Entscheidungsdatum: 16.07.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2011 039 054
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16. Juli 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des DPMA vom 8. November 2016 aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Unionsmarke 1 426 709 AQS angeordnet worden ist. Der Widerspruch aus der Unionsmarke 1 426 709 AQS wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussbeschwerde der Widersprechenden gegen die Zurückweisung der Widersprüche aus der Marke 305 06 490 AQI sowie der Unionsmarke 1 477 728 AQC wird zurückgewiesen.
3. Die Widersprechende hat der Markeninhaberin die durch die Anschlussbeschwerde zusätzlich entstandenen Kosten zu erstatten.
I.
Die am 16. Juli 2011 angemeldete Wortmarke
AQM
ist am 6. September 2011 unter der Nummer 30 2011 039 054 für die nachfolgenden Waren in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden:
Klasse 9:
Sensoren zur Ermittlung der Luftgüte, der Lufttemperatur, der Luftfeuchtigkeit für Fahrzeuge.
Gegen die Eintragung dieser am 7. Oktober 2011 veröffentlichten Marke hat die Beschwerdeführerin als Inhaberin der seit dem 8. August 2001 für die Waren der Klassen 9
Außenluftsensoren für Kraftfahrzeuge zum Messen der Luftqualität; elektrische und elektronische Steuerungen insbesondere für Kraftfahrzeuge zum Steuern der Frischluftzufuhr in Abhängigkeit von der Luftqualität; Teile der vorgenannten Waren
unter der Nummer 1 426 709 eingetragenen Unionsmarke
AQS
sowie als Inhaberin der seit dem 13. April 2005 für die Waren der Klasse 11
Lüftungs- und Klimaanlagen für Fahrzeuge; Luftkonditionierungsanlagen für Fahrzeuge, z. B. Luftionisationsgeräte; Einzelteile und Baugruppen vorgenannter Anlagen und Geräte, soweit in Klasse 11 enthalten
unter der Nummer 305 06 490 eingetragenen deutschen Marke
AQI
sowie als Inhaberin der seit dem 27. November 2001 für die Waren
Klasse 9:Außenluftsensoren für Kraftfahrzeuge zum Messen der Luftqualität; elektrische und elektronische Steuerungen insbesondere für Kraftfahrzeuge zum Steuern der Frischluftzufuhr in Abhängigkeit von der Luftqualität; Teile der vorgenannten Waren;
Klasse 11:Filter, Ozonisierung, Klima- und Lüftungsanlagen, elektronische Steuerungen für Luftgütesensoren, alle für Gebäude und Kraftfahrzeuge;
unter der Nummer 1 477 728 eingetragenen Unionsmarke
AQC
aus allen drei Marken mit beim Deutschen Patent- und Markenamt am 1. Dezember 2011eingegangenen Schreiben Widerspruch erhoben.
Mit Beschluss vom 8. November 2016 hat die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts durch einen Prüfer des gehobenen Dienstes die Gefahr von Verwechslungen im Sinn des § 42 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den Vergleichszeichen AQM und der widersprechenden Unionsmarke AQS bejaht und die angegriffene Marke gelöscht. Im Übrigen hat sie die Widersprüche aus den Marken AQC und AQI zurückgewiesen, weil insoweit die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht worden sei.
