Entscheidungsdatum: 31.01.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2011 016 518
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 31. Januar 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Jacobi und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wortmarke
ETAX
ist am 21. März 2011 angemeldet und am 29. April 2011 unter der Nummer 30 2011 016 518 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren und Dienstleistungen der
Klasse 9: Ton-/Bild- sowie Datenträger aller Art, insbesondere Tonbänder, Kassetten, CDs, Schallplatten, Magnetaufzeichnungsträger, Videobänder, Disketten, CD-ROMs, DVDs, sämtliche vorstehende Waren in bespielter Form (ausgenommen lichtempfindliche, unbelichtete Filme); Computerprogramme, insbesondere für Unterrichts-, Lern- und Spielzwecke;
Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Prospekte und Kataloge; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Schreibwaren, Schreibgeräte; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten;
Klasse 38: Telekommunikation; Bereitstellen des Zugriffs auf Computerprogramme in Datennetzen; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet; Bereitstellung von Internet-Chatrooms; Durchführung von Videokonferenzen; elektronischer Austausch von Nachrichten mittels Chatlines, Chatrooms und Internetforen; Telekommunikation mittels Plattformen und Portalen im Internet; Online-Dienstleistungen, nämlich elektronische Übermittlung von Inhalten aus Büchern, Druckereierzeugnissen und Druckschriften auf Abruf; Informationsdienste über das Internet, nämlich elektronische Übermittlung von Nachrichten, Daten, Bildern und Dokumenten;
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Betrieb einer Hochschule (Erziehung und Ausbildung); Durchführung von Master- und Bachelorstudiengängen; Fernkurse; Fernunterricht; Durchführung von pädagogischen Prüfungen; Aus- und Weiterbildung in Form von Seminaren, Konferenzen und Kongressen, auch über das Internet; Bereitstellen von Lerninhalten über Internet und Intranet (nicht herunterladbar); Veranstaltung und Durchführung von Seminaren, Workshops (Ausbildung) und Kolloquien; Organisation und Veranstaltung von Kongressen, Konferenzen und Vortragsveranstaltungen; Herausgabe von Texten, soweit in Klasse 41 enthalten; Herausgabe von Verlags- und Druckereierzeugnissen, jeweils soweit in Klasse 41 enthalten, auch in elektronischer Form.
Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 3. Juni 2011 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus der Wortmarke
ETAX
die am 16. September 2003 in das beim DPMA geführte Register unter der Nummer 301 29 333 eingetragen worden ist für Dienstleistungen der Klassen 35, 36 und 42:
„Unternehmensberatung; Verwaltung fremder Geschäftsinteressen; Werbung; Kreditberatung; Kreditvermittlung; Nachforschung in Geldangelegenheiten; Grundstücks- und Hausverwaltung; Immobilien- und Hypothekenvermittlung; Schätzen von Immobilien, Vermögensverwaltung; Wohnungsvermietung; Versicherungswesen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“.
Am 6. Dezember 2011 hat der Inhaber der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestritten.
