Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 12.11.2015


BPatG 12.11.2015 - 26 W (pat) 18/14

Markenbeschwerdeverfahren – "Cada Design/CADA" – Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit – keine Verwechslungsgefahr – kein Sonderschutz der bekannten Marke


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
12.11.2015
Aktenzeichen:
26 W (pat) 18/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 038 873

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juli 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Reker und Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

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Cada Design

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ist am 21. September 2010 angemeldet und am 20. Januar 2011 unter der Nummer 30 2010 038 873 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden. Nach Einschränkungen des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses am 10. Mai 2013 und mit Schriftsatz vom 15. Juni 2015 ist sie noch registriert für Waren und Dienstleistungen der

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Klasse 11: Lampen [elektrisch]; Deckenlampen; Bodenlampen; Hängeleuchten; Stehleuchten; Pendelleuchten; Abzugshauben für Küchen; Grillgeräte [Küchengeräte]; Küchenherde; Laternen;

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Klasse 20: Möbel; Tische; Sitzgelegenheiten (Möbel); Küchenmöbel; Schreibtische; TV-Boards (Möbel); Sideboards; Regale; Liegen (Möbel), Couchtische; Schränke, Bücherschränke; Betten (Möbel); Kommoden; Barhocker; Bänke (Möbel); Stühle; Sessel (Möbel); Hocker; Sofas; Ohrensessel; Armsessel; Spiegel; Kleiderständer; Zeitungsständer; Garderobenständer; Regenschirmständer;

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Klasse 35: Werbung, Marketing; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen, auch über das Internet, betreffend Möbel, Lampen, Leuchten.

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Gegen die Eintragung, die am 25. Februar 2011 veröffentlicht worden ist, hat die Inhaberin der Wortmarke

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CADA

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die am 21. Oktober 1994 unter der Nummer 1 190 986 eingetragen worden ist für Waren der

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Klasse 14: Aus Edelmetallen oder deren Legierungen hergestellte Waren, nämlich kunstgewerbliche Gegenstände, Ziergegenstände;

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Klasse 21: Tafelgeschirr (ausgenommen Bestecke), Tafelaufsätze;

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Klasse 34: Aschenbecher, Zigarren- und Zigarettenetuis, Zigarren- und Zigarettenspitzen; aus Edelmetallen oder vorrangiger Verwendung von Edelmetallen oder deren Legierungen, auch unter Verwendung von Edelsteinen oder Halbedelsteinen hergestellte Schmuckstücke

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Widerspruch erhoben.

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Am 13. September 2011 hat der Inhaber der angegriffenen Marke Nichtbenutzungseinrede erhoben und die Widersprechende hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt.

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Mit Beschluss vom 16. Januar 2014 hat die Markenstelle für Klasse 20 des DPMA den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, weder bestehe zwischen den Marken eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, noch liege ein Verstoß gegen den Sonderschutz der bekannten Marke gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG vor. Eine Glaubhaftmachung der Benutzung sei allenfalls für Schmuckwaren erfolgt. Schmuckwaren hätten aber nahezu keine Berührungspunkte mit den für die angegriffene Marke geschützten Lampen, Küchengeräten, Möbeln oder den Werbe- sowie Einzel- und Großhandelsdienstleistungen mit entsprechenden Produkten. Sie dienten unterschiedlichen Zwecken, würden von anderen Adressaten erworben bzw. in Anspruch genommen, von unterschiedlichen Unternehmen hergestellt und an anderen Vertriebsstellen angeboten. Da es sich um völlig unterschiedliche Branchen handele, seien die Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke den Widerspruchswaren unähnlich. Denn die angesprochenen Verkehrskreise würden nicht davon ausgehen, dass ein Möbelhersteller auch Schmuck produziere. Trotz klanglich identischer Marken, weil „Design“ als beschreibender Hinweis eher vernachlässigt werde, und einer etwaigen Bekanntheit der Widerspruchsmarke für Schmuck sei aufgrund der Waren- und Dienstleistungsferne eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Für eine Löschung unter dem Aspekt des Sonderschutzes der bekannten Marke gebe es keine Anhaltspunkte. Weder eine „Verwässerung“ noch eine Beeinträchtigung der Wertschätzung der Marke „CADA“ sei ersichtlich, da das angesprochene allgemeine Publikum angesichts der völlig unterschiedlichen Branchen und der Ferne der Waren und Dienstleistungen nicht annehmen werde, dass die jüngere Marke „Cada Design“ mit der Widerspruchsmarke wirtschaftlich in Verbindung stehe.

