Entscheidungsdatum: 06.03.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die IR-Marke 706 775
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 6. März 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Grote-Bittner und des Richters Metternich
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Markeninhabers wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. November 2011 aufgehoben.
I.
Das nachfolgend abgebildete Zeichen
ist am 10. Februar 1999 für die nachfolgend genannten Waren der Klassen 29, 30 und 31
"(Klasse 29):
Viande, poisson, volaille et gibier, extraits de viande, fruits et légumes conservés, séchés et cuits, gelées, confitures, oeufs, lait et autres produits laitiers, huiles et graisses comestibles, conserves d'origine animale, pickles, charcuterie, produits de boucherie.
(Klasse 30):
Café, thé, cacao, sucre, riz, tapioca, sagou, succédanés du café, farines et préparations faites de céréales, pain, biscuits, gâteaux, pâtisserie et confiserie, glaces comestibles, miel, sirop de mélasse, levure, poudre pour faire lever, sel, moutarde, poivre, vinaigre, sauces, épices, glace.
(Klasse 31):
Produits agricoles, horticoles, forestiers et graines, non compris dans d'autres classes, animaux vivants, fruits et légumes frais, semences, plantes vivantes et fleurs naturelles, substances alimentaires pour les animaux, malt"
beim Internationalen Büro als Marke international registriert worden. Der Markeninhaber beansprucht insoweit u. a. Schutz in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Markenstelle für Klasse 30 IR des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes, hat mit Beschluss vom 2. November 2011 dieser international registrierten Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert.
Aus Sicht der Markenstelle besteht diese IR-Marke ausschließlich aus einer freihaltebedürftigen Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, so dass ihr gemäß den §§ 119, 124, 113, 37 MarkenG i. V. m. Art. 5 PMMA, Art. 6 quinquies B PVÜ der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu verweigern sei. Sie bestehe aus dem Wortbestandteil "KOUTOUBIA" auf etikettenartigem, dunklen Hintergrund. Über diesem Wortbestandteil sei ferner das Wort "KOUTOUBIA" in arabischen Schriftzeichen wiedergegeben. "KOUTOUBIA" sei die Bezeichnung für die im 12. Jahrhundert erbaute, in der Altstadt von Marrakesch befindliche Koutoubia-Moschee, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehöre. Die IR-Marke benenne somit ein bekanntes Bauwerk und Wahrzeichen und komme deswegen als mittelbare Herkunftsangabe in Betracht, unabhängig davon, ob der Begriff "Koutoubia" in Alleinstellung oder als "Koutoubia-Moschee" verwendet werde. Der Registrierung derartiger Bezeichnungen als Marke stünden sowohl das Interesse der Mitbewerber als auch Interessen der Allgemeinheit entgegen. Bei der Prüfung, ob ein geographischer Begriff als Produktmerkmalsbezeichnung in Betracht komme, seien das Verständnis und die Vorstellungen der Endverbraucher maßgebend. Nur wenn die konkret beanspruchten Waren mit dem betreffenden Ort oder mit Eigenschaften einer bestimmten Region weder gegenwärtig noch in absehbarer Zukunft in Verbindung gebracht werden könnten, scheide das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus. Da enge und intensive Handelsbeziehungen zwischen Marokko und Deutschland bestünden und die Landwirtschaft in Marokko eine große wirtschaftliche Rolle spiele, sei im vorliegenden Fall bezüglich der konkret beanspruchten Waren der Klassen 29, 30 und 31 ein solches Freihaltebedürfnis zu bejahen. Soweit der Markeninhaber auf Schutzbewilligungen in anderen Staaten wie z. B. Syrien und die Türkei verweise, ändere dies an der vorgenannten Beurteilung nichts. Auch die oberhalb des Wortbestandteils "KOUTOUBIA" angeordnete Graphik in Form arabischer Schriftzeichen führe nicht zur Schutzfähigkeit. Da mithin das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfüllt sei, könne dahingestellt bleiben, ob der Schutz auch aufgrund § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu versagen wäre.
Dagegen richtet sich die vom Markeninhaber erhobene Beschwerde.
