Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.01.2012


BPatG 18.01.2012 - 26 W (pat) 117/10

Markenbeschwerdeverfahren - Kostenauferlegung nach Widerspruchsrücknahme -


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
26. Senat
Entscheidungsdatum:
18.01.2012
Aktenzeichen:
26 W (pat) 117/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 14 871

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. Januar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Der Antrag der Markeninhaberin, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Gegen die Eintragung der Marke 307 14 871

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Brogsitter Spring Time

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für Waren und Dienstleistungen der Klassen 32, 33 und 43 ist Widerspruch erhoben worden aus der für Waren der Klasse 33 international registrierten, prioritätsälteren Marke IR 879 200

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SPRINGTIME,

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die im Inland Schutz genießt.

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Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen des Widerspruchs die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Dagegen hat die Markeninhaberin Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 4. November 2011 hat sie ihren Widerspruch zurückgenommen.

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Die Markeninhaberin beantragt nunmehr,

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der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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Zur Begründung ihres Kostenantrags trägt sie vor, die Widersprechende habe das Widerspruchsverfahren eingeleitet, obwohl es ohne weiteres erkennbar aussichtslos gewesen sei. Bei der Widerspruchsmarke „SPRINGTIME“ handele es sich für die hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen um eine beschreibende Angabe, die nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft aufweise. Der beschreibende Charakter der Widerspruchsmarke habe auch der Widersprechenden als Branchenkennerin bekannt sein müssen. Sie habe deshalb wissen können, dass das Widerspruchsverfahren für sie nicht positiv ausgehen werde. Bei dieser Sachlage entspreche es der Billigkeit, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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Dem tritt die Widersprechende entgegen. Sie vertritt die Ansicht, dass schon daraus, dass das Deutsche Patent- und Markenamt dem Widerspruch in zwei Entscheidungen stattgegeben habe, zu ersehen sei, dass das Widerspruchsverfahren nicht von Anfang an erkennbar aussichtslos gewesen sei. Zudem sei die Frage der Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer selbstständig kennzeichnenden Stellung der Widerspruchsmarke in der angegriffenen Marke vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2008, 258 - Interconnect/T-Inter-Connect) prüfungs- und erörterungsfähig gewesen.

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Die Widersprechende beantragt,

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den Kostenantrag der Markeninhaberin zurückzuweisen.

II

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Der zulässige Kostenauferlegungsantrag der Markeninhaberin ist unbegründet.

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In markenrechtlichen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und dem Bundespatentgericht trägt gemäß § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten grundsätzlich selbst. Für ein Abweichen von diesem Grundsatz gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG bedarf es stets besonderer Umstände (BGH GRUR 1972, 600, 601 - Lewapur). Solche von der Norm abweichenden Umstände sind dann gegeben, wenn ein Verhalten eines Verfahrensbeteiligten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (BGH GRUR 1996, 399, 401 - Schutzverkleidung). Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichts-losen oder kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (st. Rspr.; vgl. z. B. BPatG Mitt. 1977, 73, 74). Der Verfahrensausgang, also die bloße Tatsache des Unterliegens, ist dagegen für sich genommen für eine Kostenauferlegung zulasten des Unterlegenen nicht ausreichend (BGH GRUR 1972, 600, 601 - Lewapur). Er stellt nicht einmal eine Vermutung für die Billigkeit einer Kostenauferlegung dar (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 71 Rdn. 11; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, § 71 Rdn. 13).

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Das Verhalten eines Widersprechenden kann Anlass für eine Kostenauferlegung geben, wenn die Vergleichsmarken sich nach anerkannten Beurteilungsgrundsätzen nicht verwechselbar nahe kommen. Dies ist bei ersichtlich fehlender Ähnlichkeit der Marken der Fall. Dazu können u. U. auch Fälle gehören, in denen sich mehrgliedrige Marken gegenüberstehen, die nur in einem offensichtlich schutzunfähigen Bestandteil übereinstimmen (BPatG PAVIS PROMA 33 W (pat) 156/04 - Finanz-Partner/FinanzPartner DE). Ein solcher Fall einer ersichtlich fehlenden Verwechslungsgefahr lag jedoch im vorliegenden Widerspruchsverfahren nicht vor.

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Zum einen konnte und durfte die Widersprechende davon ausgehen, dass der allein aus dem Wort „SPRINGTIME“ bestehenden Widerspruchsmarke auf Grund ihrer Eintragung in das Markenregister im Widerspruchsverfahren nicht jegliche Kennzeichnungskraft abgesprochen werden kann. Hiervon ausgehend durfte die Widersprechende die Frage der Verwechslungsgefahr der beiderseitigen Marken - auch und gerade vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur selbständig kennzeichnenden Stellung von identisch übernommenen Marken(teilen) (a. a. O. - Interconnect/T-InterConnect) - zur rechtlichen Überprüfung durch das Patent- und Markenamt stellen, ohne sich damit dem Vorwurf aussetzen zu müssen, damit gegen prozessuale Sorgfaltspflichten zu verstoßen. Dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einen von vornherein aussichtslosen Widerspruch gehandelt hat, wird zudem dadurch verdeutlicht, dass der Widerspruch vor der zuständigen Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts zunächst Erfolg gehabt hat.

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Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte der Kostenantrag der Markeninhaberin keinen Erfolg haben.