Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.10.2012


BPatG 09.10.2012 - 24 W (pat) 560/11

Markenbeschwerdeverfahren – "smart flow" – Freihaltungsbedürfnis - keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
09.10.2012
Aktenzeichen:
24 W (pat) 560/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 012 774.3

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 9. Oktober 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters am Oberlandesgericht Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Am 2. März 2011 hat die Anmelderin die Wortmarke

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smart flow

3

für folgende Waren der Klasse 11 angemeldet:

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„Lüftungsanlagen und -geräte zur Klimatisierung von Räumen, Gebäuden, Zügen, Schiffen und Fahrzeugen; Klima-, Heizungs-, Kühl-, Be- und Entlüftungs-, Be- und Entfeuchtungsanlagen und -geräte sowie deren Teile, insbesondere für Räume, Gebäude, Züge, Schiffe und Fahrzeuge; Luftbehandlungsanlagen; Ventilatoren, Gebläse, Luftverdichter, Lufterhitzer, Luftkühlgeräte, Luftfilter zur Klimatisierung (soweit in Klasse 11 enthalten); Lüftungskomponenten, insbesondere Induktionsgeräte, Aktiv- und Passivkühlbalken, Ventilatorkonvektoren und Fassadenklimamodule für den Decken-, Fassaden-, Brüstungs- und Bodeneinbau zur Klimatisierung, Lüftung, Kühlung, Heizung sowie Be- und Entfeuchtung von Räumen und Gebäuden; Düsenkammern zum Befeuchten und Auswaschen der Luft, Zerstäuber-Düsen, Luftmengen-Regelklappen und Absperrklappen als Teile von Klimaanlagen; Geräte zur Gewinnung von Energie aus regenerativer Wärme und für den Austausch von Luftfeuchtigkeit; Einzelluftbehandlungs-Anlagen, Luftführungskanäle, Luftauslässe, Düsen, Induktionsgeräte, Ventilator-Konvektoren für Raumheizung und -kühlung sowie Raumkühlgeräte mit Fächer; Luftaus- und -einlässe als Teile von Lüftungsanlagen, auch in Verbindung mit Digestorien; Fassadenklimamodule zum dezentralen Heizen, Kühlen, Frischluftversorgen, Umlüften und Ablüften von Räumen und Gebäuden; Luftfilter für die Prozesslufttechnik zum Filtern von Stäuben, Fasern, Spänen, Granulaten und Papier; Geräte zur Simulation von Luftströmungen; Anlagen zur Führung von gasförmigen Medien in Öfen und Trocknungsanlagen“.

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Die Markenstelle für Klasse 11 hat die angemeldete Wortmarke zunächst als nicht unterscheidungskräftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und als nicht schutzfähige beschreibende und freihaltebedürftige Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG beanstandet. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2011 hat die Markenstelle, vertreten durch einen Beamten des gehobenen Dienstes, die Markenanmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

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Die Angabe „smart flow“ sei nur ein betriebsneutraler Hinweis auf bestimmte Eigenschaften einer Sache, einer Ware oder Dienstleistung. Der erste Bestandteil der zusammengesetzten Wortmarke „Smart“ stehe in vielen Bereichen für „geschickt, clever, intelligent“, für „gerätetechnische Intelligenz“, der weitere Bestandteil „flow“ könne übersetzt Durchfluss, Durchströmung bedeuten. Die angesprochenen Verbraucher würden daher das Gesamtzeichen „smart flow“ für sämtliche beanspruchten Waren nächstliegend und unmissverständlich als bloßen Hinweis auf durch „gerätetechnische Intelligenz (ermöglichten, sichergestellten) Durchfluss, Durchströmung von Luft, Wärme, Kühlung“ verstehen.

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Hiergegen hat die Anmelderin am 17. November 2011 Beschwerde eingelegt.

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Zur Begründung der Beschwerde hat die Anmelderin ihren Vortrag aus dem Amtsverfahren wiederholt und vertieft. Sie hat ausgeführt, dass sich ihre Waren vorrangig an Fachkreise richteten, nicht in erster Linie an den allgemeinen Endverbraucher, die Fachkreise würden aber die Wortfolge „smart flow“ nicht in der von der Markenstelle dargelegten, beschreibenden Art und Weise auffassen.

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Sie vertritt ferner die Auffassung, das Wort „smart“ könne eine ganze Reihe von Bedeutungen aufweisen, es enthalte daher keine klare, sinnvolle und eindeutige Aussage an den Verbraucher, es seien vorliegend mehrere analysierende Zwischenschritte erforderlich, um eine sachliche Verbindung zu den hier beanspruchten Waren herzustellen, auch sei der Begriff „smart“ als solcher eintragungsfähig, dazu beruft sich die Anmelderin auf verschiedene Voreintragungen mit diesem Wort. Schließlich trägt sie vor, auch das englische Wort „flow“ könne in zahlreichen unterschiedlichen Bedeutungen übersetzt werden und weise daher keinen hier relevanten eindeutig beschreibenden Begriffsinhalt auf.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. Oktober 2011 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

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Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG statthafte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil einer Eintragung der angemeldeten Marke die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen. Denn die angemeldete Bezeichnung „smart flow“ kann für alle beanspruchten Waren als beschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen und ist als solche auch nicht unterscheidungskräftig ist, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht nach § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen.