Zur Begründung ihrer Löschungsentscheidung wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke AQS führt die Markenstelle aus, dass die von Seiten der Widersprechenden auf die zulässigerweise bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarke AQS eingereichten Unterlagen zwar nur Umsatzzahlen für Deutschland aufweisen würden, diese aber den gesamten Fünfjahreszeitraum vor der Veröffentlichung der jüngeren Marke abdeckten und was die Höhe angehe, derart überragend seien, dass die Benutzung in Deutschland als ausreichende Benutzung für die Gemeinschaft der EU anerkannt werden könne. Der durch die eidesstattliche Versicherung des Leiters der Finanzbuchhaltung vom 12. Juni 2012 glaubhaft gemachte Umsatz betrage in jedem der Jahre des Zeitraums von 2007 bis 2011 …. €, was bei Kosten von … € pro Produkt einem Absatz von … Produkten pro Jahr gleichkomme. Die Marke sei in Deutschland und damit in einem Land der EU ernsthaft, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent, wodurch die Benutzung der Widerspruchsmarke in der Gemeinschaft ausreichend dargetan sei. Die Vergleichswaren seien hochgradig ähnlich zueinander. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke AQS sei leicht unterdurchschnittlich, weil es sich dabei um die bekannte Abkürzung für „automative Qualitätssicherung“ handle. Bei einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und hochgradiger Ähnlichkeit der Waren seien an den Abstand der Marken normale Anforderungen zu stellen, den die angegriffene jüngere Marke aber nicht einhalte. Visuell seien zwei Drittel der Marken, nämlich die Buchstabenfolge „AQ“, identisch. Lediglich in dem Endbuchstaben und damit in dem nicht stark beachteten Markenteil seien die Zeichen unterschiedlich, wobei sich die Buchstaben „S“ und „M“ gegenüberstünden. Der schriftbildliche Unterschied in den jeweiligen Endbuchstaben der Zeichen sei nur gering und nicht geeignet, die Vergleichszeichen sicher zu unterscheiden. Daher sei eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr der Zeichen gegeben. Auch seien klangliche Verwechslungen zu befürchten, da die Zeichen in der dominanten Klangfolge „a –ku“ vollkommen übereinstimmten und die eher geringen Unterschiede am Zeichenende leicht überhört würden.
Der Widerspruch aus der älteren deutschen Marke mit der Nummer 305 06 490 AQI sei hingegen zurückzuweisen, da die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung dieser Widerspruchsmarke nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien die von der Widersprechenden verkauften „Systeme zur Luftaufbereitung und -reinhaltung“ unter die im Warenverzeichnis beanspruchten „Luftkonditionierungsanlagen für Fahrzeuge, z. B. Luftionisationsgeräte“ zu subsumieren. Allerdings seien die damit in den Jahren 2010 und 2011 erzielten Umsätze eher gering. Bei veranschlagten Kosten für eine Luftkonditionierungsanlage von mindestens … € pro Stück (oder gar höher), habe die Widersprechende im Jahr 2011 jährlich nur … Stück verkauft. Auch sei die Anbringung der Marke auf der Ware nicht erkennbar. Weiter sei die Widerspruchsmarke in den von der Widersprechenden eingereichten Rechnungen allein in den Monaten September, Oktober und Dezember 2011 aufgeführt und es fehlten dabei die Preisangaben.
Auch seien Marketingaufwendungen in Höhe von … € pro Jahr für Deutschland für drei Marken nicht besonders hoch. Daher seien die Form und die Art der Benutzung der Widerspruchsmarke zweifelhaft und der angegebene Umsatz und Umfang der Benutzung zu gering.
Ebenso wenig habe die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung aus der älteren Unionswortmarke 1 477 728 AQC ausreichend glaubhaft gemacht. Die Glaubhaftmachung der Widersprechenden beziehe sich lediglich auf Deutschland, was zwar als Benutzung in dem größten Markt der europäischen Gemeinschaft ausreichen könne, um den Anforderungen an eine Benutzung in der Gemeinschaft zu genügen, dann müssten aber hohe Umsatzzahlen vorliegen. Aus den beigefügten Rechnungen aus den Jahren 2007 bis 2010, die sich auf die Marke AQC bezögen, seien keine Preise zu entnehmen, so dass der Verkaufsumfang und die Bedeutung für Deutschland nicht beziffert werden könne. Bei den in der eingereichten eidesstattlichen Versicherung angegebenen Umsatzzahlen von … € erst in den Jahren 2009 und 2010 handele es sich um keine so stabi- len Zahlen, als dass sich daraus für die gesamte Europäische Union eine tatsächliche, stetige und mit stabilem Erscheinungsbild gekennzeichnete Präsenz der Marke auf dem europäischen Markt ergebe.
Gegen diesen, der Markeninhaberin am 14. November 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. Dezember 2016 vorab per Telefax eingegangene Beschwerde der Markeninhaberin. Sie ist der Ansicht, der angefochtene Beschluss der Markenstelle sei offensichtlich falsch, daher sei eine Beschwerdebegründung entbehrlich.