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2014 hat die Markenstelle für Klasse 38 des DPMA eine Verwechslungsgefahr verneint und sowohl den Widerspruch aus der vorgenannten Marke als auch den Widerspruch aus der Wort-/Bildmarke (30 2011 000 655) zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie hinsichtlich der Widerspruchsmarke „ETAX“ ausgeführt, während für die Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 gar keine Benutzungsnachweise vorgelegt worden seien, sei für die Dienstleistung in Klasse 42 „Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“ der Umfang der Benutzung der älteren, identischen Marke vom Umfang her nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. In der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Rechtsvorgängerin der Widersprechenden vom 17. April 2012 seien für die Jahre 2005 bis 2011 lediglich die Anzahl der Steuerberatungskanzleien, die das ETAX-System im Rahmen einer Nutzungsvereinbarung genutzt hätten, und die Anzahl der Arbeitsplätze, auf denen das Programm installiert gewesen sei, angegeben worden. Umsatzzahlen seien nicht genannt worden. Abgesehen davon, dass es keinen hinreichenden Anhalt dafür gebe, dass es sich bei dem E… um einen Konzern handele, also um die Zusammenfassung rechtlich selbständiger Unternehmen zu einer wirtschaftlichen Einheit unter einheitlicher Leitung, sei eine konzerninterne Verwendung grundsätzlich unzureichend. Für einen Ausnahmefall bei besonderen Produkten, die ausschließlich innerhalb des Konzerns Verwendung fänden, fehle substantiierter Vortrag.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die als Rechtsnachfolgerin das Beschwerdeverfahren übernommen hat, nachdem sie mit der ursprünglichen Widersprechenden, der H.-D.-W. Erste Vermögensverwaltung GmbH, verschmolzen ist. Sie ist der Ansicht, die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Dienstleistung „Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“ sei glaubhaft gemacht worden. Das Softwareprogramm sei als Ergebnis einer Programmierdienstleistung untrennbar mit dieser verbunden. Datenträger oder Handbücher seien notwendige Medien dieser Dienstleistung. Die ältere Marke werde seit 2003 umfangreich für ein Software-Paket für Steuerberater benutzt, das die Module ETAXorga, ETAXabschluss, ETAXfibu und ETAXlohn umfasse und allen Mitgliedern des E… angeboten werde, die es aufgrund von Vereinbarungen gegen Entgelt nutzen könnten. Dabei gewährleiste die Widersprechende die Bereitstellung der jeweils aktuellen Programmversionen per Datenträger oder online und bediene sich zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung der S… GmbH und der e… GmbH & Co. KG. Die Nutzer erhielten
Informationen über Anwenderstandards und Nutzungsbedingungen des ETAX-Systems im Internet und ein von der e… GmbH & Co. KG herausgegebenes
Programmhandbuch zur ETAXfibu. Die Installation der Programme erfolge durch den Servicepartner S… GmbH. Zwischen 2005 und 2011 hätten bis
zu 500 Kanzleien mit bis zu 3.000 Arbeitsplätzen das ETAX-System genutzt. Die Widerspruchsmarke ETAX werde auch durch die Verwendung der Modulbezeichnungen ETAXorga, ETAXabschluss, ETAXfibu und ETAXlohn verwendet. Denn ETAX sei grafisch heraus- und vorangestellt und die Suffixe „orga“, „abschluss“, „fibu“ für „Finanzbuchhaltung“ sowie „lohn“ hätten rein beschreibende Funktion. Die Benutzung der Widerspruchsmarke sei auch ernsthaft. ETAX-Dienstleistungen und -Programme wendeten sich an Steuerfachkreise und könnten nur von diesen bestimmungsgemäß gebraucht werden. Die E… weise eine konzernartige Struktur mit über 740 Kanzleien auf. Sie sei bundesweit Marktführer im Bereich Steuerberatung und gehöre mit einem Umsatz von über 600 Mio. € zu den größten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften mit bundesweit über 7.000 Mitarbeitern. Darunter befänden sich mehr als 1.400 Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater mit über 148.000 Mandanten. Die Widerspruchsmarke werde nur innerhalb der E…-verwendet. Es gebe keine spätere Berührung mit dem freien Warenverkehr. Dennoch liege der Ausnahmefall einer rechtserhaltenden Benutzung der Marke für ein besonderes Produkt vor, weil es gute Gründe gebe, die ältere Marke