Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 27.05.2013


BPatG 27.05.2013 - 25 W (pat) 514/12

Markenbeschwerdeverfahren – "REHAB" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
27.05.2013
Aktenzeichen:
25 W (pat) 514/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 032 662.2

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27. Mai 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Grote-Bittner und des Richters Metternich

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. November 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Angemeldet als Wortmarke ist die Bezeichnung

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REHAB

3

für die nachfolgend genannten Waren der Klassen 5, 30 und 32:

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Klasse 5: Nahrungsergänzungsmittel in flüssiger Form;

5

Klasse 30: Fertiggetränke aus Tee, Eistee und teehaltigen Getränken; aromatisierte Fertiggetränke aus Tee, Eistee und teehaltigen Getränken;

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Klasse 32: alkoholfreie Getränke.

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Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einem Beamten des gehobenen Dienstes, hat diese unter der Nummer 30 2011 032 662.2 geführte Anmeldung nach entsprechender Beanstandung mit Beschluss vom 21. November 2011 zurückgewiesen.

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Aus Sicht der Markenstelle stehen der Eintragung der angemeldeten Marke die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen. Das Markenwort „Rehab“ stamme aus der englischen Sprache und sei die gebräuchliche Fachabkürzung für „Rehabilitation, Entziehungskur“. Bezeichnungen, die der Welthandelssprache Englisch zuzuordnen seien, seien grundsätzlich zur Beschreibung geeignet, zumal es ausreiche, wenn eine beschreibende Bedeutung nur von den am internationalen Handel beteiligten inländischen Fachkreisen erkannt werde. Die angesprochenen Verkehrskreise würden in der angemeldeten Marke lediglich einen engen beschreibenden Sachhinweis dahingehend erkennen, dass die beanspruchten Waren der Klassen 5, 30 und 32 im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen oder (Entziehungs-) Kuren eingenommen würden bzw. der persönlichen Rehabilitation (Genesung, Erholung, Heilung) dienen könnten. Die angemeldete Bezeichnung weise keine kennzeichnungskräftigen Bestandteile wie Originalität, Prägnanz und Interpretationsbedürftigkeit auf. Der angemeldeten Bezeichnung fehle daher die erforderliche Unterscheidungskraft. Zudem bestünden hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die angemeldete Bezeichnung auch eine beschreibende Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstelle. Auf aus ihrer Sicht vergleichbare Voreintragungen könne sich die Anmelderin nicht berufen.

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Die Anmelderin, die ursprünglich den Namen „H…“ trug und die Umbenennung in „M…“ nach Beschwerdeerhebung schriftsätzlich mit einem entsprechenden und zwischenzeitlich auch vollzogenen Umschreibungsantrag mitgeteilt hat, macht mit ihrer gegen den vorgenannten Beschluss gerichteten Beschwerde geltend, dass weder § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfüllt sei. Im Hinblick auf die Unterscheidungskraft komme es entscheidend auf das Verständnis des inländischen Durchschnittsverbrauchers an. Bei den beanspruchten Waren handele es sich um Produkte des täglichen Konsums, so dass die Gesamtbevölkerung maßgebend sei. Das Wort „Rehab“ sei kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, sondern stamme aus der englischen Sprache (englische Abkürzung für „Rehabilitation“). Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung in dem Wort „Rehab“ die Abkürzung von „Rehabilitation“ erkenne, zumal Studien ergeben hätten, dass die deutsche Bevölkerung nicht einmal gängigste Werbeaussagen korrekt übersetzen könne. Ferner sei zu berücksichtigen, dass im Deutschen „Rehabilitation“ mit „Reha“ abgekürzt werde. Hingegen komme es nicht auf das Verständnis ausländischer Verkehrskreise an. Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise würden die angemeldete Bezeichnung nicht mit der Beschaffenheit der beanspruchten Waren in Verbindung bringen. Es handele sich auch nicht um eine geläufige Werbeaussage.

