Entscheidungsdatum: 29.10.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2008 006 007
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. Oktober 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Metternich und der Richterin Grote-Bittner
beschlossen:
Die Beschwerden der Widersprechenden werden zurückgewiesen.
I.
Die am 31. Januar 2008 angemeldete Wortmarke
Timolopt
ist am 9. Juni 2008 unter der Nummer 30 2008 006 007 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die Waren der Klasse 5
pharmazeutische Erzeugnisse, Arzneimittel,
eingetragen worden.
Gegen die Eintragung haben die Inhaberin der prioritätsälteren Wortmarke
CHIBRO-TIMOPTOL,
welche seit dem 3. November 1978 unter der Nummer 978 253 beim Deutschen Patent- und Markenamt für die Waren der Klasse 5
Augenpräparate zur Glaukom-Behandlung
registriert ist, und die Inhaberin der Wortmarke
TIMOPTOL,
welche seit dem 8. Februar 1978 unter der Nummer DD 642 125 für die Waren der Klasse 5
Medizinische Präparate für ophtalmologische Zwecke
als eingetragene Marke Schutz genießt, Widerspruch erhoben.
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung der Widerspruchsmarken bestritten, hiervon aber die Verwendung der Widerspruchsmarke zu 1) für „verschreibungspflichtige Augentropfen zur Glaukombehandlung mit dem Wirkstoff Timololmaleat“ ausgenommen.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluss durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die Widersprüche zurückgewiesen. Ausgehend von Warenidentität der Vergleichswaren bei einer unstreitig rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke „CHIBRO-TIMOPTOL“ für die Waren „verschreibungspflichtige Augentropfen zur Glaukombehandlung mit dem Wirkstoff Timololmaleat“, die von den Waren der angegriffenen Marke mit umfasst seien, und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu 1), sei unter keinem Gesichtspunkt eine Verwechslungsgefahr der zu vergleichenden Marken „Timolopt“ und „CHIBRO-TIMOPTOL“ gegeben. Nur sofern bei einer sich gegenüberstehenden mehrgliedrigen Marke und einer Einwortmarke unter Berücksichtigung der konkreten Kollisionslage das – vermeintlich übereinstimmende – Element im jeweiligen Gesamteindruck prägende Bedeutung habe, käme eine Verwechslungsgefahr in Betracht. Bei der Widerspruchsmarke „CHIBRO-TIMOPTOL“ sei keiner der beiden Wortbestandteile prägend, so dass auch nicht der Wortbestandteil „TIMOPTOL“ in Alleinstellung der jüngeren Marke „Timolopt“ gegenüber zu stellen sei. Vielmehr werde die Widerspruchsmarke zu 1) vom Verkehr trotz des Bindestrichs als eine zusammengehörige Bezeichnung aufgefasst und wiedergegeben, zumal der Verkehr insbesondere auf medizinischem Gebiet nicht zu Verkürzungen neige. Auch wenn im Allgemeinen bei mehrgliedrigen Marken ein Wortelement, das auf ein bekanntes oder erkennbares Firmenkennzeichen hinweise, für den Gesamteindruck zurücktrete, weil der Verkehr die eigentliche Produktkennzeichnung in dem weiteren Bestandteil sehe, gelte dies nicht uneingeschränkt, vor allem nicht im Arzneimittelbereich. Zudem handele es ich vorliegend bei dem Wortbestandteil „Chibro“ nicht um die Firmenbezeichnung der Widersprechenden, sondern lediglich um einen anlautenden Bestandteil hiervon, der zudem mittels Bindestrich mit einem nachfolgenden Wortelement verbunden sei. Auch der Widerspruch aus der Marke „TIMOPTOL“ bleibe ohne Erfolg. Dieser Widerspruch sei schon mangels Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen. Nach den von der Widersprechenden zu 2) vorgelegten Unterlagen werde die Widerspruchsmarke zu 2) mit „TIMOPTOL“ in Alleinstellung nicht verwendet, sondern nur die Marke „CHIBRO-TIMOPTOL“. Die Verwendung von „CHIBRO-TIMOPTOL“ stelle aber eine abweichende, den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke „TIMOPTOL“ verändernde Benutzungsform dar, so dass in der Benutzungsform „CHIBRO-TIMOPTOL“ nicht zugleich eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu 2) i.S.d. § 26 Abs. 3 MarkenG zu erblicken sei.
