Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.11.2014


BPatG 14.11.2014 - 25 W (pat) 507/13

Markenbeschwerdeverfahren – „Amoderm/ATODERM (IR-Marke)“ – Warenähnlichkeit – klangliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
14.11.2014
Aktenzeichen:
25 W (pat) 507/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2010 058 637

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. August 2014 durch den Vorsitzenden Richter Knoll und die Richterinnen Grote-Bittner und Dr. Hoppe

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. November 2012 in der Hauptsache aufgehoben und die angegriffene Marke 30 2010 058 637 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke IR 553 797 gelöscht.

Gründe

I.

1

Die am 5. Oktober 2010 angemeldete Wortmarke

2

Amoderm

3

ist am 9. November 2010 unter der Nummer 30 2010 058 637 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für verschiedene Waren der Klasse 3 und 5 eingetragen und am 10. Dezember 2010 veröffentlicht worden. Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke das Warenverzeichnis im Beschwerdeverfahren beschränkt hat, sind aktuell noch folgende Waren geschützt:

4

Klasse 5

5

Arzneimittel, nämlich Nagellacke zur Behandlung von Nagelpilz mit dem Wirkstoff Amorolfin.

6

Gegen diese Wortmarke hat die Widersprechende am 1. März 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt aus ihrer Wortmarke

7

ATODERM

8

Widerspruch eingelegt. Der Schutz dieser am 10. Mai 1990 international unter der Nummer IR 553 797 registrierten Marke ist am 20. Februar 1995 auf Deutschland erstreckt worden für folgende Waren:

9

Klasse 3

10

produits cosmétiques (kosmetische Produkte).

11

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2011 mit Ausnahme von “kosmetischer Hautcreme“ bestritten. Die Widersprechende hat daraufhin verschiedene Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung ihrer Marke zu den Akten gereicht, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.

12

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 16. November 2012 mangels Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Sie meint, dass von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen sei. Beim Warenvergleich sei auf Seiten der Widerspruchsmarke lediglich „kosmetische Hautcreme“, deren Benutzung nicht bestritten worden sei, zugrunde zu legen, denn die Widersprechende habe eine darüber hinausgehende Benutzung nicht glaubhaft gemacht. Zwischen den für die angegriffene Marke zu berücksichtigenden „pharmazeutischen Präparaten und Arzneimitteln zur Behandlung von Nagelpilz mit dem Wirkstoff Amorolfin“ und der für die Widerspruchsmarke zugrunde zu legender „kosmetischer Hautcreme“ bestehe nur eine unterdurchschnittliche Ähnlichkeit. Ein Arzneimittel zur Behandlung von Nagelpilz unterscheide sich von anderen antimykotisch wirkenden Präparaten stofflich und bzgl. der Anwendung, da es als Nagellack auf befallene Nägel aufgetragen werde. Diese Form der Anwendung hebe sich deutlich von der einer kosmetischen Creme ab. Der danach erforderliche durchschnittliche Zeichenabstand sei eingehalten. Der Übereinstimmung in der kennzeichnungsschwachen Endsilbe „DERM“ komme nur eine geringe Bedeutung zu, weil deren beschreibender Gehalt eine Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die übrigen Zeichenelemente bewirke. Da sich der Konsonant „T“ klanglich markant von dem klangschwachen Konsonanten „M“ abhebe, sei der Unterschied kaum zu überhören oder zu übersehen. Hinzu komme, dass sich die Kennzeichnung „Amoderm“ an die Wirkstoffbezeichnung „Amorolfin“ anlehne. Für eine Annäherung in begrifflicher Hinsicht würden keine Anhaltspunkte bestehen. Da zudem auch nicht anzunehmen sei, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden, bestehe keine Verwechslungsgefahr.

