Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 22.03.2018


BPatG 22.03.2018 - 25 W (pat) 509/17

Markenbeschwerdeverfahren – "VarioBox" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
22.03.2018
Aktenzeichen:
25 W (pat) 509/17
ECLI:
ECLI:DE:BPatG:2018:220318B25Wpat509.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2014 057 470.5

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

VarioBox

3

ist am 14. August 2014 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die nachfolgend genannten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38, 39 und 42 angemeldet worden:

4

Klasse 09: Apparate zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;

5

Klasse 38: Telekommunikation;

6

Klasse 39: Transportwesen;

7

Klasse 42: Entwurf von Computerhard und software.

8

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nummer 30 2014 057 470.5 geführte Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 28. Oktober 2014 und vom 14. Dezember 2015, wobei letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren der Klasse 9 und die Dienstleistung der Klasse 39.

9

Zur Begründung ist ausgeführt, dass der angesprochene Verkehr in der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden Sachhinweis erkennen werde. Die Bezeichnung setze sich aus den Wörtern „Vario“ und „Box“ zusammen. „Vario“ werde als Synonym für Flexibilität verstanden. Das Wort „Box“ (Schachtel, Kiste) gehöre zum englischen Grundwortschatz. Die Verbindung beider Wörter zu dem Begriff „VarioBox“ werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres und ohne gedankliche Zwischenschritte im Sinne von „flexible Schachtel“ oder „flexible Kiste“ verstanden. In Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 9 „Apparate zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Datenverarbeitungsgeräte und Computer“ weise der Begriff lediglich darauf hin, dass diese Produkte die Form einer Box hätten bzw. in eine solche eingebettet seien und flexible bzw. variable Funktionen aufweisen würden. In Bezug auf die Dienstleistung der Klasse 39 „Transportwesen“ werde der angesprochene Verkehr den Begriff „VarioBox“ als Hinweis auf den Gegenstand der Dienstleistung verstehen, nämlich den Transport von Gütern mittels flexibler bzw. variabler Boxen. Je nach Art und Beschaffenheit des zu transportierenden Gegenstandes könne es ein wesentliches Merkmal der Transportdienstleistung sein, dass diese mit flexibel einsetzbaren Kisten erfolge. Die Tatsache, dass es sich bei „VarioBox“ um eine Wortneubildung handle, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung, da die Kombination der beiden Zeichenbestandteile sprachregelgerecht und allgemein verständlich sei. Auch eine Wortkombination mit dem englischen Begriff „Box“ sei nicht ungewöhnlich, da die deutsche Sprache beliebig gestaltete Zusammensetzungen aus deutschen wie fremdsprachigen Wörtern ermögliche. Die Wortneuschöpfung „VarioBox“ erschöpfe sich in ihrem Gesamteindruck in der bloßen Summenwirkung der zwei nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteile. Soweit der Anmelder sich auf Voreintragungen mit dem Zeichenbestandteil „Box“ berufe, seien diese größtenteils schon nicht mit der verfahrensgegenständlichen Anmeldung vergleichbar. Darüber hinaus entstehe selbst aus vergleichbaren Voreintragungen kein Anspruch auf die Eintragung nicht schutzfähiger Zeichen.

10

Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde, die er nicht begründet hat.

11

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

12

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Oktober 2014 und vom 14. Dezember 2015 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42, den schriftlichen Hinweis des Senats vom 11. Dezember 2017 und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

14

Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache keinen Erfolg. Dem angemeldeten Wortzeichen fehlt im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht teilweise zurückgewiesen hat, § 37 Abs. 1 und Abs. 5 MarkenG.

15

1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist ferner dann auszugehen, wenn die Wortfolge für sich genommen oder im Zusammenhang mit produktbeschreibenden Angaben lediglich Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthält (siehe dazu BGH GRUR 2013, 522 Rn. 9 – Deutschlands schönste Seiten). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).