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Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

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Sie ist der Ansicht, die Benutzung sei nicht nur für Schmuck, sondern auch für Kerzenleuchter (-ständer) als kunstgewerbliche Gegenstände glaubhaft gemacht. Die Produkte des seit 1983 bestehenden Schmuckunternehmens der Widersprechenden würden nicht nur in ihrem Geschäft in München, sondern auch in anderen exklusiven deutschen Mode- und Designläden verkauft. Der Schmuck werde unter der Widerspruchsmarke im Internet unter den Domains „cada.de“ und „cada-schmuck.de“ beworben, die monatlich von etwa 1.000 Besuchern angeklickt würden, aber auch über den weltweit führenden Onlinestore für Luxusartikel www.mytheresa.com angeboten. Lieferungen erfolgten weltweit an Kunden in Paris, London, Amsterdam und St. Moritz. Auch Kerzenleuchter würden seit 2006 unter der Marke „CADA“ angeboten. An den Schmuckstücken und Kerzenleuchtern sei die Bezeichnung „CADA“ als Punze angebracht. Auf den Verpackungsschachteln, -stoff- oder –samtsäckchen und –tüten sei das Logo „CADA“ aufgedruckt. Dies gelte auch für die Rechnungen. Wegen der Umsatzzahlen von 2006 bis 2011 mit Schmuck und Kerzenleuchtern etc. sowie der Werbeetats in den Jahren 2010 und 2011 wird auf die eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführer der Widersprechenden vom 21. August 2012 (Anlage W 1) Bezug genommen.

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Es liege auch eine Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit vor. Beide Parteien seien im Designbereich tätig, die Widersprechende vorwiegend im Schmuckdesign, der Inhaber der jüngeren Marke im Möbeldesign, so dass beide um designinteressierte Kunden werben würden. Diese Waren würden gemeinsam in Frauenzeitschriften und auf der internationalen Designmesse „blickfang“ präsentiert, von demselben Unternehmen, z. B. Onlinekaufhäusern, angeboten, hätten die gleichen Nutzerkreise und dienten dem gleichen Zweck, nämlich den Wohnbereich auszugestalten. Möbel und Tapeten könnten wie Schmuck wirken. Bei Eingabe der Begriffe „Cada“ und „Schmuck“ in die Bildrecherche von Google erschienen nicht nur Bilder vom Schmuck der Widersprechenden, sondern auch von Möbeln des Beschwerdegegners. Eine Differenzierung zwischen den Herstellern sei für den Verbraucher nicht möglich. Zahlreiche weltbekannte Designer würden nicht nur Kleidung und Schmuck, sondern auch Möbel entwerfen, z. B. Calvin Klein (Calvin Klein Home), Joop (Joop! Livingroom), Giorgio Armani (ARMANI/CASA). Die Marken „Zara“ und „H&M“ deckten mit „Zara Home“ und „H&M Home“ neben Textilien und Schmuck auch den Wohnbereich ab. Die mit Swarovski Elementen veredelte Schlafzimmerserie „Starlight“ sei in Kooperation zwischen einem Möbelhersteller und Swarovski, dem Inbegriff für hochwertiges Schmuckdesign, entworfen worden. Schmuckdesigner wie Cartier und Swarovski böten in ihren Online-Shops neben Schmuck auch Wohnaccessoires an. Das Publikum sei daher daran gewöhnt, dass Schmuck und Möbel aus ein- und derselben Designerhand stammen könnten (BGH GRUR 1999, 496 – Tiffany).

