Entscheidungsdatum: 24.10.2012
In der Beschwerdesache
…
…
betreffend die international registrierte Marke IR 900 391
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. August 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Grote-Bittner und des Richters Metternich
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 Internationale Markenregistrierung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. April 2011 aufgehoben, soweit der international registrierten Marke IR 900 391 der Schutz in Deutschland für die Waren „honey, sugar, bread, spicery“ versagt worden ist. Insoweit wird der Widerspruch aus der Marke 1 133 553 zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Markeninhaberin zurückgewiesen.
I.
Das nachfolgend abgebildete Zeichen
ist am 20. Juni 2006 als Marke unter der Nummer 900 391 für die nachfolgend genannten Waren der Klasse 30 international registriert worden:
Confectionery, pastry, cookies, biscuits, crackers, candies, chocolate, honey, sugar, bread, ice cream, spicery.
Diese internationale Registrierung ist am 30. November 2006 vom Internationalen Büro bekannt gemacht worden.
Die Widersprechende wendet sich gegen die Erstreckung des Schutzes der vorgenannten IR-Marke auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem am 13. Februar 2007 erhobenen Widerspruch aus der prioritätsälteren Marke
ROCHER,
die am 20. Januar 1989 unter der Nummer 1 133 553 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die nachfolgend genannten Waren der Klasse 30 eingetragen worden ist:
Schokoladewaren, nämlich Pralinen.
Auf diesen Widerspruch hin hat die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes, mit Beschluss vom 8. April 2011 der angegriffenen IR-Marke den Schutz in Deutschland hinsichtlich der Waren
Confectionery, pastry, cookies, biscuits, candies, chocolate, honey, sugar, bread, ice cream, spicery
versagt.
Die Markenstelle ist der Auffassung, dass hinsichtlich der vorgenannten Waren gemäß §§ 119, 124, 114, 43 Abs. 2 Satz 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG i.V.m. Art. 5 PMMA, Art. 6 quinquies lit. B PVÜ Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken gegeben sei. Zwischen den vorgenannten Waren der angegriffenen IR-Marke und den Waren der Widerspruchsmarke bestehe teils Identität, teils hochgradige Ähnlichkeit. Die Widerspruchsmarke besitze aufgrund ihrer hohen Bekanntheit eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. In Bezug auf die vorgenannten Waren halte die angegriffene IR-Marke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht nicht ein. Klanglich bestünden erhebliche Übereinstimmungen zwischen den Vergleichsmarken; insbesondere seien die Vokalfolge „o-e“, die Silbenzahl und der Sprechrhythmus gleich, während der einzige Unterschied der klangschwache Konsonant „n“ am üblicherweise weniger beachteten Wortende sei. Ein sicheres Auseinanderhalten der Vergleichsmarken sei im Geschäftsverkehr nicht gewährleistet. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bestünden überwiegend Übereinstimmungen, so dass auch insoweit von einer relevanten Markenähnlichkeit auszugehen sei. Lediglich in Bezug auf die Ware „crackers“ sei eine Verwechslungsgefahr zu verneinen, da insoweit im Verhältnis zu den Waren der Widerspruchsmarke keine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit festzustellen sei.
Dagegen wendet sich die Beschwerde der Markeninhaberin.
Sie bestreitet im Beschwerdeverfahren die Benutzung der Widerspruchsmarke und ist der Auffassung, dass die hierauf von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen nicht geeignet seien, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass die eidesstattliche Versicherung der als „Senior Product Managerin“ bei der F… GmbH & Co. KG tätigen B… vom 19. Oktober 2011(Bl. 100 d.A.) von einer insoweit geeigneten Person abgegeben worden sei; insoweit bestreitet die Markeninhaberin, dass die F… GmbH & Co. KG ein Tochterunternehmen der Widersprechenden sei. Ferner bestreitet die Markeninhaberin, dass die Widersprechende Herstellerin der in Anlage 2 zum Schriftsatz der Widersprechenden vom 3. November 2011 abgebildeten Produkte (Bl. 101 ff. d.A.) sei. Ferner ergebe sich aus diesen Abbildungen eine Benutzung der Widerspruchsmarke allenfalls in einer abweichenden Form, die den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke verändert habe.
