Entscheidungsdatum: 15.03.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2011 008 245.6
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Grote-Bittner und des Richters Metternich
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts wird aufgehoben, soweit die Anmeldung hinsichtlich der Waren "Speiseeis, Kühleis" und hinsichtlich der Dienstleistungen "Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten" zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Die Wortfolge
Backe Backe
ist als Wortmarke für die nachfolgend genannten Waren und Dienstleistungen der Klassen 30, 35 und 43 angemeldet worden:
(Klasse 30) Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen; Gewürze; Kühleis; Döner in Pide und Burger (belegte Brote);
(Klasse 35) Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;
(Klasse 43) Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen.
Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes, hat diese unter der Nummer 30 2011 008 245.6 geführte Anmeldung mit Beschluss vom 4. August 2011 zurückgewiesen.
Aus Sicht der Markenstelle steht der Eintragung der angemeldeten Wortfolge als Marke das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die angemeldete Wortfolge bestehe aus dem Anfang des populären deutschsprachigen Kinderliedes "Backe backe Kuchen", dessen Inhalt sich in einer Aufforderung zum Kuchenbacken und der Aufzählung der dazu gehörigen Zutaten erschöpfe. Der Text des Liedes sei daher ein unmissverständlicher Hinweis auf das Thema "Backen" und weise keine Mehrdeutigkeiten auf. Der Verkehr werde die angemeldete Wortfolge lediglich als Aufforderung zum Backen verstehen, wobei diese Wortfolge durch die Verdoppelung des Wortes "Backe" keinen anderen Sinn erhalte. In Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 30 sei die angemeldete Wortfolge ein Hinweis auf Bestimmung und Beschaffenheit dieser Waren, da diese zum Backen verwendet werden könnten, wobei dies nicht nur auf die Zubereitung von klassischen süßen Backwaren zu beschränken sei. Die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 könnten auf Backbetriebe spezialisiert sein. Für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 43 könne die angemeldete Wortfolge als Hinweis auf den Ort der Erbringung dienen. Es handele sich bei der angemeldeten Wortfolge nicht um ein suggestives Zeichen, dessen Bedeutungsgehalt sich erst aufgrund einer intellektuellen Leistung erschließe, sondern um eine leicht erfassbare und ohne Mühe verständliche Aussage, die als beschreibender Hinweis in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet sei.
Dagegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie ist der Auffassung, dass der Eintragung der angemeldeten Wortfolge als Marke keine Schutzhindernisse entgegenstünden. Zwar würden die angesprochenen Verkehrskreise in der angemeldeten Wortfolge sofort das bekannte Kinderlied "Backe backe Kuchen" erkennen, allerdings nicht als Sachhinweis bzw. Aufforderung, etwas zu backen, sondern nur als Anspielung auf dieses Kinderlied. Das Kinderlied stehe derart im Vordergrund, dass diese Wortfolge nicht als beschreibender Begriff, sondern als phantasievolle Angabe verstanden werde. Auch wenn die Wortfolge "Backe, backe" grammatikalisch einen beschreibenden Hinweis enthalten könnte, habe sie sich als Beginn des bekannten Kinderliedes vollständig von einem solchen beschreibenden Charakter gelöst und stelle nur noch den verkürzten Anfang dieses Kinderliedes dar, der im deutschen Kulturkreis derart starke Assoziationen und Emotionen auslöse, dass der Sinngehalt der angemeldeten Wortfolge nicht grammatikalisch, sondern nur aus der vermittelten Information, die sich nur auf den Beginn des Kinderliedes beziehe, abzuleiten sei. Im Backgewerbe sei es zudem extrem ungewöhnlich, den Anfang eines Liedtextes für die Bezeichnung eines Produktes zu verwenden. Dies fördere den Phantasiegehalt der angemeldeten Wortfolge, die daher als betrieblicher Herkunftshinweis besonders gut geeignet sei. Es liege insoweit auch keine einfache Dopplung eines beschreibenden Begriffs vor, denn gerade durch die Dopplung erhalte die Wortfolge einen vollständig neuen Sinn, der mit dem ursprünglichen Sinn des ungedoppelten Wortes nichts mehr gemein habe. Die angemeldete Wortfolge sei daher als Herkunftshinweis geeignet. Es bestehe insoweit auch kein Freihaltebedürfnis.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. August 2011 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG statthaft. Sie ist teilweise, nämlich in Bezug auf die im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen, auch begründet, da insoweit die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG nicht erfüllt sind. Hinsichtlich der weiteren, vorliegend beanspruchten Waren fehlt der angemeldeten Bezeichnung jedoch jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), so dass die Markenstelle die Anmeldung insoweit zu Recht zurückgewiesen hat (§ 37 Abs. 1 und Abs. 5 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 - "Henkel"; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 17 - "FUSSBALL WM 2006"). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Tz. 19 FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u.a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH FUSSBALL WM 2006, a. a. O.).
