Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 30.04.2014


BPatG 30.04.2014 - 26 W (pat) 2/14

Markenbeschwerdeverfahren – "WEINHANDLUNG MÜLLER/Weinhandlung Müller (geschäftliche Bezeichnung)" – Vorwurf einer bösgläubigen Anmeldung – Prüfung nur in einem Löschungsverfahren – zum Widerspruchsgrund der Benutzung einer geschäftliche Bezeichnung – Darlegung der Voraussetzungen des Widerspruchs – besondere Geschäftsbezeichnung im Sinne einer Etablissementbezeichnung – kein bundesweiter Schutz


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
30.04.2014
Aktenzeichen:
26 W (pat) 2/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 016 721

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 30. April 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Dr. Himmelmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Markeninhaber hat am 24. Februar 2012 beantragt, die Wortmarke „WEINHANDLUNG M…“ für die Waren der Klassen

2

· 33 (Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)),

3

· 35 (Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten) und

4

· 41 (Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten)

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in das Register einzutragen.

6

Mit Verfügung vom 8. Juni 2012 hat die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts zugunsten des Markeninhabers die genannte Wortmarke für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen in das Register eingetragen.

7

Hiergegen hat die Widersprechende mit am 16. August 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schreiben Widerspruch erhoben und diesen auf die geschäftliche Bezeichnung „Weinhandlung M…“ gestützt. Die Widersprechende hat vorgetragen, die angegriffene Marke verstoße gegen geltendes Recht und verletze sie in ihren Rechten. Die angegriffene Marke verletze die Firma eines am Ort ansässigen und zeitlich weit vor dem Unternehmen des Markeninhabers gegründeten Unternehmens. Die Widersprechende betreibe seit 1997 die „Weinhandlung M…“, Inhaberin M…. Dieses Geschäft habe sie von ihrem Vater, der den Betrieb im Jahr 1990 unter gleichem Namen gegründet und seitdem ununterbrochen unter dieser Firmierung geführt habe, übernommen. Das Konzept ihres Unternehmens sei seit dessen Gründung und Übernahme der Handel mit Weinen. Gleichzeitig veranstalte sie in den Räumlichkeiten ihres Unternehmens Buchlesungen und andere kulturelle Veranstaltungen unter Einbindung von dann auch stattfindenden Weinverkostungen. Ebenfalls zum Konzept gehöre die Vermarktung (Werbung) für regionale Weine und damit auch für die Region selbst. Sie stütze daher ihren Widerspruch auf die Nutzung der für die Marke eingetragenen Waren- und Dienstleistungsklassen 33, 35 und 41. Zwischen dem Markeninhaber und ihr habe eine private Verbindung bestanden. Trotz der zufälligen Namensidentität seien sie nicht verheiratet gewesen. Nach der privaten Trennung versuche der Markeninhaber auf allen erdenklichen Wegen, sie selbst und ihr Geschäft zu schädigen. In diesem Zusammenhang sei auch die Anmeldung der streitgegenständlichen Marke zu sehen. Die „echte“ Weinhandlung M… bestehe  seit 1990, während der Geschäftsbetrieb des Markeninhabers erst seit August 2009 betrieben werde. Die Markenanmeldung sei böswillig und wettbewerbswidrig erfolgt. Sie diene allein der Vernichtung ihres seit 1990 bestehenden Unternehmens. Es sei anzunehmen, dass sie nach Eintragung der Marke und Ablauf der Widerspruchsfrist mit einer Vielzahl an Abmahnungen und weiteren Inanspruchnahmen durch den Markeninhaber zu rechnen habe. Die Eintragung diene somit nicht dem Schutz von Waren oder Dienstleistungen für ein bestimmtes Unternehmen, sondern allein der böswilligen Durchsetzung unberechtigter Rechtsansprüche ihr gegenüber. Die eingetragene Wortmarke sei deshalb zu löschen.