Dagegen haben beide Widersprechenden Beschwerde erhoben, die sie wie folgt begründen:
Die Widerspruchsmarke „CHIBRO-TIMOLOPT“ verfüge als gut eingeführte Marke über durchschnittliche Kennzeichnungskraft im oberen Bereich. Die Marke werde seit 1979 bis heute ununterbrochen und umfangreich auf dem deutschen Markt für ein Mittel zur Glaukomtherapie benutzt und sei dementsprechend in der Tabelle „Führende Arzneimittel 2007 nach Verordnung“ an Platz … mit einem Umsatz von … (in Tausend) Euro zu finden. Ausgehend hiervon und angesichts der Identität der Vergleichswaren habe die jüngere Marke einen deutlichen Zeichenabstand einzuhalten, der nicht gewahrt sei. Denn beim Zeichenvergleich sei der angegriffenen Marke „Timolopt“ allein der Wortbestandteil „TIMOPTOL“ als einziges produktkennzeichnendes Element in der älteren Marke gegenüber zu stellen. Der Verkehr werde nämlich in dem Bestandteil „CHIBRO“ vorrangig einen Hinweis auf die Herkunft der Ophthalmika aus dem Unternehmen „Chibret“ erkennen. „CHIBRO“ sei Firmenschlagwort bzw. Dachmarke der Widersprechenden zu 1) im ophthalmischen Bereich und als solches, insbesondere im Hinblick auf diverse CHIBRO-Marken wie „CHIBRO-AMUNO, CHIBROXIN; CHIBRO-CADRON“ usw. bekannt, wobei der Verkehr auch wisse, dass gerade im Pharmabereich Hersteller häufig ihre Produktkennzeichnungen in Kombination mit einer Dachmarke oder einem Firmenschlagwort benutzten, was regelmäßig durch ein verbindendes Wort oder einen Bindestrich zwischen dem produktkennzeichnenden Element und der Herstellerangabe bzw. dem Stammbestandteil verdeutlicht werde, wie vorliegend bei „CHIBRO-TIMOLOPT“. Selbst wenn Teilen des Verkehrs „CHIBRO“ als Firmenschlagwort bzw. Dachmarke der Widerspruchsmarke 1) im ophthalmischen Bereich nicht bekannt sein sollte, so wirke „CHIBRO“ in der Marke „CHIBRO-TIMOPTOL“ eindeutig als Firmenhinweis bzw. Stammbestandteil. Bei dem Wortbestandteil „TIMOPTOL“ handele es sich nicht um ein an den INN „Timolol“ angelehntes Markenwort, sondern um einen durch die Kombination der Buchstaben „Tim“ und „Optol“ völlig neuartiger, phantasievoller Begriff, der sich von dem Wirkstoff „Timolol“ abhebe und daher normal kennzeichnungskräftig sei. Aber selbst wenn die Anlehnung an den Wirkstoff erkennbar sei, führe dies nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts und auch des erkennenden Senats nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche der Gesamtmarke. Die demnach gegenüber zu stellenden Marken „TIMOPTOL“ und „Timolopt“ seien sowohl im Klang- wie auch im Schriftbild wie auch von ihrer Markenbildung hochgradig ähnlich. Sie stimmten mit „Timo“ im regelmäßig stärker beachteten Wortanfang überein und wiesen zudem mit den weiteren Bestandteilen „PTOL“ einerseits und „lopt“ andererseits erhebliche Übereinstimmungen auf.
Die Widersprechende zu 2) meint, dass entgegen der Auffassung der Markenstelle eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke „TIMOPTOL“ in der Benutzungsform „CHIBRO-TIMOPTOL“ gemäß § 26 Abs. 3 MarkenG zu bejahen sei, da die Abweichung, nämlich die Kombination von „TIMOPTOL“ mit der Dachmarke „CHIBRO“ den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke zu 2) nicht verändern würde. Eine Verwechslungsgefahr der danach gegenüber zu stellenden Zeichen „TIMOPTOL“ und „Timolopt“ sei bei identischen Waren offenkundig gegeben.