Im Verfahren vor dem DPMA hat die Markeninhaberin jeweils mit Schriftsatz vom 20. März 2012 die Einrede der mangelnden Benutzung in Bezug auf alle drei Widerspruchsmarken gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG erhoben. Die daraufhin von der Widersprechenden eingereichten Benutzungsunterlagen hat die Markeninhaberin als nicht ausreichend angesehen. Die eingereichten Unterlagen seien in sich widersprüchlich; ein Nachweis, wie die Marken in Verbindung mit den Waren verwendet werden, fehle. Zudem seien die Marken auf den Verpackungsaufklebern und den eingereichten Rechnungen nicht in Alleinstellung, sondern lediglich in einer die rechtserhaltende Benutzung nicht begründenden, abgewandelten Form wiedergegeben. Auch sei die Benutzung der Unionsmarken nicht für einen relevanten Teil der Europäischen Union nachgewiesen, sondern nur für Deutschland, was für eine rechtserhaltende Benutzung nicht ausreiche.
Im Übrigen sei auch keine Verwechslung der Zeichen zu befürchten. Denn zwar bestünde zwischen den jeweils beanspruchten Vergleichswaren der Klasse 9 teilweise Identität bzw. Ähnlichkeit, bei einer äußerst geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken, die Akronyme glatt beschreibender Angaben darstellten, führe die geringe Ähnlichkeit der Vergleichszeichen aber nicht zu einer maßgebenden Verwechslungsgefahr. Bei den Zeichen handele es sich um Kurzworte mit drei Buchstaben, bei welchen bereits geringe Abweichungen ausreichend seien, um die Gefahr schriftbildlicher oder klanglicher Verwechslungen auszuschließen.
Die Inhaberin der jüngeren Marke beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent und Markenamts vom 8. November 2016 insoweit aufzuheben, als die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Unionsmarke AQS 1 426 709 angeordnet worden ist und den Widerspruch aus dieser Marke zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und regt an, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.
Darüber hinaus legt sie gegen den Beschluss der Markenstelle vom 8. November 2016 Anschlussbeschwerde ein mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutsches Patent- und Markenamts vom 8. November 2016 aufzuheben, soweit die Widersprüche aus den Marken AQI und AQC zurückgewiesen worden sind und die Löschung der angegriffenen prioritätsjüngeren Marke auch aufgrund dieser Widerspruchsmarken anzuordnen.
Sie ist der Ansicht, die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Marken AQI und AQC stützten eine ernsthafte und rechtserhaltende Benutzung der genannten Marken. Auch bestehe eine Ähnlichkeit hinsichtlich der sich gegenüberstehenden Waren.
Über die bereits im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarken hinaus hat die Widersprechende im Beschwerdeverfahren nichts eingereicht. Zu einer Benutzung der Widerspruchsmarken ab dem Jahr 2012 hat die Widersprechende auch nichts vorgetragen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Anschlussbeschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die nach § 64 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Markeninhaberin in Bezug auf die Löschungsanordnung wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 1 426 709 AQS hat auch in der Sache Erfolg, da die Widersprechende auf die im Amtsverfahren in zulässiger Weise erhobene Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß §§ 125 b Nr. 4, 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke AQS jedenfalls im auch nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Benutzungszeitraum nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat. Mangels berücksichtigungsfähiger Waren auf Seiten der Widerspruchsmarke nach § 125 b Nr. 4 MarkenG, § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG für diesen Zeitraum konnte der Widerspruch aus der Widerspruchsmarke – unabhängig von der Frage der Verwechslungsgefahr nach der Registerlage – keinen Erfolg haben und war auf die Beschwerde der Markeninhaberin hin zurückzuweisen.
