Entscheidungsdatum: 19.12.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 063 401.5
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 19. Dezember 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des DPMA vom 29. Oktober 2015 insoweit aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren in der Klasse 16 „Verpackungsmaterial; Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Papier oder Kunststoff; Blisterverpackungen; Kunststofffolien zur Verpackung von Medikamenten; Verordnungsblätter; sämtliche der vorgenannten Waren nicht zum Einsatz in der Ernährungswissenschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Ernährungslehre oder Ernährungstherapie“ zurückgewiesen worden ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Die Buchstabenfolge
BCM
ist am 21. Oktober 2014 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 42, 44 angemeldet worden. Mit Schriftsatz vom 13. April 2015 hat der Anmelder das Waren und Dienstleistungsverzeichnis eingeschränkt und begehrt die Eintragung noch für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen:
Klasse 09:
Computerprogramme; herunterladbare Computerprogramme; Interfaces [Schnittstellengeräte oder -programme für Computer]; gespeicherte Computersoftware; Software, auch herunterladbar; Computer-Software für den medizinischen und pharmakologischen Bereich; Barcode-Lesegeräte; sämtliche der vorgenannten Waren nicht zum Einsatz in der Ernährungswissenschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Ernährungslehre oder Ernährungstherapie;
Klasse 16:
Verpackungsmaterial; Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Papier oder Kunststoff; Blisterverpackungen; Kunststofffolien zur Verpackung von Medikamenten; Verordnungsblätter; Lehr- und Unterrichtsmaterial, ausgenommen Apparate; sämtliche der vorgenannten Waren nicht zum Einsatz in der Ernährungswissenschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Ernährungslehre oder Ernährungstherapie;
Klasse 42:
Entwicklung von Computerprogrammen, insbesondere im Gesundheitsbereich; Aktualisierung, Installation und Wartung von Computer- und Datenbanksoftware; Computerberatungsdienst; Wiederherstellung von Computerdaten; Installieren von Computerprogrammen; Kopieren von Computerprogrammen; Vermietung von Computersoftware; Wartung von Computersoftware; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten; Entwicklung von Dienstleistungen eines EDV-Programmierers; technische Leistungsüberwachungsanalyse des Netzwerkbetriebs, soweit in Klasse 42 enthalten; Implementierung von EDV-Programmen für Netzwerke; Entwicklung und Design von Homepages, Internetseiten, insbesondere Apotheken, Drogerien, Arztpraxen und Kliniken; technisches Projektmanagement im EDV-Bereich; technisches Projektmanagement im Bereich des Arzneimittelvertriebs, insbesondere im Zusammenhang mit dem patientenindividuellen Verblistern von Arzneimitteln; medizinische- und pharmazeutische Forschung; Arzneimittelforschung, insbesondere Entwicklung neuer Arzneimittel und Applikationsformen für Dritte; Qualitätsprüfung von Arzneimittel für Dritte; zur Verfügungstellung und Vermietung von elektronischen Speicherplätzen im Internet; wissenschaftliche Analyse von pharmazeutischen Erzeugnissen; wissenschaftliche und technische Beratung bei der Zulassung von Arzneimitteln für Dritte; Dienstleistungen eines medizinischen oder chemischen Labors; sämtliche der vorgenannten Dienstleistungen nicht zum Einsatz in der Ernährungslehre oder Ernährungstherapie;
Klasse 44:
Medizinische Dienstleistungen; Beratung in der Pharmazie; Zusammenstellung von Arzneimitteln in patientengerechten Dosierungen; Zubereitung von Rezepturen; Auskünfte und Beratung in der Pharmazie, nämlich durch einen Apotheker oder Drogisten, auch über das Internet; medizinische Dienstleistungen, nämlich Überwachen der Arzneimitteltherapie, insbesondere zur Vermeidung von Überdosierungen, Wechselwirkungen und im Bereich der Arzneimittel-Compliance; medizinische Dienstleistungen, nämlich die Beratung von medizinischem und pharmazeutischem Personal im Hinblick auf medizinische Fragen der Arzneimitteltherapie; sämtliche der vorgenannten Dienstleistungen nicht zum Einsatz in der Ernährungslehre oder Ernährungstherapie.
Mit Beschluss vom 29. Oktober 2015 hat die Markenstelle für Klasse 9 die Anmeldung zurückgewiesen, weil der Eintragung die Unterscheidungskraft fehle und es sich um eine beschreibende Sachangabe handele.