Slogans und sonstige spruchartige Wortfolgen wie die hier angemeldete Wortfolge "Backe Backe" sind bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft wie andere Wortmarken zu behandeln. Sie unterliegen keinen strengeren Schutzvoraussetzungen und müssen insbesondere keine zusätzliche Originalität aufweisen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rdn. 178 m. w. N.). Es ist auch nicht erforderlich, dass sie einen selbständig kennzeichnenden Bestandteil enthalten oder in ihrer Gesamtheit einen besonderen phantasievollen Überschuss aufweisen (vgl. BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Sie unterliegen aber auch keinen geringeren Schutzvoraussetzungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr in Slogans regelmäßig dann keinen Herkunftshinweis sieht, wenn der Slogan eine bloße Werbefunktion ausübt oder in sonstiger Weise einen beschreibenden Bezug zu den jeweils beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen aufweist. Diese Grundsätze werden durch die Entscheidung des EuGH in GRUR 2010, 228 - VORSPRUNG DURCH TECHNIK nicht in Frage gestellt und auch nicht entscheidend modifiziert. Auch danach setzt die Bejahung der Unterscheidungskraft unverändert voraus, dass das Zeichen geeignet sein muss, die beanspruchten Produkte als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Tz. 44 - VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Hieraus ergibt sich lediglich, dass, sofern die angesprochenen Verkehrskreise eine angemeldete Marke als Herkunftshinweis wahrnehmen, es für die Unterscheidungskraft unerheblich ist, dass die angemeldete Marke gleichzeitig oder sogar in erster Linie z. B. als Werbeslogan wahrgenommen wird. Die Unterscheidungskraft ist nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere dann zu bejahen, wenn die jeweiligen Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, die ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder beim Verkehr einen Denkprozess auslösen (EuGH - VORSPRUNG DURCH TECHNIK, a. a. O. Tz. 57, vgl. dazu auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 177).
a) Ausgehend hiervon weist die Wortfolge "Backe Backe" in Bezug auf die nachfolgend genannten Waren der Klasse 30
"Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen; Gewürze; Döner in Pide und Burger (belegte Brote)"
keine Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr 1 MarkenG auf.
Die angesprochenen Verkehrskreise, die hier insbesondere aus den Endverbrauchern der beanspruchten Waren bzw. Empfängern der beanspruchten Dienstleistungen bestehen, werden die Wortfolge "Backe, Backe" ohne weiteres und spontan mit dem bekannten Kinderlied "Backe backe Kuchen" assoziieren. Hiervon geht auch die Anmelderin aus. Entgegen der Auffassung der Anmelderin werden die angesprochenen Verkehrskreise aber gerade nicht auf einen betrieblichen Herkunftshinweis schließen, wenn ihnen diese Wortfolge im Zusammenhang mit den vorgenannten Waren begegnet. Denn bei diesen Waren handelt es sich zum einen um Produkte, die gebacken werden oder bei deren Herstellung bzw. Zubereitung Backvorgänge stattfinden, und zwar bei den Waren "Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Döner in Pide und Burger (belegte Brote)". Zum anderen handelt es sich um Waren, die als typische, übliche Zutat für Backwaren - hier: "Mehle und Getreidepräparate, Backpulver, Hefe", aber auch "Reis" z. B. im Hinblick auf glutenfreie Reiskuchen und "Tapioka und Sago" als Verdickungsmittel und Stärkezutat -, und im übrigen als geschmackgebende Zutat verwendet werden können. Letzteres trifft in Bezug auf die Waren "Zucker, Honig, Melassesirup" als Süßungsmittel zu. Die Waren "Kaffee, Tee, Kakao, Kaffee-Ersatzmittel" (letztere als koffeinfreie Alternative zu "Kaffee") kommen ebenfalls als geschmackgebende Zutat bei der Zubereitung von Kuchen in Betracht. Die insoweit in Betracht zu ziehenden Zutaten können aber nicht nur auf süße oder ähnlich schmeckende Zutaten beschränkt werden, da auch Zubereitungen wie Zwiebelkuchen oder Quiche Lorraine als Backprodukte zu berücksichtigen sind. Dann aber kommen insoweit auch die Waren "Salz, Senf; Essig, Saucen; Gewürze" als geschmackgebende Zutaten in Betracht.