allein im Rahmen des E… zu benutzen. Bei einer so hohen Anzahl von Nutzern rechne sich der Aufbau und Betrieb interner Programme, wie es bei ETAX der Fall sei. Im Zeitraum 2009 bis 2015 habe der jährliche Gesamtumsatz mit ETAX-Nutzungsvereinbarungen einen einstelligen Millionenbetrag ausgemacht. Gerade in einem Verbund mit seinen im Vergleich zu einem klassischen Fall des Konzerns eher loseren Strukturen sei der Betrieb interner Software sinnstiftend und einer der maßgeblichen Vorteile solcher Kooperationen. Es liege nahe, derart interne Strukturen zu schaffen und auszunutzen, ohne dabei kommerzielle Absichten im Sinne einer freien Vermarktung der Programme mit Gewinnerzielungsabsicht zu verfolgen. Es liege nicht im Interesse des E… …, das ETAX Programm auch Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern oder Rechtsanwälten außerhalb des E… zur Verfügung zu stellen. Es wäre geradezu kontraproduktiv, derart Know-How trächtige Produkte auf dem freien Markt zu vertreiben. Vielmehr verfolge der E… das Ziel, die Dienstleistungen bzw. Programme unter dem Zeichen ETAX für die Partnergesellschaften zu monopolisieren. Für kommerzielle Interessen im Sinne einer Zugänglichmachung dieses Know-Hows für Mitbewerber sei somit bewusst kein Platz.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des DPMA vom 8. Dezember 2014 aufzuheben und das DPMA anzuweisen, die angegriffene Marke 30 2011 016 518 wegen des Widerspruchs aus der Marke 301 29 333 zu löschen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er rügt hinsichtlich der erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten weiteren Mittel der Glaubhaftmachung Verspätung. Es sei der Widersprechenden auch schon vor Abschluss des patentamtlichen Verfahrens möglich gewesen, die im Beschwerdeverfahren nachgereichten Dokumente vorzulegen. Zur Benutzung der älteren Marke für die in den Klassen 35 und 36 registrierten Dienstleistungen fehle jeglicher Vortrag. Die ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke für die Dienstleistungen der Klasse 42 sei nicht glaubhaft gemacht worden. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich allenfalls, dass die Widersprechende ein Computerprogramm speziell für Steuerberater mit dem Namen „ETAX“ anbiete, welches in einem Verbund von mehreren Kanzleien kostenpflichtig benutzt werden könne, somit ein Produkt, das in die Klasse 9 falle. Die Kennzeichnung „ETAX“ für ein Software-Programm könne aber keine Benutzung für die Programmierdienstleistung begründen. Der Verkehr stelle nämlich zwischen der Produktbezeichnung und der Dienstleistung keinen herkunftshinweisenden Bezug her. Auch ein ernsthafter Benutzungsumfang sei nicht belegt. Die eingereichten Beispielrechnungen beträfen allesamt eine E… AG Steuerberatungsgesellschaft in Erfurt. Aus den verspätet vorgelegten Umsatzzahlen gehe nicht hervor, auf welche Waren oder Dienstleistungen sich diese bezögen. Die ältere Marke werde auch nicht in Alleinstellung benutzt. Durch die vielen verschiedenen Wortzusätze werde der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke verändert. Der Vortrag der Widersprechenden zur vermeintlichen Konzernstruktur gebe keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass unter dem E… rechtlich selbständige Unternehmen zu einer wirtschaftlichen Einheit unter einheitlicher Leitung zusammengefasst seien. Das wirtschaftliche Interesse an der rein verbundinternen Verwendung der Widerspruchsmarke erschließe sich nicht. Mangels eines besonderen Produkts sei auch kein Ausnahmefall einer rechtserhaltenden Benutzung trotz interner Verwendung gegeben. Zwischen den sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen bestehe keine Ähnlichkeit, so dass eine Verwechslungsgefahr nicht angenommen werden könne.
Der auf Antrag der Widersprechenden auf den 31. Januar 2018 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde nach Rücknahme dieses Antrags aufgehoben. Im Hinblick auf die Ankündigung der Widersprechenden, an einem gleichwohl stattfindenden Termin nicht zu erscheinen, ist der Senat ins schriftliche Verfahren übergegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache mangels hinreichender Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke keinen Erfolg.
