Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.10.2011


BPatG 18.10.2011 - 24 W (pat) 88/08

Markenbeschwerdeverfahren – "ExaGnos/EXAGON" – Einrede der Nichtbenutzung - zum Beibringungsgrundsatz - keine Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung - zur Kostenauferlegung im Beschwerdeverfahren


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
18.10.2011
Aktenzeichen:
24 W (pat) 88/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 302 57 443

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Bayer und des Richters Paetzold

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Den Widersprechenden werden die außergerichtlichen Kosten auferlegt, die der Markeninhaberin durch deren anwaltliche Vertretung in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2011 entstanden sind.

Gründe

I.

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Die Wortmarke

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ExaGnos

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ist am 22. November 2002 angemeldet und am 6. November 2003 unter der Nummer 302 57 443 in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 12. Dezember 2003. Nach einer Beschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen im Zuge des beschwerdegegenständlichen Widerspruchsverfahrens ist die Marke immer noch für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 36, 41 und 42 eingetragen.

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Widerspruch erhoben ist aus der am 15. Dezember 1998 angemeldeten und am 26. März 1999 eingetragenen Wortmarke 398 72 495

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EXAGON

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die für verschiedene Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 42 Schutz genießt.

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Der Widerspruch richtet sich gegen einen bedeutenden Teil der Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke, und zwar in allen Klassen, für die die jüngere Marke eingetragen ist.

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Mit einem beim Deutschen Patent- und Markenamt am 21. Juni 2004 eingegangenen Schriftsatz hat die Markeninhaberin die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG erhoben. Daraufhin haben die Widersprechenden im Zuge des zweistufigen patentamtlichen Verfahrens zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung ihrer Marke vorgetragen und drei gesonderte eidesstattliche Versicherungen einer Geschäftsführerin sowie eines Geschäftsführers vom 6. Januar 2005 und eines weiteren Geschäftsführers vom 9. Januar 2005 vorgelegt sowie weitere Unterlagen, die sich sämtlich auf die Zeit vor 2006 beziehen. Dazu hat die Markeninhaberin mit am 26. Mai 2005 beim Patentamt eingegangenen Schriftsatz mitgeteilt, dass sie die Nichtbenutzungseinrede in vollem Umfang aufrechterhalte. Auf diesen Schriftsatz hat sich die Markeninhaberin im weiteren Verlauf des patentamtlichen Verfahrens mehrfach bezogen.

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Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, in beiden Fällen mit der Begründung, dass die von den Widersprechenden eingereichten Unterlagen und eidesstattlichen Versicherungen eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht hinreichend glaubhaft machten.

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Gegen den Erinnerungsbeschluss vom 29. Juli 2008 haben die Widersprechenden Beschwerde eingelegt. Die mit der Beschwerdeschrift angekündigte Beschwerdebegründung ist nicht zu den Gerichtsakten gelangt. Die Widersprechenden haben sich im Beschwerdeverfahren auch sonst nicht mehr zur Sache geäußert.

11

In der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2011, zu der die Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden ordnungsgemäß geladen waren, waren die Widersprechenden nicht vertreten. Dass sie an der Verhandlung nicht teilnehmen würden, hatten die Widersprechenden vorher nicht angekündigt. Zum Vorlauf der mündlichen Verhandlung am 18. Oktober 2011 und zum Sitzungsverlauf wird auf die Gerichtsakte und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

12

Die Widersprechenden hatten mit ihrer Beschwerdeschrift vom 29. August 2008 sinngemäß den Antrag gestellt,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. November 2006 und vom 29. Juli 2008 aufzuheben und

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wegen des Widerspruchs aus der Marke 398 72 495 die Löschung der Marke 302 57 443 im Umfang der in der Beschwerdeschrift der Widersprechenden aufgelisteten Waren und Dienstleistungen anzuordnen.

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Die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin hat beantragt,

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die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

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Außerdem hat sie angeregt, den Widersprechenden gem. § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet und musste daher zurückgewiesen werden. Denn die Markeninhaberin hat in zulässiger Weise die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG erhoben und die Widersprechenden haben eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für den maßgeblichen Benutzungszeitraum gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG können im Falle der zulässigen Erhebung einer Nichtbenutzungseinrede bei der Entscheidung über einen Widerspruch nur die Waren und Dienstleistungen berücksichtigt werden, für die die Benutzung glaubhaft gemacht worden ist. Da die Widersprechenden für keine der Dienstleistungen, für die ihre Marke eingetragen ist, eine rechtserhaltende Benutzung für den gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgebenden Zeitraum glaubhaft gemacht haben, war ihr Widerspruch als unbegründet zurückzuweisen.

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In ihrem am 21. Juni 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz hatte die Markeninhaberin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestritten. Diese Einrede war zulässig, weil bei Erhebung der Einrede die Widerspruchsmarke bereits länger als 5 Jahre im Markenregister stand. Widerspruch war gegen diese Marke nicht erhoben worden. Bei einer Entscheidung über die vorliegende Beschwerde durften daher nur diejenigen Dienstleistungen der Widerspruchsmarke berücksichtigt werden, für die die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht hat (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Der maßgebliche Benutzungszeitraum gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG sind die letzten fünf Jahre vor der abschließenden Beschlussfassung über das hiesige Beschwerdeverfahren, das ist die Zeit vom Oktober 2006 bis zum Oktober 2011.