Ferner bestehe zwischen den Vergleichsmarken unabhängig von der Benutzungslage keine Verwechslungsgefahr. Die Markenstelle habe Warenidentität bzw. hochgradige Warenähnlichkeit zu Unrecht festgestellt. „Zucker, Honig und Gewürze“ seien gegenüber „Schokoladenpralinen“ unähnlich, da es unüblich sei, dass Pralinenhersteller diese Produkte selbst herstellen und anbieten würden; es reiche insoweit nicht aus, dass diese Produkte als Zutaten zu Pralinen in Betracht kämen. Auch die Ware „Brot“ sei gegenüber „Schokoladenpralinen“ unähnlich. Zu „Backwaren“ wiesen „Schokoladenpralinen“ allenfalls eine mittlere Ähnlichkeit auf. Das gleiche gelte in Bezug auf die Waren „Kekse, Biscuit, Eiscreme“ einerseits und „Schokoladenpralinen“ andererseits, da es sich um unterschiedliche Produkte handele, welche üblicherweise nicht dieselben Betriebe produzierten. Soweit eine Benutzung der Widerspruchsmarke nachgewiesen werde, könne sich eine erhöhte Kennzeichnungskraft nur auf Pralinen beziehen, während die angegriffene IR-Marke für andere Waren registriert sei, auf die eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht ausstrahlen könne.
Es bestehe auch keine relevante Markenähnlichkeit, da die Marken in ihrer Gesamtheit gegenüber zu stellen seien, wobei sich deutliche Unterschiede ergäben. So werde die angegriffene IR-Marke nicht durch den Wortbestandteil „Roshen“ geprägt, da es sich bei den graphischen Bestandteilen nicht um eine rein werbemäßige und übliche Gestaltung handele, der der Verkehr keinerlei Bedeutung zumesse. Selbst wenn die angegriffene IR-Marke auf ihren Wortbestandteil beschränkt würde, könne keine relevante Markenähnlichkeit erkannt werden. Zum einen würden die Vergleichsmarken deutlich unterschiedlich ausgesprochen, denn bei der Widerspruchsmarke werde ausschließlich die französische Aussprache verwendet, während es sich bei dem Wortbestandteil der angegriffenen IR-Marke um ein eher hart ausgesprochenes, slawisches Wort handele, welches zudem anders betont werde. Zum anderen unterschieden sich die Vergleichsmarken in ihrem begrifflichen Sinngehalt in einer Weise, die eine Verwechslungsgefahr ausschließe. Dem Wortbestandteil der angegriffenen IR-Marke komme keine Bedeutung zu, während der Durchschnittsverbraucher in der Widerspruchsmarke das französische Wort für „Fels“ erkenne, so dass nach der Neutralisierungstheorie eine Verwechslungsgefahr auszuschließen sei. Zudem sei die Markeninhaberin ein erfolgreiches, umsatzstarkes Unternehmen in der Süßwarenbranche, so dass die angegriffene IR-Marke in den relevanten Verkehrskreisen ebenfalls Bekanntheit genieße. Auch unter diesem Aspekt sei eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Ferner benutze die Widersprechende den Widerspruch nur zu Zwecken der Wettbewerbsbehinderung, so dass bereits die Zulässigkeit des Widerspruchs zweifelhaft sei.
Die Markeninhaberin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. April 2011 insoweit aufzuheben, als der angegriffenen Marke der Schutz für die Waren „Confectionery, pastry, cookies, biscuits, candies, chocolate, honey, sugar, bread, ice cream, spicery“ versagt worden ist, und den Widerspruch insoweit zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie geht davon aus, dass die von ihr eingereichten Unterlagen geeignet und ausreichend seien, um die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen. Die eidesstattliche Versicherung sei von einer insoweit geeigneten Person abgegeben worden, da die F… GmbH & Co. KG ein Tochterunternehmen der Widersprechenden sei. Die konkrete Benutzungsform ergebe sich aus den eingereichten Verpackungsabbildungen und sei auch für die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke geeignet. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft, wie sich aus einer Umfrage der G… vom August 2011 ergebe; aufgrund der Ergebnisse dieser Umfrage sei davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke als bekannte Marke einzustufen sei.