Die Widersprechende zu 1) beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juli 2011 in der Hauptsache aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2008 006 007 wegen des Widerspruchs aus der Marke 978 253 anzuordnen.
Die Widersprechende zu 2) beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juli 2011 in der Hauptsache aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2008 006 007 wegen des Widerspruchs aus der Marke D 642 125 anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung hat die Markenstelle die Widersprüche zu Recht zurückgewiesen. Eine Verwechslungsgefahr zwischen der Widerspruchsmarke zu 1) und der angegriffenen Marke sei zu verneinen. Von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu 1) sei nicht auszugehen, da die von der Widersprechenden zu 1) vorgelegten Belege hierfür nicht geeignet seien. Beim Zeichenvergleich trete entgegen der Auffassung der Widersprechenden zu 1) der Wortbestandteil „CHIBRO“ in dem Gesamtkennzeichen nicht zurück, vielmehr handele es sich hierbei um den eher kennzeichnungsstärkeren Bestandteil. Denn das weitere Wortelement „TIMOPTOL“ sei wegen seiner Anlehnung an den Wirkstoff „TIMOLOL“ – letztlich sei bei diesem Wortbestandteil der Widerspruchsmarke zu 1) nur der Mittelkonsonanten „L“ gegen die Konsonanten „P“ und „T“ ausgetauscht – als eher kennzeichnungsschwach einzustufen. Für die Kennzeichnungsschwäche dieses Wortbestandteils spreche auch, dass im Arzneimittelsektor die Bildung von Marken unter Hinweis auf den Wirkstoff üblich sei. Dies gelte auch für den Bestandteil „TIMO“, der ausweislich eines Auszugs aus der Roten Liste in einer Vielzahl von Arzneimittelbezeichnungen verwendet werde. Schließlich indiziere die Registerlage die fehlende Kennzeichnungskraft der Vorsilbe „TIMO“. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden zu 1) werde das Wortelement „CHIBRO“ in der Widerspruchsmarke zu 1) vom Verkehr auch nicht als Firmenschlagwort aufgefasst. Abgesehen davon, dass die Widerspruchsmarke zu 1) tat sächlich seit mehr als fünf Jahren von der T… genutzt werde, die den genannten Wortbestandteil erkennbar nicht in ihrer Firmenbezeichnung führe, laute der Firmenbestandteil der Markeninhaberin „Chibret“ und nicht „CHIBRO“.
Auch die Beschwerde der Widersprechenden zu 2) müsse erfolglos bleiben, da von dieser nicht einmal eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke glaubhaft gemacht worden sei, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt habe. Tatsächlich benutzt werde unstreitig nämlich nur die Marke „CHIBRO-TIMOPTOL“. Dies stelle aber eine den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke zu 2) verändernde Abweichung dar, die einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke zu 2) entgegenstehe.
Die Widersprechenden haben ihren mit der Beschwerdeerhebung hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung konkludent zurückgenommen, indem sie mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2013 mitgeteilt haben, nicht an dem bereits bestimmten Verhandlungstermin teilzunehmen. Der Termin zur mündlichen Verhandlung ist daraufhin aufgehoben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerden der Widersprechenden sind zulässig, insbesondere statthaft. Die Beschwerden sind aber unbegründet. Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke zu 1) keine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht und in Bezug auf die Widerspruchsmarke zu 2) eine rechtserhaltende Benutzung nicht glaubhaft gemacht worden ist, so dass die Markenstelle die Widersprüche zu Recht zurückgewiesen hat.
