Entscheidungsdatum: 07.11.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die international registrierte Marke IR 1 038 642
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin Grote-Bittner und des Richters Metternich
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
I.
Das nachfolgend abgebildete Zeichen
ТАЙГА
ist am 25. März 2010 als Bildmarke für die Waren der Klasse 19
"sawn timber" (= Schnittholz)
unter der Nummer 1 038 642 international registriert worden. Die Markeninhaberin beansprucht u.a. Schutz für die Bundesrepublik Deutschland.
Die Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 16. März 2012 und vom 4. Oktober 2012, von denen der Letztgenannte im Erinnerungsverfahren ergangen ist, dieser international registrierten Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert.
Die Markenstelle ist der Auffassung, dass der Eintragung des angemeldeten Zeichens das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe. Das Zeichen ТАЙГА bestehe aus dem russischsprachigen Wort "Taiga" in kyrillischen Großbuchstaben. Die Taiga sei ein Nadelwaldgebiet der borealen Florenzone, das sich von Nordeuropa über Sibirien bis Nordamerika erstrecke und vorwiegend von Lärchen, Fichten, Kiefern und Tannen gebildet werde. Die russische Taiga sei jahrzehntelang für die Forstwirtschaft genutzt worden und käme somit als Quelle für geschlagenes Nutzholz in Frage. Auch wenn die inländischen Durchschnittsverbraucher überwiegend nicht der russischen Sprache mächtig seien, könne die Bezeichnung ТАЙГА dem Handel, an den die streitgegenständlichen Waren ausschließlich gerichtet seien, gerade auch in der Sprache des Herkunftslandes der Beschreibung von Eigenschaften dieser Waren, die für den Import und Export bestimmt seien, dienen. Es sei daher anzunehmen, dass das Zeichen ТАЙГА den vorliegend in erster Linie maßgeblichen Fachkreisen im Bereich des Handels mit Schnittholz zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Waren "sawn timber" dienen könne. Selbst wenn festzustellen sei, dass die jahrzehntelangen großflächigen Abholzungen zu schwerwiegenden ökologischen Schäden der sibirischen Taiga geführt hätten und die russische Holzbranche große Veränderungen erlebe, führe dies nicht zu der Annahme, dass in der russischen Taiga keinerlei Holzwirtschaft für den Export mehr betrieben werde bzw. dies für die Zukunft nicht mehr erwartet werden könne. Damit bestehe ein ernsthaftes Bedürfnis potentieller Mitbewerber, den Begriff auch in kyrillischen Schriftzeichen für die beanspruchten Waren zur freien Verwendung freizuhalten.
Die Markeninhaberin vertritt mit ihrer gegen die vorgenannten Beschlüsse gerichteten Beschwerde die Auffassung, dass der Schutzgewährung der IR-Marke keine Schutzhindernisse entgegenstünden. Insbesondere sei kein Freihaltebedürfnis i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben. Weder werde die Schutz suchende IR-Marke von den inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres als Angabe über die Beschaffenheit oder die Bestimmung der vorliegend beanspruchten Waren verstanden, noch würden deutliche Hinweise dahingehend vorliegen, dass dieses Zeichen zur Beschreibung der beanspruchten Waren oder von Merkmalen dieser Waren verwendet oder zumindest benötigt werde. Da nicht einmal 10 % der deutschen Bevölkerung die russische Sprache verstehen würde, geschweige denn sprechen könne, würden die maßgeblichen inländischen Verkehrskreise die Schutz suchende Marke ТАЙГА nicht mit dem Begriff "Taiga" in Verbindung bringen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass inländische Verkehrskreise in relevantem Umfang das in kyrillischer Schrift gehaltene Zeichen ТАЙГА lesen und i.S.v. "Taiga" verstehen könnten. Dies gelte auch in Bezug auf die im Handel mit Schnittholz bzw. in der holzverarbeitenden Industrie tätigen Fachkreise, auch soweit diese Holz aus der Russischen Föderation importierten bzw. dorthin exportierten; insoweit fehle es jedenfalls an Feststellungen, die den Schluss zulassen könnten, dass Personen aus diesen Fachkreisen in hinreichendem Umfang über Kenntnisse der russischen Sprache verfügen würden. In diesem Zusammenhang sei ferner zu berücksichtigen, dass auch in den neuen Bundesländern die Kenntnisse der russischen Sprache stark zurückgegangen seien. Außerdem würden die maßgeblichen Verkehrskreise den Begriff "Taiga" nicht ohne weiteres als Sachangabe in Bezug auf Schnittholz erkennen, hierfür bedürfe es vielmehr mehrerer Gedankenschritte. Letztlich spreche für die Schutzgewährung der Schutz suchenden Marke auch eine Vielzahl von Schutzgewährungen in anderen Staaten.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. März 2012 und vom 4. Oktober 2012 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Markeninhaberin und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin besteht die Schutz suchende IR-Marke 1 038 642 i.V.m. den vorliegend beanspruchten Waren ausschließlich aus einem Zeichen, welches geeignet ist, Merkmale der beanspruchten Waren zu beschreiben, und dem zugleich jegliche Unterscheidungskraft fehlt, so dass die Markenstelle dieser IR-Marke zu Recht den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert hat (§§ 113, 119, 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 MarkenG).
1. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist erfüllt, wenn das Schutz suchende Zeichen ausschließlich aus Angaben besteht, die im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der geografischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Nach der Rechtsprechung des EuGH verfolgt die Art. 3 Abs. 1 Buchst. c EU-Markenrichtlinie in nationales Recht umsetzende Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass sämtliche Zeichen oder Angaben, die Merkmale der beanspruchten Waren beschreiben, von allen frei verwendet werden können. Diese Bestimmungen erlauben es daher nicht, dass solche Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung nur einem Unternehmen vorbehalten werden. Entscheidendes Kriterium für den Ausschluss der Eintragung ist allein die Eignung einer Bezeichnung zur beschreibenden Verwendung (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 25, 30 - Chiemsee; GRUR 2004, 146, Nr. 31 f. - DOUBLEMINT). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 29 - Chiemsee; EuGH GRUR 2006, 411, Tz. 24 - Matratzen Concord). Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 35 - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 56 - Postkantoor). Die Ware "Schnittholz" ist insbesondere an Fachkreise gerichtet, die entweder mit Holzhandel befasst oder in der holzverarbeitenden Industrie tätig sind, wobei bereits allein das Verständnis dieser Fachkreise bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG maßgebend sein kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 296 m.w.N.).
a) Das angemeldete Zeichen ТАЙГА ist ein in kyrillischer Schrift abgebildetes Wort der russischen Sprache und bedeutet in lateinischer Schrift "Taiga". Der Begriff "Taiga" hat als Bezeichnung für ein "großes, von Sümpfen durchzogenes Waldgebiet (insbesondere in Sibirien)" auch Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011, S. 1726; der Markeninhaberin als Anlage 1 zum Ladungshinweis vom 22. Oktober 2013 übermittelt, Bl. 25 d.A.). Das Holz der Taiga stellt eine der wertvollsten Ressourcen Sibiriens dar mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, da jährlich ca. … Mio. t Holz oder Holzmaterial aus Sibirien ausgeführt werden (vgl. den der Markeninhaberin als Anlage 2 zum Ladungshinweis vom 22. Oktober 2013 übermittelten Auszug aus "TERRA EWG-Online, dort S. 4, Bl. 26 – 30, insb. Bl. 29 d.A.). Ferner hatte der Import forstwirtschaftlicher Erzeugnisse und von Holz und Holzwaren aus der Russischen Föderation nach Deutschland in den Jahren 2011 und 2012 einen Umfang von über … Mio. € (vgl. dazu den der Markeninhaberin als Anlage 3 zum Ladungshinweis vom 22. Oktober 2013 übermittelten Beleg, Bl. 31 d.A.). Nach alledem ist davon auszugehen, dass die o.g. inländischen Verkehrskreise den Begriff "Taiga", wenn er ihnen in Zusammenhang mit der Ware "Schnittholz" begegnet, ohne weiteres, insbesondere ohne eine mehrere gedankliche Schritte erfordernden Betrachtungsweise, als Angabe der geografischen Herkunft dieser Waren erkennen werden, wobei die geografische Herkunft auch hinsichtlich der jeweiligen klimatischen Bedingungen mit Blick auf Qualität und Eigenschaften von Schnittholz zumindest für die Fachkreise (Holzhandel und holzverarbeitende Betriebe) auch wesentliche Bedeutung hat. Der Begriff "Taiga" ist nach alledem eine Merkmale der beanspruchten Waren glatt beschreibende Angabe.
