Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.01.2017


BPatG 26.01.2017 - 25 W (pat) 515/15

Markenbeschwerdeverfahren – "X-readers/X RIDER (Unionsbildmarke)" – Einrede mangelnder Benutzung – keine ausreichende Glaubhaftmachung – zur rechtserhaltenden Benutzung von Brillen – Existenz eines Internetshops - Kostenentscheidung – keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
26.01.2017
Aktenzeichen:
25 W (pat) 515/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 15 Abs 1 EGV 207/2009

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2011 022 922

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das am 20. April 2011 angemeldete Wortzeichen

2

X+readers

3

ist am 9. September 2011 unter der Nummer 30 2011 022 922 als Marke für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister eingetragen worden:

4

Klasse 3:

5

Brillenputztücher, imprägniert mit einem Reinigungsmittel; Reinigungsmittel für Brillen;

6

Klasse 9:

7

Brillen aller Art, auch Fertigbrillen und Sonnenbrillen; Brillenfassungen; Brillengläser, auch solche aus Kunststoff, beschichtete Brillengläser, phototrope Brillengläser, Sonnenschutzgläser; Kontaktlinsen; Teile der vorgenannten Waren sowie Zubehör aller Art, nämlich Brillenetuis, Brillenketten und Bänder;

8

Klasse 21:

9

Brillenputztücher (ohne Imprägnierung);

10

Klasse 35:

11

Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen mit Brillen aller Art, auch Fertigbrillen und Sonnenbrillen, Brillenfassungen, Brillengläser, auch solche aus Kunststoff, beschichtete Brillengläser, phototrope Brillengläser, Sonnenschutzgläser, Kontaktlinsen, Teile der vorgenannten Waren sowie Zubehör aller Art, nämlich Brillenetuis, Brillenketten und Bänder, Brillenputztücher und Reinigungsmittel; Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen mit Brillen aller Art, auch Fertigbrillen und Sonnenbrillen, Brillenfassungen, Brillengläser, auch solche aus Kunststoff, beschichtete Brillengläser, phototrope Brillengläser, Sonnenschutzgläser, Kontaktlinsen, Teile der vorgenannten Waren sowie Zubehör aller Art nämlich Brillenetuis, Brillenketten und Bänder.

12

Die Eintragung ist am 14. Oktober 2011 veröffentlicht worden. Gegen die Eintragung hat die als Inhaberin der Widerspruchsmarke eingetragene Beschwerdeführerin aus ihrer seit dem 23. März 2006 unter der Nummer UM 002 900 199 eingetragenen Wort/Bildmarke

Abbildung

13

am 12. Januar 2012 Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke ist für die nachfolgenden Waren eingetragen:

14

Klasse 9:

15

Optische Apparate/Instrumente; Optikerwaren, Brillen (Optik), Brillengestelle, Sonnenbrillen, Sonnenbrillen, Sportbrillen, Brillengläser, Lupen, Kontaktgläser, Kontaktlinsen, Korrektionslinsen (Optik), Brillenschnüre, -ketten und -bänder; Schutzmasken, Tauchermasken, Skimasken; Brillenetuis, Etuis für Kontaktlinsen; Schutzhelme, Skihelme, Fahrradhelme;

16

Klasse 12:

17

Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser; Fahrräder, Motorräder; Bullaugen.