Die Ausführungen der Markenstelle zur Warenidentität bzw. hochgradigen Warenähnlichkeit seien zutreffend. Die angegriffene IR-Marke weise eine erhebliche klangliche und schriftbildliche Nähe zur Widerspruchsmarke auf. Beim Markenvergleich sei der Wortbestandteil der angegriffenen IR-Marke der Widerspruchsmarke gegenüber zu stellen, da der Bildbestandteil der angegriffenen IR-Marke lediglich aus einer den Wortbestandteil umschließenden Banderole bestehe, wobei sich ein entsprechender Bildbestandteil in einer Vielzahl von Marken finde und weder ungewöhnlich noch einprägsam sei. In klanglicher Hinsicht seien die Vergleichsmarken hochgradig ähnlich, zumal nicht anzunehmen sei, dass der Wortbestandteil der angegriffenen IR-Marke in Deutschland in einer harten, „slawischen“ Weise ausgesprochen werde. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bestehe eine relevante Ähnlichkeit der Vergleichsmarken. Die klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit der Vergleichsmarken werde auch nicht durch begriffliche Unterschiede neutralisiert, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass die inländischen Verkehrskreise das französische Wort „Rocher“ in seinem begrifflichen Sinngehalt ohne weiteres erfassen würden oder dieses Wort in den deutschen Wortschatz hinreichend Eingang gefunden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. August 2012 und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist aber nur teilweise begründet. Hinsichtlich der in Ziff. 1 des Tenors genannten Waren besteht zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr, so dass der Widerspruch aus der Marke 1 133 553 unter entsprechender Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Markenstelle insoweit zurückzuweisen war (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42, 43 Abs. 2 Satz 2, 107, 114 MarkenG i.V.m. Art. 5 MMA, Art. 6 quinquies lit. B Ziff. 1 PVÜ). Hinsichtlich der übrigen Waren, für die die Erstreckung des Schutzes der international registrierten Marke IR 900 391 auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beansprucht wird, besteht jedoch Verwechslungsgefahr, so dass die Markenstelle wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 133 533 die Schutzerstreckung insoweit zu Recht verweigert hat (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42, 43 Abs. 2 Satz 1, 107, 114 MarkenG i.V.m. Art. 5 MMA, Art. 6 quinquies lit. B Ziff. 1 PVÜ).
1.
Der Widerspruch ist zulässig. Insbesondere ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass die Widersprechende den Widerspruch in rechtsmissbräuchlicher Weise erhoben hat. Vielmehr folgt aus den im Verfahren offenkundig gewordenen Gesamtumständen und der sich daraus ergebenden konkreten Interessenlage, dass die Widersprechende mit diesem Widerspruch die Wahrung der Rechtsposition der eigenen Marke, mithin eigene berechtigte Interessen im Wettbewerb und keine sachfremden Belange in Bezug auf die angegriffene Marke verfolgt.
2.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, Tz. 18 - PICASSO; GRUR 1998, 387, Tz. 22 - Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2008, 258 – INTERCONNECT/T-InterConnect; BGH GRUR 2009, 772, Tz. 31 – Augsburger Puppenkiste; vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9 Rdn. 40).
a)
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke wirksam für beide Benutzungszeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG bestritten Die Widersprechende konnte auf diese Einrede hin glaubhaft machen, dass sie die Widerspruchsmarke sowohl innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der internationalen Registrierung der angegriffenen Marke am 30. November 2011 (§ 43 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 107, 114 Abs. 1 MarkenG), als auch innerhalb des Zeitraumes von fünf Jahren vor dem Schluss der der vorliegenden Entscheidung vorausgehenden mündlichen Verhandlung am 2. August 2012 (§ 43 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 107 MarkenG) für die Ware „Pralinen“ rechtserhaltend benutzt hat.