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Die umfangreiche Präsenz der Widerspruchsmarke „CADA“ in allen führenden Mode- und Lifestyle-Zeitschriften sowie die Nennung in diversen Städteführern von 2004 bis 2012 belege deren gesteigerte Kennzeichnungskraft im deutschen Designbereich, der sich nicht nur auf Schmuck beschränke, sondern auch auf Gebrauchsgegenstände im Wohnbereich, wie Kerzenständer, erstrecke.

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Die Widerspruchsmarke „CADA“ sei identisch in der jüngeren Marke „Cada Design“ enthalten. Das heute fast inflationär gebrauchte Wort „Design“ trete als rein beschreibender Bestandteil zurück, weil es die Form oder Gestaltung einer Sache bezeichne bzw. auf deren Besonderheit oder Einzigartigkeit hinweise. Dadurch seien die Vergleichsmarken klanglich und schriftbildlich identisch.

21

Diese würden zudem gedanklich miteinander in Verbindung gebracht. Im Designbereich sei es durchaus üblich, dass Designer völlig verschiedene Objekte entwerfen und vertreiben würden. Das Publikum werde daher annehmen, dass wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Herstellern und Anbietern der Vergleichswaren bestünden.

22

Aufgrund der jahrzehntelangen intensiven Benutzung sei die Marke „CADA“ auch bekannt im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG. Durch den Verkauf von in Designerkreisen und bei Prominenten hoch geachteten Schmucks habe sich die Widersprechende ein gehobenes Markenimage aufgebaut. Diese Bekanntheit und der Prestige-Werbewert der Widerspruchsmarke für Schmuck strahlten auch auf Kerzenständer aus. Die Nutzung der Marke „Cada Design“ ziele allein darauf ab, von der Wertschätzung der Widerspruchsmarke zu profitieren.

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Die Widersprechende beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 20 des DPMA vom 16. Januar 2014 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Wortmarke 1 190 986 anzuordnen.

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Sie regt an, die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) zuzulassen, wenn der Senat von der Tiffany-Entscheidung des BGH (GRUR 1999, 496) abweichen sollte. Denn auch in dieser Entscheidung habe der Luxusaspekt eine Rolle gespielt, was dem besonderen Design im vorliegenden Fall entspreche. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde komme ferner in Betracht, „weil nach ihrer Auffassung betriebliche Herkunft mit dem Gedanken des Stammens aus einer Designerhand gleichzusetzen sei. Zudem würden Schmuck und Möbel neuerdings in denselben Läden - mit Ausnahme von Kaufhäusern - angeboten, die sich auf hochwertiges Design spezialisiert haben. Das gelte auch für Onlineshops wie Westwing, die sich auf hochwertiges Design spezialisieren und die gesamte Produktpalette von Schmuck bis zu Möbeln anbieten würden“.

26

Der Markeninhaber und Beschwerdegegner beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

28

Unter Bezugnahme auf seinen Vortrag im Amtsverfahren verteidigt er den angefochtenen Beschluss. Er vertritt die Auffassung, der Umstand, dass teilweise Möbel und Schmuck in den gleichen Verkaufsstätten wie Warenhäusern und Onlineshops angeboten würden, begründe noch keine erhöhte Ähnlichkeit zwischen diesen Produktklassen. Es werde zudem bestritten, dass dort Schmuck und Möbel unmittelbar nebeneinander zu finden seien. Es könne sein, dass vereinzelt Designer neben Schmuck auch Möbelstücke entwürfen. Das sei jedoch nicht so verbreitet, dass der angesprochene Verkehrskreis annehme, diese unterschiedlichen Waren kämen aus dem gleichen Hause. Design könne sich auf verschiedene Produktkategorien erstrecken. Frauenzeitschriften befassten sich mit einer Vielzahl von Waren und Dienstleistungen. Schmuck und Möbel hätten gänzlich unterschiedliche Verwendungs- und Nutzungszwecke, konkurrierten nicht miteinander und ergänzten sich auch nicht. Das gemeinsame Angebot in großen Möbelhäusern begründe kein markenrechtlich relevantes Ähnlichkeitsverhältnis. Der hohe Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, den er bestreite, beschränke sich auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft für den Bereich „Schmuck“ und strahle nicht auf Möbel oder Lampen aus.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

30

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre Standpunkte aufrecht-erhalten und vertieft.