16

Zumindest unter dem letztgenannten Gesichtspunkt fehlt der angemeldeten Bezeichnung für sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft. Die angemeldete Bezeichnung setzt sich aus den beiden Wörtern bzw. Wortbildungselementen „Vario“ und „Box“ zusammen. Der englische Begriff „Box“ ist in den deutschen Wortschatz eingegangen und bezeichnet nicht nur einen Teil eines Pferdestalls, sondern ganz allgemein einen kastenförmigen Behälter (Kiste oder Schachtel). In dieser Bedeutung wird der Begriff „Box“ in zahlreichen zusammengesetzten Hauptwörtern benutzt. Entsprechende Begriffe finden sich vor allem auf dem Gebiet des Transportwesens (Klasse 39), wie z. B. die Begriffe „Gitterbox, Kühlbox, Thermobox, Transportbox“. Entsprechende Begriffe lassen sich aber auch für die Waren der Klasse 9 belegen, wie etwa „Stromverteilerbox“ oder „Box PC“. Der Begriff „Vario“ bezeichnet als Präfix die besondere Flexibilität bzw. Variabilität einer Sache (auf die dem Senatshinweis vom 11. Dezember 2017 beigefügten Rechercheunterlagen wird insoweit Bezug genommen). Ausgehend davon wird der Verkehr die angemeldete Wortkombination im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen rein beschreibend dahingehend verstehen, dass diese Produkte im weitesten Sinne in einem oder mittels eines variablen, kastenförmigen Behältnisses erbracht werden bzw. ein solches Behältnis sind bzw. variable Funktionen aufweisen. Dieses sich aufdrängende beschreibende Verständnis steht einem betriebskennzeichnenden Verständnis entgegen.

17

Entgegen der Auffassung des Anmelders im Verfahren vor dem DPMA handelt es sich bei der angemeldeten Wortfolge nicht um eine ungewöhnliche Wortverbindung, deren Bedeutung in einem entsprechenden Sachzusammenhang nicht sofort erfasst würde. Die Verständnisfähigkeit des Verkehrs darf nicht zu gering veranschlagt werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 48 mit weiteren Nachweisen), zumal auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist, der daran gewöhnt ist, ständig mit neuen und nicht immer grammatikalisch korrekten Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm lediglich sachbezogene Informationen in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Dies gilt auch für die Verwendung von Wörtern bzw. Wortbildungselementen aus unterschiedlichen Sprachen, wenn es sich dabei um die deutsche und die englische Sprache handelt, da die englische Sprache in den verschiedensten Waren- und Dienstleistungsbereichen häufig allein oder neben der deutschen Sprache verwendet wird. Ein entsprechender Sprachenmix als solcher wird deshalb in aller Regel nicht mehr als ungewöhnlich empfunden und nicht allein deshalb kennzeichnend verstanden. Vorliegend kommt hinzu, dass die angemeldete Wortfolge „Vario Box“ bereits gebräuchlich ist (auf die dem Senatshinweis vom 11. Dezember 2017 beigefügten Rechercheunterlagen wird insoweit Bezug genommen), auch wenn die Wortkombination teilweise markenmäßig benutzt wird. Ähnliche Wortverbindung mit der Bezeichnung „Vario“ sind in Entscheidungen des Bundespatentgerichts mehrfach in einem naheliegenden produktbeschreibenden Zusammenhang als schutzunfähig eingestuft worden (vgl. die Beschlüsse vom 7. Januar 1999, 30 W (pat) 59/98 – Vario Modul und vom 12. Mai 2010, 28 W (pat) 506/10 – Varioload).

18

Soweit der Anmelder im Erinnerungsverfahren vor der Markenstelle des DPMA im Schriftsatz vom 8. Januar 2015 auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen zu seinen Gunsten verwiesen hat, ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47–51 – BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42–44 – Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des BPatG (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175 – Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 – VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 – Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach insoweit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 72 ff. mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung, wobei selbst identische Voreintragungen nach ständiger Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen. Insofern gibt es auch im Rahmen von unbestimmten Rechtbegriffen keine Selbstbindung der Markenstellen des DPMA und erst recht keine irgendwie geartete Bindung für das Gericht. Das Gericht und auch das Patentamt haben in jedem Einzelfall eigenständig zu prüfen und danach eine Entscheidung zu treffen.

19

2. Ob neben der fehlenden Unterscheidungskraft auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, kann im Ergebnis als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

20

3. Ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung war vom Anmelder nicht gestellt worden und eine mündliche Verhandlung erschien aus Sicht des Senats auch nicht erforderlich, § 69 Nr. 1 und 3 MarkenG.