13

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, dass Verwechslungsgefahr vorliege. Zum einen sei die Widerspruchsmarke trotz der mit der Silbe „DERM“ verbundenen Andeutung auf den Anwendungsbereich „auf der Haut“ hinreichend phantasievoll und daher zumindest durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Zum anderen bestehe hochgradige Warenähnlichkeit. Beim Warenvergleich sei auf Seiten der Widerspruchsmarke abzustellen auf „kosmetische Produkte“, denn nach der "erweiterten Minimallösung" umfasse die nachgewiesene und im Übrigen nicht bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarke für "kosmetische Hautcreme" eine rechtserhaltende Benutzung des Oberbegriffs "kosmetische Produkte". "Kosmetische Hautcremes" könnten reinigende, stabilisierende, vitalisierende, desodorierende bzw. parfümierende Wirkungen entfalten und stellten daher keinen abgrenzbaren Unterbegriff der Kosmetika dar. Doch selbst zwischen "kosmetischen Hautcremes" und den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren liege hochgradige Ähnlichkeit vor. So gebe es Berührungspunkte im Vertrieb, da die unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Produkte exklusiv in Apotheken und dermatologischen Instituten erhältlich seien. Warennähe werde auch durch das Nebeneinanderstehen von Nagellacken, Salben und kosmetischen Hautcremes in Apotheken und im heimischen Badezimmer bewirkt. Es gebe auch Unternehmen, die sowohl Hautcremes als auch Nagellacke für medizinische Zwecke herstellten. Zudem bestehe eine hochgradige schriftbildliche und klangliche Zeichenähnlichkeit, so dass ein Verlesen/Verhören möglich und eine sichere Unterscheidung nicht gewährleistet sei.

14

Die Widersprechende beantragt,

15

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. November 2012 in der Hauptsache aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2010 058 637 „Amoderm“ wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 553 797 „ATODERM“ anzuordnen.

16

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

17

die Beschwerde zurückzuweisen.

18

Die Inhaberin der angegriffenen Marke ist der Ansicht, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei gering, weil die Vorsilbe „ATO“ in Verbindung mit der Nachsilbe „DERM“ für Creme darauf hinweise, dass es sich um eine Hautcreme zur Behandlung des atopischen Ekzems handele. Beim Warenvergleich seien für die Widerspruchsmarke nur „kosmetische Hautcremes“ zugrunde zu legen. Eine Erweiterung auf „kosmetische Produkte“ insgesamt sei nicht angezeigt, da der Warenbegriff der „kosmetischen Produkte“ einen Oberbegriff mit einer Vielzahl von Untergruppen darstelle, von denen die „kosmetischen Hautcremes“ einen abgrenzbaren Unterbegriff darstellten. Eine Warenähnlichkeit mit kosmetischer Hautcreme liege indes nicht mehr vor, nachdem das Verzeichnis der angegriffenen Marke auf Nagellacke zur Behandlung von Nagelpilz beschränkt worden sei. Dies zeige sich schon an der Zuordnung von Nagellack mit dem Wirkstoff Amorolfin zur Gruppe 21 in der Roten Liste. Der danach gebotene Zeichenabstand werde eingehalten, weil den Übereinstimmungen in dem kennzeichnungsschwachen Bestandteil „derm“ die markanten Unterschiede aufgrund des klangstarken, visuell hervorstechenden Konsonanten „t“ gegenüberzustellen seien.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

20

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und begründet.

21

Zwischen der Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke besteht Verwechslungsgefahr gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. §§ 119 Abs. 1, 124, 112 Abs. 1 MarkenG, so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 aufzuheben und die angegriffene Marke gem. § 43 Abs. S. 1 MarkenG zu löschen ist.

1.

22

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z.B. EuGH GRUR 2010, 933, Rn. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Rn. 44 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2013, 833, Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343, Rn. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Rn. 25 - pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rn. 40 ff. m.w.N.). Darüber hinaus können sich für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich auswirken, wie u.a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

2.

23

Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht zwischen der angegriffenen Marke und der prioritätsälteren Widerspruchsmarke Verwechslungsgefahr gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr.1 i.V.m. §§ 119 Abs. 1, 124, 112 Abs. 1 MarkenG.