II.

31

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg.

32

Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass jedenfalls mangels Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr zwischen den Marken nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht und auch ein Bekanntheitsschutz gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG von der Widerspruchsmarke nicht beansprucht werden kann.

33

Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.: EuGH GRUR 2010, 933 Rdnr. 32 f. - Barbara Becker; BGH GRUR 2015, 176 f. Rdnr. 9 u. 10 - ZOOM m. w. N.).

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1. Da der Inhaber der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke „CADA“ bestritten hat, kann nur von den Widerspruchswaren und -dienstleistungen ausgegangen werden, deren rechtserhaltende Benutzung die Widersprechende hinreichend glaubhaft gemacht hat.

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a) Die Einrede der Nichtbenutzung ist am 13. September 2011 erhoben worden, ohne präzise eine Vorschrift zu zitieren, so dass sie nach ständiger Rechtsprechung beide Zeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG umfasst (BGH GRUR 1998, 938 – DRAGON).

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Da die am 21. Oktober 1994 eingetragene Widerspruchsmarke im Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 25. Februar 2011 schon länger als fünf Jahre im Register eingetragen war, ist die Einrede sowohl nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG als auch nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässig.

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b) Der Widersprechenden oblag es daher, glaubhaft zu machen, dass ihre Marke innerhalb der beiden Zeiträume vom 25. Februar 2006 bis 25. Februar 2011 und vom 29. Juli 2010 bis 29. Juli 2015 benutzt worden ist.

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aa) Nach dem belegten Vortrag der Widersprechenden wurden von den unter der Marke „CADA“ vertriebenen Kerzenleuchtern nur 10 bis 14 hergestellt. Sie wurden zum Einzelpreis von 2.000 € bzw. zum Paarpreis von 3.600 € angeboten. Allerdings wurden nur zwei davon, jeweils einer im Herbst 2007 und einer im Herbst 2008, für insgesamt 4.000 € verkauft. Angesichts des hohen Preises und da die Kerzenleuchter im Geschäft der Widersprechenden und auf der Website www.fuessinger-wolff unter der Marke CADA ständig angeboten werden, muss davon ausgegangen werden, dass die Marke für Kerzenleuchter im ersten Benutzungszeitraum „tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent“ gewesen ist, was eine Scheinbenutzung ausschließt. Allerdings sind im zweiten Benutzungszeitraum vom 29. Juli 2010 bis 29. Juli 2015 mit den Kerzenleuchtern gar keine Umsätze mehr erzielt worden, so dass eine rechtserhaltende Benutzung der Marke „CADA“ für Kerzenleuchter insgesamt nicht glaubhaft gemacht worden ist.

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bb) Zweifelhaft ist auch, ob eine hinreichende Glaubhaftmachung für Schmuckwaren erfolgt ist. Zwar belegen die von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen eine intensive Benutzung der Marke „CADA“ über die Jahre 2001 bis 2012 für Schmuck nach Zeit, Art, Ort und Form, aber was den Umfang betrifft, dürfte es an einer nach Produktgruppen differenzierten Darstellung der Umsätze fehlen. Denn nach der eidesstattlichen Versicherung der Geschäftsführer der Widersprechenden vom 21. August 2012 (Anlage W 1) hat die Widersprechende in den Jahren 2006 bis 2011 mit Schmuck, Kerzenleuchtern, Gürteln, Gürtelschnallen, Schlüsselanhängern und Geldklammern insgesamt jährliche Umsätze zwischen etwa 1,4 Mio. € im Jahr 2006 bis zuletzt etwa 1,7 Mio. € im Jahr 2011 erzielt. Auch wenn im Anschluss Einzelpreise der Gürtel und Kerzenleuchter genannt werden, bleibt unklar, in welcher konkreten Höhe Umsatz nur für Schmuck gemacht worden ist. Hinzu kommt, dass für 2012 bis Juli 2015, also für insgesamt 3 ½ Jahre jegliche Umsatzangaben fehlen.

