Entscheidungsdatum: 22.01.2014
In der Beschwerdesache
…
…
betreffend die Marke 307 60 678.3 S 139/08 Lösch
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 22. Januar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Dr. Himmelmann
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
I
Die Antragstellerin hat am 29. April 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der dort am 15. September 2007 angemeldeten und seit dem 28. Januar 2008 für die Waren und Dienstleistungen
Klasse(n) Nizza 25:
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
Klasse(n) Nizza 30:
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis
Klasse (n) Nizza 32:
Biere; Biermischgetränke; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken
Klasse(n) Nizza 38:
elektronische Nachrichtenübermittlung und Telekommunikation; Bereitstellen des Zugriffs auf Nachrichten, Daten und sonstige Informationen in Computernetzwerken, auch im Internet; Übermittlung von Nachrichten aller Art in Ton, Schrift und Bild; Vermietung von Telekommunikationseinrichtungen; Bereitstellung von Telekommunikationskanälen für Teleshopping-Dienste; Ausstrahlung von Werbesendungen, Werbespots, Teleshoppingsendungen; Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Ton- und Bildübertragung durch Satelliten oder Kabelnetzwerke; Bereitstellung von Plattformen im Internet; Bereitstellung von Portalen im Internet; Bereitstellung von Chatlines, Chatrooms und Foren; Weiterleiten von Nachrichten aller Art an Internet-Adressen (Web-Messaging)
eingetragenen Marke 307 60 678
EVONIC
der Antragsgegnerin beantragt, weil die angegriffene Marke bösgläubig angemeldet worden sei (§§ 50 Abs. 1, 54 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG). Die seinerzeitige Markeninhaberin hat der Löschung der angegriffenen Marke innerhalb der in § 54 Abs. 2 S. 2 MarkenG bestimmten Frist widersprochen.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 20. November 2009 die Löschung der Marke 307 60 678 angeordnet und der seinerzeitigen Antragsgegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt.
Zur Begründung hat die Markenabteilung ausgeführt, die Anmeldung der angegriffenen Marke sei bösgläubig erfolgt. Von der Bösgläubigkeit eines Anmelders sei nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls dann auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt sei. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn eine Markenanmeldung mit dem Ziel getätigt werde, die Marke nicht als solche zu benutzen, sondern die formale Rechtsstellung als Inhaber eines Monopols nur zum Zweck einer markenrechtlich nicht gerechtfertigten Behinderung Dritter einzusetzen. Zwar handele der Anmelder einer Marke nicht schon dann unlauter, wenn er wisse, dass ein Dritter bereits das gleiche oder ein ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren benutze, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, sondern es müssten auf Seiten des Anmelders noch besondere Umstände hinzutreten, die die Erwirkung der Markeneintragung als sittenwidrig erscheinen ließen. Solche Umstände könnten darin liegen, dass der Markeninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren die gleiche oder eine verwechselbar ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, anmelde und eintragen lasse. Das wettbewerbsrechtlich Verwerfliche könne auch darin gesehen werden, dass der Markenanmelder die mit der Eintragung der Marke entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetze.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen sei die Anmeldung der angegriffenen Marke bösgläubig erfolgt. Die von der Antragstellerin vorgebrachten und glaubhaft gemachten Tatsachen sprächen bei objektiver Würdigung aller Umstände dafür, dass die Anmeldung der Marke mit dem Ziel eines zweckfremden Einsatzes im Wettbewerbskampf erfolgt und das Verhalten der Markenanmelderin in erster Linie auf die Beeinträchtigung der Antragstellerin und nicht auf die Förderung eigenen Wettbewerbs gerichtet gewesen sei. Aus dem glaubhaften Vortrag der Antragstellerin und den von ihr hierzu eingereichten Unterlagen zu Art und Vielzahl der von der seinerzeitigen Markenanmelderin getätigten Markenanmeldungen, die gezielt getätigt worden seien, um frühere Mandanten ihres Ehemannes an der Nutzung von deren Marken zu behindern