1. Der Inhaber der angegriffenen Marke hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke am 6. Dezember 2011 mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2011 ausdrücklich gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestritten. Da die Widerspruchsmarke am 16. September 2003, mithin länger als fünf Jahre vor der Erhebung der Nichtbenutzungseinrede am 6. Dezember 2011 registriert worden ist, ist die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässig. Damit oblag es der Widersprechenden, die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch, also für den Zeitraum von Januar 2013 bis Januar 2018 hinsichtlich aller maßgeblichen Umstände, insbesondere nach Art, Zeit, Ort und Umfang, darzulegen und glaubhaft zu machen.
2. Zunächst ist festzustellen, dass der vom Inhaber der angegriffenen Marke erhobene Einwand der Verspätung hinsichtlich der weiteren im Beschwerdeverfahren vorgelegten Benutzungsunterlagen nicht durchgreifen kann.
Die Zurückweisung von Glaubhaftmachungsmitteln als verspätetes Vorbringen kommt im Regelfall des schriftlichen Verfahrens nicht in Betracht, weil von einer Verzögerung des Verfahrens nicht ausgegangen werden kann. Die Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung unterliegt keinen gesetzlichen (Ausschluss-)Fristen. Allerdings hat die Glaubhaftmachung so zeitgerecht zu erfolgen, dass sich der Inhaber der angegriffenen Marke noch in angemessenem Zeitraum, also z. B. vor Schluss einer angesetzten mündlichen Verhandlung oder vor einem mitgeteilten Entscheidungstermin im schriftlichen Verfahren, dazu äußern kann. Dies ist vorliegend der Fall gewesen. Hinzu kommt, dass die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG einen sich ständig verändernden Benutzungszeitraum betrifft. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit einer weiteren Glaubhaftmachung hat der Widersprechende von sich aus laufend zu berücksichtigen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 12. Aufl. 2018, § 43 Rdnr. 18). Auch vor diesem Hintergrund kommt eine Zurückweisung der im Beschwerdeverfahren von der Widersprechenden vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel nicht in Betracht.
3. Die Widersprechende hat eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für die Dienstleistung „Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“ in mehrerer Hinsicht weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht, während für die übrigen Widerspruchsdienstleistungen Benutzungsunterlagen vollständig fehlen.
a) Allerdings kann entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners die Bereitstellung des mit „ETAX“ gekennzeichneten Software-Pakets für Steuerberater grundsätzlich als Benutzung der älteren Marke für die Dienstleistung „Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“ angesehen werden, zumal das Angebot nicht nur die physische Übermittlung per Datenträger oder online beinhaltete, sondern auch die Installation der Programme, deren laufende Aktualisierung und Pflege sowie die Betreuung durch eine Hotline. Hinzu kommt, dass ausweislich der Nutzungsbedingungen mit der monatlich zu zahlenden Nutzungsgebühr die Aufwendungen für die Entwicklung, die Weiterentwicklung und die Pflege der Software sowie für den Hotline-Service abgegolten sein sollten.
b) Die Widersprechende dürfte die ihre Wortmarke auch der Art nach rechtserhaltend benutzt haben, obwohl sie teilweise abweichend von der eingetragenen Form verwendet worden ist.
aa) Wird die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, liegt eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG nur vor, wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Das ist dann der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, das heißt in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht.
Bei der Frage, ob eine Marke in der eingetragenen Form oder in einer hiervon abweichenden Form benutzt worden ist, muss vorab geklärt werden, ob weitere Elemente wie zusätzliche Wörter, Bilder, Formen, Farben einen relevanten Bezug zur Marke aufweisen, oder ob es sich lediglich um von der Marke völlig unabhängige allgemeine Sachangaben oder Ausstattungselemente handelt, die für die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Marke ohne Bedeutung sind (BGH GRUR 2017, 1043 Rdnr. 19 – Dorzo m. w. N.; GRUR 2014, 662 Rdnr. 18 – Probiotik m. w. N.).