Die Glaubhaftmachung der Benutzung einer Marke setzt keinen Vollbeweis voraus, sondern es genügt, wenn sich aus den von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Benutzung der Marke ergibt (§§ 43 Abs. 1, 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, 294 ZPO; vgl. ferner Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 43, Rdn. 43; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Auflage, § 294, Rdn. 2). Hiervon ausgehend sind die von der Widersprechenden mit Schriftsatz vom 3. November 2011 vorgelegten Unterlagen (Bl. 100 ff. d.A.) für eine Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware „Pralinen“ als ausreichend zu erachten.
In ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 19. Oktober 2011 hat die nach eigenem Bekunden für die F… GmbH & Co. KG als Senior Product Managerin für das Produkt „Rocher“ tätige B… erklärt, dass es sich bei dem Produkt „Rocher“ um eine Nusspraline handele, die seit 1984 in Deutschland vertrieben werde, wobei in den jeweils von September bis August dauernden Geschäftsjahren 2005/2006 bis 2010/2011 Umsätze von jeweils mehr als … Mio. € erzielt und für das in den Jahren 2006 bis 2010 Werbeaufwendungen zwischen … und … Mio. € getätigt worden seien. Zu der Form der Benutzung wird in der eidesstattlichen Versicherung auf mehrere, in Anlage 2 zu der o.g. eidesstattlichen Versicherung vorgelegten Abbildungen von Verpackungen Bezug genommen (Bl. 101 – 104 d.A.).
Diese Unterlagen sind geeignet, um zumindest die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Benutzung der Widerspruchsmarke in den Jahren 2005 bis 2011 und damit in beiden vorgenannten Benutzungszeiträumen in erheblichem Umfang und in geeigneter Form zu belegen. Zwar hat die Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung vom 2. August 2012 bestritten, dass die F… GmbH & Co. KG einer Tochtergesellschaft der Widersprechenden sei und dass die in der Anlage 2 zu der o.g. eidesstattlichen Versicherung vorgelegten Abbildungen von Produkten zeigten, die von der Widersprechenden hergestellt worden seien. Für den Senat lassen die vorgenannten Unterlagen aber den Schluss auf eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Benutzung der Widerspruchsmarke zu. Dafür, dass entgegen der anwaltschaftlichen Erklärung des Vertreters der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung eine wirtschaftliche Verbindung der F… GmbH & Co. KG mit der unter der gleichen Adresse ansässigen Widersprechenden, der F1… GmbH fehlt, sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Die gegenteilige Auffassung widerspricht auch jeder Lebenserfahrung, so dass es insoweit zur Glaubhaftmachung keiner weiteren Unterlagen bedarf. Ausgehend davon ist auch die Kompetenz der Frau B… für die Angabe von Umsatzzahlen und Werbeaufwendungen in Bezug auf die Widerspruchsmarke nicht in Zweifel zu ziehen. Diese Angaben erscheinen auch konsistent und schlüssig, insbesondere auch mit Blick auf die eigene Sachkenntnis der Mitglieder des Senats, denen als Konsumenten und damit auch als Mitglieder der angesprochenen Verkehrskreise das Produkt „Rocher“ als Nuss-Praline gut bekannt ist; die eigene Sachkenntnis des Senats kann bei der Beurteilung, ob eine Marke rechtserhaltend benutzt wird, ebenfalls berücksichtigt werden (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 291, Rdn. 1).