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Der Inhaber der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 25. Januar 2013 erklärt, seine Marke verletze keine Rechte eines am Ort ansässigen und zeitlich vor seinem Unternehmen gegründeten Unternehmens. Es sei bereits nicht zutreffend, dass die Widersprechende bereits seit 1997 die Weinhandlung M… betreibe.  Nicht er, sondern die Widersprechende versuche ihn seit ihrer privaten Trennung zu drangsalieren. Ihm gehe es allein darum, den von ihm seit nunmehr über 14 Jahren aufgebauten Inhaberbetrieb weiter fortzuführen. Die Anmeldung der Marke „WEINHANDLUNG M…“ sei ausschließlich vor dem Hintergrund er folgt, dass es sich um das von ihm jahrzehntelang aufgebaute Geschäft handle und nicht darum, in irgendeiner Art und Weise die Widersprechende mit Abmahnungen oder Ähnlichem zu überziehen. Die Eintragung der Marke diene dem Schutz seines Inhaberbetriebes.

9

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 29. Oktober 2013 den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Widersprechende habe das Bestehen eines zeitrangälteren Widerspruchsrechts, das sie gemäß § 12 MarkenG dazu berechtigen würde, die Benutzung der angegriffenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen, nicht nachgewiesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Widersprechenden tatsächlich die geltend gemachten Rechte zustehen würden. Der Widerspruch müsse aber jedenfalls deshalb erfolglos bleiben, weil die Widersprechende nicht nachgewiesen habe, dass das Widerspruchszeichen sie dazu berechtige, gemäß § 12 MarkenG die Benutzung der angegriffenen Marke im gesamten Inland zu untersagen. Ein deutschlandweites Untersagungsrecht setze eine überörtliche Geschäftstätigkeit oder die Möglichkeit der zukünftigen Ausdehnung der Geschäftstätigkeit über den örtlichen Tätigkeitsbereich hinaus voraus. Dazu, ob ihre Tätigkeit überörtlichen Charakter aufweise oder nicht, habe die Widersprechende nichts vorgetragen. Nachdem es sich um ein Unternehmen handele, das nach Zweck und Zuschnitt typischerweise lokal oder regional tätig sei, müsse für die Zuerkennung überörtlichen Schutzes eine Ausdehnungstendenz (etwa nach Art eines Filialbetriebs) im Kollisionszeitpunkt zumindest erkennbar sein. Dies erfordere regelmäßig, dass das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Geschäftsbetriebe eröffnet habe. Im vorliegenden Kollisionsfall habe die Widersprechende nicht einmal die Absicht der Geschäftsausweitung bekundet. Dieser Mangel gehe zulasten der insoweit darlegungspflichtigen Widersprechenden. Soweit die Widersprechende vortrage, die Anmeldung der angegriffenen Marke sei böswillig und wettbewerbswidrig erfolgt und diene allein der Vernichtung ihres Unternehmens, insbesondere sei der Inhaber der angegriffenen Marke nicht berechtigt gewesen, die Marke anzumelden, sei ein solches Vorbringen im Widerspruchsverfahren nach § 42 MarkenG unbeachtlich und könne nur in einem Löschungsverfahren nach §§ 54, 50 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG überprüft werden.

10

Die Widersprechende hat mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2013 gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 vom 29. Oktober 2013 Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, sie sei Inhaberin der Weinhandlung M…,  die seit dem Jahr 1990 bestehe. Der Markeninhaber und Beschwerdegegner sei Inhaber des Geschäftes „Der Weinladen M…“. Vor diesem Hintergrund könne  der Beschwerdegegner, der nicht Inhaber der Weinhandlung M… sei, nicht die  Eintragung der Marke „WEINHANDLUNG M…“ beanspruchen. Unabhängig  davon würden die notwendigen Voraussetzungen für eine Eintragung der Marke „WEINHANDLUNG M…“ nicht vorliegen. Im angegriffenen Beschluss sei lediglich erwähnt, dass die Widersprechende und Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen habe, dass das Widerspruchszeichen sie berechtigen würde, die Benutzung der angegriffenen Marke im gesamten Inland zu untersagen. Es sei wohl unstreitig, dass zunächst der Beschwerdegegner die Eintragungsvoraussetzungen darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen habe. Daran fehle es. Es würden absolute Schutzhindernisse entgegenstehen. Es fehle bereits die Unterscheidungskraft.

11

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für die Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts von 29. Oktober 2013 aufzuheben und dem Widerspruch stattzugeben. Der Beschwerdegegner beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

12

Die nach § 66 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle für die Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch der Beschwerdeführerin zu Recht zurückgewiesen.