18

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 9. Januar März 2015 den Widerspruch zurückgewiesen und führt hierzu aus, dass nach Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung durch den Inhaber der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Einrede der Nichtbenutzung sei mit Schriftsatz vom 17. April 2012 undifferenziert erhoben worden, so dass die ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke in der Europäischen Union für die Zeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG glaubhaft zu machen sei, nämlich von Oktober 2006 bis Oktober 2011 und von Januar 2010 bis Januar 2015. Dies sei der Widersprechenden nicht gelungen. Ausweislich der Eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden vom 27. Juli 2012 habe die Widersprechende in den Jahren 2007 bis 2011 mit entsprechend gekennzeichneten Brillen jährliche Umsätze zwischen … Euro und … Euro erzielt. Dieser Umsatz sei schon abstrakt betrachtet nicht besonders hoch. Von zentraler Bedeutung sei aber, dass es sich bei den beanspruchten Waren nicht um teure Produkte mit einem nur begrenzten Abnehmerkreis handle, sondern um preiswerte Produkte, nämlich Sonnenbrillen zu einem Preis zwischen … und … Euro. Es fehle zudem an einer konkreten Aufschlüsselung des Gesamtumsatzes nach den Absatzgebieten, also nach den Mitgliedsstaaten der EU. Damit ließen sich keine eindeutigen Feststellungen zum Umfang der Benutzung treffen, zumal die vorgelegten Rechnungsunterlagen nur den Druck von Warenverpackungen und Flyern belegen würden. Auch wenn unter Bezugnahme auf diese Unterlagen, die Eidesstattliche Versicherung und die vorgelegten Internetausdrucke gewisse Ansatzpunkte für eine ernsthafte Benutzung vorhanden seien, so gingen die Zweifel zu Lasten der Widersprechenden. Nachdem die Widersprechende die ernsthafte Benutzung ihrer Marke nicht habe glaubhaft machen können, komme es nicht mehr darauf an, ob der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke verändert worden sei, weil die Marke anders als im Register eingetragen benutzt worden sei. Aus dem gleichen Grund komme es auf die Frage der Verwechslungsgefahr nicht mehr an. Das DPMA sei nicht verpflichtet gewesen, vor Erlass des Beschlusses auf die oben genannten Mängel der Glaubhaftmachung hinzuweisen. Nach dem Beibringungsgrundsatz sei es allein der Widersprechenden überlassen, entsprechende Benutzungsunterlagen beizubringen. Zudem gelte für das DPMA im Widerspruchsverfahren das Neutralitätsgebot.

19

Im Beschwerdeverfahren hat die Widersprechende neben den bereits im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegten Unterlagen für den Zeitraum vom 26. Januar 2012 bis zum 26. Januar 2017 verschiedene Mittel der Glaubhaftmachung vorgelegt. Mit der Anlage 1 zum Schriftsatz vom 5. April 2016 (Bl. 48 – 59 d. A.) hat die Widersprechende mehrere Abbildungen von Brillen vorgelegt, die mit einer Marke „x rider“ versehen sind, wobei das auf den Abbildungen erkennbare Zeichen eine andere Typographie aufweist als das eingetragene Widerspruchszeichen. Weiterhin befindet sich auf den Brillen, in räumlicher Nähe zu dem (abgewandelten) Zeichen „x rider“, die stilisierte Abbildung einer Heuschrecke. Als Anlage 2 (Bl. 60 – 74 d. A.) ist die Abbildung eines aktuellen Katalogs vorgelegt worden, in dem das gleiche, gegenüber der Marke abgewandelte Zeichen „x rider“ mit der Heuschrecke benutzt wird. In der Anlage 3 (Bl. 74 d. A.) versichert der Geschäftsführer der Inhaberin der Widerspruchsmarke an Eides Statt, dass mit der Widerspruchsmarke im Jahr 2012 ein Umsatz von mindestens … Euro, im Jahr 2013 von mindestens … Euro und im Jahr 2014 von mindestens … Euro  erzielt worden sei. Für die Jahre 2015 und 2016 hat die Widersprechende keine Umsätze angegeben. Die Anlage 4 (Bl. 75 – 88) ist die Hardcopy eines Internetshops, in dem unter der - wie oben beschrieben - abgewandelten Marke Brillen zum Kauf angeboten werden. Die Anlage 5 (Bl. 90 – 103) zeigt Flugblätter bzw. Internetseiten, die sich auf verschiedene Sportveranstaltungen beziehen. Auf zwei Abbildungen, die im Zeitraum von fünf Jahren vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung liegen, nämlich auf einem Werbeflyer für ein Schirennen vom 25./26. Januar 2014 in Courchevel (Bl. 94 d. A.) und auf dem Foto eines Autos (Bl. 101 d. A.), das im Jahr 2014 an einer Rally teilgenommen hat, ist die Widerspruchsmarke sichtbar. Auf den weiteren vorgelegten Abbildungen ist teilweise nicht die Widerspruchsmarke, sondern nur das oben genannte Zeichen in Form einer Heuschrecke zu sehen. Als Anlage 6 (Bl. 104 – 131) hat die Widersprechende verschiedene Rechnungen aus der Zeit von 2007 bis 2014 vorgelegt, ohne diese Rechnungen weiter zu erläutern. Auf den Rechnungen sind die Marke in der abgewandelten Form und die Abbildung der Heuschrecke zu sehen.