1.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z.B. EuGH GRUR 2010, 933, Tz. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Tz. 44 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; GRUR 2013, 833, Tz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343, Tz. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9 Rdn. 40 ff. m.w.N.).
a)
Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer originär durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke zu 1) aus. Denn einerseits gibt es keine Gründe, eine geschwächte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu 1) anzunehmen. Beschreibende Bedeutung hat diese Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit erkennbar nicht. Andererseits kann entgegen der Auffassung der Widersprechenden zu 1) eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke infolge intensiver Benutzung und gesteigerte Verkehrsbekanntheit nicht angenommen werden. Die in diesem Zusammenhang vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen reichen hierfür nicht aus. Allein die Umstände, dass mit der Widerspruchsmarke zu 1) zumindest im Jahr 2007 durchaus beachtlichen Jahresumsatz erzielt wurden und die Widerspruchsmarke seit mehreren Jahren in der Roten Liste geführt wird, vermögen eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke nicht zu belegen. Vielmehr müssen noch weitere relevante Umstände hinzukommen, wie beispielsweise gehaltene Marktanteile, geographische Ausbreitung und aufgewendete Werbemittel (vgl. zur Frage der gesteigerten Verkehrsbekanntheit einer Marke: Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9, Rdn. 138). Hierzu liegen aber keine Angaben vor. Außerdem lassen demoskopische Befragungen sowie Angaben über Werbeaufwendungen im Allgemeinen zuverlässigere Schlüsse auf eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit einer Marken zu (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9, Rdn. 140). Demoskopische Gutachten zur Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke wurden von der Widersprechenden zu 1) nicht eingereicht.
b)
Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist von einer Benutzung der Widerspruchsmarke zu 1) für „Ophthalmika“ (Hauptgruppe 67 der Roten Liste) auszugehen.
Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke zu 1) für Arzneimittel mit Ausnahme von „verschreibungspflichtige Augentropfen zur Glaukombehandlung mit dem Wirkstoff Timololmaleat“ bestritten hat, und die Widersprechende zu 1) eine weitergehende Benutzung ihrer Marke nicht geltend gemacht hat, sind in Bezug auf die Widerspruchsmarke zu 1) im Rahmen der Integrationsfrage aufgrund der nach ständiger Rechtsprechung anzuwendenden erweiterten Minimallösung „Ophthalmika“ der Hauptgruppe 67 der Roten Liste allgemein und mangels entgegenstehender Festschreibung im Warenverzeichnis ohne Beschränkung auf eine Rezeptpflicht, bestimmte Darreichungsformen oder enthaltene Wirkstoffe (vgl. zur erweiterten Minimallösung: Ströbele/Hacker, MarkenG., 10. Aufl., § 26 Rdn. 194, 202 ff.; 3; siehe auch die Senatsentscheidungen GRUR 2001, 513, 515 - CEFABRAUSE/CEFASEL; MarkenR 2004, 361, 362 CYNARETTEN/ Circanetten) als relevante Waren zugrunde zu legen. Da die geschützten Waren der angegriffenen Marke, nämlich „Arzneimittel“, die Widerspruchswaren „Ophthalmika“ mit umfasst, können die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung identischer Waren verwendet werden.
c)
Ausgehend danach von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „CHIBRO-TIMOPTOL“ und Identität der Vergleichswaren sind strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, denen die angegriffene Marke aber in jeder Hinsicht gerecht wird.
In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die jeweiligen Vergleichszeichen unter allen denkbaren Aspekten offensichtlich ausreichend. Die Widerspruchsmarke zu 1) weist den zusätzlichen Wortbestandteil „CHIBRO“ auf, wodurch sich die Vergleichszeichen in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht in allen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr wesentlichen Kriterien (Zeichenlänge, Silbenzahl, Sprechrhythmus usw.) ausreichend voneinander abheben, zumal die Abweichung sich am regelmäßig stärker beachteten Zeichenanfang (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9, Rdn. 237 ) befindet.
Der für die Frage der Verwechslungsgefahr maßgebliche Gesamteindruck der Widerspruchsmarke wird entgegen der Auffassung der Widersprechenden zu 1) auch nicht durch die Bestandteil „TIMOPTOL“ geprägt, weil der weitere Bestandteil „CHIBRO“ kennzeichenmäßig zumindest gleichgewichtig neben dem Bestandteil „TIMOPTOL“ steht. Dies gilt auch dann, wenn dem Zeichenbestandteil „CHIBRO“ eine Funktion als Firmenbestandteil oder Stammbestandteil einer Zeichenserie zukommen würde.
Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens ist nicht gegeben, da nicht ersichtlich ist, dass sich die angegriffene Marke in rechtlich relevanter Weise in eine Markenserie der Widersprechenden zu 1) einfügt. Zum einen besteht die angegriffene Marke nur aus einem Bestandteil und zum anderen stimmen die Marken nicht identisch oder wesensgleich in einem denkbaren Stammbestandteil überein. Denn als Stammbestandteil kommt bei der Widerspruchsmarke zu 1) allenfalls der Bestandteil „CHIBRO“ in Betracht, der allerdings in keiner Form in der jüngeren Marke enthalten ist. Selbst wenn man eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens auch dann in Betracht ziehen würde, dass die jüngere Marke nur aus dem zumindest wesensgleich übernommenen Stammbestandteil besteht, scheidet eine Verwechslungsgefahr deshalb unter diesem Gesichtspunkt offensichtlich aus.
Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne kann nicht bejaht werden. Diese kommt in Betracht, wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe prioritätsjüngere Marke aufgenommen wird, in der dieses Element neben einem Unternehmenskennzeichen oder Serienzeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH, GRUR 2005, 1042 – THOMSON LIFE; BGH, GRUR 2006, 859, Tz. 18 – Malteserkreuz I; BGH, GRUR 2008, 258 Tz. 33 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2010, 833, Tz. 20 ff. - Malteserkreuz II und insbesondere BGH GRUR 2008, 905, Tz. 38 ff. - Pantohexal). Eine solche Fallgestaltung liegt hier gerade nicht vor. Die Widerspruchsmarke ist nicht identisch oder ähnlich als selbständig kennzeichnendes Element in eine zusammengesetzte jüngere Marke übernommen worden. Vielmehr liegt der Fall vorliegend umgekehrt. Die Widerspruchsmarke enthält zwar den mit der angegriffenen Marke recht ähnlichen Wortbestandteil „TIMOPTOL“. Dieses Element hat aber, wie bereits ausgeführt, innerhalb der Widerspruchsmarke keine prägende Wirkung. Unabhängig davon, ob der Bestandteil „“TIMOPTOL“ innerhalb der Widerspruchsmarke eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat, könnte auch dieser Umstand allein die Bejahung einer Verwechslungsgefahr nicht rechtfertigen. Würde man nämlich eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne auf die Übereinstimmung der Kollisionsmarken in einem die Widerspruchsmarke nicht prägenden (sondern lediglich selbständig kennzeichnenden) Bestandteil stützen, so würde dies auf einen allgemeinen Elementenschutz eines aus einer älteren mehrgliedrigen Marke herausgelösten Bestandteils hinauslaufen, der dem Markenrecht fremd ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9, Rdnr. 326). Aus diesem Grund ist in Fällen dieser Art sehr genau zu unterscheiden, ob ein Kollisionszeichen vollständig im komplexeren prioritätsjüngeren oder in einem komplexeren prioritätsälteren Vergleichszeichen enthalten ist.
2.
Der Widerspruch aus der Widerspruchsmarke zu 2) hat mangels berücksichtigungsfähiger Waren i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG auf Seiten dieser Marke keinen Erfolg. Die Frage der Verwechslungsgefahr zwischen den sich insoweit gegenüberstehenden Marken nach der Registerlage kann daher als nicht mehr entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt mit Schriftsatz vom 12. Januar 2009 die Benutzung der Widerspruchsmarke zu 2) bestritten. Die Nichtbenutzungseinrede erstreckt sich mangels Differenzierung auf beide Benutzungszeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG (vgl. dazu Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 43 Rdn. 18 m.w.N.). Da die am 8. Februar 1978 eingetragene Widerspruchsmarke DD 642 125 zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 11. Juli 2008 auch bereits mehr als fünf Jahre eingetragen war, oblag es der Widersprechenden zu 2) somit, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Widerspruchsmarke sowohl in den letzten fünf Jahren vor der Veröffentlichung der angegriffenen Marke, § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, als auch in den letzten fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch, § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, nach Art, Zeit, Ort und Umfang glaubhaft zu machen. Mithin hatte die Widersprechende zu 2) eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Widerspruchsmarke für die Zeiträume vom 11. Juli 2003 bis 11. Juli 2008 und vom 29. Oktober 2008 bis 29. Oktober 2013 glaubhaft zu machen. Dies ist aber nicht geschehen.