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2. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn eine rechtserhaltende Benutzung der Marke „CADA“ für Schmuck hinreichend glaubhaft gemacht worden wäre, wäre eine Verwechslungsgefahr zu verneinen, weil die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung unähnlicher Waren und Dienstleistungen verwendet werden.

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a) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (EuGH, GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH, GRUR 2014, 488 Rdnr. 12 – DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176, 177 Rdnr. 16 - ZOOM). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (BGH a. a. O. – DESPERADOS/DESPERADO; a. a. O. Rdnr. 17 - ZOOM).

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Das stärkste Gewicht kommt im Hinblick auf die Herkunftsfunktion der Marke der regelmäßigen betrieblichen Herkunft, also dem gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich für die Qualität der Waren und/oder Dienstleistungen zu (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 9 Rdnr. 88), während der regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsstätte ein geringeres Gewicht zugemessen wird. Bei der funktionellen Ergänzung ist ein enger Zusammenhang in dem Sinne erforderlich, dass die Ware oder Dienstleistung für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 9 Rdnr. 93 m. w. N.).

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b) Schmuck einerseits sowie Möbel, elektrische Lampen, Küchengeräte, Werbedienstleistungen und Einzel- und Großhandelsdienstleistungen mit Möbeln, Lampen und Leuchten andererseits haben keine Berührungspunkte miteinander. Die für die angegriffene Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen und die Widerspruchswaren werden in unterschiedlichen Betrieben hergestellt oder erbracht und dienen unterschiedlichen (Verwendungs-) Zwecken. Die Vergleichswaren weisen eine unterschiedliche stoffliche Beschaffenheit auf. Sie ergänzen sich auch nicht. Schmuck ist für die Verwendung von Möbeln, elektrischen Lampen und Küchengeräten weder unentbehrlich noch wichtig. Der Umstand, dass Möbel mit Schmucksteinen verziert sein können, macht sie noch nicht zu funktionell nahestehenden Produkten. Selbst in Möbelhäusern, großen Warenhäusern oder Onlineshops werden Schmuck und Möbel in gesonderten Abteilungen bzw. getrennten Kategorien vertrieben und nicht unmittelbar nebeneinander. Sowohl in Kaufhäusern, Supermärkten und Baumärkten als auch in Frauen- und Modezeitschriften werden viele unterschiedliche Waren und Dienstleistungen angeboten, um viele unterschiedliche potentielle Käufer anzuziehen, ohne dass die von den Vergleichswaren angesprochenen breiten inländischen Verkehrskreise denken würden, diese würden unter der Kontrolle desselben Unternehmens hergestellt bzw. erbracht (BGH GRUR 1999, 158 – GARIBALDI; GRUR 1999, 164, 166 – JOHN LOBB; vgl. auch BPatG GRUR 1997, 651 f. – PUMA). Vertriebsüberschneidungen werden daher regelmäßig nur neben anderen Kriterien zur Begründung einer Waren/Dienstleistungsähnlichkeit herangezogen (vgl. BGH GRUR 2004, 600 f. – d-c-fix/CD-FIX; GRUR 2003, 428, 432 – BIG BERTHA).

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Das angesprochene allgemeine Publikum wird also nicht annehmen, dass die Schmuckwaren der Widersprechenden von demselben Unternehmen stammen wie Möbel, Lampen und Küchengeräte. Das gilt auch für die Einzelhandelsdienstleistungen mit Möbeln, Lampen und Küchengeräten sowie für die Werbedienstleistungen des Inhabers der jüngeren Marke.