20

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Widersprechende gegen den Beschluss vom 9. Januar 2015. Sie ist der Auffassung, dass die Marke rechtserhaltend benutzt worden sei und im Übrigen auch Verwechslungsgefahr bestehe. Die Widersprechende biete seit dem 15. Mai 2010 im Internet Brillen an. Derzeit würden ein Onlineshop für das französischsprachige Publikum und ein Onlineshop für das englischsprechende Publikum unterhalten. Die Widersprechende biete die Brillen auch mittels eines Kataloges an und benutze die Widerspruchsmarke im Marketing. Sie trete mit ihrer Marke bei zahlreichen Sportveranstaltungen als Sponsor auf. Die jährlichen Umsätze von … bis … Euro, die zuletzt in den Jahren  2012, 2013 und 2014 erzielt worden seien, erschienen zunächst tatsächlich nicht übermäßig hoch. Für die Jahre 2015 und 2016 lägen noch keine Umsatzzahlen vor. Allerdings müssten zum einen die genannten Umsatzzahlen unter Zugrundelegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Inhabers betrachtet werden und zum anderen könne auch ohne Vertriebshandlungen der Erhalt einer Marke wirtschaftlich sinnvoll sein. So sei die Inhaberin der Widerspruchsmarke ein Ein-Mann-Betrieb, der jährlich durchschnittlich … Euro erwirtschafte. Die Umsätze mit den genannten Brillen würden daher etwa 2,5% des Gesamtumsatzes ausmachen. Dies reiche für die ernsthafte Benutzung der Marke aus. Bei größeren Unternehmen sei eine rechtserhaltende Benutzung schon bei … bis … Euro  Umsatz anerkannt worden, auch wenn dieser Umsatz nur einen Anteil von 0,1% des gesamten Jahresumsatzes des Markeninhabers ausgemacht habe. Weiterhin sei der vom DPMA hinsichtlich der Umsatzzahlen angelegte Maßstab unzutreffend. Das EuG habe schon den Nachweis eines Jahresumsatzes von … Euro für die ernsthafte Benutzung einer Marke ausreichen lassen. Die eingereichten Benutzungsunterlagen würden belegen, dass die Widersprechende ernsthaft bemüht gewesen sei, sich auf dem Markt zu behaupten. Die Brillen seien beworben und verkauft worden, in welchem Umfang auch immer. Die Behauptung, dass der kennzeichnende Charakter des Widerspruchszeichens bei der Benutzung verändert worden sei, habe das DPMA nicht weiter konkretisiert. Anders als vom DPMA angenommen, sei die Marke so benutzt worden, wie sie eingetragen sei, zumindest sei aus Sicht der Widersprechenden nicht erkennbar, inwiefern die konkrete Benutzung des Zeichens von der eingetragenen Form der Marke abweiche. Das habe auch das EUIPO in einer Entscheidung anerkannt, die nach einem Widerspruch der hiesigen Widersprechenden gegen eine andere Markeneintragung ergangen sei (Beschluss vom 29. April 2016, Az. B 2 464 249 - Bl. 150/159 d. A.).

