005, 326, 327 - il Padrone/Il Portone; GRUR 2010 235, 236 - AIDA/AIDU). Eines besonderen Bezugs des betreffenden Begriffs zu den einschlägigen Waren oder Dienstleistungen bedarf es dabei nicht (BGH a. a. O. - Bally/BALL; a. a. O. - AIDA/AIDU).

23

Die angegriffene Marke besteht aus dem zum italienischen Grundwortschatz zählenden Wort "PRIMAVERA", das die Jahreszeit "Frühling" bezeichnet. Dieser italienische Begriff ist auch dem deutschen Durchschnittskäufer von Matratzen, der in rechtserheblichem Umfang bereits Urlaube in Italien verbracht hat, aus Katalogen von Reiseveranstaltern, Inseraten von Ferienhausvermietern oder auch aus der Bezeichnung von jahreszeitlich orientierten Speisen in Speisekarten bekannt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass er ihren Sinngehalt sofort und ohne einen weitergehenden Denkvorgang erfassen wird. Die vorstehend dargestellten, für den inländischen Verkehr erkennbaren begrifflichen Unterschiede der Marken werden die Gefahr einer Verwechslung weiter reduzieren und zu einer Unterscheidbarkeit der Marken maßgeblich beitragen, so dass eine markenrechtlich erhebliche unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist.

24

Auch die Gefahr schriftbildlicher Verwechslungen der Marken besteht nicht. Ein Verlesen bei der bildlichen Wahrnehmung der Marken erscheint angesichts der deutlich unterschiedlichen Wortlänge der Marken als ausgeschlossen, da das Schriftbild der Marken eine genauere und i. d. R. sogar wiederholte Wahrnehmung der Marken gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort (BPatG GRUR 2004, 950, 954 - ACELAT/Acesal). Hinzu kommt, dass es sich bei der Ware "Matratzen" nicht um eine solche des täglichen Bedarfs von nur geringem Preis, sondern um eine Ware handelt, die im Allgemeinen mit erhöhter Aufmerksamkeit erworben wird. Letztlich kommt auch in Bezug auf die bildliche Ähnlichkeit der Marken der Tatsache, dass es sich bei den Marken jeweils um für den deutschen durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher verständliche Begriffe bzw. Bezeichnungen mit einem sofort erfassbaren Sinngehalt handelt, eine die Ähnlichkeit der Marken maßgeblich reduzierende Bedeutung zu, so dass auch eine markenrechtlich beachtliche schriftbildliche Verwechslungsgefahr zwischen den Marken selbst bei einer Benutzung für gleiche Waren nicht besteht.

25

Einer begrifflichen Verwechslungsgefahr steht mithin der unterschiedliche Begriffsgehalt der Marken entgegen. Für eine gedankliche Verbindung der Marken sind Tatsachen weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Die Beschwerde der Widersprechenden konnte daher keinen Erfolg haben.

26

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der Verfahrensbeteiligten (§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG) gibt weder die Sachlage noch das Verhalten der Beteiligten Anlass.