Der Eintragung der angemeldeten Marke stünde auch noch nach der vom Anmelder vorgenommenen Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses, wonach „sämtliche Waren und Dienstleistungen nicht zum Einsatz in der Ernährungswirtschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Ernährungslehre oder Ernährungstherapie“ vorgesehen seien, jedenfalls das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. „BCM“ sei die Abkürzung von „body cell mass“ und bedeute Körperzellmasse. Die Körperzellmasse sei die Summe aller aktiv am Stoffwechsel beteiligter Zellen und die zentrale Größe bei der Beurteilung des Ernährungszustands. Die Abkürzung „BCM“ sei im Zusammenhang mit Mangelernährungszuständen bereits vor der Eintragung in der Fachliteratur an Stelle des Begriffs „body cell mass“ beschreibend verwendet worden. Die Buchstabenfolge könne darauf hinweisen, dass die Waren für den Aufbau oder die Erhaltung der Körperzellmasse in besonderer Weise wirksam seien. Die Dienstleistungen könnten diesen in der Medizin und Ernährungswissenschaft bedeutenden Gesichtspunkt zum Gegenstand haben. Die Bezeichnung „BCM“ beschreibe somit lediglich die Art, den Inhalt, die Bestimmung bzw. Eignung sowie die inhaltliche, thematische, gegenständliche Ausrichtung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Der Abkürzung „BCM“ fehle nicht nur im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen, die einen ernährungswissenschaftlichen Bezug aufweisen könnten, die erforderliche Unterscheidungskraft, sondern auch bei solchen, die nach ihrem Zweck, Gegenstand und Inhalt für ein so bezeichnetes medizinisches und pharmazeutisches Anwendungsgebiet bestimmt sein könnten. Auch die beanspruchten Computerprogramme der Klasse 9 könnten solche für den medizinischen und pharmakologischen Bereich umfassen ohne ausschließlich auf den Einsatz in der Ernährungslehre oder -therapie beschränkt zu sein. Auch die Lehr- und Unterrichtsmittel der Klasse 16 können sich inhaltlich mit der sog. Körperzellmasse befassen. Selbiges gelte in gleicher Weise für die medizinischen und wissenschaftlichen Dienstleistungen der Klassen 42 und 44.
Soweit der Anmelder das Verzeichnis mit einem Ausnahmevermerk beschränke, sei diese Einschränkung – ungeachtet des Umstands, ob eine solche Beschränkung überhaupt zulässig sei – nicht geeignet der angemeldeten Bezeichnung zur Schutzfähigkeit zu verhelfen. Denn die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen seien nicht ausschließlich auf einen „Einsatz in der Ernährungslehre oder Ernährungstherapie“ bezogen, sondern könnten sich nach ihrem Gegenstand, Inhalt, Bestimmungs- und Verwendungszweck mit dem gesamten medizinischen und pharmazeutischen Bereich befassen und diesem zugeordnet werden. Im Übrigen könnte, sofern von einem Entfallen eines Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch die vorgenommene Einschränkung ausgegangen werden würde, das Schutzhindernis einer Täuschungsgefahr i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG vorliegen, weil die durch die Bezeichnung „BCM“ beim Verkehr hervorgerufene Vorstellung, wonach sich die Waren und Dienstleistungen inhaltlich und thematisch mit der Ernährungswissenschaft beschäftigten, nicht (mehr) der tatsächlichen Beschaffenheit der so bezeichneten beanspruchten Waren und Dienstleistungen entsprechen könne.
Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Der Eintragung der Buchstabenfolge stünden keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Die der Bezeichnung BCM von der Markenstelle zugrunde gelegte Bedeutung von „Body Cell Mass“ sei nur eine unter vielen Bedeutungen des Kurzwortes, das ebenso für ein Steuergerät „Body Control Modul“, „Business Contact Manager“, „Bachelor of Commerce and Management“ oder „Business Cost Modell“ stehe. Daher handele es sich bei der angemeldeten Bezeichnung gerade nicht um eine allgemein gültige Fachabkürzung, der eine eindeutige beschreibende Bedeutung zugeordnet werden könne. Dem angefochtenen Beschluss sei zudem nicht zu entnehmen, dass oder inwieweit die beanspruchte Buchstabenfolge für die angesprochenen Verkehrskreise aus sich heraus als beschreibende Angabe verständlich sei. Denn die bloße Aufnahme einer Buchstabenfolge in ein Abkürzungsverzeichnis vermöge nicht die erforderliche Feststellung zu ersetzen, dass die Buchstabenfolge als beschreibende Angabe für die in der Anmeldung aufgeführten Waren oder Dienstleistungen bekannt oder verständlich sei. Buchstabenfolgen seien im Allgemeinen allein schon deshalb unterscheidungskräftig, weil der Verkehr durch entsprechend gebildete Firmenbezeichnungen (AEG, BASF, IBM, DB, BMW usw.) daran gewöhnt sei, solche Kombinationen als betriebskennzeichnend aufzufassen. Die gebräuchliche Verwendung von Buchstabenverbindungen spräche für und gerade nicht gegen eine Unterscheidungskraft. Der Anmelder verweist des Weiteren auf zahlreiche Entscheidungen des BGH und des Bundespatentgerichts, in denen vergleichbare Buchstabenkürzel für schutzfähig erachtet worden seien (z. B. ISET/ISETsolar (BGH I ZB 2/14), „ume“ (27 W (pat) 539/14) oder EHD, RSV, bb-nrw, CTL, CJD, RDB, UPW, TCP). Der Anmelder wiederholt zudem, dass nach der mittlerweile vorgenommenen Einschränkung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen durch „sämtliche der vorgenannten Waren bzw. Dienstleistungen nicht zum Einsatz in der Ernährungswirtschaft, einschließlich Ernährungsberatung, Ernährungslehre oder Ernährungstherapie“ jedenfalls von der Schutzfähigkeit des Akronyms auszugehen sei. Diese Einschränkung diene der Klarstellung und sei auch für die Mitbewerber nachvollziehbar.
Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des DPMA vom 29. Oktober 2015 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, den rechtlichen Hinweis des Senats vom 18. August 2017, die Schriftsätze des Anmelders und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde des Anmelders hat nur zum Teil Erfolg. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „BCM“ als Marke steht hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der Waren „Verpackungsmaterial; Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Papier oder Kunststoff; Blisterverpackungen; Kunststofffolien zur Verpackung von Medikamenten; Verordnungsblätter; sämtliche der vorgenannten Waren nicht zum Einsatz in der Ernährungswissenschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Ernährungslehre oder Ernährungstherapie“ in der Klasse 16 das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, nämlich die fehlende Unterscheidungskraft, entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher in weiten Teilen zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).
Buchstaben und Buchstabenfolgen fehlt entsprechend die Unterscheidungskraft, wenn sie in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen gebräuchliche oder aus sich heraus verständliche Abkürzungen beschreibender Angaben darstellen oder es sich um eine Angabe handelt, durch die lediglich ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2003, 343, 344 – Buchstabe „Z“; BPatG BlPMZ 2012, 283 – B & P sowie zur Frage der Kennzeichnungskraft einer Buchstabenfolge BGH GRUR 2015, 1127 Rn. 10 – ISET/ISETsolar; 2004, 600 – d-c-fix/CD-FIX; GRUR 2011, 831 Rn. 18 – BCC). Die Prüfung der Unterscheidungskraft ist im Einzelfall und unter Berücksichtigung der jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen vorzunehmen, wobei zur Verneinung der Unterscheidungskraft konkrete Feststellungen erforderlich sind (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl. § 8 Rn. 200).
Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Bezeichnung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft.