21

Nach § 71 Abs. 3 MarkenG sei zudem die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen. Der Beschluss des DPMA sei überraschend und unter Verstoß gegen § 59 Abs. 2 MarkenG erfolgt. Das DPMA habe mit der Entscheidung den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. Die Widersprechende habe mit Schriftsatz vom 27. August 2012 um Hinweis gebeten, falls aus Sicht des DPMA weitere Mittel der Glaubhaftmachung erforderlich sein sollten. Zwischen den Parteien sei vor dem Beschluss des DPMA eine Aufschlüsselung der Umsatzzahlen nach dem Absatzgebiet überhaupt nicht zur Sprache gekommen. Es sei zwischen den Parteien auch nie darüber gestritten worden, dass die erzielten Umsätze für eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu gering sein könnten. Aus diesem Grund hätte das DPMA der Widersprechenden Gelegenheit geben müssen, sich zu diesem Umstand zu äußern. Zudem habe das Amt die als Anlage 3 zum Schriftsatz vom 4. April 2012 vorgelegten Unterlagen nicht berücksichtigt. Aus diesen ergebe sich, dass die Waren nach Spanien, Portugal und Deutschland geliefert worden seien. Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung des EuGH eine Aufschlüsselung der Umsätze nach den Mitgliedsländern der EU nicht erforderlich. Das DPMA habe auch deswegen gegen § 59 Abs. 2 MarkenG verstoßen, weil der Beschluss inhaltlich falsch sei und die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung nicht berücksichtige. Zudem sei der Beschluss widersprüchlich und unklar, weil das DPMA einerseits „gewisse Anhaltspunkte“ für eine ernsthafte Benutzung gesehen und trotzdem im Ergebnis die Umsatzzahlen für eine rechtserhaltende Benutzung als nicht ausreichend angesehen habe.

22

Die Inhaberin der Widerspruchsmarke beantragt,

23

den angefochtenen Beschluss aufzuheben, die jüngere Marke (x+reader) gemäß dem Widerspruchsantrag vom 12. Januar 2012 für alle Waren und Dienstleistungen zu löschen und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

24

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,

25

die Beschwerde zurückzuweisen.

26

Nach Ansicht des Inhabers der angegriffenen Marke reicht der von der Widersprechenden angegebene Umsatz für die Jahre 2007 bis 2010 bzw. für die Jahre 2012 bis 2016 (entsprechend des „wandernden“ Zeitraums nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG) für eine ernsthafte Benutzung der Marke nicht aus. Der EuGH habe einen Umsatz von … Euro jährlich als vielleicht gerade noch rechtserhaltend eingestuft. Die Widersprechende sei wie im Verfahren vor dem DPMA auch im Beschwerdeverfahren ihrer Obliegenheit zur Glaubhaftmachung nicht nachgekommen und habe - unabhängig von den angegebenen Umsatzzahlen - die rechtserhaltende Benutzung nicht glaubhaft gemacht. Die vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Inhaberin der Widerspruchsmarke sei pauschal und unglaubwürdig. Da Brillen der Mode unterliegen würden, sei es unglaubhaft, dass diese seit 2003 unverändert angeboten würden. Die von der Widersprechenden vorgelegten Anlagen lägen zudem teilweise außerhalb des Benutzungszeitraumes bzw. würden nur eine Verwendung der Marke in Frankreich belegen. Schließlich sei in allen Anlagen ersichtlich, dass die Marke nicht in der eingetragenen, sondern in einer deutlich abgewandelten und damit nicht rechtserhaltenden Form benutzt worden sei.

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Gründe für die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr lägen nicht vor. Die Entscheidung des DPMA sei nicht überraschend ergangen, da es der Widersprechenden oblegen habe, ausreichende Mittel der Glaubhaftmachung vorzulegen. Die Widersprechende habe die Umsätze nur pauschal und ohne Bezug zu den Absatzmengen und den Absatzgebieten behauptet. Die Hinweispflicht aus § 59 Abs. 2 MarkenG beziehe sich nur auf Tatsachen und nicht auf Rechtsmeinungen. Schließlich habe das DPMA zutreffend darauf hingewiesen, dass es zur Neutralität verpflichtet und deswegen nicht berechtigt gewesen sei, auf Mängel der Glaubhaftmachung hinzuweisen.