bzw. zu beeinträchtigen, wie auch der zeitliche Zusammenhang zwischen der Anmeldung der angegriffenen Marke und der Einführung der Marke „EVONIK“ durch die Antragstellerin belege, sowie auf Grund der Verhandlungen zur Übertragung der österreichischen Marke zwischen dem Ehemann der Anmelderin und dem Markenerfinder ergebe sich, dass die Anmelderin der angegriffenen Marke frühzeitig Kenntnis von einer bevorstehenden Anmeldung der Marke „EVONIK“ durch die Antragstellerin hatte, die drei Tage später tatsächlich erfolgt sei. Der Vortrag der Anmelderin der angegriffenen Marke und vormaligen Markeninhaberin, dass sie keine Kenntnis von früheren Anmeldungen oder Markenrechten Dritter an der Bezeichnung „EVONIK“ gehabt habe, sei auch durch die Tatsache widerlegt, dass sie Löschungsantrag gegen die Eintragung der Gemeinschaftsmarke des Markenerfinders gestellt habe. Sowohl die Anmelderin der angegriffenen Marke und vormalige Markeninhaberin als auch die Antragsgegnerin hätten zudem keinen eigenen Benutzungswillen nachgewiesen. Die vormalige Markeninhaberin habe zwar vorgetragen, die angegriffene Marke für einen Internetshop für Bekleidung nutzen zu wollen. Es bestünden jedoch erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Angabe, da die insoweit eingereichten Unterlagen, ein vom Ehemann der vormaligen Markeninhaberin gefertigtes Schreiben sowie eine Vereinbarung zwischen den Eheleuten, den Benutzungswillen allein nicht glaubhaft machen könnten, und weitere Nachweise für ein eigenes gewerbliches Tätigwerden, wie z. B. Unterlagen zu Werbeaktivitäten bzw. Geschäftsanbahnungen, in diesem Bereich fehlten. Aus einem Urteil in einem Verfahren zwischen der vormaligen Markeninhaberin und einem früheren Mandanten ihres Ehemannes aus dem Jahre 2008 gehe vielmehr hervor, dass sie damals angeben hatte, ein Büro zu betreiben, das sich mit der Recherche, der Überwachung und der Kreation von Marken befasste. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände sei davon auszugehen, dass die vormalige Markeninhaberin die angegriffene Marke neben einer Vielzahl anderer Marken für unterschiedliche Waren und Dienstleistungen angemeldet habe, ohne einen eigenen ernsthaften Benutzungswillen zu besitzen, mit dem Zweck, die Antragstellerin sowie Dritte an dem Gebrauch der nahezu identischen Zeichen zu hindern. Ein solches Verhalten erfülle den Tatbestand der Bösgläubigkeit (BGH GRUR 1998, 704, 705 – Classe E), so dass die angegriffene Marke zu löschen sei. Die Auferlegung der Kosten des Löschungsverfahrens auf die Antragsgegnerin sei billig, wenn eine Marke bösgläubig angemeldet worden sei.
Gegen den Beschluss der Markenabteilung hat die Rechtsnachfolgerin der vormaligen Markeninhaberin, auf die die angegriffene Marke am 28. Januar 2008 umgeschrieben worden ist, Beschwerde eingelegt, die sie trotz entsprechender Ankündigung nicht begründet hat.
Mit Wirkung vom 22. Januar 2010 ist die angegriffene Marke vom Deutschen Patent- und Markenamt auf Antrag und mit Zustimmung der Rechtsvorgängerin auf die „E… UG (haftungsbeschränkt)“ mit Sitz in München umgeschrieben wor den, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Ehemann der Anmelderin und vormaligen Markeninhaberin, P…, war. Die E… UG ist am 24. Oktober 2012 im Handelsregister gelöscht worden.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und der Antragsgegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
II
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht von der seinerzeitigen Inhaberin der angegriffenen Marke eingelegt worden.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf den zulässigen Löschungsantrag der Antragstellerin hin zu Recht und mit zutreffender Begründung die Löschung der Marke 307 60 678 gemäß § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG beschlossen.
Die von der zur Frage der Bösgläubigkeit ergangenen, einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgehende, unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ergangene, umfangreich begründete Entscheidung der Markenabteilung lässt weder rechtliche noch sachliche Fehler erkennen. Auch eine erneute vollumfängliche Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit des Löschungsantrags durch den Senat hat zu keinem von dem Beschluss der Markenabteilung abweichenden Ergebnis geführt.