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Da die angemeldete Bezeichnung aus den vorgenannten Gründen auch nicht geeignet sei, die beanspruchten Waren unmittelbar und ohne weiteres analysierendes Nachdenken zu beschreiben, sei auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht erfüllt. Auch ein enger beschreibender Bezug sei nicht unmittelbar und ohne Analysieren der angemeldeten Bezeichnung zu erkennen, da der Sinngehalt der Bezeichnung „Rehab“ nicht rasch und unmittelbar erkannt werde. Diese Bezeichnung sei auch auf dem maßgebenden Warengebiet nicht üblich, so dass der Verbraucher auch deswegen keine unmittelbare Verbindung zu den beanspruchten Waren herstellen werde. Zudem gebe es verschiedene Interpretationsmöglichkeiten hinsichtlich des angemeldeten Zeichens wie z. B. Initialen eines Namens oder Bezeichnung einer Musik-Band. Bei der Beurteilung des beschreibenden Charakters fremdsprachiger Marken seien die Kenntnisse von Fachkreisen nur dann maßgebend, wenn Waren betroffen seien, mit deren Vertrieb nur ein begrenzter Kreis inländischer Spezialisten befasst sei. Da es vorliegend um Produkte des täglichen Bedarfs gehe, sei auch unter dem vorgenannten Aspekt kein Schutzhindernis zu bejahen. Letztlich sei die Bezeichnung „Rehab“ den inländischen Verkehrskreisen auch nicht als eine eng angelehnte und daher unbedeutende Abwandlung einer Sachangabe geläufig.

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Die Anmelderin beantragt (sinngemäß),

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. November 2011 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

14

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG), und auch begründet. Entgegen der Auffassung der Markenstelle ist vorliegend weder das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch dasjenige des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erfüllt, so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle aufzuheben war.

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1. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der (beanspruchten) Waren oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz,10. Aufl., § 8 Rdn. 265). Es genügt also, wenn die angemeldete Marke in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 30, 31 - Chiemsee; EUGH GRUR 2004, 674, Tz. 56 - Postkantoor). Dabei können Bestimmungsangaben allgemeiner Art sein oder sich auf einzelne Bestimmungen beziehen, wie z. B. Abnehmerkreise, Verwendungszweck, Vertriebs- und Erbringungsart, -ort oder -zeit usw. (vgl. Ströbele/Hacker, 10. Aufl., § 8 Rdn. 323 m. w. N.). Nicht erforderlich ist, dass die Waren und Dienstleistungen ausschließlich für den betreffenden Zweck bestimmt sind, vielmehr genügt, wenn dieser neben anderen in Betracht kommt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8, Rdn. 323 und Rdn. 290 f.).

16

Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 29 - Chiemsee; EuGH GRUR 2006, 411, Tz. 24 -Matratzen Concord). Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 35 - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 56 - Postkantoor). Beansprucht sind im vorliegenden Fall Nahrungsergänzungsmittel in flüssiger Form, Tee und teehaltige sowie alkoholfreie Getränke. Es handelt sich somit um Nahrungs- und Lebensmittel des täglichen Bedarfs – dies gilt auch in Bezug auf die in der Klasse 5 beanspruchten Nahrungsergänzungsmittel -, die letztlich an die gesamte Bevölkerung gerichtet sind, bei denen aber auch auf Seiten der am Handel beteiligten Kreise vergleichsweise breite und keine etwa auf den Bereich medizinischer Gegenstände und Dienstleistungen spezialisierte Verkehrskreise angesprochen sind.