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Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dürfen Marken nicht eingetragen werden, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche zur Beschreibung der jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Solche Zeichen weisen ausschließlich auf die von ihnen beschriebenen Waren hin, nicht dagegen auf deren Herkunftsunternehmen und erfüllen deshalb nicht die für die Eintragung als Marke erforderliche Herkunftsfunktion Diese Vorschrift verfolgt zudem das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass beschreibende Zeichen oder Angaben von jedermann, insbesondere von den Mitbewerbern des Anmelders, frei verwendet werden können. Solche Zeichen sind demnach vom Schutz ausgeschlossen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 (Nr. 25) - Chiemsee; GRUR 2004, 146, 147 (Nr. 31) - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, 676 (Nr. 54, 56) - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 35-36) - BIOMILD).

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Gemessen an diesen Voraussetzungen ist das angemeldete Zeichen geeignet, für alle beanspruchten Waren als beschreibende Angabe, insbesondere als Beschaffenheits- und Bestimmungsangabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu dienen.

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Das angemeldete Zeichen besteht aus einer sprachüblichen Kombination der lexikalisch nachweisbaren Begriffe „smart“ und „flow“. Der Begriff „smart“, zumeist i. S. v. clever, gewitzt verstanden (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., 2011, S. 1671), findet auch im technischen Bereich breite Verwendung und wird in Kombination mit dem englischen Begriff für Telefon in dem Begriff „Smartphone“ vielfach auch von den allgemeinen Verkehrskreisen in dieser Bedeutung benutzt und verstanden. „Smart“ bedeutet in der Technik vor allem auch „intelligent“ i. S. v. selbständig gesteuert (vgl. u.a. Der Brockhaus, Computer und Informationstechnologie, Mannheim, 2003, S. 815). Der Begriff „flow“ bedeutet hier, nach seiner Stellung in der angemeldeten Wortfolge sprachüblich als Substantiv übersetzt, u. a. Durchfluss, Strömung; auch Durchgang, Durchlauf, Strom, Fluss, Strahl, Umlauf, (siehe z.B. Richter, Technisches Wörterbuch Englisch-Deutsch; 3. Aufl., Berlin, 2008, S. 242). Auch dieser Begriff wird mittlerweile - jedenfalls fachsprachlich - in dieser Wortbedeutung in der deutschen Sprache verwendet, z. B. in „work flow“ i. S. v. Arbeitsablauf (vgl. Duden, a. a. O., S. 2028). Im Zusammenhang mit technischen Vorgängen, Installationen oder Apparaten kann demnach die Wortfolge „smart flow“ ohne weiteres als „selbständig gesteuerte/r (= intelligenter) Ablauf, Durchfluss, Strömung“ verstanden werden.

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Bei dieser Sachlage werden die hier angesprochenen Fachkreise im Bereich der Gebäude- und Fahrzeugausrüstung, der Energiewirtschaft oder der allgemeinen Industrietechnik - dies sind Forschung und Entwicklung, Produktion und deren Zulieferer, Handel und Fachberatung sowie das Handwerk und andere fachkundige Endabnehmer - die Marke „smart flow“ als verkürzten Hinweis auf eine bestimmte technische Funktionalität der angebotenen Waren selbst oder auf deren Eignung und Bestimmung für technisch „intelligente“ Produktionsprozesse und/ oder Gebäudeausrüstung auffassen. Dass die angemeldete Marke darüber hinaus in dem beschriebenen Sinne auch von den allgemeinen Verkehrskreisen verstanden wird, ist nach Auffassung des Senates naheliegend, kann aber dahinstehen. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH GRUR 2006, 411 ff. (Nr. 45) - Matratzen Concord/Hukla) kann bei der Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise zwischen dem Fachverkehr - im Fall der zitierten Entscheidung war das der Handel - „und/oder“ dem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständlichen Durchschnittsverbraucher unterschieden werden, so dass auch einer dieser beiden Kreise allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (EuGH a. a. O.; im Anschluss an Nr. 45 bis 47, 50, 56 und 57 der Schlussanträge des Generalanwalts vom 24. November 2005 in dieser Rechtssache C-421/04; vgl. auch bereits EuGH GRUR 1999, 723, 726 (Nr. 29) - Chiemsee und GRUR 2004, 682 (Nr. 24-26)- Bostongurka; vgl. weiter im Anschluss an die vorgenannten Entscheidungen: BPatG MarkenR 2007, 527- Rapido; Beschluss vom 9. März 2007, Aktenzeichen 24 W (pat) 110/05 - bagno; Beschluss vom 16. Juni 2010, Aktenzeichen 28 W (pat) 28/10 - Porco sowie Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage 2012, § 8 Rdn. 29; Ströbele, MarkenR 2006, 433, 435).