Das gleiche gilt auch in Bezug auf die im Zusammenhang mit der eidesstattlichen Versicherung eingereichten Abbildungen diverser Verpackungen, die nach den Angaben in der eidesstattlichen Versicherung im o.g. Zeitraum für die Nuss-Praline „Rocher“ benutzt worden sind. Auch insoweit bestehen für den Senat, auch wiederum unter Berücksichtigung seiner eigenen Sachkenntnis, keine durchgreifenden, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausschließenden Zweifel daran, dass die abgebildeten Produkte von der Widersprechenden bzw. mit ihrer Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden. Soweit das Markenwort „Rocher“ dort nicht in Alleinstellung, sondern in Zusammenhang mit weiteren Elementen benutzt wurde, steht dies ebenfalls einer rechtserhaltenden Benutzung nicht entgegen. Denn es handelt sich insoweit um Wortelemente mit beschreibendem bzw. anpreisendem Inhalt („knusprig-nussig-zart“, „Genießermomente in Gold“, „Premium Spezialität“) oder Bildelemente, die das Produkt in Goldfolie verpackt und unverpackt und eine Haselnuss als wesentliche Zutat wiedergeben. Diese verändern den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke nicht (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG), zumal auch das Markenwort „Rocher“ auf den abgebildeten Verpackungen optisch klar im Vordergrund steht.
b)
Ausgehend von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware „Pralinen“ hält die angegriffene Marke den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke in Bezug auf die Waren „Confectionery, pastry, cookies, biscuits, candies, chocolate, ice cream“ nicht ein.
aa)
Die Waren „Confectionery“ (Süßwaren, Konfekt) und „Candies“ (Süßwaren, Pralinen) der angegriffenen Marke sind identisch mit der Ware „Pralinen“ der Widerspruchsmarke. Ferner stehen die Waren “pastry” (Feingebäck), “cookies” (Kleingebäck), „biscuits“, „chocolate“ aufgrund Beschaffenheit, insbesondere Zutaten, und Verwendungszweck in einem sehr engen Ähnlichkeitsverhältnis zu den Waren der Widerspruchsmarke, die im Falle von „Schokolade“ mit Blick auf – wie vorliegend – Schokoladenpralinen an Identität heranreicht. Eine enge Warenähnlichkeit liegt letztlich auch in Bezug auf die Ware „ice cream“ vor, da Pralinen auch in Form von „Eispralinen“ mit Eiscreme als Füllung angeboten und vertrieben werden.
bb)
Ob und in ggf. welchem Umfang die Widerspruchsmarke erhöhte Kennzeichnungskraft aufweist, kann dahingestellt bleiben, da auch bei nur durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu bejahen ist. Für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehen keine Anhaltspunkte, da der aus der französischen Sprache stammende Begriff „Rocher“, der in die deutsche Sprache mit „Fels, Felsen“ zu übersetzen ist, in Bezug auf die Ware „Pralinen“ keinerlei beschreibende Bedeutung hat.
cc)
Eine relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Feststellung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr grundsätzlich ausreicht, wenn nur in einer dieser Wahrnehmungsrichtungen ausreichende Übereinstimmungen bestehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9, Rdn. 224 m.w.N.). Vorliegend bestehen jedenfalls in klanglicher Hinsicht zwischen den Vergleichsmarken hinreichende Übereinstimmungen, um in Bezug auf die vorgenannten Waren Verwechslungsgefahr bejahen zu können.
Auch wenn es sich bei diesen Waren um Massenprodukte des täglichen Konsums handelt, die üblicherweise „auf Sicht“ gekauft werden, so können klangliche Übereinstimmungen etwa mit Blick auf (fern-) mündliche Anfragen oder Bestellungen gleichwohl nicht vernachlässigt werden (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9, Rdn. 230). Ferner sind bei der Beurteilung der klanglichen Ähnlichkeit von Markenwörtern in der Regel alle dem Sprachgefühl entsprechenden und im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegenden Möglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 10, Rdn. 245 m.w.N.), wobei bei fremdsprachigen Markenwörtern sowohl mit einer sprachregelgemäßen als auch mit einer der Schreibweise entsprechenden „deutschen“ Aussprache zu rechnen ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9, Rdn. 248 m.w.N.). Davon ausgehend sind bei dem Markenwort „Roshen“ der angegriffenen Marke die Aussprachevarianten „Ro-schehn“ oder „Ro-schenn“ als nicht nur wahrscheinliche, sondern naheliegende Möglichkeiten zu berücksichtigen. Bei der Widerspruchsmarke kommt die „eingedeutschte“ Aussprache„Ro-cher“ zwar noch in Betracht. Jedoch ist, insbesondere mit Blick auf eine verbesserte Kenntnis von Fremdsprachen einschl. Französisch auch innerhalb breiter Verkehrskreise und die im vorliegenden Fall nach den eigenen Sachkenntnissen des Senats intensive Bewerbung des Produkts „Rocher“ mit der französischen Aussprache „Ro-schee“, diese letztgenannte Aussprache bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit wesentlich zu berücksichtigen.