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c) Auch der Umstand, dass es sich bei allen hier zu beurteilenden Waren um Designgegenstände handeln kann, begründet keine Ähnlichkeit.

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aa) „Design“ bedeutet „formgerechte und funktionale Gestaltgebung und daraus sich ergebende Form eines Gebrauchsgegenstandes o. Ä.; Entwurf[szeichnung]“ (Duden online, www.duden.de; Duden – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden, 3. Aufl. 1999, S. 792). Mit „Design“ in seiner ursprünglichen Bedeutung wird eine äußere Gestaltung, ein Entwurf oder eine Formgebung beschrieben.

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bb) Da jeder Warenproduktion der Entwurf und die Planung, also ein entsprechendes Design, vorausgehen, hat dieses Kriterium genauso wie Merchandising auf Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie Ergänzungs- und Konkurrenzverhältnisse keinen zwingenden Einfluss (vgl. zum Merchandising: BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; GRUR 2006, 941, 942 - TOSCA BLU; GRUR 2007, 321, 323 - COHIBA; BGH GRUR 2010, 726 Rdnr. 26 - Opel-Blitz II). Es kann entgegen der Auffassung der Widersprechenden auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Verkehrsauffassung dahingehend gewandelt hat, dass Produkte unterschiedlichster Kategorien vom allgemeinen Publikum nur deshalb als ähnlich angesehen werden, weil sie von ein und demselben (bekannten) Designer entworfen wurden und/oder vertrieben werden. Diese Annahme lässt sich weder mit den wenigen Beispielen rechtfertigen, dass drei weltbekannte Modedesigner neben Schmuck auch Möbel designen und zwei Schmuckdesigner auch Wohnaccessoires anbieten, noch mit der Behauptung, vereinzelte Geschäfte und ein Onlineshop würden sich auf hochwertige Designgegenstände spezialisieren und die gesamte Produktpalette von Schmuck bis zu Möbeln anbieten. Ob Waren und/oder Dienstleistungen ähnlich sind oder nicht, hängt allein von der Art der betroffenen Waren und/oder Dienstleistungen selbst ab; Design sagt für sich allein nichts über ihre Herkunft aus. Sämtliche aus Designerhand stammenden Gegenstände als ähnlich im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG einzustufen, würde die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit völlig außer Acht lassen und zu einer Aushöhlung des Begriffs der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit führen.

48

Aufgrund der mangelnden Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit scheidet eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Kollisionszeichen aus.

49

3. Für eine Inanspruchnahme des Sonderschutzes der bekannten Marke nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG fehlt es an der erforderlichen Bekanntheit der Widerspruchsmarke „CADA“.

50

a) Eine Marke ist bekannt, wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist, ohne dass bestimmte Prozentsätze des Bekanntheitsgrades zu fordern sind. Als Bekanntheitsfaktoren, die sowohl im Prioritätszeitpunkt der jüngeren Marke als auch zum Entscheidungszeitpunkt vorliegen müssen, sind zu berücksichtigen die Bekanntheit im demoskopischen Sinne, der Marktanteil der Marke, die Intensität ihrer Benutzung (Umsatzstärke), die geographische Ausdehnung, die Dauer der Benutzung und der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zur Förderung der Marke getätigt hat, wie z. B. Werbeaufwendungen, Sponsoring oder branchenübergreifende Lizenzverträge (EuGH GRUR 2009, 1158 Rdnr. 25 – PAGO/Tirolmilch m. w. N.; BGH GRUR 2003, 428, 432 – BIG BERTHA). Die Marke muss durch erfolgreiche wirtschaftliche Anstrengungen des Markeninhabers einen wirtschaftlichen Wert erlangt haben, der – auch branchenübergreifend – einer unlauteren Ausbeutung oder Beeinträchtigung durch Dritte zugänglich ist.