24

Dabei kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob die Widersprechende nach der von der Inhaberin der angegriffenen Marke erhobenen beschränkten Nichtbenutzungseinrede die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren, deren Benutzung bestritten worden ist, in ausreichendem Umfang gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG glaubhaft machen konnte. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob auf Seiten der Widerspruchsmarke über den zugestandenen Warenbereich hinaus im Rahmen der sog. Integrationsfrage und der in ständiger Rechtsprechung angewandten erweiterten Minimallösung ein weitergehender Warenbereich als benutzt angesehen werden kann, denn auch für den Fall, dass nur der engere Warenbereich, nämlich „kosmetische Hautcreme“, deren Benutzung ausdrücklich nicht bestritten worden ist, berücksichtigt wird, besteht Verwechslungsgefahr.

25

a) Die zu vergleichenden Waren sind entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht unähnlich, sondern durchschnittlich ähnlich.

26

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke ihr Verzeichnis mit Schriftsatz vom 31. Juli 2014 beschränkt hat auf „Arzneimittel, nämlich Nagellacke zur Behandlung von Nagelpilz mit dem Wirkstoff Amorolfin“, sind nur noch diese Waren für die vorzunehmende Prüfung der Warenähnlichkeit maßgeblich. Auf Seiten der Widerspruchsmarke wird beim Warenvergleich zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke nur die Ware „kosmetische Hautcreme“, deren Benutzung nicht bestritten wurde, zugrunde gelegt.

27

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und/oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR Int. 1998, 922, Rn. 22 - 29 - Canon; EuGH GRUR 2006, 582, Rn. 85 -VITAFRUIT; BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; BGH GRUR 2007, 1066, Rn. 23 - Kinderzeit; BGH GRUR 2014, 488, Rn. 12 – DESPERADOS/DESPERADO).

28

Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht zwischen den für die angegriffene Marke in Klasse 5 eingetragenen Waren „Arzneimittel, nämlich Nagellacke zur Behandlung von Nagelpilz mit dem Wirkstoff Amorolfin“ einerseits und der für die Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden „kosmetischen Hautcreme“ eine mittlere Warenähnlichkeit.