Dann aber weisen die angegriffene Marke und die Widerspruchsmarke erhebliche klangliche Übereinstimmungen auf, nämlich die gleiche Silbenzahl, die gleiche Vokalfolge, die gleiche Silbenzahl und den gleichen Sprechrhythmus. Ein Unterschied besteht lediglich am Ende der Schlusssilbe, wo die angegriffene Marke den Konsonanten „n“ aufweist, während die Schlusssilbe der Widerspruchsmarke mit einem betonten „e“ endet. Diese Unterschiede fallen aber angesichts der vorgenannten Übereinstimmungen nicht ausreichend ins Gewicht, zumal der wenig klangstarke Konsonant „n“ am Ende des Markenwortes „Roshen“ leicht überhört werden kann.
Die grafische Ausgestaltung der Widerspruchsmarke kann hierbei nicht verwechslungsmindernd berücksichtigt werden. Diese besteht lediglich in der Form eines werbeüblichen Banners und ändert an der hochgradig klanglichen Ähnlichkeit der insoweit maßgeblichen Markenwörter nichts, zumal die grafische Gestaltung als solche nicht treffend bezeichnet werden kann.
dd)
Die Vergleichsmarken unterscheiden sich auch nicht in ihrem begrifflichen Sinngehalt in einer Weise, die eine Verwechslungsgefahr ausschließen könnte. Nach herrschender Rechtsprechung ist die „Neutralisierung“ einer relevanten klanglichen oder schriftbildlichen Markenähnlichkeit durch einen abweichenden Begriffsgehalt der Vergleichsmarken nur in engen Grenzen möglich, nämlich dann, wenn die klangliche oder schriftbildliche Verwechselbarkeit durch einen eindeutigen und sofort erfassbaren Sinngehalt ausgeräumt wird (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9, Rdn. 226 m.w.N.). Dass ein Begriff verständlich ist, ist dabei nicht ausreichend, der Begriff muss den angesprochenen Verkehrskreisen vielmehr so geläufig sein, dass der Sinngehalt vom Verkehr auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfasst wird und dafür kein weitergehender Denkvorgang erforderlich ist.
Dies ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Zwar stellt das Markenwort „Roshen“ einen Fantasiebegriff dar, dem die inländischen Verkehrskreise keinen konkreten Begriffsinhalt zumessen werden. Aber auch wenn man, insbesondere auch ausgehend von den von der Markeninhaberin in der Anlage A1 zu ihrem Schriftsatz vom 17. August 2011 vorgelegten Unterlagen, unterstellt, dass in Bezug auf die Widerspruchsmarke der französischsprachige Begriff „Rocher“ auch im deutschen Sprachraum bekannt ist, so ist nicht ersichtlich, dass der angesprochene Verkehr in Deutschland sich zu jeder Zeit bewusst ist, dass "Rocher" das französische Wort für "Fels" ist. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Bedeutung den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen ohne Nachdenken und jederzeit auch bei nur flüchtigem Wahrnehmen erschließt, so dass der Begriffsinhalt nicht so geläufig ist, als dass er jederzeit ohne weiteres sofort und spontan erfasst wird. Mit den vom Markeninhaber genannten Bezeichnungen „Visage“, „Vogue“ oder „Voyage“, deren Bedeutung der Verkehr wohl häufig erkennen wird, ist das Markenwort „Rocher“ nach Auffassung des Senats nicht vergleichbar. Eine in relevantem Umfang verwechslungsmindernde Wirkung der unterschiedlichen Begriffsinhalte der Vergleichsmarken ist nach alledem nicht zu bejahen.