Die Widersprechende zu 2) hat keine speziellen Benutzungsunterlagen in Bezug auf die Widerspruchsmarke zu 2) vorgelegt und sich lediglich auf die unstreitige Benutzung von „CHIBRO-TIMOPTOL“ (für die Waren „verschreibungspflichtige Augentropfen zur Glaukombehandlung mit dem Wirkstoff Timololmaleat“) also der Widerspruchsmarke zu 1) berufen. Mit der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke „CHIBRO-TIMOPTOL“ kann aber nicht auch eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke „TIMOPTOL“ bejaht werden, wobei in diesem Zusammenhang unerheblich ist, dass es sich bei der abweichenden Benutzungsform ihrerseits um eine eingetragene Marke handelt (vgl. EuGH GRUR 2012, 1257, Tz. 24, Rintisch [Proti]). Die Verwendung einer Marke in der Form, dass ein weiterer kennzeichnungskräftiger Zeichenbestandteil hinzugefügt wird, verändert nämlich regelmäßig den kennzeichnenden Charakter des Zeichens (vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 26 Rdn. 130 a.E. und 134 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen), so dass eine Bejahung der Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG und damit die Anerkennung einer rechtserhaltenden Benutzung für die Marke „TIMOPTOL“ durch die Verwendung der Marke „CHIBRO-TIMOPTOL“ ausscheidet. Dies gilt unabhängig davon, ob der weitere Markenbestandteil - hier: CHIBRO - Stammbestandteil einer Zeichenserie bzw. Firmenbestandteil ist oder nicht (wegen der deutlichen Abweichung der Bezeichnung „CHIBRO“ von „Chibret“ in dem Firmennamen C… GmbH, die die Inhaberin der Widerspruchsmarke zu 2) nicht mal selbst führt, kommt eine Qualifizierung dieses Elements als Firmenbestandteil wohl ohnehin nicht in Betracht). Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof in zwei Verletzungsverfahren ausgeführt worden ist, dass etwas anderes ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn der Verkehr an die Verwendung von Zweitkennzeichen gewöhnt ist, etwa bei Serienzeichen oder dann, wenn es sich bei einem der beiden Zeichen um den dem Verkehr bekannten Namen eines Unternehmens handelt (so BGH GRUR 2011, 624, Tz. 20 – Peek & Cloppenburg II und GRUR 2007, 592, Tz. 13 ff. – bodo Blue Night), kann dies vorliegend nicht angenommen werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass tatsächlich eine Kennzeichnung „CHIBRO-TIMOPTOL“ mit zwei gleichgewichtig nebeneinander stehenden Wörtern verwendet wird, die durch Bindestrich miteinander verbunden sind. Dies entspricht den vorgelegten Unterlagen (Kopien aus der Roten Liste). Bei einer solchen Markenverwendung ist nach der tatrichterlichen Beurteilung des Senats ein Verkehrsverständnis von Haupt- und Zweitmarke nicht nahegelegt. Zu einer Zeichenverwendung, bei der die Widerspruchsmarke „TIMOPTOL“ als eigenständige Marke (Haupt- oder Zweitmarke) erscheint, hat die Widersprechende zu 2) im Übrigen nichts vorgetragen.
Nach alledem bleibt der Widerspruch aus der Widerspruchsmarke zu 2) gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG erfolglos.
3.
Eine Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG war nicht veranlasst.
4.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden. Die Widersprechenden haben ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 69 Nr. 1 MarkenG) zurückgenommen. Es waren ferner keine tatsächlichen oder rechtlichen Fragen entscheidungserheblich, die der Erörterung in einer mündlichen Verhandlung bedurft hätten, so dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch aus anderen Gründen nicht geboten war (§ 69 Nr. 3 MarkenG).