Auch die Anschlussbeschwerde der Widersprechenden gegen die Zurückweisung der Widersprüche aus den Widerspruchsmarken 305 06 490 AQI sowie UM 1 477 728 AQC konnte mangels ausreichender Glaubhaftmachung der Benutzung keinen Erfolg haben. Auch insoweit waren die Widersprüche von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG zurückgewiesen worden, wobei insoweit nicht nur die Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, sondern im Beschwerdeverfahren jedenfalls zusätzlich auch die Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG (i. V. m. § 125 b Nr. 4 MarkenG hinsichtlich der UM 1 477 728 AQC) in Bezug auf den aktuellen Zeitraum von Juli 2013 bis Juli 2018 schon mangels Vortrags zu einer Benutzung und auch mangels Glaubhaftmachung einer Benutzung durchgreift.
1. Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke
Die mit den Schriftsätzen der Markeninhaberin vom 20. März 2012 gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG pauschal bzw. undifferenziert erhobene Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke UM 1 426 709 AQS ist als zulässige Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG auszulegen (vgl. BGH GRUR 2008, 714, Rn. 23 – idw; BPatG GRUR 2016, 286 – Yosoja/YOSOI). Die Widerspruchsmarke AQS war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 7. Oktober 2011 bereits seit fünf Jahren eingetragen, nämlich seit dem 8. August 2001, so dass die nach § 43 Abs. 1 MarkenG wirksam erhobene Nichtbenutzungseinrede sowohl den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG als auch denjenigen nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG umfasst. Demnach hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke, also in der Zeit vom 7. Oktober 2006 bis zum 7. Oktober 2011 (gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG) und innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch im Beschwerdeverfahren, also in der Zeit vom 16. Juli 2013 bis zum 16. Juli 2018 (gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) glaubhaft zu machen.
Inwieweit die bisher im Verfahren vor dem Patentamt zu der Benutzung der Widerspruchsmarke AQS eingereichten Unterlagen ausreichen, um eine rechtserhaltene Benutzung der Widerspruchsmarke für die Zeiträume nach §§ 125b Nr. 4, 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG von Oktober 2006 bis Oktober 2011 und nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG von November 2011 bis November 2016 als Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch glaubhaft zu machen, kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil die Widersprechende jedenfalls keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung für den nun aktuellen Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG und damit für die Jahre 2013 bis 2018 vorgelegt hat. Die im patentamtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, unter anderem Rechnungen und Umsatzzahlen in einer eidesstattlichen Versicherung vom 12. Juni 2012, beziehen sich nur auf die Jahre 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011. Im Beschwerdeverfahren hat die Widersprechende zur Benutzung der Widerspruchsmarke AQS nichts weiter vorgetragen und keine weiteren Unterlagen vorgelegt, obwohl sie dazu ausreichend Gelegenheit hatte, nachdem seit Zustellung der Beschwerde der Markeninhaberin mehr als ein Jahr vergangen ist.
Die Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke in den nach § 43 Abs. 1 MarkenG maßgeblichen Zeiträumen unterliegt abweichend von dem das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Untersuchungsgrundsatz dem Beibringungsgrundsatz und Verhandlungsgrundsatz (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 5, 66). Bei der Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Obliegenheit der Widersprechenden, sodass die Widersprechende die volle Verantwortung für eine vollständige Glaubhaftmachung trägt (Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 60 und 61) und von sich aus laufend zu überprüfen hat, ob sich die Notwendigkeit einer weiteren Glaubhaftmachung ergibt (st. Rspr. des BPatG, vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 18).