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1. Widerspruchsgründe gemäß § 42 Abs. 2 MarkenG – Löschungsgründe gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG

14

Der Widerspruch kann nur auf die in § 42 Abs. 2 MarkenG abschließend aufgeführten relativen Schutzhindernisse gestützt werden. Ist eine Marke entgegen des absoluten Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG (Bösgläubigkeit bei der Markenanmeldung) eingetragen worden, kann die Marke auf Antrag in einem Löschungsverfahren nach §§ 54, 50 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG wegen Nichtigkeit gelöscht werden.

15

Insofern kann der Vortrag der Widersprechenden, die Anmeldung der angegriffenen Marke sei böswillig und wettbewerbswidrig erfolgt, nur in einem entsprechenden Löschungsverfahren, nicht aber im Widerspruchsverfahren geprüft werden, worauf die Markenstelle für Klasse 33 in ihrem Beschluss vom 29. Oktober 2013 zu Recht hingewiesen hat.

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2. Widerspruchsgrund der Benutzung einer geschäftlichen Bezeichnung nach § 5 i. V. m. § 12 MarkenG, § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG

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Die angegriffene Marke kann nicht nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG in Verbindung mit § 5 und § 12 MarkenG gelöscht werden.

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Als Widerspruchsgrund kommt vorliegend nur § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG in Betracht. Danach kann der Widerspruch darauf gestützt werden, dass die Marke wegen einer geschäftlichen Bezeichnung mit älterem Zeitrang nach § 5 i. V. m. § 12 MarkenG gelöscht werden kann. Nach § 12 MarkenG kann die Eintragung einer Marke gelöscht werden, wenn ein anderer vor dem für den Zeitrang der eingetragenen Marke maßgeblichen Tag Rechte an einer geschäftlichen Bezeichnung i. S. d. § 5 MarkenG erworben hat und diese ihn berechtigen, die Benutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen.

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Zwar gilt im Verfahren vor dem Bundespatentgericht nach § 73 Abs. 1 MarkenG der Untersuchungsgrundsatz. Gleichwohl hat der Widersprechende im Falle eines Widerspruchs aus einem nicht registrierten Kennzeichenrecht nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG die Voraussetzungen des Widerspruchs aufgrund der auch insoweit bestehenden Darlegungs- und Mitwirkungspflicht und der Regeln über die Feststellungslast bzw. materiellen Beweislast darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BGH GRUR 1988, 211 – Wie hammas denn?; GRUR 2009, 88 Rn. 21 – ATOZ; BPatG GRUR 2004, 950, 952 – ACELAT/Acesal; Kirschneck, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage 2012, § 42 Rn. 57 f.; Hacker GRUR 2010, 99, 101).

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Insofern muss vorliegend die Widersprechende darlegen und beweisen, dass ihre geschäftliche Bezeichnung „Weinhandlung M…“ (wenn es sich dabei überhaupt  um ein Unternehmenskennzeichen i. S. d. § 5 Abs. 2 MarkenG handelt, was offen bleiben kann) sie berechtigt, die Benutzung der eingetragenen Marke im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu untersagen. Hierzu hat die Widersprechende nichts vorgetragen, zumal ihr Unternehmen mit der Bezeichnung „Weinhandlung M…“ nach Zweck und Zuschnitt nur lokal oder regional tätig und  nicht auf Expansion angelegt ist. Infolgedessen ist der Schutz der geschäftlichen Bezeichnung „Weinhandlung M…“ als Unternehmenskennzeichen (wenn es sich  bei dieser Bezeichnung überhaupt um ein Unternehmenskennzeichen i. S. d. § 5 Abs. 2 MarkenG handelt) örtlich auf das Wirkungsgebiet des Unternehmens der Widersprechenden beschränkt. Bei der Bezeichnung „Weinhandlung M…“ han delt es sich lediglich um eine besondere Geschäftsbezeichnung im Sinne einer Etablissementbezeichnung, der kein bundesweiter Schutz zukommt (BGH GRUR 2007, 884, 886 Rn. 29 – Cambridge Institute; GRUR 2005, 262, 263 – soco.de; Hacker, in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 5 Rn. 64 mit weiteren umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen in Fußn. 222).

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Insofern muss die Beschwerde zurückgewiesen werden.

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3. Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 71 Abs. 1 MarkenG

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Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen besteht keine Veranlassung.