28

Der Senat hat die Widersprechende mit Ladungszusatz vom 28. Dezember 2016 darauf hingewiesen, dass die ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG voraussichtlich für den Zeitraum von 26. Januar 2012 bis Januar 2017 glaubhaft gemacht werden müsse. Nach Ansicht des Senats seien die bislang an Eides Statt versicherten Umsätze von … Euro im Jahr 2012, … Euro im Jahr 2013 und … im Jahr 2014 sehr gering, so dass aus diesem Grund die Bejahung der rechtserhaltenden Benutzung in Frage zu stellen sei.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9, die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

30

Die nach § 66 Abs. 1 und § 64 Abs. 6 MarkenG statthafte Beschwerde der Widersprechenden ist auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

31

Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung der Markenstelle, dass der Widerspruch nach §§ 125 b Nr. 1, 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen ist. Für sämtliche nach der Registerlage beanspruchten Waren, ausgenommen Brillen, hat die Widersprechende eine Benutzung der Marke im relevanten Zeitraum nicht behauptet, so dass hinsichtlich dieser Waren die Einrede der Nichtbenutzung ohne weiteres durchgreift. Die Widersprechende hat zudem die ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware „Brillen“ nicht gemäß § 125 b Nr. 4 MarkenG i. V. m. Art. 15 Abs. 1 GMV ausreichend glaubhaft gemacht.

32

1. Die gemäß § 125 b Nr. 1 und Nr. 4 i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 zulässige Einrede der Nichtbenutzung ist undifferenziert erhoben worden, so dass die Widersprechende sowohl für den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG vom 14. Oktober 2006 bis zum 14. Oktober 2011 (Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke) als auch für den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG vom 26. Januar 2012 bis 26. Januar 2017 (Schluss der mündlichen Verhandlung) die ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft machen muss.

33

Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, d. h. der Garantierung der Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, benutzt wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei die Fälle ausgeschlossen sind, in denen die Marke nur symbolisch benutzt wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann; dazu gehören insbesondere eine Nutzung, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren und Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, die Art dieser Waren und Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (EuGH GRUR 2003, 425, Rn. 43 - Ansul/Ajax; GRUR 2006, 582 Rn. 70 - VITAFRUIT; GRUR 2008, 343 Rn. 72 - Il Ponte Finanziaria/HABM; GRUR 2013, 182 Rn. 28 - ONEL/OMEL; BGH GRUR 2006, 152 Rn. 21 - GALLUP; GRUR 2009, 60 Rn. 37 - LOTTOCARD; GRUR 2010, 729 Rn. 15 - MIXI; GRUR 2012, 832 Rn. 49 - ZAPPA; GRUR 2013, 725 Rn. 38 - Duff Beer). Maßgeblich sind damit in erster Linie die branchenbedingten Besonderheiten der betroffenen Waren und Dienstleistungen sowie Ort, Dauer und Umfang der Benutzung und das wirtschaftliche Umfeld und der Zuschnitt des Unternehmens des Markeninhabers. Dabei ist auch eine mögliche Wechselwirkung der einzelnen Faktoren untereinander zu beachten (Ströbele/Hacker, MarkenG 11. Aufl., § 26 Rn. 8).

34

Hiervon ausgehend, ergeben sich nicht genügend konkrete Anhaltspunkte, die eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke im geschäftlichen Verkehr belegen können.