51

b) Weder zum Anmeldezeitpunkt, dem 21. September 2010, noch zum Entscheidungszeitpunkt, dem 29. Juli 2015, ist die Bekanntheit der Marke „CADA“ hinreichend nachgewiesen.

52

Die Widersprechende benutzt das Logo „CADA“ für Schmuck zwar seit 1986 nahezu ausschließlich in Deutschland für die von ihr gefertigten Schmuckwaren sowie für Gürtel, Kerzenleuchter, Gürtelschnallen, Schlüsselanhänger und Geldklammern. Aber bei einem Umsatz der Schmuckindustrie ohne Uhren in Deutschland in den Jahren 2009 bis 2012 zwischen 3,3 Mrd. € und 3,6 Mrd. € (vgl. die gemeinsame Pressemeldung des Bundesverbandes Schmuck und Uhren sowie des Bundesverbandes der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte vom 14. Februar 2014, http://www.bvt-ev.de/juweliere/news/2014-02-14) erscheint der jährliche Umsatzanteil der Widersprechenden in den Jahren 2006 bis 2011 zwischen 1,4 und 1,7 Mio. € unbedeutend. Ferner fehlen Umsatzangaben für die Zeit ab 2012 bis Juli 2015. Auch die Ausgaben für Werbung in Höhe von 61.516 € im Jahr 2010 und 118.905 € im Jahr 2011 sind zu gering, um eine Bekanntheit zu belegen. Zudem fehlen weitere Angaben über Werbeaufwendungen bis zum Entscheidungszeitpunkt. Auch die Nennung der Schmuckwaren der Widersprechenden in Artikeln und dem redaktionellen Teil renommierter Mode- und anderer Zeitschriften in den Jahren 2001 bis 2012 führt nicht zu einer Steigerung der Bekanntheit der Widerspruchsmarke, zumal die Marke darin selten groß genug dargestellt wird. Selbst bei einer Bewertung der PR-Aktivitäten für redaktionelle Veröffentlichungen in einem – von der Widersprechenden geschätzten Umfang für einen „return of invest“ – von bis zu 1,2 Mio €, erscheint ein solcher Betrag als zu gering. Zur Größe ihres Marktanteils im Schmucksegment hat die Widersprechende nichts vorgetragen. Dem Senat ist auch nicht bekannt, dass CADA auf dem Schmuckmarkt eine marktführende Stellung einnimmt.

III.

53

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit (§ 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

IV.

54

Einen Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil nach Auffassung der Widersprechenden sämtliche aus Designerhand stammenden Gegenstände als ähnlich im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG anzusehen seien, besteht nicht. Denn der Senat hat auf der Grundlage der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit entschieden.

55

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erforderlich, weil die Senatsentscheidung nicht von der BGH-Entscheidung zu „Tiffany“ (GRUR 1999, 496) abweicht. Die darin angenommene, wenn auch nur geringe Ähnlichkeit zwischen Zigaretten und Raucherartikeln wurde vor allem damit begründet, dass Raucherartikel ihren Zweck nur in Verbindung mit den entsprechenden Tabakwaren erfüllen könnten. Da Zigaretten und Raucherartikel im Verbrauch und Gebrauch aufeinander bezogen sind, lag die gemeinsame betriebliche Herkunft für das Publikum nahe. Eine solche zwingende Verbindung gibt es zwischen Schmuck und Einrichtungsbedarf nicht. Ferner werden Zigaretten und Raucherartikel in den gleichen Fachgeschäften vertrieben, während Schmuck und Einrichtungsgegenstände in unterschiedlichen Fachgeschäften und selbst in großen Warenhäusern nur in getrennten Spezialabteilungen angeboten werden. Der Umstand, dass vier sehr bekannte Tabakwaren- und Luxusgüterhersteller damals sowohl Zigaretten als auch Feuerzeuge in gehobener Ausstattung anboten, war in dieser Entscheidung nur noch ein weiteres Begründungselement, das alleine zur Begründung der Warenähnlichkeit nicht ausgereicht hätte.