Eines rechtlichen Hinweises des Senats gemäß §§ 139 ZPO, 82 Abs. 1 MarkenG zur Glaubhaftmachung bedurfte es nicht. Dass die von Seiten der Markeninhaberin bereits im patentamtlichen Verfahren erhobene Einrede der Benutzung nach § 43 Abs. 1 MarkenG sowohl die Einrede des § 43 Abs. 1 Satz 1 als auch diejenige des § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG umfasst und letztere einen sich ständig verändernden Benutzungszeitraum betrifft, ist eine unmittelbar dem Gesetzeswortlaut zu entnehmende Tatsache, die ein Verfahrensbeteiligter berücksichtigen muss, wenn ihm die Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung seiner Marke obliegt. Auf den offensichtlichen Umstand, dass ein bisheriges Vorbringen zwischenzeitlich überholt sein kann und angesichts des Zeitablaufs einer Aktualisierung bedarf, hat die Rechtmittelinstanz ebenso wenig hinzuweisen, wie auf andere offenkundige Mängel der Glaubhaftmachung (vgl. auch BPatG, 24 W (pat) 113/10 mit Verweis auf weitere Entscheidungen – der Entscheidungstext ist über die Homepage des Deutsches Patent- und Markenamt öffentlich zugänglich). Ein Fall nach § 139 Abs. 2 Satz 2 ZPO, in dem ein Hinweis des Gerichts geboten sein kann, weil beide Verfahrensbeteiligten erkennbar von unzutreffenden tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten ausgehen, liegt nicht vor, weil die Frage, ob die Widerspruchsmarken rechtserhaltend benutzt werden, seit dem 20. März 2012 mit der Erhebung der Einrede gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG der Markeninhaberin Thema des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten und insbesondere der Markeninhaberin war. Aus der bloßen Tatsache, dass die Markeninhaberin das Fehlen einer Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarken für den mittlerweile als eigenständigen Zeitraum relevant gewordenen zweiten Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG nicht ausdrücklich rügt, kann auch nicht ohne weiteres auf eine insoweit bestehende Fehleinschätzung zurückgeführt werden, denn vielmehr kann darin das bewusste Bestreben der Markeninhaberin liegen, die Widersprechende nicht auf deren bisherige unzureichende Verfahrensführung aufmerksam zu machen (vgl. Ströbele/Hacker/ Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 71 ). Im Übrigen hat angesichts der Neutralitätspflicht des Gerichts die Aufklärungspflicht dort ihre Grenze, wo Hinweise unmittelbar die Stärkung der prozessualen Position einer Beteiligten und damit gleichzeitig eine entsprechende Schwächung der Stellung der anderen Beteiligten nach sich ziehen würden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rn. 68 m. w. N.).
Die Beschwerde der Markeninhaberin hat Erfolg, weil der Widerspruch aus der Unionsmarke 1 426 709 mangels ausreichender Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 125b Nr. 4 MarkenG, § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen war.
2. Anschlussbeschwerde der Widersprechenden
Die mit Schriftsatz vom 30. Mai 2017 nach Ablauf der Beschwerdefrist erhobene unselbständige Anschlussbeschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Löschung der angegriffenen jüngeren Marke aufgrund der ebenfalls erhobenen und erstinstanzlich zurückgewiesenen Widersprüche aus ihren Widerspruchsmarken 305 06 490 AQI und UM 1 477 728 AQC weiterverfolgt, ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Denn auch insoweit ist die mit den jeweiligen Schriftsätzen vom 20. März 2012 für jeden Widerspruch gesondert gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG pauschal und undifferenziert erhobene Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarken als zulässige Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz und Satz 2 auszulegen (vgl. BGH GRUR 2008, 714, Rn. 23 – idw; BPatG GRUR 2016, 286 – Yosoja/YOSOI). Die Widerspruchsmarken AQI und AQC waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 7. Oktober 2011 bereits seit fünf Jahren eingetragen, nämlich die deutsche Marke AQI seit dem 13. April 2005 und die Unionsmarke AQC seit dem 27. November 2001, so dass die nach § 43 Abs. 1 MarkenG wirksam erhobene Nichtbenutzungseinrede sowohl den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG als auch denjenigen nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG umfasst. Demnach hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke AQI sowie AQC innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke, also in der Zeit vom 7. Oktober 2006 bis zum 7. Oktober 2011 (gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG) und innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch im Beschwerdeverfahren, also in der Zeit vom 9. Juli 2013 bis zum 9. Juli 2018 (gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) glaubhaft zu machen.