35

a) Auch wenn zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der Markeninhaberin um ein kleines Unternehmen handelt, das im Hinblick auf den markenrechtlichen Schutz seiner Waren und Dienstleistungen gegenüber größeren Unternehmen nicht schlechter gestellt werden darf, ist der mit der beanspruchten Ware „Brillen“ erzielte Umsatz nicht ausreichend, um eine ernsthafte Benutzung anzunehmen. Nach Angaben der Widersprechenden wurde im Zeitraum vom 26. Januar 2012 bis zum 26. Januar 2017 in der gesamten europäischen Union ein Umsatz von insgesamt lediglich … Euro erzielt. Im Jahresdurchschnitt erzielte damit die Widersprechende einen Umsatz von … Euro. Bei einem Preis der verkauften  Brillen zwischen … und … Euro bzw. einem durchschnittlichen Preis von … Euro sind damit europaweit durchschnittlich jährlich etwa 14 Brillen verkauft worden. Unterstellt man, dass nur Brillen zu einem Preis von … Euro verkauft worden sind, so beläuft sich deren Anzahl auf etwa 24. Diese, schon für sich genommen ausgesprochen geringe Zahl der verkauften Produkte, ist im Verhältnis zu der Zahl der jährlich in der EU jährlich verkauften Brillen im Ergebnis nahe null. Zudem sind Brillen, zu denen auch Sport- oder Sonnenbrillen zu zählen sind, alltägliche Gebrauchsgegenstände, so dass auch nicht ausnahmsweise davon ausgegangen werden kann, dass die ausgesprochen geringen Umsatzzahlen angesichts eines exklusiven Produkts und eines ausgewählten Käuferkreises lediglich warenbedingt seien. Dabei ist auch zu beachten, dass die Widerspruchsmarke bereits am 21. Oktober 2002 angemeldet und am 23. März 2006 eingetragen worden war, so dass der Widersprechenden nicht zugutegehalten werden kann, dass es einer gewissen Anlaufzeit bedarf, um sich mit einem neuen Produkt bzw. einer neuen Marke am Markt zu etablieren, so dass zunächst mit geringen Umsatzzahlen zu rechnen ist. Dies gilt umso mehr, als die Widersprechende für die Jahre 2015 und 2016 überhaupt keinen Umsatz behauptet bzw. glaubhaft gemacht hat, so dass sich das Geschäft der Widersprechenden, wenn ein solches überhaupt vor 2012 in einem ausreichenden Umfang betrieben worden sein sollte, zurückentwickelt hat bzw. vollständig zum Erliegen gekommen ist. Die Ausführungen des Parteivertreters in der mündlichen Verhandlung, dass sich die Geschäftsunterlagen für die Jahre 2015 und 2016 beim Steuerberater befänden, so dass keine Umsatzzahlen glaubhaft gemacht werden könnten, und der Geschäftsbetrieb der Widersprechenden aus persönlichen und familiären Gründen sich in seinem Umfang verringert habe, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Widersprechende hat diesen Parteivortrag zum einen nicht glaubhaft gemacht. Zum anderen hat der Senat hat mit dem Ladungszusatz vom 28. Dezember 2016 überaus deutlich darauf hingewiesen, dass die Frage der rechtserhaltenden Benutzung entscheidungserheblich sei und die an Eides Statt versicherten Umsätze möglicherweise nicht ausreichend sein könnten, um die rechtserhaltende Benutzung glaubhaft zu machen. Insoweit oblag es der Widersprechenden entsprechende Unterlagen zu beschaffen, z. B. in Form einer vorläufigen Bestätigung oder einer Versicherung an Eides Statt des Steuerberaters.

36

Im Übrigen ist es nach Auffassung des Senats für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung, welcher Prozentsatz am gesamten Warenumsatz der Widersprechenden mit der beanspruchten Ware „Brillen“ erzielt wird. Unabhängig davon, ob dieser Prozentsatz 100 oder 2,5 beträgt, sind unter Berücksichtigung der Art der Waren und des mit einer Unionsmarke beanspruchten Gesamtabsatzgebietes die Umsätze in absoluten Zahlen insgesamt zu gering, um eine ernsthafte Nutzung zu belegen. Insofern ist der vorliegende Fall nicht mit einer Marke zu vergleichen, die von einer großen Einzelhandelskette benutzt wird, die mit dieser Marke erhebliche Umsätze erzielen kann, auch wenn dieser Umsatz nur einen Bruchteil des Gesamtumsatzes darstellt. Soweit sich die Inhaberin der Widerspruchsmarke auf eine Entscheidung des EuG beruft, wonach ein Umsatz von jährlich 2.640 Euro für die rechtserhaltende Benutzung ausreichend sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die Widersprechende diesen Umsatz nur in einem von fünf Jahren knapp übertroffen hat und im Weiteren deutlich hinter dem genannten Betrag zurückgeblieben ist.