bb) Bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung durch eine von der Eintragung der Marke abweichende Form kommt es auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise, hier der Steuerfachkreise, an (BGH GRUR 2013, 725 Rdnr. 31 – Duff Beer).
cc) Der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke „ETAX“ wird durch die Verwendung der Modulbezeichnungen wie ETAXorga, ETAXabschluss, ETAXfibu und ETAXlohn nicht verändert. Denn ETAX ist grafisch heraus- und vorangestellt und die Suffixe „orga“, „abschluss“, „fibu“ für „Finanzbuchhaltung“ sowie „lohn“ haben erkennbar eine rein beschreibende Funktion.
c) Zweifel bestehen aber bereits bei der Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der älteren Marke im Benutzungszeitraum Januar 2013 bis Januar 2018 dem Umfang nach.
Zwar sind mit der eidesstattlichen Versicherung vom 14. Oktober 2015 Gesamtumsatzzahlen aus den Vereinbarungen zur Nutzung des ETAX-Systems für 2013 bis 2015 genannt worden, aber es sind nur zwei Rechnungen von 2013 und 2014 an ein und dieselbe Nutzerin und keine weiteren Rechnungen oder Verträge vorgelegt worden, die sich auf andere Steuerkanzleien als Mitglieder des E… … beziehen. Für den Benutzungszeitraum sind auch kein aktuelleres Programmhandbuch als das von März/April 2006 und keine aktuelleren Nutzungsbedingungen als die mit Stand vom 27. Dezember 2011 eingereicht worden.
d) Auf keinen Fall kann aber von einer funktionsgerechten Benutzung ausgegangen werden, weil die ältere Marke bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht im geschäftlichen Verkehr verwendet worden ist.
aa) Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie nicht symbolisch allein zum Zweck der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte, sondern entsprechend ihrer Hauptfunktion - die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, zu garantieren - benutzt wird, um für sie gegenüber Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern (EuGH GRUR 2009, 156 Rdnr. 13 – Radetzky-Orden/BKFR; EuG GRUR Int. 2005, 256 Rdnr. 26 – Vitakraft; GRUR 2003, 425 Rdnr. 35 - 39 – Ansul/Ajax; BGH a. a. O. Rdnr. 38 – Duff Beer; GRUR 2009, 60 Rdnr. 37 – LOTTOCARD). Von einer ernsthaften Benutzung ist jedenfalls auszugehen, wenn keine bloße Scheinbenutzung vorliegt, sondern die Marke tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist (EuGH GRUR 2003, 343 Rdnr. 72 - 74 – Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]). Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es dabei nicht an (EuGH a. a. O. Rdnr. 16 – Radetzky-Orden/BKFR). Eine ernsthafte Benutzung setzt daher voraus, dass die Marke im geschäftlichen Verkehr auf dem Markt der durch sie geschützten Waren oder Dienstleistungen, also öffentlich und nach außen benutzt wird, und nicht nur innerhalb des betreffenden Unternehmens (EuGH a. a. O. Rdnr. 14 – Radetzky-Orden/BKFR; Beschl. v. 27.1. 2004 –C-259/02 Rdnr. 19 f. – La Mer Technology; a. a. O. Rdnr. 37 – Ansul/Ajax; EuG GRUR Int. 2005, 256 Rdnr. 26 – Vitakraft; GRUR INt 2005, 47 Rdnr. 39 – Sunrider/HABM – Espadafor Caba [Vitafruit], bestätigt von EuGH GRUR 2006, 582 Rdnr. 70 f. – The Sunrider Corp./HABM [Vitafruit]). Bei der Prüfung der Frage, ob die Benutzung der Marke ernsthaft ist, sind sämtliche Umstände zu berücksichtigen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird. Dies sind insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen (EuGH a. a. O. Rdnr. 38 – Ansul/Ajax; Beschl. v. 27.1. 2004 –C-259/02 Rdnr. 19 – La Mer Technology).