29

Kosmetische Produkte dienen der Körper- und Schönheitspflege. In diesem Rahmen haben sie – sofern es sich nicht um Mittel im ausschließlich dekorativen Bereich handelt – nicht nur die Aufgabe, das äußere Erscheinungsbild des Benutzers zu verbessern, sondern können - insbesondere im Bereich der kosmetischen Hautcremes - darüber hinaus dazu bestimmt sein, die Haut zu pflegen, zu schützen, zu regenerieren (z.B. nach Sonnenbrand), im Sinne einer optischen Hautverjüngung zu straffen und schließlich zu regulieren, z.B. in Bezug auf Hautfett, Feuchtigkeit oder Hautunreinheiten (etwa bei Akne). Auch zahlreiche Arzneimittel, insbesondere im Bereich der Dermatika haben eine entsprechende Bestimmung bzw. einen entsprechenden Anwendungsbereich, was besonders deutlich wird bei Aknemitteln, Sonnenschutzmitteln oder „After Sun“-Produkten, die sowohl im Bereich der kosmetischen Hautcremes als auch im Bereich der Dermatika angesiedelt sein können. Ausgehend davon ist bei „kosmetischen Cremes“ grundsätzlich eine große Nähe und damit eine relativ große Warenähnlichkeit im Verhältnis zu „Arzneimitteln, nämlich Dermatika“ und darüber hinaus auch eine zumindest unterdurchschnittliche Warenähnlichkeit im Verhältnis zu vielen anderen Arzneimitteln zu bejahen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es nicht wenige Firmen gibt, die ihre noch nicht als Arzneimittel zu qualifizierenden hochwertigen und meist auch hochpreisigen Kosmetik- und Körperpflegeprodukte, insbesondere Hautcremes, ausschließlich oder zumindest bevorzugt über Apotheken vertreiben (vgl. dazu sog. Apotheken-Kosmetikmarken wie Vichy, Eucerin, frei, medipharma cosmetics, Claire Fisher usw.), so dass zwischen Arzneimitteln und „kosmetischen Cremes“ auch in Bezug auf die Vertriebswege und Verkaufsstätten erhebliche Überschneidungen gegeben sind. Vor diesem Hintergrund werden „kosmetische Mittel zur Körperpflege“, insbesondere „Hautcreme“, und „Arzneimittel“, welche die Dermatika umfassen, in der Rechtsprechung als ähnlich eingestuft (BPatG 25 W (pat) 292/02 - DERMAGAM/DERMAGRAN; BPatG 25 W (pat) 143/05 - tetesept Gripposan/Grippostad; BPatG 25 W (pat) 206/94) - ETEX/etee). Auch wenn es sich bei der von der angegriffenen Marke beanspruchten Ware nicht um ein Dermatikum im Sinne der Hauptgruppe 32 der Roten Liste handelt, sondern um ein Antimykotikum im Sinne der Hauptgruppe 21 der Roten Liste - sämtliche Amorolfinhaltigen Arzneimittel sind in der Roten Liste entsprechend klassifiziert - besteht zwischen „Dermatika“ einerseits und „Antimykotika“ andererseits ganz allgemein eine außerordentlich große Warennähe bis hin zur Identität. Denn es gibt zahlreiche Mittel zur Behandlung von „Mykosen“ (= Pilzerkrankungen) im Bereich der Haut die als „Antimykotikum“ eingestuft werden (vgl. z.B. Rote Liste 2014, Nr. 21 125 bis 21 134 und 21 136 bis 21 143). Andererseits dienen zahlreiche als „Dermatika“ klassifizierte Mittel ebenfalls der Behandlung von „Mykosen“ (= Pilzerkrankungen) im Bereich der Haut (siehe dazu z.B. Rote Liste 2014 Nr. 32 135 bis 32 145). Auch wenn es sich bei der für die angegriffene Marke geschützten sehr speziellen Ware „Nagellack zur Behandlung von Nagelpilz mit dem Wirkstoff Amorolfin“ um ein Arzneimittel mit pharmakologisch wirksamen Substanzen handelt, ist zu berücksichtigen, dass diese Ware zumindest auch einem kosmetischen Zweck dient, indem sie den optischen Beeinträchtigungen, insbesondere durch Nagelverfärbungen, die eine Nagelpilzerkrankung mit sich bringt, entgegenwirkt. Darüber hinaus können Cremes, darunter auch kosmetische Hautcremes, bei einer Nagelpilzbehandlung als ergänzendes Heil- und/oder Pflegemittel verwendet werden, um die den Nagel umgebende Haut zu pflegen und/oder zu schützen, so dass auch ein funktionaler Zusammenhang gegeben ist. Vor diesem Hintergrund kommt weder den unterschiedlichen Anwendungsgebieten am Körper (Nagel/Haut) noch der unterschiedlichen Konsistenz (Lack/Creme) eine maßgebliche Bedeutung zu, zumal Amorolfin-haltige Antimykotika - wenngleich vorliegend nicht beansprucht - auch als Creme angeboten werden (vgl. dazu Rote Liste 2014 Nr. 21091).

30

Demzufolge bestehen Überschneidungen in Bezug auf die Vertriebswege, die Bestimmung und den Verwendungszweck zwischen den für die angegriffene Marke eingetragenen „Nagellacken zur Behandlung von Nagelpilz“ und den für die Widerspruchsmarke jedenfalls zu berücksichtigenden „kosmetischen Hautcremes“.

31

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich.

