Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.01.2011


BPatG 20.01.2011 - 25 W (pat) 534/10

Markenbeschwerdeverfahren – "Bella Butterfly/Butterfly (IR-Marke)" – Warenidentität und -ähnlichkeit - zur Kennzeichnungskraft - keine unmittelbare Verwechslungsgefahr - keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
20.01.2011
Aktenzeichen:
25 W (pat) 534/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 035 451

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 20. Januar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Grote-Bittner und des Richters Metternich

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 31. Mai 2008 angemeldete Wortmarke

2

Bella Butterfly

3

ist am 14. Augst 2008 unter der Nummer 30 2008 035 451 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die folgenden Waren der Klasse 30 eingetragen worden:

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"Zuckerwaren, feine Back- und Konditorwaren und nicht medizinische Kaugummi."

5

Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren Wortmarke

6

Butterfly

7

Widerspruch erhoben, welche am 26. September 1988 unter der Nummer IR 529 043 für die folgenden Waren der Klasse 30 international registriert worden ist:

8

"Pastry and confectionery, biscuits and cakes.”

9

Die Markenstelle für Klasse 30, besetzt mit einem Beamten des gehobenen Dienstes, hat den Widerspruch mit Beschluss vom 5. Juli 2010 zurückgewiesen.

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Aus Sicht der Markenstelle besteht zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr. Zwar könnten sich die Vergleichsmarken teilweise auf identischen und im Übrigen hochgradig ähnlichen Waren begegnen. Dennoch halte die angegriffene Marke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Bei der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei zu berücksichtigen, dass das Markenwort "Butterfly" einen gebräuchlichen Hinweis auf eine schmetterlingsähnliche Form der Waren der Widerspruchsmarke enthalte, dem als produktbezogene Sachangabe die Unterscheidungskraft fehle. In ihrem Gesamteindruck unterschieden sich die aus einem Markenwort bestehende Widerspruchsmarke und die mehrgliedrige angegriffene Marke in offenkundiger Weise voneinander. Die angegriffene Marke werde auch nicht durch den mit der Widerspruchsmarke identischen Bestandteil "Butterfly" geprägt; dieser habe innerhalb der angegriffenen Marke auch keine selbständig kennzeichnende Stellung. Bei der angegriffenen Marke, die die Bedeutung "Schöner Schmetterling" habe und ebenfalls warenbeschreibende Anklänge aufweise, handele es sich um einen Gesamtbegriff, in welchem der Bestandteil "Bella" vollständig in diesem Gesamtbegriff integriert sei. Die angegriffene Marke ziehe ihre Unterscheidungskraft aus ihrer Gesamtheit, so dass eine Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen sei.

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Ihre gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde hat die Widersprechende – anders als von ihr angekündigt - nicht begründet und auch innerhalb der vom Senat gesetzten Frist keine Begründung eingereicht. Sie hat in der Sache auch keine Anträge gestellt.

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Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat die Widersprechende die Auffassung vertreten, dass zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr gegeben ist. Es sei von Warenidentität bzw. hochgradiger Warenähnlichkeit auszugehen. Die Widerspruchsmarke habe durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Der Bestandteil "Bella" der angegriffenen Marke sei nicht geeignet, um eine hinreichende Unterscheidbarkeit der Vergleichsmarken herzustellen, zumal er lediglich als Attribut zu dem weiteren mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Markenwort "Butterfly" verstanden werde. Dieser Bestandteil werde sich dem Verbraucher als das klanglich und visuell beherrschende Element innerhalb der angegriffenen Marke einprägen.

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Die Markeninhaberin hat im Beschwerdeverfahren ebenfalls nicht vorgetragen und keine Anträge gestellt.

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Sie hat im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt die Auffassung vertreten, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe. Es sei lediglich von Warenähnlichkeit auszugehen. Die Widerspruchsmarke habe als warenbeschreibende Angabe nur äußerst geringe Kennzeichnungskraft. Daher reiche bereits ein geringer Unterschied zwischen den Vergleichsmarken aus, um Verwechslungsgefahr auszuschließen, wobei der Zusatz "Bella" der angegriffenen Marke eine hinreichende Differenzierung herstelle.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten im patentamtlichen Verfahren und auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.

II.

16

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthaft. Sie ist jedoch unbegründet. Die Markenstelle hat eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zutreffend verneint, so dass der Widerspruch gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG i. V. m. §§ 107 Abs. 1, 112 Abs. 1 MarkenG zu Recht zurückgewiesen worden ist.

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1. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, Tz. 18 - PICASSO ; GRUR 1998, 387, Tz. 2 - Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2008, 258 – INTERCONNECT/T-InterConnect; BGH MarkenR 2009, 399 – Augsburger Puppenkiste; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 32).

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a) Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist hinsichtlich der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Danach können sich die Vergleichsmarken teilweise auf identischen und im Übrigen ohne weiteres ähnlichen Waren begegnen. Insbesondere liegt in Bezug auf die "Zuckerwaren, feinen Back- und Konditorwaren" der angegriffenen Marke Warenidentität im Verhältnis zu den Waren "confectionery, pastry" der Widerspruchsmarke vor (vgl. dazu auch Teil I - Nizza Klassifikation – Alphabetische Liste der Waren und Dienstleitungen, 9. Aus-gabe, S. 44 und 219).

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b) Die Widerspruchsmarke weist entgegen der Auffassung der Widersprechenden eine erheblich unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Das Markenwort "Butterfly" ist das dem Grundwortschatz der englischen Sprache zugehörige Wort für "Schmetterling". Es ist allgemein bekannt, dass im Bereich von Zucker- und Backwaren Tierformen üblich sind. Der Markenstelle ist daher zuzustimmen, dass die Widerspruchsmarke aus einer sachbezogenen Angabe besteht, die Merkmale ihrer Waren, nämlich deren Form beschreibt. Damit stellt die Bezeichnung "Butterfly" keinen unterscheidungskräftigen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren der Widerspruchsmarke dar, so dass insoweit von einer nur erheblich eingeschränkten Kennzeichnungskraft ausgegangen werden kann.