Die bisher im Verfahren eingereichten Unterlagen und insbesondere die mit den Marken geltend gemachten Umsätze aus den Jahren 2007, 2008, 2009 und 2010 für die Widerspruchsmarke AQC bzw. aus den Jahren 2010 und 2011 für die Widerspruchsmarke AQI, reichten aus Sicht der Markenstelle nicht aus, um eine rechtserhaltende Benutzung dieser Widerspruchsmarken glaubhaft zu machen. Die bisher eingereichten Unterlagen betreffen mit den Angaben zu den Umsätzen der Jahre 2007 bis 2010 bzw. 2010 und 2011 zeitlich (mittlerweile) allein den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG definierten Zeitraum. Ungeachtet dessen, dass die Widersprechende keine weiteren ergänzenden Unterlagen zur Glaubhaftmachung und Behebung der von der Markenstelle angegebenen Mängel der Benutzung für diesen Zeitraum eingereicht hat und in Ermangelung eines entsprechenden Vortrags auch nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen sie die Bewertung der Markenstelle zur fehlenden Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung dieser Widerspruchmarken im genannten Zeitraum für unrichtig erachtet, fehlen aber jedenfalls Benutzungsunterlagen für die Widerspruchsmarken für den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, nämlich für die Jahre von 2013 bis 2018. Insoweit gilt das in Ziffer 1 zu den Obliegenheiten der Widersprechenden unter Ziffer 1. Ausgeführte in gleicher Weise.
Die Anschlussbeschwerde konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
3. Über die Beschwerde und über die Anschlussbeschwerde konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Eine solche war lediglich von der obsiegenden Markeninhaberin hilfsweise beantragt worden, nicht aber von der unterliegenden Widersprechenden, § 69 Nr. 1 MarkenG. Eine mündliche Verhandlung war auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit veranlasst, § 69 Nr. 3 MarkenG.
4. Sind in einem Verfahren mehrere Beteiligte vorhanden, erfolgt eine Entscheidung über die Kosten des Verfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG von Amts wegen.
Bei der vorliegenden Sachlage entspricht es der Billigkeit, der Widersprechenden die Mehrkosten, die der Markeninhaberin durch die Anschlussbeschwerde der Widersprechenden entstanden sind, aufzuerlegen.
Abweichend von dem Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat, kann es in Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen aufgrund besonderer Umstände angezeigt sein, die Kosten des Beschwerdeverfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten aufzuerlegen. Solche besonderen Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (BGH GRUR 1972, 600, 601 – Lewapur; GRUR 1996, 399, 401 – Schutzverkleidung).
Im Falle einer zulässigerweise erhobenen Einrede der Nichtbenutzung ist dies dann anzunehmen, wenn der Widerspruch ohne ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung weiterverfolgt wird (ständige Rechtsprechung, BPatG GRUR 1996, 981 f.). Vorliegend hat die Widersprechende mit der Erhebung der Anschlussbeschwerde das Widerspruchserfahren bezüglich der Widersprüche aus den Widerspruchsmarken AQC und AQI weiterbetrieben, ohne einen Versuch zu unternehmen, mit Hilfe ergänzender Unterlagen und weiteren Vortrags eine rechtserhaltende Benutzung dieser Widerspruchsmarken für die maßgeblichen Benutzungszeiträume gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG glaubhaft zu machen. Ein solches Verhalten gibt Anlass für eine einseitige Kostenauferlegung (vgl. Ströbele/ Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 71 Rn. 17 m. w. V.).
Soweit die Widersprechende im Beschwerdeverfahren auch an ihrem Widerspruch aus der Widerspruchsmarke 1 426 709 AQS festgehalten hat, rechtfertigt dies eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nicht, weil dieses Verhalten keine Kosten verursacht hat, die nicht bereits durch die Beschwerdeeinlegung entstanden wären.
5. Es besteht vorliegend kein Anlass für die von Seiten der Markeninhaberin angeregte Rückzahlung der Beschwerdegebühr, § 71 Abs. 3 MarkenG. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann in Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen angeordnet werden, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein Einbehalten der Beschwerdegebühr als unbillig erscheinen lassen. Solche Umstände liegen insbesondere bei Vorliegen von Verfahrensfehlern oder Verstößen gegen die Verfahrensökonomie vor. Solche wesentlichen Verfahrensmängel des Patentamts sind vorliegend aber weder ersichtlich noch werden konkrete Verfahrensverstöße von Seiten der Markeninhaberin vorgebracht.