Da weder die ursprüngliche Beschwerdeführerin noch ihre Rechtsnachfolgerin die Beschwerde begründet haben, ist auch nicht ersichtlich, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen sie den Beschluss der Markenabteilung für unzutreffend bzw. angreifbar erachten. Es wäre insbesondere Sache der Antragsgegnerin gewesen, unter Berücksichtigung der Ausführungen in den Gründen des angegriffenen Beschlusses in Ergänzung ihres bisherigen Sachvortrags Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen, die für einen eigenen Benutzungswillen der vormaligen Inhaberin der angegriffenen Marke zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke hätten sprechen können. Da dies unterblieben ist und auch sonst keine tatsächlichen und rechtlichen Gründe ersichtlich sind, die eine Aufhebung des Beschlusses der Markenabteilung gebieten würden, kann die Beschwerde in der Hauptsache keinen Erfolg haben. Auch für die Aufhebung der Kostenentscheidung der Markenabteilung, die im Anschluss an die einschlägige Rechtsprechung zur Kostentragung in Fällen der Löschung einer Marke wegen Bösgläubigkeit ergangen ist (vgl. z. B. BPatG GRUR 2000, 809, 812 – SSZ; GRUR 2006, 1032, 1034 - E 2), besteht keine Veranlassung. Die Beschwerde kann somit auch insoweit keinen Erfolg haben.
3. Das Beschwerdeverfahren ist durch die Löschung der im Markenregister eingetragenen Markeninhaberin aus dem Handelsregister nicht unterbrochen worden. Die eingetragene Markeninhaberin und Antragsgegnerin hat mit der Löschung im Handelsregister ihre Beteiligtenfähigkeit nicht verloren.
Die Löschung einer GmbH nach § 2 LöschG bzw. dem seit dem 1. Januar 1999 geltenden § 141 a FGG führt dann nicht zu einer Beendigung der Gesellschaft und ihrem Wegfall als Rechtssubjekt sowie dem damit nach § 50 Abs. 1 ZPO korrespondierenden Verlust ihrer Beteiligtenfähigkeit (Parteifähigkeit i. S. v. § 50 ZPO), wenn noch Vermögen vorhanden ist oder wenn die gelöschte Gesellschaft noch an irgendwelchen Abwicklungsmaßnahmen, wie z. B. einer Grundbuchberichtigung, Löschungsbewilligung oder einer Zustellung teilnehmen muss (OLG Koblenz NJW-RR 1999, 39, 40; BPatGE 44, 113, 116 – DR. JAZZ - m. w. N.). Dies gilt entsprechend auch für die Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt). In den vorgenannten Fällen ist die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister jedenfalls dann, wenn sie nicht wegen Vermögenslosigkeit erfolgt ist, nicht Beendigungs-, sondern Auflösungstatbestand und die Gesellschaft besteht als parteifähige Liquidationsgesellschaft fort, der die Möglichkeit zusteht, ihr gegenüber geltend gemachte Ansprüche abzuwehren (BGH NJW-RR 1994, 542). Dies gilt entsprechend auch für die Beteiligung am markenrechtlichen Löschungsverfahren (BPatG PAVIS PROMA 33 W (pat) 264/98 – copal/ICOPAL). Die im Markenregister eingetragene Antragsgegnerin hat mit der Löschung im Handelsregister auch ihre Prozessfähigkeit nicht verloren. Selbst bei einer Vernachlässigung des Vermögensaspekts einer noch eingetragenen Marke steht ein markenrechtliches Löschungsverfahren, sofern man darin jedenfalls eine sonstige Abwicklungsmaßnahme sieht, die die Wirkungen einer fortbestehenden, in Auflösung befindlichen Gesellschaft auslöst, der Annahme entgegen, in Folge der Beendigung der Gesellschaft sei ein Verlust der Markenfähigkeit der betroffenen juristischen Person eingetreten. Das Löschungsverfahren konnte daher mit der im Handelsregister gelöschten Antragsgegnerin fortgeführt werden und ihrem früheren alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer kann die ergangene Beschwerdeentscheidung zugestellt werden (§ 28 Abs. 3 MarkenG).
4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG der Antragsgegnerin aufzuerlegen, da einer bösgläubigen Markenanmeldung stets ein rechtsmissbräuchliches oder sittenwidriges Handeln zugrunde liegt, dass es als billig erscheinen lässt, den Markeninhaber im Falle der Löschung mit den Kosten zu belasten.