bb) Eine bloß konzerninterne Benutzung stellt keine markenmäßige Benutzung dar. Denn innerhalb eines Konzernverbunds kommt der Erschließung von Absatzmärkten keine Bedeutung zu, weil die konzernverbundenen Unternehmen unter der Leitung des herrschenden Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit bilden und Absatzmärkte der abhängigen Unternehmen durch Vorgaben des herrschenden Unternehmens bestimmt und abgegrenzt werden können. Wenn sich Waren- oder Dienstleistungsbewegungen trotz rechtlicher Selbständigkeit der Konzernmitglieder wirtschaftlich faktisch als interne Maßnahmen darstellen, liegt keine Nutzung zur Gewinnung von Absatzmärkten vor (BPatG 33 W (pat) 70/11 – IMMETRO/METRO; vgl. im Ergebnis ebenso zum WZG: BGH GRUR 1969, 479 f. – Colle de Cologne; GRUR 1979, 551 f. – lamod; GRUR 1980, 52 f. – Contiflex). Eine rechtserhaltende Benutzung liegt somit nur vor, wenn die Waren oder Dienstleistungen auch außerhalb der Konzerngesellschaften erhältlich sind und die innerbetriebliche Sphäre verlassen (vgl. auch für das schweizerische Recht SchweizBVG GRUR Int 2016, 932, 933 f. – Yaluage). Ob die Konzernunternehmen die Produkte auch von anderen Wettbewerbern beziehen können, ist dabei unerheblich (BGH a. a. O. – lamod).
cc) Die Widersprechende hat selbst vorgetragen, dass die E…-… eine konzernartige Struktur mit über 740 Kanzleien aufweise. Sie sei bundesweit Marktführer im Bereich Steuerberatung und gehöre mit einem Umsatz von über 600 Mio. € zu den größten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften mit bundesweit über 7.000 Mitarbeitern. Darunter befänden sich mehr als 1.400 Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater mit über 148.000 Mandanten. Ferner hat sie ausgeführt, dass die Widerspruchsmarke nur innerhalb des E… verwendet werde und dass es keine spätere Berührung mit dem freien Warenverkehr gebe. Es liege nicht im Interesse des E…, das ETAX Programm auch Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern oder Rechtsanwälten außerhalb des E… zur Verfügung zu stellen. Es wäre geradezu kontraproduktiv, derart Know-how trächtige Produkte auf dem freien Markt zu vertreiben. Vielmehr verfolge der E… das Ziel, die Dienstleistungen bzw. Programme unter dem Zeichen ETAX für die Partnergesellschaften zu monopolisieren.
Die mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Dienstleistung wird somit nur gegenüber Steuerberaterkanzleien und –gesellschaften erbracht, die sich dem E… angeschlossen haben. Die Widersprechende tritt mit ihr nicht öffentlich und nach außen auf. Das ETAX-System ist außerhalb des E… nicht erhältlich. Damit fehlt es an einer funktionsgerechten Benutzung im geschäftlichen Verkehr zur Erschließung von Absatzmärkten.
dd) Entgegen der Ansicht der Widersprechenden liegt auch kein Ausnahmefall einer rechtserhaltenden Benutzung der Marke für ein besonderes Produkt vor.
