Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.07.2015


BPatG 28.07.2015 - 25 W (pat) 518/14

Markenbeschwerdeverfahren – "Steuerkaufmann" – Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
28.07.2015
Aktenzeichen:
25 W (pat) 518/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 009 581.7

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 28. Juli 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Schmid

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Dezember 2012 aufgehoben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die Dienstleistungen „Werbung“ (Klasse 35) und „Erziehung; Unterhaltung“ (Klasse 41) zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Anmelders zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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Steuerkaufmann

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ist am 17. Februar 2011 als Wortmarke für folgende Dienstleistungen zur Eintragung in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister angemeldet worden:

4

35: Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten;

5

36: Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen;

6

41: Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung;

7

45: Juristische Dienstleistungen.

8

Die Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluss vom 14. Dezember 2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung entbehre in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die angemeldete Wortmarke werde von den beteiligten Verkehrskreisen als Hinweis auf eine Person aufgefasst, die eine Fachausbildung im Bereich des Steuerwesens abgeschlossen habe. Das Wort entspreche nämlich gebräuchlichen Begriffsbildungen, die den nachgestellten Bestandteil „-kaufmann“ enthalten, u. a. Bankkaufmann, Speditionskaufmann, IT-Kaufmann, Importkaufmann, Verlagskaufmann, Informatikkaufmann, Werbekaufmann. Unabhängig von der Neuheit der angemeldeten Bezeichnung sei maßgebend, ob der Begriff als Sachangabe verstanden werde. Im Übrigen sei die Verwendung des Begriffs im Geschäftsleben sogar nachweisbar.

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Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde.

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Die angemeldete Bezeichnung verfüge über Unterscheidungskraft, zumal jede noch so geringe Unterscheidungskraft zur Überwindung des Schutzhindernisses führe. Die Markenstelle gehe richtigerweise davon aus, dass der Ausdruck „Steuerfachmann“ keine offizielle Berufsbezeichnung sei. Die Bezeichnung sei vor dem Anmeldetag auch nicht durch Dritte verwendet worden. Dem Anmelder könne jedenfalls nicht angelastet werden, wenn Dritte in Einzelfällen den tatsächlich nicht als Berufsbezeichnung existenten Begriff unzutreffend verwendeten. Der Anmelder strebe gerade an, eine hierauf bezogene Zertifizierung anzubieten. Die Zurückweisung sei auch im Hinblick auf verschiedene vergleichbare Voreintragungen im Bereich der Steuerberatung nicht nachvollziehbar.

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Der Anmelder beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Dezember 2012 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze des Anmelders und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die zulässige Beschwerde hat nur in Bezug auf die im Tenor genannten Dienstleistungen Erfolg. Hinsichtlich der weiteren beanspruchten Dienstleistungen steht der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „Steuerkaufmann“ das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher insoweit zu Recht zurückgewiesen, § 37 Abs. 1 und Abs. 5 MarkenG.

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Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006, a. a. O.).

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Diesen Anforderungen genügt die angemeldete Marke in Bezug auf die zurückgewiesenen Dienstleistungen selbst dann nicht, wenn, wie dies der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung stets betont, ein großzügiger Maßstab angelegt wird und jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2014, 872 Rn. 12 – Gute Laune Drops; allerdings differenzierend gegenüber den Anforderungen bei der Unterscheidungskraft von Werktiteln, die der Bundesgerichtshof als noch geringer einstuft als bei der markenrechtlichen Unterscheidungskraft, siehe BGH GRUR 2009, 949 Rn. 17 – MyWorld; GRUR 2010, 640 Rn. 15 – hey!). Wie die Markenstelle zu Recht angenommen hat, wird die angemeldete Wortmarke „Steuerkaufmann“ als Berufsbezeichnung verstanden. Sie kann dadurch einen naheliegenden beschreibenden Zusammenhang zu Dienstleistungen mit Bezug zu steuerrechtlichen Fragen aufweisen, nämlich zu „Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten; Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen; Juristische Dienstleistungen“. Insoweit fehlt der angemeldeten Bezeichnung die originäre Eignung, diese Dienstleistungen von denen anderer Anbieter, denen das Publikum dieselbe berufliche Qualifikation zuordnen kann, kennzeichenmäßig abzugrenzen (vgl. etwa BPatG, Beschl. v. 22.6.2010, 24 W (pat) 57/09 – webadvocat, PAVIS PROMA; Beschl. v. 24.3.2911, 30 W (pat) 523/10 – Aktive Optiker, PAVIS PROMA; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 86).

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In Bezug auf die beanspruchte Dienstleistung „Ausbildung“ kann die angemeldete Bezeichnung das Ausbildungsprofil bzw. den Ausbildungsinhalt bezeichnen und erschöpft sich daher insoweit in einer Sachangabe. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass das Publikum sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; GRUR 2005, 417 – BerlinCard).