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c) Trotz der teilweise gegebenen Warenidentität und der im Übrigen gegebenen Warenähnlichkeit hält die angegriffene Marke unter Berücksichtigung der erheblich unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke ein, so dass Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu verneinen ist.

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Zwischen den gegenüberstehenden Marken ist keine unmittelbare Verwechslungsgefahr gegeben. Für den markenrechtlichen Vergleich der sich gegenüberstehenden Marken ist der Gesamteindruck maßgeblich. Hierbei ist eine zergliedernde Betrachtungsweise grundsätzlich zu vermeiden, zumal der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 170 m. w. N.). Klanglich und schriftbildlich unterscheiden sich die Vergleichszeichen deutlich voneinander. Die angegriffene Marke besteht aus einer Kombination zweier Wörter, wobei der gegenüber der Widerspruchsmarke unterschiedliche Bestandteil "Bella" am üblicherweise stärker beachteten Anfang dieser Wortkombination steht. Sowohl schriftbildlich als auch bei der Aussprache ergeben sich somit markante Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken in ihrer Gesamtheit.

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Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke wird auch nicht durch den Bestandteil "Butterfly", der mit der Widerspruchsmarke übereinstimmt, geprägt. Dieser Bestandteil stellt auch in Bezug auf die Waren der angegriffenen Marke aus den bereits genannten Gründen eine die Form dieser Waren beschreibende Sachangabe ohne relevanten herkunftshinweisenden Gehalt dar. Daher ist dieser Bestandteil aus Rechtsgründen nicht geeignet, den Gesamteindruck der angegriffenen Marke derart zu prägen, dass der weitere (Anfangs-) Bestandteil innerhalb dieses Gesamteindrucks weitgehend in den Hintergrund tritt und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmt (vgl. dazu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 283 m. w. N.).

23

Ferner ist auch unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen Inverbindungbringens der Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr gem. § 9 Abs.1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG nicht zu bejahen. In diesem Zusammenhang hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE ) und des Bundesgerichtshofes (GRUR 2006, 859 - Malteserkreuz; GRUR 2008, 903 - SIERRA ANTIGUA ; GRUR 2008, 905 - Pantohexal; GRUR 2008, 909 - Pantogast; GRUR 2010, 729 - MIXI ) zwar anerkannt, dass einem Bestandteil in einer zusammengesetzten Marke auch dann eine selbständig kennzeichnende und kollisionsbegründende Stellung zukommen kann, ohne dass dieser Bestandteil das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt. Dies setzt aber voraus, dass der Verkehr auf Grund besonderer Umstände Veranlassung hat, das zu einem Wort zusammengesetzte Zeichen zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung aufzufassen (vgl. z. B. BGH GRUR 2008, 905 - Pantohexal; GRUR 2010, 729 - MIXI ).

24

Danach kommt dem Bestandteil "Butterfly", auch wenn er mit der Widerspruchsmarke übereinstimmt, innerhalb der angegriffenen Marke keine selbständig kennzeichnende Stellung zu. Die angegriffene Marke ist keine Kombination einer bekannten jüngeren Marke (hier: Bella) mit einer älteren Marke (hier: Butterfly). Ferner liegt bei der angegriffenen Marke auch keine Kombination der Widerspruchsmarke mit einem Unternehmenskennzeichen vor.

25

Zum einen scheidet die Annahme einer Verwechslungsgefahr aus dem Aspekt eines Serienzeichens aus. Diese Art der Verwechslungsgefahr, die erst zu prüfen ist, wenn die einander gegenüberstehenden Zeichen wie im Streitfall nicht unmittelbar miteinander verwechselbar sind, greift dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfolgenden Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Inhaber zuordnet (BGH GRUR 2010, 729, Tz. 40 f. m. w. N. – MIXI ). Für eine Markenserie der Widersprechenden, bei der der Begriff "Butterfly" mit weiteren Attributen kombiniert wird, bestehen aber keine Anhaltspunkte.

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Zum anderen ist auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn unter dem Aspekt des gedanklichen Inverbindungbringens zu verneinen. Diese kann gegeben sein, wenn der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung aber von wirtschaftlichen oder organisatorischen Zusammenhängen zwischen den Markeninhabern ausgeht. Hierfür sind allerdings besondere Umstände zu fordern, da es nicht ausreicht, wenn die jüngere Marke bloße Assoziationen an ein fremdes Zeichen hervorruft (BGH GRUR 2010, 729, Tz. 42 f. m. w. N. - MIXI ). Solche Umstände sind nicht gegeben, da der Bestandteil "Butterfly" – wie bereits ausgeführt - in der angegriffenen Marke gerade keine selbständig kennzeichnende Stellung hat, sondern der Verkehr bei der angegriffenen Marke von einer Gesamtbezeichnung ausgeht, bei der er keine Veranlassung hat, diese zergliedernd zu betrachten. Vielmehr bleibt es vorliegend bei dem Grundsatz, dass eine Übereinstimmung in beschreibenden Begriffen für eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr nicht ausreicht (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 213).

27

Die Beschwerde bleibt nach alledem ohne Erfolg.

28

2. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden. Von den Beteiligten hat keiner einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt (§ 69 Nr. 1 MarkenG). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch aus anderen Gründen nicht angezeigt (§ 69 Nr. 2 und 3 MarkenG).

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3. Zu einer Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).