b) Die Schutz suchende Marke besteht ausschließlich aus der Abbildung des Wortes "Taiga" in kyrillischer Schrift. Dies führt aber entgegen der Auffassung der Markeninhaberin nicht zur Schutzfähigkeit des Zeichens ТАЙГА. Auch wenn man mit der Markeninhaberin davon ausgeht, dass lediglich ca. 6 Mio. Einwohner der Bundesrepublik Deutschland und damit weniger als 10 % der deutschen Gesamtbevölkerung die russische Sprache beherrschen, kann allein daraus nicht auf ein fehlendes Verkehrsverständnis im vorgenannten Sinne geschlossen werden, wenn dem inländischen Verkehr das Zeichen ТАЙГА i.V.m. der Ware "Schnittholz" begegnet. Der Zweck des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rdn. 265).
Nach der Rechtsprechung des EuGH, durch welche die von der Anmelderin zitierte Rechtsprechung des BGH überholt ist, genügt es, wenn die angemeldete Marke in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Tz. 30, 31 - Chiemsee; EUGH GRUR 2004, 674, Tz. 56 - Postkantoor). Dieser Gesetzeszweck ist auch bei der Frage der Beurteilung, ob ein fremdsprachiges Wort als beschreibende Sachangabe von den inländischen Verkehrskreisen in relevantem Umfang aufgefasst wird, wesentlich zu berücksichtigen. Insbesondere kann es für die Bejahung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausreichen, wenn bereits ein (zahlenmäßig) relativ kleiner Kreis inländischer Fachleute in der Lage ist, ein fremdsprachiges Zeichen als beschreibende Sachangabe zu verstehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8, Rdn. 396, 406, jeweils m.w.N.). Findet hinsichtlich der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen ein erheblicher Handels- bzw. Warenaustausch mit einem ausländischen Staat bzw. dort ansässigen Unternehmen statt, stellt ein aus der Sprache dieses ausländischen Staates stammender Begriff eine beschreibende Sachangabe in Bezug auf die in Frage stehenden Waren dar und kann aufgrund der bestehenden Handelsbeziehungen davon ausgegangen werden, dass die jeweilige Fremdsprache innerhalb der beteiligten Fachkreise zwar nicht jedem Teilnehmer dieser Fachkreise geläufig ist, aber entsprechende Sprachkenntnisse innerhalb dieser Fachkreise nicht von untergeordneter Bedeutung oder nur in einem völlig unerheblichen Umfang vorhanden sind, so kann das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch dann zu bejahen sein, wenn der betreffende, im Inland in Transliteration bekannte Begriff in der Schreibweise bzw. in der Schrift der jeweiligen Fremdsprache wiedergegeben wird.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Wie ausgeführt, findet in Bezug auf Holz ein mehr als nur unerheblicher Handelsaustausch zwischen der Russischen Föderation und Deutschland bzw. entsprechenden Unternehmen statt, wobei das angemeldete Zeichen begrifflich in Bezug auf die beanspruchten Waren "Schnittholz" eine glatt beschreibende Angabe darstellt. Aufgrund der o.g. Umstände ist auch davon auszugehen, dass russische Sprachkenntnisse, auch wenn sie sowohl innerhalb der Gesamtbevölkerung als auch innerhalb der betroffenen Fachkreise nur teilweise vorhanden sein mögen, gleichwohl nicht von nur untergeordneter Bedeutung sind, so dass, ausgehend von dem o.g. Normzweck des mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c EU-Markenrichtlinie übereinstimmenden § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, dann auch ein für die Bejahung dieses Schutzhindernisses hinreichend relevanter inländischer Verkehrskreis vorhanden ist, der den Begriff "Taiga" auch in seiner kyrillischen Schreibweise ТАЙГА und damit als beschreibende Sachangabe hinsichtlich der Ware "Schnittholz" zu erkennen vermag.
2. Da die Schutz suchende Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren eine glatt beschreibende Sachangabe darstellt, wird diese Marke von den vorgenannten Verkehrskreisen auch nicht als betrieblicher Herkunftshinweis erachtet werden. Ihr fehlt daher auch jegliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
3. Soweit die Markeninhaberin auf Eintragungen bzw. Schutzgewährungen der Schutz suchenden Marke in anderen Staaten verweist, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Insoweit kommt es ausschließlich auf die Feststellungen zum inländischen Verkehrsverständnis an.