aaa) Die Kommentarliteratur, die ebenfalls fast einhellig die Auffassung vertritt, dass ein lediglich innerhalb konzernmäßig verbundener Unternehmen erfolgender Warenvertrieb unzureichend sei (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 26 Rdnr. 33; HK-MarkenR/Spuhler, 3. Aufl., § 26 Rdnr. 57; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 26 Rdnr. 57; Bogatz/Schäffler in Kur/v. Bomhard/Albrecht, Markenrecht, § 26 Rdnr. 52; Hackbarth, Grundfragen des Benutzungszwangs im Gemeinschaftsmarkenrecht, 1993, S. 126; Schoene, Der Benutzungszwang im Markengesetz, Diss. 2002, S. 122 f.; Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, § 26 MarkenG Rdnr. 11, wenn die tatsächliche Verfügungsgewalt wegen der Konzernverflechtung sowohl des Veräußerers als auch des Empfängers unverändert bei derselben Leitungsstelle verbleibt; mit dieser Einschränkung auch Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 26 Rdnr. 41), lässt Ausnahmen nur bei besonderen Produkten zu, die ausschließlich innerhalb des Konzerns Verwendung finden können (Ströbele/Hacker, a. a. O.), oder bei besonderen Umständen, wie z. B. bei hoher Spezialität des Produkts, so dass eine externe Produkteinführung wirtschaftlich sinnlos ist (HK-MarkenR/Spuhler, a. a. O.).
bbb) Weder kann die mit „ETAX“ gekennzeichnete Programmierdienstleistung nur im E… Verwendung finden, noch wäre eine externe Produkteinführung wirtschaftlich sinnlos. Denn die erstellte Software kann in jeder Steuerberaterkanzlei eingesetzt werden. Die Widersprechende hat auch nicht vorgetragen oder belegt, dass sie die mit ihrer Marke gekennzeichnete Dienstleistung in der Öffentlichkeit beworben hat, um Steuerberaterkanzleien einen Anreiz zu geben, sich dem E… anzuschließen.
ccc) Die Verwendung der Marke für die Dienstleistung „Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“ ausschließlich innerhalb der E… stellt somit keine rechtserhaltende Benutzung im Geschäftsverkehr dar, weil sie nicht darauf abzielt, einen Absatzmarkt für die mit ihr gekennzeichnete Dienstleistung zu erschließen oder zu sichern, und es fehlen besondere Umstände, die einen Ausnahmefall rechtfertigen würden.
e) Nach dem Vorbringen der Widersprechenden soll es aber dennoch gute Gründe geben, die ältere Marke allein im Rahmen des E… zu benutzen. Bei einer so hohen Anzahl von Nutzern rechne sich der Aufbau und Betrieb interner Programme, wie es bei ETAX der Fall sei. Gerade in einem Verbund mit seinen im Vergleich zu einem klassischen Fall des Konzerns eher loseren Strukturen sei der Betrieb interner Software sinnstiftend und einer der maßgeblichen Vorteile solcher Kooperationen. Es liege nahe, derart interne Strukturen zu schaffen und auszunutzen, ohne dabei kommerzielle Absichten im Sinne einer freien Vermarktung der Programme mit Gewinnerzielungsabsicht zu verfolgen. Soweit die Widersprechende mit diesem Vortrag beabsichtigen sollte, berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung der Marke gemäß § 26 Abs. 1 letzter Halbsatz MarkenG darzulegen, erfüllt dieser nicht die gesetzlichen Voraussetzungen.
aa) Als berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung sind nach der BGH-Rechtsprechung (BGH GRUR 2007, 321 Rdnr. 30 – COHIBA) Umstände anerkannt, die der Markeninhaber nicht beeinflussen kann, wie Tatbestände höherer Gewalt (BGH GRUR 1997, 747, 749 – Cirkulin) oder auch die Unmöglichkeit, mit der Marke gekennzeichnete Waren vor Abschluss eines vorgeschriebenen behördlichen Zulassungsverfahrens in den Verkehr zu bringen (BGH GRUR 2000, 890 f. – IMMUNINE/IMUKIN), sowie ein unberechtigtes Einfuhrverbot (BGH GRUR 1994, 512, 514 – Simmenthal).
bb) Solche Hinderungsgründe liegen hier nicht vor. Im Gegenteil die Widersprechende hat sich bewusst wegen anderer Vorteile für die Nichtbenutzung ihrer Marke entschieden.
Mangels berücksichtigungsfähiger Widerspruchswaren gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG kommt es auf die Frage der Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Vergleichsmarken nicht mehr an.
III.
Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).