Das angemeldete Zeichen setzt sich aus den Großbuchstaben B, C und M zusammen. Die Buchstabenfolge BCM steht unter anderem als Abkürzung für „Body Cell Mass“, also Körperzellmasse, und ist die zentrale Größe bei der Beurteilung des Ernährungszustands des Menschen. Der Wert lässt Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand eines menschlichen Körpers zu und ist ein frühzeitiger Warnhinweis auf eine Verschlechterung des Ernährungszustands, man spricht auch von dem BCM Index (vgl. die mit dem Senatshinweis vom 18. August 2017 dem Anmelder übersandten Anlagen 1 bis 5; vgl. auch die Feststellungen BPatG 30 W (pat) 171/05 vom 14. Januar 2008). Es handelt sich nicht nur für den engeren Bereich der Ernährungswissenschaft, Ernährungsberatung oder -therapie um eine grundlegende jedenfalls dem Fachverkehr ohne weiteres geläufige Abkürzung, sondern auch für den Bereich der medizinischen und pharmazeutischen Dienstleistungen um einen gebräuchlichen geläufigen Grundbegriff. Insoweit ist davon auszugehen, dass jedenfalls die angesprochenen und für sich genommen schon ausreichenden maßgeblichen Fachkreise der Mediziner und Apotheker die Abkürzung BCM für „Body Cell Mass“ verstehen und diesen Begriff auch gegenüber dem Endverbraucher verwenden. Dass die Buchstabenfolge „BCM“ in dem Bereich der medizinischen Dienste daneben auch noch andere Bedeutungen haben kann, die möglicherweise nicht produktbeschreibend sind, ist für die Frage der Schutzfähigkeit nicht entscheidend, denn ist ausreichend, dass die Buchstabenfolge in einer ihrer möglichen Bedeutungen verstanden und als beschreibender Begriff für diese Waren oder Dienstleistungen erkannt wird. Davon ist für die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 44 bei einem solchen zentralen (Grund)Begriff ohne weiteres auszugehen, hier bezeichnet BCM die Art, den Zweck und die Bestimmung, Ausrichtung bzw. den Inhalt dieser pharmazeutisch und medizinisch ausgerichteten Dienstleistungen. Anders als der Anmelder meint, ist eine (individuelle) Ausrichtung der „Zusammenstellung von Arzneimitteln in patientengerechten Dosierungen“ nach BCM Kriterien oder dem BCM Index ohne weiteres sinnvoll und auch vorstellbar. Auch können sich die in der Klasse 16 beanspruchten Lehr- und Unterrichtsmaterialien inhaltlich auf den Themenbereich des „BCM – Body Cell Mass“, also der Körperzellmasse beziehen, so dass sich die Bezeichnung BCM als Inhalts- und Themenangabe für diese Waren eignet. In Bezug auf jene Dienstleistungen der Klasse 42, die ihren Schwerpunkt im medizinischen oder pharmazeutischen Bereich haben und bei denen sich wegen des medizinisch/pharmazeutischen Schwerpunkts ein Verständnis der Kurzform BCM als Bezeichnung für „Körperzellmasse“ aufdrängt bzw. nahegelegt ist, kann es sich um den Forschungsgegenstand, den Inhalt bzw. den Schwerpunktbereich der Dienstleistungen handeln. Dies betrifft die Dienstleistungen der „medizinische- und pharmazeutische Forschung; Arzneimittelforschung, insbesondere Entwicklung neuer Arzneimittel und Applikationsformen für Dritte; Qualitätsprüfung von Arzneimittel für Dritte; wissenschaftliche Analyse von pharmazeutischen Erzeugnissen; wissenschaftliche und technische Beratung bei der Zulassung von Arzneimitteln für Dritte; Dienstleistungen eines medizinischen oder chemischen Labors“ in der Klasse 42.
Bei der Beschränkung, wonach die Waren bzw. Dienstleistungen nicht zum Einsatz in der Ernährungswissenschaft vorgesehen sind, handelt es sich im Übrigen um eine negativ formulierte Zweckbestimmung. Ein derartiger negativ formulierter Zusatz, der lediglich eine bestimmte Bestimmung oder einen bestimmten Zweck der Ware oder der Dienstleistung ausnimmt, betrifft keine objektiven Eigenschaften der beanspruchten Waren und Dienstleistungen und erlaubt auch keine wirtschaftlich nachvollziehbare und dauerhafte rechtliche Abgrenzung. Solche negativen Zusätze entsprechen weder dem vom EuGH postulierten Gebot der Rechtssicherheit, noch sind sie für die beteiligten Verkehrskreise ohne weiteres nachvollziehbar. Sie eignen sich nicht dazu, den wirtschaftlichen Charakter der Waren oder Dienstleistungen inhaltlich so zu verändern, dass ein rechtlich relevanter Unterschied zwischen der eingeschränkten und nicht eingeschränkten Ware oder Dienstleistungen erkennbar ist. Die erfolgte Einschränkung kann das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft bzw. der bestehenden beschreibenden Eignung daher nicht beseitigen (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 393 und 394 ff. m. w. N., insb. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 114 ff. – Postkantoor).