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Für diesen Zeitraum hat die Widersprechende nichts vorgetragen und auch keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung vorgelegt. Sowohl der Vortrag der Widersprechenden als auch die bis zuletzt vorgelegten Unterlagen beziehen sich ausnahmslos nur auf die Zeit vor dem Jahr 2006.

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Für einen Sachvortrag zur rechtserhaltenden Benutzung und die Einreichung entsprechender Unterlagen bedurfte es keiner besonderen Aufforderung durch das Gericht. Ein Widersprechender hat nach Übermittlung der Einrede von sich aus unverzüglich alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Der im Rahmen des Benutzungszwanges herrschende Beibringungsgrundsatz lässt es grundsätzlich nicht zu, einen Widersprechenden auf diese Verpflichtung zum Vortrag hinzuweisen (vgl. BPatG GRUR 1996, 981, 982 - ESTAVITAL m. w. N. zur früheren Rechtslage). Zwar besteht die Hinweispflicht des Gerichtes entsprechend § 139 ZPO auch im Widerspruchsverfahren. Sie hat aber ihre Grenze in Fällen, in denen ein solcher Hinweis die Stellung der einen Partei stärken und gleichzeitig die der anderen schwächen würde, also zu einer Parteinahme des Gerichts führen würde (vgl. BPatG GRUR 2004, 950, 953 - ACELAT/Acesal). Insoweit hat das Gericht auch das Gebot der Unparteilichkeit zu beachten (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Auflage, § 43, Rdn. 46, 47). Das gilt hier um so mehr, als der Widerspruch im zweistufigen patentamtlichen Verfahren jedesmal mit der Begründung zurückgewiesen worden war, dass den Widersprechenden die Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung ihrer Marke nicht gelungen sei und die Markeninhaberin die Nichtbenutzungseinrede ausdrücklich aufrechterhalten hatte.

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Entsprechendes gilt für die Fälle, in denen sich - wie hier - im Laufe der verschiedenen Verfahren vor Patentamt und Patentgericht der gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgebliche Benutzungszeitraum verschiebt. Dass § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG einen sich ständig verändernden Benutzungszeitraum betrifft, ist eine allgemein bekannte Rechtstatsache, die ein Verfahrensbeteiligter berücksichtigen muss, wenn ihm die Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung seiner Marke obliegt. Der Widersprechende muss von sich aus überprüfen, inwieweit sein bisheriger Vortrag und die dazu eingereichten Unterlagen dem beweglichen zeitlichen Rahmen des § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG noch entsprechen. Auf den offensichtlichen Umstand, dass bisheriges Vorbringen zwischenzeitlich überholt sein könnte, hat die Rechtsmittelinstanz ebensowenig hinzuweisen, wie auf andere offenkundige Mängel der Glaubhaftmachung (std. Rspr. des BPatG, vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Auflage, § 43 Rdn. 50, dort mit Hinweis auf BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2007, 26 W (pat) 74/05 - Chrystal/christal - und Kliems MarkenR 2001, 185, 196, sowie auf die abweichende Meinung von Fezer/Grabrucker, Hdb Markenpraxis, Bd. I, 1. Teil, Kap. 2, Rn. 264).

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Den Widersprechenden waren aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, die der Markeninhaberin durch deren anwaltliche Vertretung in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2011 entstanden sind. Eine Kostenauferlegung unter Billigkeitsgesichtspunkten kommt vor allem bei dem Verhalten eines Beteiligten in Betracht, das mit der prozessualen Sorgfaltspflicht nicht zu vereinbaren ist. Im Falle einer zulässigerweise erhobenen Einrede der Nichtbenutzung ist dies dann anzunehmen, wenn der Widerspruch ohne ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung weiterverfolgt wird (ständige Rechtsprechung, BPatG GRUR 1996, 981 f.). Dies gilt auch im Rechtsmittelverfahren, in dem der Widersprechende nicht besonders auf die Erforderlichkeit der Glaubhaftmachung hingewiesen worden ist (Knoll in: Ströbele/Hacker, 9. Auflage, § 71 Rdn. 15 m. w. N.). Seit Beginn des Jahres 2011 stand - auch für die anwaltlich vertretenen Widersprechenden - fest, dass sich der gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgebliche Benutzungszeitraum inzwischen über die Jahre 2006 bis 2010 erstreckte und die Widersprechenden für diesen Zeitraum nichts vorgetragen hatten. Gleichwohl haben die Widersprechenden zu dem nunmehr maßgebenden Zeitraum nichts mehr vorgetragen und keine weiteren Unterlagen eingereicht. Beides wäre noch in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2011 möglich gewesen. Hätte die Markeninhaberin bereits vor dem Termin erfahren, dass die Widersprechenden in dieser Verhandlung nicht vertreten sein würden, hätte für die Markeninhaberin die Möglichkeit bestanden, ihrerseits nicht an der Verhandlung teilzunehmen und die damit verbundenen Kosten zu sparen.

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Dagegen waren den Widersprechenden nicht die ganzen Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Denn im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde am 29. August 2008 war der gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgebliche Benutzungszeitraum erst zu den Jahren 2004 bis 2008 gewandert und für das Jahr 2004 hatten die Widersprechende zur Benutzung vorgetragen und entsprechende Unterlagen eingereicht. Es liegt also nicht der Fall vor, in dem ein Widersprechender das Beschwerdeverfahren betreibt, obwohl er nach dem Verfahrensstand von Anfang bis Ende dieses Verfahrens offenkundig keine Rechte mehr aus seiner Marke herleiten konnte.