17

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vorgenannten Verkehrskreise die Bezeichnung „Rehab“ als Bestimmungsangabe für die vorgenannten Waren i. S. v. „Rehabilitation, Entziehungskur“ auffassen werden. Auch wenn diese Bezeichnung in der vorgenannten Bedeutung in Lexika der englischen Sprache nachweisbar ist, lässt dies noch nicht ohne weiteres auf ein entsprechendes Verständnis der maßgeblichen inländischen Verkehrskreise schließen. Die von der Markenstelle in Bezug auf die Bezeichnung „Rehab“ ermittelten Belege betreffen Angebote für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Bereich Krankengymnastik, medizinische Trainingstherapie etc., für medizinische Einrichtungen im Bereich Rehabilitation von Schwerstverletzten und für Rollstühle, wobei die konkrete Verwendung der Bezeichnung „Rehab“ innerhalb dieser Belege den Schluss auf eine markenmäßige Verwendung zulässt. Auch wenn die Ernährung bei Rehabilitationsmaßnahmen und Entziehungskuren eine wichtige Rolle spielt, so liegen jedoch Belege für die Verwendung des Begriffs „Rehab“ in Bezug auf die hier einschlägigen Massenprodukte des täglichen Konsums nicht vor. Eine eigene Recherche des Senats hat zudem keine weiterführenden Belege ergeben, die hinreichende Feststellungen hinsichtlich eines Verkehrsverständnisses im o. g. Sinne erlauben könnten. Zwar ist in Rechnung zu stellen, dass die Bezeichnung „Rehab“ als englischsprachige Abkürzung des Wortes „Rehabilitation“, das von der Schreibweise her identisch in der deutschen Sprache vorhanden ist, gewisse beschreibende Anklänge an dieses Wort aufweist. Jedoch stellt das Markenwort „Rehab“ aus den vorgenannten Gründen keine in Bezug auf die o. g. inländischen Verkehrskreise als gebräuchlich zu erachtende Abkürzung für „Rehabilitation“ dar, zumal im Inland insoweit die Abkürzung „Reha“ üblich ist, von der sich das Markenwort „Rehab“ merklich unterscheidet. Dann aber kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die vorgenannten inländischen Verkehrskreise in relevantem Umfang die angemeldete Marke als beschreibenden Sachhinweis auf die Bestimmung der damit gekennzeichneten Waren der Klassen 5, 30 und 32 auffassen werden (vgl. zur Schutzfähigkeit von Abkürzungen bzw. Abwandlungen, bei denen nicht festgestellt werden konnte, dass es sich um im Inland gebräuchliche Bezeichnungen handelt, auch: BGH, Beschluss vom 22. November 2012, I ZB 72/11, Tz. 15 – Kaleido; in der im Internet verfügbaren Entscheidungssammlung des BGH veröffentlicht). Im Übrigen konnte weder die Markenstelle noch der Senat feststellen, dass die vorliegend beanspruchten Waren überhaupt mit einer spezifischen Bestimmungsangabe wie „bestimmt für Rehabilitationsmaßnahmen“ angeboten werden, wobei sich eine derart spezifische Bestimmungsangabe hier auch nicht ohne weiteres aufdrängt.

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2. Die angemeldete Marke weist in Bezug auf die vorgenannten Waren auch die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft auf.

19

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31- Henkel; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 17 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, Tz. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006, a. a. O.).

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Wie oben ausgeführt, liegen keine hinreichenden Feststellungen dafür vor, dass die vorgenannten inländischen Verkehrskreise das Markenwort „Rehab“ i. V. m. den beanspruchten Waren als Abkürzung für die Bezeichnung „Rehabilitation“ und damit als Sachhinweis auf die Bestimmung dieser Waren auffassen werden. Zudem ist dabei – wie ebenfalls bereits ausgeführt – zu berücksichtigen, dass die Bezeichnung „Rehab“ sich merklich von der im Inland üblichen und im Vordergrund stehenden Abkürzung „Reha“ unterscheidet, so dass der Verkehr die angemeldete Marke ganz überwiegend als Phantasiebegriff auffassen wird, der zwar beschreibende Anklänge an das Wort „Rehabilitation“ aufweist, ohne dass ihm deswegen aber jegliche Unterscheidungskraft in Bezug auf die hier beanspruchten Waren abgesprochen werden könnte. Da die Bezeichnung „Rehab“ – wie bereits ausgeführt – von den beteiligten Verkehrskreisen auch nicht als Bestimmungsangabe hinsichtlich der vorliegend beanspruchten Waren aufgefasst wird und ein beschreibender Zusammenhang insoweit nicht festgestellt werden konnte, kann auch nicht von einem der Unterscheidungskraft der angemeldeten Bezeichnung entgegenstehenden, engen beschreibenden Bezug ausgegangen werden.

21

Nach alledem war der angefochtene Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

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3. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, zumal die Anmelderin einen Terminsantrag nach § 69 Nr. 1 MarkenG nicht gestellt hat.