Er ist der Auffassung, dass der Schutzgewährung der IR-Marke kein Freihaltebedürfnis entgegenstehe. Das Markenwort "KOUTOUBIA" sei ein Eigenname, der keinen geographischen Ort beschreibe. Ein solches Verständnis ergebe sich erst nach einem weiteren assoziativen Schritt. Die beanspruchten Waren könnten daher nicht ohne weiteres mit einer geographischen Herkunft in Verbindung gebracht werden. Es fehle an einem schutzwürdigen Interesse der Allgemeinheit an der freien Verwendbarkeit der Bezeichnung "KOUTOUBIA" in Verbindung mit den Waren der Klassen 29, 30 und 31, für die der Markeninhaber vorliegend Schutz beanspruche. Ein Freihaltebedürfnis sei auch hinsichtlich der nationalen Basismarke in Marokko verneint worden. Im Übrigen sei die IR-Marke auch unterscheidungskräftig. Sie verfüge über eine eigenständige bildhafte Wirkung. Der in die IR-Marke eingefügte arabische Schriftzug oberhalb des Wortbestandteils genüge, um der IR-Marke Unterscheidungskraft zu verleihen.
Der Markeninhaber beantragt (sinngemäß),
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 IR des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. November 2011 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze des Markeninhabers und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 MarkenG statthaft. Sie ist auch begründet. Der Erstreckung des Schutzes der international registrierten Marke IR 706 775 auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stehen keine Schutzhindernisse gemäß § 119, 124, 113 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 5 MarkenG entgegen, so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle aufzuheben war.
1. Entgegen der Auffassung der Markenstelle ist das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht erfüllt.
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung bzw. international registrierte Marken von einer Schutzerstreckung auf die Bundesrepublik Deutschland (vgl. §§ 119, 113, 112 MarkenG) ausgeschlossen, welche ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der (beanspruchten) Waren oder der Erbringung der (beanspruchten) Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Der Zweck dieses Schutzhindernisses besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits eine bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 265). Es genügt also, wenn die angemeldete Marke in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Tz. 56 - Postkantoor). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 29 - Chiemsee; GRUR 2006, 411, Tz. 24 - MatratzenConcord).
Das Wortelement "KOUTOUBIA" der vorliegenden IR-Marke bezeichnet schlagwortartig die Koutoubia-Moschee, die aus dem 12. Jahrhundert stammende, größte Moschee in der marokkanischen Stadt Marrakesch. Dieses Bauwerk ist daher nicht nur ein Sakralbau, sondern hat kunst- und kulturhistorische Bedeutung und stellt somit auch eine touristische Sehenswürdigkeit von Rang dar. Soweit es um die hier registrierten Waren der Klassen 29, 30 und 31 geht, bei denen es sich durchwegs um Lebens- und Nahrungsmittel, Getränke, Genussmittel und landwirtschaftliche Produkte handelt, ist die Bezeichnung "KOUTOUBIA" allerdings nicht als geographischer Herkunftshinweis geeignet, da – soweit diese Bezeichnung als Hinweis auf das vorgenannte Bauwerk überhaupt von den inländischen Verkehrskreisen verstanden wird – der Verkehr es jedenfalls nicht als einen Hinweis auf die geographische Herkunft dieser Waren verstehen wird. Denn es ist offenkundig, dass ein solches Bauwerk nicht als Ursprungs- oder Herstellungsort von Lebens-, Genussmitteln und landwirtschaftlichen Produkten in Betracht kommt und dafür auch nicht geeignet ist. Ein darüber hinausgehender Sachhinweis auf die Stadt oder die Region Marrakesch wird aus dieser Bezeichnung ebenfalls nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres abzuleiten sein. Dann aber sind auch keine Interessen der Wettbewerber des Anmelders oder der Öffentlichkeit ersichtlich, aufgrund derer ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bejahen wäre.
2. Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nicht erfüllt.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 - "Henkel"; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 17 - "FUSSBALL WM 2006"). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Tz. 19 - "FUSSBALL WM 2006"; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 - "Postkantoor"). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren und Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH - FUSSBALL WM 2006 a. a. O.). Auch bei der Beurteilung dieses Schutzhindernisses ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es insbesondere auch auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 29).
a) Zwar erscheint es nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass etwa in Bezug auf Getränke wie Kaffee oder Tee oder auch Lebensmittel die Bezeichnung von Bauwerken, die eine touristische Sehenswürdigkeit von Rang darstellen, ein enger beschreibender Bezug bejaht werden kann, da es sich um Waren handelt, die auch und gerade im Umfeld solcher Sehenswürdigkeiten etwa als Souvenirartikel oder zur Deckung eines Bedarfs der Touristen an Speisen, Getränken oder sonstigen Bedarfsartikeln angeboten werden. Anders liegt es allerdings, wenn die jeweilige Bezeichnung zwar nicht notwendigerweise von jedermann, so doch von zumindest einem erheblichen Teil des Verkehrs nicht als Sachhinweis, sondern als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 123, 124).