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Aus der Sicht der vorstehend definierten Fachkreise kann die Wortfolge „smart flow“ in Bezug auf die beanspruchten Waren der Klasse 11 ohne weiteres als Sachhinweis dafür dienen, dass diese, o. g. Waren sämtlich geeignet sind, auf technisch intelligente Weise z. B. Strömungen von Luft, Gasen oder Flüssigkeiten zu erzeugen, zu lenken, zu erwärmen, abzukühlen, zu reinigen, zu befeuchten etc. und sich dabei „intelligent“ auf variable Umgebungsbedingungen einzustellen, also selbständig, dass heißt unabhängig von einer Kontrolle durch Bedienpersonal, zu produzieren, zu steuern, zu regulieren usw.

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Dies gilt gewiss auch für den von der Anmelderin nach ihrer Auffassung vorrangig angesprochenen Fachverkehr. Denn dass ein solches Verständnis nicht fernliegend ist, zeigen auch ihre eigenen Ausführungen im Internetauftritt der Anmelderin unter www.ltg-srl.com. Dort heißt es unter der Überschrift „Luft-Wasser-Systeme Induktionsgeräte Typ HFV und HFVsf System smart flow“ u. a.:

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„Das Diagramm zeigt den Einsatzbereich und den großen Nutzen der smart flow Regelung für eine typische Bürofläche….“

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sowie

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„Das smart flow Gerät passt Primärluft-Volumenstrom und Kühlleistung über ein flexibles Induktionsverhältnis so an die aktuell erforderlichen Bedürfnisse an, dass immer die minimale Energie aufgewendet und maximaler Komfort gewährleistet ist…“

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Auch die bereits von der Markenstelle der Anmelderin zur Kenntnis gebrachten Belege sprechen dafür, dass die Angabe „smart flow“ nicht geeignet ist, auf einen bestimmten Hersteller hinzuweisen, sondern vielmehr auf eine technische Eigenschaft der so gekennzeichneten Waren hindeutet.

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Diese Feststellungen werden durch den Sachvortrag der Anmelderin nicht in Frage gestellt.

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Allein der Umstand, dass eine Angabe neben der beschreibenden Bedeutung noch andere Bedeutungen aufweisen und insoweit mehrdeutig sein kann, beseitigt für sich gesehen nicht das Schutzhindernis des §8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (st. Rspr. vgl. nur EuGH GRUR2004, 146, 147f. - DOUBLEMINT; GRUR2004, 674, 678 - Postkantoor; GRUR2004, 680, 681 - BIOMILD). Von einer schutzbegründenden Unbestimmtheit kann vielmehr nur ausgegangen werden, wenn eine derartige begriffliche Ungenauigkeit erreicht ist, die ausschließt, dass die fragliche Angabe in Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Waren noch zu einer konkret beschreibenden Bezeichnung dienen kann (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883  - Bücher für eine bessere Welt). Dies ist hier gerade nicht der Fall.

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Soweit sich die Anmelderin auf nach ihrer Auffassung gleichstehende Voreintragungen beruft, sind diese teilweise schon deshalb nicht vergleichbar, weil sie andere Warenklassen betreffen. Soweit überhaupt Waren aus Klasse 11 umfasst sind, handelt es sich um ältere Marken, aus einer Zeit, in der der Verkehr möglicherweise noch nicht in vergleichbarer Weise an die hohe Präsenz von 'intelligenter' Elektronik im alltäglichen Leben gewöhnt war, so dass schon das dargelegte Verständnis des Begriffes „smart“ im Zusammenhang mit technischen Geräten, worauf vorliegend abgestellt werden muss, sich entscheidend gewandelt hat. Entgegen der Auffassung der Anmelderin erschließt sich auch der sachbeschreibende Gehalt der Angabe „smart flow“ für den angesprochenen Fachverkehr unmittelbar und erfordert keine weiteren gedanklichen Zwischenschritte. Insbesondere ist ein Übersetzungsvorgang, sofern dieser bei den hier betroffenen Fachkreisen überhaupt erforderlich ist und ihnen ins Bewusstsein tritt, kein solcher zusätzlicher Gedankenschritt, der den als Markenwort gewählten Begriff von seinem sachbeschreibenden Gehalt abrücken lässt.

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Als unmittelbare Sachangabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist die angemeldete Wortmarke auch nicht unterscheidungskräftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (vgl. z. B. BGH GRUR 2010, 825 (Nr. 16) - Marlene Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 952 (Nr. 19) - DeutschlandCard; GRUR 2008, 710 (Nr. 16) - VISAGE).