32

Die originäre Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist nicht geschwächt. Zwar handelt es sich bei der Endsilbe „derm“ um ein an den griechischen Begriff „derma“ (= Haut) angelehntes Wort. Die Silbe „derm“ wird bei verschiedenen Produkten als „sprechender“ Hinweis auf deren Anwendungsgebiet auf der Haut verwendet. Im Bereich der Arzneimittel weist die Silbe „derm“ regelmäßig auf Dermatika und deutet im Bereich der Hautcreme, deren dermatologische Unbedenklichkeit („dermatologisch getestet“) an. Die Bezeichnung „ATODERM“, die sich aus den Anfangsbestandteilen von „atopisch“ und „Dermatitis“ bilden ließe, ist allerdings weder lexikalisch nachweisbar noch gebräuchlich. Auch der Zeichenbestandteil „ATO“ ist im Zusammenhang mit „kosmetischen Produkten“ bzw. „kosmetischer Hautcreme“ weder eine gebräuchliche Abkürzung für einen Wirkstoff noch für „atopisch“. Vor diesem Hintergrund hat der Verkehr keine Veranlassung, die Bezeichnung zergliedernd und nicht als einheitliche Bezeichnung wahrzunehmen. Infolgedessen ist bei der Beurteilung des Gesamteindrucks auf das Zeichen in seiner Gesamtheit abzustellen, wobei die denkbaren Bedeutungsanklänge in Richtung „atopisches Ekzem“ und „dermatologisch/Dermatitis“ im Sinne einer sprechenden Marke hinreichend phantasievoll kombiniert und verfremdet sind.

33

c) Ausgehend von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer mittleren Warenähnlichkeit wird die angegriffene Marke - selbst bei einem unterstellten erhöhten Aufmerksamkeitsgrad des angesprochenen Verkehrs - den danach maßgeblichen noch mittleren Anforderungen an den einzuhaltenden Zeichenabstand nicht gerecht.

34

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (vgl. EuGH GRUR Int. 2010, 129, Rn. 60 - La Espaňola/Carbonell; BGH GRUR 2009, 1055, Rn. 26 - airdsl). In der Regel genügt bereits die hinreichende Übereinstimmung in einem Aspekt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr (BGH GRUR 2009, 1055, Rn. 26 - airdsl; BGH GRUR 2011, 824, Rn. 26 - Kappa; BGH GRUR 2006, 60, Rn. 17 - coccodrillo).

35

Bei dem Zeichenvergleich ist zwar auf den informierten und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbraucher abzustellen (vgl. EuGH MarkenR 2014, 245, Rn. 21 - BIMBO DOUGHNUTS; vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, Rn. 28 - THOMSON LIFE). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass dieser die Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt und sie deshalb nicht unmittelbar miteinander vergleichen kann. Vielmehr gewinnt er seine Auffassung nur aufgrund einer meist undeutlichen Erinnerung an eine der verschiedenen Marken.

36

In klanglicher Hinsicht stimmen die Vergleichsmarken in Bezug auf den klangstarken Anfangsbuchstaben „A“, die Silbenzahl [A-mo-derm / A-TO-DERM], den Sprech- und Betonungsrhythmus und die Vokalfolge [a-o-e] überein. Die Anfangs- und Endsilben [A - derm] sind identisch. Die abweichenden Konsonanten "m" und "T" in der zweiten Silbe treten nicht hinreichend deutlich hervor, um ein ausreichendes Gegengewicht gegenüber den weitreichenden Gemeinsamkeiten beider Zeichen zu bilden. Beide Konsonanten „m“ und „T“ verändern das Klangbild der zweiten Silbe zwar etwas, was der Verkehr aber im Klanggefüge des Gesamtbegriffs nicht hinreichend deutlich wahrnehmen wird, da die unterschiedlichen Konsonanten auf Betonung und Sprachrhythmus des übrigen, durch identische Silben und klangstarke Vokale geprägten Gesamtklangbilds keine hinreichende Auswirkung haben. Das gilt erst recht bei etwas undeutlicher Aussprache oder auch bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen.

37

Hinreichend deutliche, der Verwechslungsgefahr in relevantem Umfang entgegenwirkende, begriffliche Unterschiede sind in den Vergleichszeichen nicht enthalten. In schriftbildlicher Hinsicht weisen die zu vergleichenden Zeichen auch erhebliche Übereinstimmungen auf. Im Hinblick auf die Bejahung der Verwechslungsgefahr aufgrund der klanglichen Ähnlichkeiten kann indes dahinstehen, ob eine Verwechslungsgefahr auch im Hinblick auf die schriftbildliche Ähnlichkeit anzunehmen wäre.

3.

38

Für eine Auferlegung von Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.