Bei der Kurzbezeichnung „BCM“ handelt es sich ebenso um eine gängige Abkürzung aus der Betriebswirtschaftslehre, die für den englischen Begriff des „business continuity management“ oder des „Betriebskontinuitätsmanagement“ (BKM bzw. BCM als Kurzform des englischen Begriffs) steht. Das betriebliche Kontinuitätsmanagement (Krisenmanagement) bezeichnet die Entwicklung von Strategien, Plänen und Handlungen zum Schutz von Arbeitsabläufen oder Prozessen, deren Unterbrechung einer Organisation oder einem Betrieb ernsthafte Schäden oder Verluste zufügen würde bzw. die Entwicklung alternativer Handlungsabläufe (vgl. die mit dem Senatshinweis vom 18. August 2017 dem Anmelder übersandten Anlagen 6 bis 8). Das Akronym BCM steht damit in engem Zusammenhang mit den Themenfeldern Informationssicherheit, Krisensichere IT-Konzepte und einer Notfallplanungssoftware (vgl. Anlage 9 der dem Anmelder übersandten Recherchen). Dementsprechend gibt es eine spezielle auf das Business Continuity Management (BCM) ausgerichtete Software. Die Abkürzung hat somit im Zusammenhang mit den Waren der Klasse 9 (Software) sowie den Dienstleistungen der Klasse 42 letztlich einen sachbezogenen Gehalt, weil die Art der Software bzw. deren Inhalt und Gegenstand bzw. der Zweck der Dienstleistungen dahingehend beschrieben wird, dass diese für das Business Continuity Management bzw. für eine BCM Strategie geeignet und bestimmt sind. So ist angesichts des Umstands, dass Störungen im Zusammenhang mit der Zuordnung und späteren Ausgabe von Pharmazeutika gravierende Folgen für die Gesundheit von Menschen nach sich ziehen können, ein eingerichtetes und gut funktionierendes betriebliches Krisenmanagement für das „technische Projektmanagement im Bereich des Arzneimittelvertriebs, insbesondere im Zusammenhang mit dem patientenindividuellen Verblistern von Arzneimitteln“ von maßgeblicher Bedeutung. Gleiches gilt für die weiteren Dienstleistungen in der Klasse 42, beispielsweise auch die „technische Leistungsüberwachungsanalyse des Netzwerkbetriebs, soweit in Klasse 42 enthalten; Implementierung von EDV-Programmen für Netzwerke; Entwicklung und Design von Homepages, Internetseiten, insbesondere für Apotheken, Drogerien, Arztpraxen und Kliniken“, die inhaltlich maßgeblich das „Business Continuity Management“, also BCM, betreffen können oder darauf ausgerichtet sein können, so dass jedenfalls ein enger beschreibender Zusammenhang zu bejahen ist. Da es sich bei BCM um eine gängige Abkürzung eines grundlegenden Fachbegriffs des Risiko- und Notfallmanagements handelt (vgl. die Anlagen 6 bis 9 der dem Anmelder mit dem Senatshinweis vom 18. August 2017 übersandten Unterlagen), besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass die insoweit angesprochenen Fachkreise die Abkürzung auch benutzen und verstehen.
Ob der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „BCM“ auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann dahingestellt bleiben, wobei dies mit Blick auf die teilweise bejahte unmittelbar beschreibende Bedeutung der Bezeichnung in Bezug auf weite Teile der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ohne weiteres der Fall sein dürfte.
Der Hinweis des Anmelders auf vergleichbare Entscheidungen des Bundespatentgerichts, in denen aus drei Buchstaben bestehende Buchstabenfolgen für schutzfähig erachtet worden sind, führt nicht zum vollumfänglichen Erfolg der Beschwerde. Insoweit ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47–51 – BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42–44 – Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des Bundespatentgerichts (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175 – Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 – VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 – Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/ Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 58 und Rn. 59 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Entscheidung, wobei selbst identische Voreintragungen nach ständiger Rechtsprechung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen. Insofern gibt es auch im Rahmen von unbestimmten Rechtbegriffen keine Selbstbindung der Markenstellen des Deutschen Patent- und Markenamts und erst recht keine irgendwie geartete Bindung für das Bundespatentgericht. Das Gericht und auch das Patentamt haben das Vorliegen der Schutzhindernisse in jedem Einzelfall eigenständig zu prüfen und danach eine Entscheidung zu treffen.
Nach alledem war die Beschwerde mit Ausnahme der Anmeldung für die Waren „Verpackungsmaterial; Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Papier oder Kunststoff; Blisterverpackungen; Kunststofffolien zur Verpackung von Medikamenten; Verordnungsblätter; sämtliche der vorgenannten Waren nicht zum Einsatz in der Ernährungswissenschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Ernährungslehre oder Ernährungstherapie“ zurückzuweisen.
Hinsichtlich dieser Waren ist ein sachbeschreibender Gehalt der Bezeichnung BCM nicht erkennbar, da diese weder in einem sachlichen Zusammenhang mit dem „Body Cell Mass“, noch mit dem „Business Continuity Management“ stehen. Im Zusammenhang mit diesen Waren bedarf es mehrerer Gedankenschritte, um zu einem sachlich beschreibenden Verständnis der Bezeichnung BCM als Abkürzung der genannten Fachbegriffe zu kommen. Insoweit war die Beschwerde deshalb erfolgreich.
Die Durchführung der mündlichen Verhandlung war nicht angezeigt und vom Anmelder auch nicht beantragt worden, § 69 Nr. 3 bzw. Nr. 1 MarkenG.