Entscheidungsdatum: 14.01.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Widerspruchsverfahren gegen die Marke 30 2010 071 927
(hier: Beschwerde gegen die Kostenentscheidung)
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. Januar 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters am Amtsgericht Dr. Nielsen
beschlossen:
1. Die Beschwerde des Markeninhabers gegen die Kostenentscheidung im Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 8. Februar 2013 (Ziffer 2. des Tenors) wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Markeninhabers, dem Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die am 7. Dezember 2010 angemeldete und am 13. Januar 2011 unter dem Aktenzeichen 30 2010 071 927 für verschiedene Dienstleistungen der Klassen 35 und 36, u. a. Immobilienwesen, eingetragene Wort/Bildmarke
hat der Widersprechende am 12. Mai 2011 Widerspruch erhoben. Er stützte seinen Widerspruch auf verschiedene geschäftliche Bezeichnungen, bestehend aus den Wörtern „Immobilien Lounge“, denen jeweils verschiedene Ortsnamen hinzugefügt werden sollten. Der Widersprechende nannte insbesondere die Bezeichnung „Immobilien Lounge München“. Eine Markenanmeldung des Widersprechenden mit dem Wortbestandteil „immobilien lounge münchen“ war im Jahr 2010 von der Markenstelle des DPMA zurückgewiesen worden.
Nachdem der Widersprechende vom DPMA darauf hingewiesen worden war, dass für jeden Widerspruch aus den verschiedenen geschäftlichen Bezeichnung eine Widerspruchgebühr zu zahlen sei, konkretisierte er mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2011 seinen Widerspruch auf die oben genannte geschäftliche Bezeichnung und begründete seinen Widerspruch damit, dass er diese geschäftliche Bezeichnung seit 2010 führe. Er führe unter diesem Namen das Immobilienunternehmen mit dem höchsten Bekanntheitsgrad und habe mehr als … Facebook-Fans. Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 machte der Widersprechende weitere Angaben zur Benutzung des Widerspruchszeichens und fügte verschiedene Internetauszüge als Anlage bei.
Im Verfahren vor dem DPMA hat der Markeninhaber beantragt, den Widerspruch zurückzuweisen und dem Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Widersprechende hat die Zurückweisung des Kostenantrages beantragt.
Die Markenstelle hat den Widerspruch mit Beschluss vom 8. Februar 2013 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte sie aus, dass die nach § 42 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 30 Abs. 1 MarkenV erforderlichen Angaben zum Widerspruchszeichen nicht fristgerecht vorgelegt worden seien. Es sei unklar, aus welchem Zeichen Widerspruch eingelegt werde, da ein Wort/Bildzeichen vorgelegt worden sei und zudem die Nutzung eines Wortzeichen mit dem Bestandteil „immobilien lounge“ mit einer variablen Städteangabe behauptet worden sei. Es würde weiterhin jedwede Angabe zum Zeitrang und zum Gegenstand des Widerspruchszeichens fehlen. Zugleich hat das DPMA den Antrag des Markeninhabers auf Auferlegung der Kosten auf den Widersprechenden zurückgewiesen und ausgeführt, dass der Widersprechende juristischer Laie sei. Die Thematik sei komplex. Von einer Verletzung prozessual gebotener Pflichten sei nicht auszugehen.
Gegen die Zurückweisung des Kostenantrages wendet sich der Markeninhaber mit seiner Beschwerde. Es lägen besondere Umstände vor, die eine Kostenauferlegung auf den Widersprechenden rechtfertigen würden. Der Widersprechende habe eklatant gegen die ihm obliegende prozessuale Sorgfaltspflicht verstoßen. Es sei ihm möglich gewesen, die erforderlichen Unterlagen zum Nachweis seines behaupteten Unternehmenskennzeichens rechtzeitig vorzulegen. Bei rechtzeitiger Vorlage hätte der Markeninhaber prüfen können, ob eine Verteidigung gegen den Widerspruch sinnvoll und gerechtfertigt wäre. Darüber hinaus sei der Widerspruch auch in der Sache aussichtslos gewesen. Das Unternehmenskennzeichen „Immobilien Lounge München“ sei glatt beschreibend und damit schutzunfähig. Bei einem Widerspruch aus einem Zeichen, das in einem offensichtlich schutzunfähigen Bestandteil mit der gegenüberstehenden Marke übereinstimme, sei die Rechtsverfolgung erkennbar aussichtslos. Dies sei für den Widersprechenden auch erkennbar gewesen, da das DPMA seine Markenanmeldung aus 2010 als schutzunfähig zurückgewiesen habe. Es sei eine sachfremde Erwägung, den Kostenantrag mit dem Argument zurückzuweisen, dass der Widersprechende nicht anwaltlich vertreten gewesen sei. Dies sei kein Kriterium für die Entscheidung nach § 63 MarkenG und benachteilige zudem anwaltlich vertretene Parteien. Schließlich entspreche es der Billigkeit, dem Widersprechenden auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aufzuerlegen.