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Die angemeldete Bezeichnung „Steuerkaufmann“ besteht aus den Wortbestandteilen „Steuer-“ und „Kaufmann“ und ist in gleicher Weise aufgebaut wie andere – teilweise auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes geschützte – Berufsbezeichnungen, die den nachgestellten Wortbestandteil „-kaufmann“ als Hinweis auf insbesondere wirtschaftliche Kernkompetenzen und einer vorangestellten fachlichen Einordnung enthalten (vgl. Kaufmann für Büromanagement bzw. – früher – Bürokaufmann, Bank-, Industrie-, Immobilien-, Veranstaltungs-, Speditions-, Automobilkaufmann). Wie letztlich auch die durch den Anmelder vorgesehene Zertifizierung als Berufsbezeichnung bestätigt, weist der Ausdruck auf eine betriebs- und/oder volkswirtschaftliche bzw. „kaufmännische“ Ausbildung mit einer Spezialisierung auf dem Gebiet des Steuerwesens hin. Unabhängig davon, ob die Bezeichnung „Steuerkaufmann“ bereits eine eindeutig definierte Berufsbezeichnung darstellt, eignet sich der Begriff ohne weiteres als Bezeichnung eines Kaufmanns oder Diplom-Kaufmanns, der neben seinem kaufmännischen Wissen über steuerliche Fachkenntnisse verfügt oder als Steuerberater zugelassen ist (vgl. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis vom 7. April 2015), was umso näher liegt als zahlreiche betriebswirtschaftliche Studiengänge eine Spezialisierung auf den Bereich des Steuer- und des Rechnungswesens anbieten (siehe z. B. Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis).

19

Das Verständnis der angemeldeten Angabe als bloße Berufsbezeichnung wird zudem dadurch bestätigt, dass der Begriff bereits vor dem Anmeldetag als Berufsbezeichnung verwendet worden ist, u. a. sogar in Ausschreibungen zur Bestimmung eines Stellenprofils (s. Anlagen zum Beanstandungsbescheid der Markenstelle vom 21. März 2011, u. a. Blatt 1 – Anzeige vom 18.1.2011, und Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis vom 7. April 2015). Auf diese Verwendungen kommt es allerdings nicht entscheidungserheblich an, weil auch unmittelbar verständliche Wortneubildungen mit eindeutig produktbezogenem Inhalt nicht über Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verfügen (vgl. BGH GRUR 2012, 272 Rn. 13 – Rheinpark-Center Neuss; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 139).

20

Soweit der Anmelder hierzu ausführt, die vorgelegten Verwendungsbeispiele der Bezeichnung „Steuerkaufmann“ könnten ihm nicht entgegengehalten werden, weil es einer derartige Berufsbezeichnung nicht gebe, verkennt er, dass nicht geschützte Berufsbezeichnungen abgesehen von täuschenden Verwendungen grundsätzlich von jeder Person genutzt werden können. Wenn die Bezeichnung „Steuerkaufmann“ im Unterschied zu anerkannten Ausbildungsberufen, die den Wortbestandteil „-kaufmann“ enthalten, nicht auf einen bestimmten Ausbildungsabschluss hinweist, beruht dies darauf, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, eine derartige Ausbildung zu normieren und eine daran anknüpfende Berufsbezeichnung unter Schutz zu stellen. Das Wesen und das Verständnis als Berufsbezeichnung sind dadurch wie auch in anderen Fällen nicht geschützter und grundsätzlich von jeder Person verwendbarer Berufsbezeichnungen, etwa Jurist, Lehrbeauftragter, Journalist, nicht berührt. Solche Berufsbezeichnungen, die in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die markenspezifische Herkunftsfunktion nicht erfüllen, sind gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG im Allgemeininteresse an ihrer Freihaltung von der Eintragung ausgeschlossen (vgl. EuGH, GRUR 2008, 608 Rn. 59 – EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 565 Rn. 17 – smartbook) und damit insoweit dem Markenschutz zum Zweck privater Zertifizierung von Berufsbezeichnungen entzogen.

21

Inwieweit die Anmeldung in Bezug auf diese Dienstleistungen zudem dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausgesetzt ist, kann dahingestellt bleiben.

22

Ein Eingehen auf die vom Beschwerdeführer genannten Voreintragungen ist nicht veranlasst (vgl. BGH GRUR 2012, 276, 277, Nr. 18 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein auf der Grundlage des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Rn. 17 und 19 – B… und Z… in S…; BGH GRUR 2008, 1093, Rn. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis; BPatG GRUR 2007, 333 – Papaya).

23

Der angegriffene Beschluss ist dagegen aufzuheben, soweit die Markenstelle die Anmeldung in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 35 „Werbung“ und Klasse 41 „Erziehung, Unterhaltung“ zurückgewiesen hat. Die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der angemeldeten Marke insoweit nicht entgegen. Die Erbringung dieser Dienstleistungen weist keinen unmittelbaren Zusammenhang zur Tätigkeit eines Steuerkaufmanns auf und es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bezeichnung sich als Gegenstand gerade hierauf bezogener Werbe-, Erziehungs- oder Unterhaltungsdienstleistungen eignet, so dass das Verständnis als betriebliches Unterscheidungsmittel hier nicht gegenüber der Einordnung als sachbezogene Aussage zurücktritt und das Wort auch nicht als Angabe, die zur Beschreibung der Art oder der Beschaffenheit der Dienstleistungen dienen kann, in Betracht kommt.

24

Die Beschwerde des Anmelders ist danach nur teilweise begründet.