37

b) Auch die weiteren Mittel der Glaubhaftmachung, auf die sich die Widersprechende beruft, sind wenig aussagekräftig und erlauben keine sicheren Feststellungen dahingehend, dass die Widersprechende sich ernsthaft bemüht hat, Marktanteile auf dem Sektor der Brillen zu erhalten bzw. zu gewinnen. Auch wenn als richtig unterstellt wird, dass die Widersprechende einen aktuellen Katalog herausgebracht hat, sagt diese Tatsache allein nichts über die Auflagenhöhe, das Verbreitungsgebiet und die Art der Verbreitung des Katalogs (vgl. BPatG 27 W (pat) 194/01 – Rainbow Star/RAINBOW – die Entscheidung ist über die Internetseite des BPatG öffentlich zugänglich). Insofern kann nur festgestellt werden, dass ein Katalog existiert, der aber nicht die Ware selbst, sondern ein Nebenprodukt zur Förderung des Warenverkaufs ist (Ströbele/Hacker, MarkenG 11. Aufl., § 26 Rn. 38). Gleiches gilt für die zwei Internetshops, die die Widersprechende in Englisch und Französisch betreibt. Auch die bloße Existenz eines Internetshops besagt nichts darüber, welcher finanzielle und organisatorische Aufwand hierfür betrieben wird. Die Homepage selbst besagt für sich genommen auch nichts darüber, ob und wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen wahrgenommen wird. Dies könnte z. B. mit entsprechenden Zugriffszahlen belegt werden. Bei der von der Widersprechenden behaupteten Sponsorentätigkeit bleibt gleichfalls hinsichtlich des Aufwandes und der Wirkung vieles offen (z. B. Kosten, Verbreitungsgebiet, Zuschauerzahlen etc.). Im Übrigen belegt nur ein Teil der von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen die Benutzung der Widerspruchsmarke. Teilweise benutzt die Widersprechende bei ihrer Sponsorentätigkeit nur die stilisierte Heuschrecke als Zeichen. In den vorgelegten Anlagen, die das Sponsoring belegen sollen, beschränkt sich die Benutzung der Widerspruchsmarke auf insgesamt nur zwei (kleine) Abbildungen auf einem Werbeflyer für ein Schirennen und auf einem Rallyauto. Ausweislich der Größe und der Positionierung der Widerspruchsmarke ist dabei offensichtlich, dass die Widersprechende bei den Veranstaltungen nicht als Hauptsponsor aufgetreten ist.

38

c) Soweit sich die Widersprechende auf eine Entscheidung des EUIPO vom 29. April 2016 (Az. B 2 464 248) beruft, in welcher die Frage der rechterhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke geprüft und bejaht worden war, ist dem entgegenzuhalten, dass die zu prüfenden Benutzungszeiträume unterschiedlich sind und das EUIPO seine Entscheidung auf zahlreiche Mittel der Glaubhaftmachung gestützt hat, die nicht in den hier relevanten Benutzungszeitraum fallen.

39

d) Nachdem bereits die Einrede der Nichtbenutzung nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG durchgreift, können weitere Darlegungen zur rechtserhaltenden Benutzung im Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG dahingestellt bleiben. Gleichfalls kann dahingestellt bleiben, ob die konkrete Benutzung der Widerspruchsmarke in einer von der Eintragung abweichenden Form den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke verändert hat, § 125 b Nr. 4 MarkenG i. V. m. Art. 15 GMV.

40

2. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG war nicht veranlasst.