Zwar ist die Koutoubia-Moschee ein kulturell wertvolles, historisches Bauwerk und auch eine Sehenswürdigkeit von Rang. Gleichwohl ist nicht davon auszugehen, dass der aus der arabischen Sprache stammende Begriff "Koutoubia" in der vorgenannten Bedeutung einem relevanten Teil der angesprochenen Verkehrskreise bekannt ist. Da es sich bei den Waren der IR-Marke um Lebens- und Nahrungsmittel, Getränke, Genussmittel und landwirtschaftliche Produkte handelt, werden hiervon zum einen alle Endverbraucher und zum anderen die damit befassten Fach (Handels-) Kreise angesprochen. Auch wenn es vielfältige Beziehungen zwischen Deutschland und Marokko insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Industrie und auch Tourismus gibt, sind keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass mehr als ein nur unwesentlicher Teil dieser breiten Verkehrskreise den Begriff "Koutoubia" nicht für einen Phantasiebegriff hält, sondern im vorgenannten Sinne kennt und mit dem vorgenannten Bauwerk ohne weiteres zu assoziieren in der Lage ist. Dann aber ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der vorgenannten Verkehrskreise den Begriff "Koutoubia" nicht als Sachhinweis, sondern als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen wird.
b) Eine Verneinung der Unterscheidungskraft kommt vorliegend auch aus anderen Gründen nicht in Betracht.
Zwar kommt nach Auffassung des Senats eine Verneinung der markenrechtlichen Unterscheidungskraft auch bei solchen Angaben in Betracht, die stets nur als solche und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden, weil sie Bestandteile des kulturellen Erbes der Allgemeinheit bezeichnen (vgl. BPatG GRUR 2011, 922, 925 - Neuschwanstein). Es handelt sich hierbei aber um eine Fallgruppe, die auf eindeutige und ausschließlich als solche verstandene Bezeichnungen von Kulturgütern mit herausragender Bedeutung zu beschränken ist. Auch wenn die Koutoubia-Moschee ein Kulturgut von Rang ist, kann aus den vorgenannten Gründen jedoch kein Verkehrsverständnis dahingehend festgestellt werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise in Deutschland - und nur deren Verständnis ist maßgeblich - die Bezeichnung "Koutoubia" eindeutig und ausschließlich als Bezeichnung dieses Bauwerks verstehen.
Der vorliegenden IR-Marke kann daher eine hinreichende Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, ohne dass es insoweit auf ihre graphische Ausgestaltung ankommt.
3. Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG steht einer Erstreckung des Schutzes der vorliegenden IR-Marke auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen.
Zwar kann bei Begriffen, die ausschließlich oder im wesentlichen im religiösen Bereich verwendet werden und geläufig sind, durch eine markenrechtliche Monopolisierung und Kommerzialisierung das religiöse Empfinden des angesprochenen Publikums verletzt werden, wobei auch die Toleranz und Achtung fremder Religionen als tragender Grundsatz der Gesellschaftsordnung in der Bundesrepublik Deutschland maßgebend zu berücksichtigen ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 626). Jedoch kann nicht bei jeder markenrechtlichen Monopolisierung der Bezeichnungen von Bauwerken, welche sakralen und religiösen Zwecken dienen, davon ausgegangen werden, dass damit das religiöse Empfinden eines relevanten Teils des Publikums, hier insbesondere der Muslime in Deutschland, verletzt wird. Handelt es sich zugleich um eine Sehenswürdigkeit, die - wie es vorliegend auch der Fall ist - selbst bereits intensiv vermarktet wird, z. B. auch als "Namensgeber" für Hotels bzw. Restaurants vor Ort (vgl. z. B. www.lesjardinsdelakoutoubia.com), so sprechen diese Anhaltspunkte eindeutig dagegen, dass eine markenrechtliche Monopolisierung des Begriffs "Koutoubia" in relevantem Umfang als religiös anstößig empfunden werden könnte.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss der Markenstelle aufzuheben.