Der Markeninhaber beantragt sinngemäß,
1. den Beschluss der Markenstelle 36 vom 8. Februar 2013 hinsichtlich der Kostenentscheidung aufzuheben und dem Widersprechenden die Kosten des patentamtlichen Verfahrens aufzuerlegen und
2. ihm auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Der Widersprechende hat keinen Antrag gestellt und im Beschwerdeverfahren auch nichts vorgetragen.
II.
Die zulässige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist nicht begründet.
1) Die isoliert gegen die Kostenentscheidung gerichtete Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke ist zwar statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere ist die in ZPO-Rechtsmittelverfahren insoweit einschränkende Vorschrift des § 99 Abs. 1 ZPO nicht gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG entsprechend anwendbar, weil dies die Besonderheiten des patentgerichtlichen Verfahrens ausschließen. Denn das markenrechtliche Beschwerdeverfahren ist zum einen kein Beschwerdeverfahren bzw. kein Rechtsmittelverfahren i. S. d. ZPO, weil das Bundespatentgericht als erste gerichtliche Instanz entscheidet, so dass insoweit schon im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG eine isolierte Anfechtungsmöglichkeit auch in Bezug auf Kostenentscheidungen eröffnet sein muss (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 82 Rn. 12 und 41, § 71 Rn. 9; vgl. auch BPatG Beschluss vom 10. August 2010, 33 W (pat) 9/09 – IGEL PLUS / PLUS). Zum andern folgt die Kostenentscheidung im Markenverfahren gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG auch – anders als dies gemäß §§ 91, 92 ZPO der Fall ist – in der Regel auch nicht der Hauptsacheentscheidung.
2) Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das markenrechtliche Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kostenrechtlich von dem Grundsatz geprägt, dass jeder Beteiligte die ihm entstehenden Kosten selbst zu tragen hat (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 63 Rn. 3), wobei hier die gleichen Grundsätze wie im Beschwerdeverfahren nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG gelten. Nach der Gesetzeslage kommt eine Kostenauferlegung sowohl im Verfahren vor dem Patentamt als auch im patentgerichtlichen Verfahren nur aus Billigkeitsgründen in Betracht, was nach ständiger Rechtsprechung dahingehend ausgelegt wird, dass Kosten in der Regel nur dem Verfahrensbeteiligten auferlegt werden, der in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder am Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 71 Rn. 11 ff.; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl, § 71 Rn. 11 ff. und Büscher in Gewerblicher Rechtsschutz/Urheberrecht/Medienrecht, 3. Aufl., § 71 MarkenG, Rn. 2 ff., 5 ff.; siehe dazu nur beispielhaft die Entscheidungen 26 W (pat) 47/10 vom 2. Februar 2011 und 24 W (pat) 16/07 vom 27. Januar 2009; die genannten Entscheidungen sind über die Homepage des Bundespatentgerichts zugänglich).
Ausreichende Billigkeitsgründe für eine Kostenauferlegung zu Lasten des Widersprechenden sind nicht ersichtlich. Das Widerspruchsverfahren konnte nicht als von vorn herein völlig aussichtslos eingestuft werden, zumal die Vergleichszeichen in ihren Wortbestandteilen „IMMOBILIEN LOUNGE“ und „Immobilien Lounge München“ erhebliche Übereinstimmungen aufweisen, so dass es zumindest prima vista nachvollziehbare Argumente für die Bejahung der Verwechslungsgefahr gab. Der Widersprechende musste den Widerspruch auch deswegen nicht von vorne herein als aussichtslos erkennen, weil seine eigene Markeneintragung im Jahr 2010 zurückgewiesen worden war. Aus der Zurückweisung der markenrechtlichen Eintragung musste er nicht zwingend schließen, dass der Widerspruch aus seinem entsprechenden Unternehmenskennzeichen keine Erfolgsaussicht hat.