c)
Eine andere Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist jedoch in Bezug auf die Waren „honey (Honig), sugar (Zucker), spicery (Gewürze)“ der angegriffenen Marke angezeigt. Hinsichtlich dieser Waren besteht zu den Waren der Widerspruchsmarke ein deutlicher Warenabstand, so dass sie nicht in einem engen, sondern allenfalls in einem entfernten Ähnlichkeitsbereich stehen. Denn insoweit handelt es sich um Rohstoffe bzw. Vorprodukte, die zwar bei der Herstellung von Pralinen verwendet werden, aber zum einen auch als solche konsumiert werden können und zum anderen von den Herstellern von Süßwaren typischerweise von Dritten erworben und nicht selber hergestellt werden, so dass der Schluss auf eine gemeinsame betriebliche Herkunft oder einer Herkunft aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen insoweit eher fernliegt (vgl. dazu auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9, Rdn. 106). Soweit sich die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung vom 2. August 2012 zur Frage der Ähnlichkeit der vorgenannten Waren auf die Entscheidung R 0419/00-2 der Beschwerdekammer des HABM berufen hat, ändert dies an der o.g. Beurteilung der Warenähnlichkeit nichts. Diese Entscheidung äußert sich zur Ähnlichkeit der Waren „Honig und Melassesirup“ einerseits gegenüber den Waren „Zucker, Backwaren, Konditorwaren und Sirupen“ andererseits und betrifft somit eine gegenüber dem vorliegenden Verfahren unterschiedliche Warenlage. Es sind aus dieser Entscheidung auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, aufgrund derer die o.g. Kriterien, die aus Sicht des erkennenden Senats für die Beurteilung der vorliegend konkreten Warenlage maßgebend sind, anders zu beurteilen wären. Nach alledem ist trotz einer hochgradig klanglichen Ähnlichkeit der Vergleichsmarken hinsichtlich dieser Waren eine Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu verneinen, und zwar auch dann, wenn man der Widerspruchsmarke eine erhöhte Kennzeichnungskraft zubilligt. Denn eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke würde sich zunächst auf die eingetragene Ware „Pralinen“ beziehen, während sie im Übrigen nur auf eng verwandte Waren ausstrahlen könnte (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9, Rdn. 150 m.w.N.). Dies ist aber in Bezug auf die letztgenannten Waren mit Blick auf deren deutlichen Abstand zur Ware „Pralinen“ hier nicht zu bejahen.
Auch hinsichtlich der Ware „bread“ (Brot) weist die angegriffene Marke noch einen ausreichenden Abstand zur Widerspruchsmarke auf. Zwar bestehen hinsichtlich der Beschaffenheit, insbesondere auch hinsichtlich von Zutaten, im Verhältnis zu der Ware „Pralinen“ Überschneidungen, insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, dass Brot auch in süßen Varianten (z.B. Osterbrot, Rosinenbrot) angeboten wird. Gleichwohl bestehen aber auch erhebliche Unterschiede. Brot ist - anders als Pralinen, die typischerweise als „Nascherei“ konsumiert werden - letztlich ein Grundnahrungsmittel, so dass hinsichtlich des Verwendungszwecks bereits ein deutlicher Abstand besteht. Brot wird üblicherweise auch getrennt von Pralinen und Schokoladen-, bzw. Süßwaren angeboten. Bei einer Gesamtbetrachtung liegt daher auch in Bezug auf die Ware „Brot“ eine gemeinsame betriebliche Herkunft oder eine Herkunft aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen im vorliegenden Fall nicht derart nahe, dass auch angesichts der hohen klanglichen Ähnlichkeit der Vergleichsmarken eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr zu bejahen wäre. Dies gilt aus den vorgenannten Gründen wiederum auch dann, wenn man der Widerspruchsmarke eine deutlich erhöhte Kennzeichnungskraft zubilligt.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss der Markenstelle im Umfang von Ziff. 1 des Tenors aufzuheben, während die Beschwerde der Markeninhaberin im Übrigen zurückzuweisen war.
3.
Für eine Auferlegung von Kosten besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).