Handelt es sich bei den gekennzeichneten Waren um solche, die entweder selbst Backprodukte sind, oder um Zutaten zu Backprodukten, wird der Verkehr in der Wortfolge "Backe Backe" lediglich einen sachbezogenen Hinweis auf die Art bzw. den Verwendungszweck dieser Waren erkennen. Dies bedarf auch keiner analysierenden Betrachtungsweise, die mehrere Gedankenschritte erfordert, sondern drängt sich dem Verkehr im Zusammenhang mit den vorgenannten Waren geradezu auf. Dann aber handelt es sich auch nicht um eine phantasievolle, sondern um eine naheliegende und glatt beschreibende Wortfolge, die in Bezug auf diese Waren weder ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordert noch bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslöst.
b) Auch in Bezug auf "Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" fehlt der angemeldeten Wortfolge jegliche Unterscheidungskraft.
In gleicher Weise wie bei den vorgenannten Waren wird der Verkehr im Zusammenhang mit der Dienstleistung "Verpflegung von Gästen" aus der Wortfolge "Backe Backe" schließen, dass Backwaren bei der Erbringung dieser Dienstleistung angeboten werden, so dass insoweit ein zumindest enger beschreibender Bezug im eingangs genannten Sinne vorliegt. Gleiches gilt aber auch in Bezug auf die vorliegend beanspruchten "Dienstleistungen zur Beherbergung von Gästen". Backwaren sind etwa als Snack oder Bestandteil eines auch nur kleinen Frühstücks typische und übliche Zusatzleistungen, die in Zusammenhang mit der Beherbergung von Gästen erbracht werden, so dass auch insoweit ein die Unterscheidungskraft der angemeldeten Wortfolge ausschließender, enger beschreibender Bezug vorliegt.
2. Hinsichtlich der in Ziffer 1 des Tenors genannten Waren und Dienstleistungen ist jedoch weder das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erfüllt, noch handelt es sich bei der angemeldeten Wortfolge um eine insoweit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltungsbedürftige Angabe.
a) Die Waren "Speiseeis, Kühleis" werden durch die Wortfolge "Backe Backe" weder ihrer Art noch ihrer Bestimmung bzw. ihres Verwendungszwecks oder sonstiger Merkmale nach unmittelbar beschrieben. Zwar gibt es Desserts, bei denen Speiseeis als Zutat (Füllung) verwendet wird und die auch kurz gebacken werden, doch bedarf es hinsichtlich dieses Zusammenhangs - anders als bei den vorgenannten Waren, mehrerer analysierender Gedankenschritte. Eine beschreibende Sachangabe und auch ein enger beschreibender Zusammenhang drängt sich dem Verkehr hier nicht ohne weiteres auf, so dass der angemeldeten Wortfolge insoweit nicht jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist. Entsprechendes gilt in Bezug auf die Ware "Kühleis".
b) Auch hinsichtlich der Dienstleistungen "Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten" sind die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG nicht gegeben. Zwar ist insoweit nicht ausgeschlossen, dass diese Dienstleistungen speziell für die Backbranche oder speziell in Bezug auf Backprodukte angeboten werden. Jedoch bedarf es für die Herstellung eines solchen Zusammenhangs auch insoweit mehrerer Gedankenschritte, so dass hinsichtlich dieser Dienstleistungen weder eine unmittelbar beschreibende Sachangabe noch ein die Unterscheidungskraft ausschließender enger beschreibender Bezug gegeben ist.
Nach alledem war die angefochtene Entscheidung im oben genannten Umfang aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen war.