Von Bedeutung ist bei der Beurteilung der Kostenfrage im vorliegenden Verfahren, dass der Widerspruch gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG aus einer geschäftlichen Bezeichnung i. S. d. § 5 Abs. 1 MarkenG, nämlich einem Unternehmenskennzeichen nach § 5 Abs. 2 MarkenG eingelegt worden ist. Bei den Widerspruchsverfahren, bei denen sich eingetragene Marken gegenüberstehen, ist zwar anerkannt, dass bei ersichtlich fehlender Markenähnlichkeit bzw. einem ersichtlich aussichtslosen Widerspruch angesichts einer Markenübereinstimmung lediglich in einem schutzunfähigen Bestandteil die Auferlegung von Kosten zu Lasten der Widersprechenden in Betracht kommen kann (Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 71 Rn. 14). Diese Rechtsprechung kann aber nicht ohne weiteres auf Widersprüche nach § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG übertragen werden, die aus geschäftlichen Bezeichnungen eingelegt werden. Denn bereits an die Schutzfähigkeit bzw. Unterscheidungskraft von Unternehmenskennzeichen werden deutlich geringere Anforderungen gestellt als bei Marken. Angesichts der unterschiedlichen Funktionen von Unternehmenskennzeichen und Marken kann die namensmäßige Unterscheidungskraft nach § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG nicht mit der Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gleichgesetzt werden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 5 Rn. 38 ff.). Zudem gibt es zu Widersprüchen aus Unternehmenskennzeichen, die überhaupt erst seit 1. Oktober 2009 mit Inkrafttreten des Patentrechtsmodernisierungsgesetzes vom 31. Juli 2009 möglich geworden sind, praktisch kaum Rechtsprechung, insbesondere aber keine zu Fallkonstellationen, bei denen aus einem markenrechtlich schutzunfähigen, aber unternehmenskennzeichenmäßig schutzfähigen Kennzeichen Widerspruch eingelegt worden ist. Demzufolge gibt es zu solchen Fallkonstellationen noch keine anerkannten Beurteilungsgrundsätze, gegen die der Widersprechende hätte verstoßen können, was dann eine Kostenauferlegung gerechtfertigt hätte erscheinen lassen.
Soweit der Inhaber der angegriffenen Marke seinen Kostenantrag darauf stützt, dass das DPMA die Zurückweisung des Widerspruchs mit unzureichenden Formalien begründet, ist dies im vorliegenden Fall ebenfalls kein Umstand, der unter Billigkeitsgesichtspunkten ausnahmsweise eine Kostenauferlegung rechtfertigen würde. Ein schuldhafter Verstoß gegen allgemeine prozessuale Sorgfaltspflichten ist nicht zu erkennen. Mit Schreiben vom 18. Juli 2011 hatte der Widersprechende klargestellt, dass er Inhaber des Widerspruchszeichens sei und dass er den Widerspruch auf des Unternehmenskennzeichen „immobilien lounge münchen“ stütze. Mit Schreiben vom 12. September 2011 hat er den Zeitrang seines Unternehmenskennzeichens zum Juli 2010 geltend gemacht. Diese Behauptungen wiederholte er im Schriftsatz vom 19. Dezember 2011. Diesem Schriftsatz waren zahlreiche Anlagen angefügt, die die Benutzung des Zeichens belegen sollten. Der Widersprechende ging offensichtlich davon aus, dass er mit seinem Unternehmenskennzeichen nur die Dienstleistungen eines Immobilienmaklers in Anspruch nehme und dass dies offenkundig sei, obwohl er im Widerspruchsformular keine konkreten Waren und Dienstleistungen genannt hatte, auf die er seinen Widerspruch stützte. Damit hatte der Widersprechende aus seiner Sicht alle erforderlichen Angaben nach § 30 Abs. 1 MarkenV zumindest angesprochen, wenn auch laienhaft und im Ergebnis nicht ausreichend präzise. Der Widersprechende durfte aber gleichwohl subjektiv der Auffassung sein, seiner Darlegungslast nach § 42 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 30 Abs. 1 MarkenV genüge getan zu haben.
3) Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG in Bezug auf das Beschwerdeverfahren sind ausgehend von den vorstehenden Ausführungen nicht gegeben.