41

Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann nach § 71 Abs. 3 MarkenG angeordnet werden, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig erscheinen würde, die Beschwerdegebühr einzuhalten. Solche Umstände können sich unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens insbesondere aus Verfahrensfehlern oder Verstößen gegen die Verfahrensökonomie in der Vorinstanz ergeben (Ströbele/Hacker, MarkenG 11. Aufl., § 71 Rn. 43 m. w. N.). Weiterhin muss die Fehlentscheidung für die Notwendigkeit der Einlegung der Beschwerde kausal gewesen sein (BPatGE 30, 207, 210 f. – Beschluss vom 13. April 1989, Az. 24 W (pat) 121/87). Gemessen an diesen Grundsätzen, gebietet es die Billigkeit nicht, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

42

a) Der Beschluss des DPMA vom 9. Januar 2015 hat die Widersprechende insbesondere nicht in ihrem Recht auf rechtliches Gehör gem. § 59 Abs. 2 MarkenG verletzt. Das gilt auch insoweit, als das DPMA seine Entscheidung darauf stützt, dass die Umsatzzahlen der Widersprechenden nicht nach den jeweiligen Absatzgebieten aufgeschlüsselt waren. Die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke war im Verfahren vor dem DPMA strittig gewesen. Die Widersprechende hatte hierzu schon mit Schriftsatz vom 8. März 2012 vorgetragen, also bereits vor der Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung mit Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 17. April 2012 (Bl. 60 d. V.A.). Zu dieser Frage haben beide Seiten umfangreich schriftsätzlich vorgetragen, so dass vor dem Beschluss des DPMA vom 9. Januar 2015 aus Sicht der Widersprechenden klar erkennbar war, dass der Ausgang des Verfahrens vom Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung entscheidend abhängig war. Insofern oblag es der Widersprechenden, von sich aus alle in dieser Hinsicht relevanten Tatsachen vorzutragen, da sie sich alle Mängel der Glaubhaftmachung zurechnen lassen musste (Hacker/Ströbele, MarkenG, 11. Aufl., § 43 Rn. 58, 66). Es gilt insoweit im Widerspruchsverfahren der Beibringungsgrundsatz (BGH GRUR 2010, 859 Rn. 15 - Malteserkreuz III), ohne dass für amtliche Ermittlungen Raum wäre.

43

b) Die fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts, die von der Widersprechenden gerügt wird, rechtfertigt die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nur, wenn die Rechtsanwendung völlig unvertretbar erscheint (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 71 Rn. 46 m. w. N.). Dies ist erkennbar nicht der Fall. Auch wenn die Aufschlüsselung der Absatzgebiete kein geeignetes Kriterium für die Beurteilung der ernsthaften Benutzung einer Unionsmarke ist (vgl. EuGH GRUR 2013, 182 Rn. 44 – ONEL/OMEL), so ist gleichwohl der Beschluss des DPMA sachlich begründet, nachdem er sich auch auf weitere, zutreffende rechtliche Erwägungen stützt. Die Rechtsauffassung, dass eine Aufschlüsselung der Umsätze nach den einzelnen Mitgliedsstaaten erforderlich sei, war zudem für die im Beschluss getroffene rechtliche Entscheidung nicht kausal. Dem Beschluss des DPMA ist zu entnehmen, dass die Entscheidung vor allem darauf gestützt wird, dass die Umsatzzahlen insgesamt zu niedrig sind, um eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft zu machen. Das Argument, dass keine nach Ländern aufgeschlüsselten Umsatzzahlen vorlagen, wurde mit dem Wort „zudem“ angeführt, woraus folgt, dass dieser Gesichtspunkt zu dem eigentlichen, ausschlaggebenden Grund nur ergänzend angeführt wurde.

44

c) Soweit die Widersprechende darauf abstellt, dass der Beschluss des DPMA unklar und widersprüchlich sei, bedarf es keiner näheren Darlegung, dass kein Widerspruch darin gesehen werden kann, wenn eine Abwägung der für und gegen eine rechtserhaltende Benutzung sprechenden Gesichtspunkte schließlich zu einem bestimmten Ergebnis führt. Wenn also das DPMA im Rahmen der Abwägung anführt, dass „gewisse Anhaltspunkte für eine rechtserhaltende Benutzung sprechen würden“, steht dies nicht im Widerspruch zu dem Schluss des DPMA, dass diese Anhaltspunkte im Ergebnis nicht ausreichend sind.

45

3. Zur Auferlegung der Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.

46

4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 83 Abs. 2 MarkenG war nicht veranlasst. Der Senat hatte über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden und ist in seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts bzw. des Bundesgerichtshofes abgewichen.