Entscheidungsdatum: 06.11.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2009 057 909
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Heimen
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Am 5. November 2009 ist unter der Nr. 30 2009 057 909 die am 2. Oktober 2009 angemeldete Wortmarke
NCB
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen worden für folgende Waren:
„(11) Heizungs- und Dampferzeugungsanlagen, insbesondere Hochdruckdampferzeuger und Naturumlaufdampfkessel; Wassererhitzer; Wärmetauscher, Wärmerückgewinner; Verbrennungsöfen, Ofenroste; Rohrschlangen (Teile von Destillier-, Heizungs- oder Kühlanlagen)“
Die Eintragung ist am 11. Dezember 2009 veröffentlicht worden. Dagegen hat die Widersprechende jeweils am 11. März 2010 Widerspruch erhoben
1.) aus der am 27. Juli 2004 eingetragenen Wortmarke Nr. 305 30 942
NCB-HP
die Schutz für folgende Waren genießt:
„(11) Dampferzeuger, insbesondere Hochdruckdampferzeuger und Naturumlauferzeuger; Naturumlaufkessel, insbesondere Hochdruck-Naturumlaufkessel“.
2.) aus der am 16. September 2004 eingetragen Wortmarke Nr. 304 45 579
NUK-HP
die für folgende Waren Schutz genießt:
„(11) Dampferzeuger, insbesondere Hochdruck- und/oder Naturumlaufdampferzeuger; Naturumlaufkessel, insbesondere Hochdruck-Naturumlaufkessel, als Teile von Dampferzeugern“.
Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 11 des DPMA hat beide Widersprüche mit Beschluss vom 3. August 2011 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass trotz bis zur Identität reichender Warenähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr bestünde, da von der angegriffenen Marke der erforderliche Abstand zu den Widerspruchsmarken eingehalten werde.
Die Widerspruchsmarke zu 2.) sei weder klanglich noch schriftbildlich ähnlich, die behauptete begriffliche Ähnlichkeit beruhe lediglich auf einer nicht schutzfähigen beschreibenden Bedeutung der Buchstabenfolgen „NCB“ bzw. „NUK“.
Die Buchstabenfolge „NCB“ werde vom angesprochenen Verkehr als Abkürzung für den englischen Begriff „natural circulation boiler“ aufgefasst, was übersetzt nichts anderes als „Natur-Umlaufkessel“ („NUK“) bedeute. Dieser Begriff sei eine Beschreibung einer möglichen technischen Funktionsweise aller in Rede stehenden Vergleichswaren und könne daher eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr in begrifflicher Hinsicht nicht begründen.
Aus diesen Gründen könne auch der mit der angegriffenen Marke „NCB“ identische Bestandteil der Widerspruchsmarke zu 1.) diese nicht prägen, so dass ebenfalls keine Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen bestehe.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die gegenüberstehenden Zeichen „NCB“ und „NUK-HP“ begrifflich identisch und somit verwechslungsgefährdet seien. Der angesprochene Verkehr, der ausschließlich aus Fachkreisen bestehe, sei mit der englischen Übersetzung „natural circulation boiler“ für „Naturumlaufkessel“ vertraut und erkenne deshalb im Zusammenhang mit den Waren den identischen Bedeutungsgehalt der beiden Abkürzungen. Die Abkürzungen „NCB“ bzw. „NUK“ würden insbesondere im Internet und im internationalen Handel synonym und auch parallel benutzt. Die Vergleichszeichen „NCB“ und „NCB-HP“ seien auch jedenfalls am Anfang schriftbildlich und klanglich identisch, der Bestandteil „-HP“ sei klar abgegrenzt und zudem kennzeichnungsschwach, da „HP“ gewöhnlich für „high pressure“ (Hochdruck) stehe. Die Kennzeichnungskraft der drei Vergleichszeichen sei in etwa gleich und könne deswegen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht den Ausschlag geben.
Die Widersprechende hat sinngemäß beantragt,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 vom 3. August 2011 aufzuheben und wegen der Widersprüche aus den Marken Nr. 305 30 942 „NCB-HP“ und Nr. 304 45 579 „NUK-HP“ die Löschung der Marke 30 2009 057 909 anzuordnen.
Der Markeninhaber hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung hat er ausgeführt, die streitgegenständlichen Waren wendeten sich nicht ausschließlich an Fachkreise, die mit englischen Fachtermini vertraut seien. Die Buchstabenfolge „NCB“ stehe auch nicht, wie behauptet, für „natural circulation boiler“, die vorgelegten Internetausdrucke seien als Beleg dafür ungeeignet. „NCB“ sei keine beschreibende Angabe, dies zeige bereits der Umstand, dass die Marke eingetragen sei, eine begriffliche Verwechslung mit der Widerspruchsmarke zu 2.) „NUK-HP“ sei daher ausgeschlossen.
Zur Widerspruchsmarke zu 1.) ist der Markeninhaber der Auffassung, die Zeichenfolge „NCB-HP“ bilde eine Einheit. Die Bestandteile seien auch gleichwertig. Insbesondere habe der Bestandteil „HP“, der nicht lediglich „high pressure“ bedeuten könne, keine geringere Kennzeichnungskraft als die Buchstabenfolge „NCB“.
Sofern den Buchstaben „NCB“ der Bedeutungsgehalt zukomme, den die Widersprechende annehme, könne eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr darauf nicht gestützt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG statt-hafte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil zwischen den Kollisionszeichen keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr besteht und dementsprechend der Widerspruch gegen die angegriffene Marke zurückzuweisen war, §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 S. 2 MarkenG.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend vorzunehmen. Dabei sind zunächst - und zwar unabhängig voneinander - Feststellungen zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, zur Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sowie zur Ähnlichkeit der Vergleichszeichen zu treffen. Bei einer abschließenden Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass die vorgenannten Faktoren in einem Verhältnis der Wechselwirkung zueinander stehen, so dass ein geringerer Grad des einen Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. z. B. EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) - Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, 345 (Nr. 48) - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2008, 905, 905 (Nr. 12) - Pantohexal). Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass schutzunfähige Zeichen und Angaben für sich gesehen nicht Grundlage einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr sein können, insbesondere der Schutzbereich von Marken, die nur eine geringe Unterscheidungskraft aufweisen oder an freihaltungsbedürftige Angaben angelehnt sind, eng zu bemessen ist und sich auf die jeweilige eintragungsbegründende Eigenprägung beschränkt (vgl. BGH GRUR 2010, 835, 837 - POWER BALL; GRUR 2010, 729, 731 - MIXI; GRUR 2008, 905, 907 - Pantohexal; GRUR 2008, 909, 910 - Pantogast; GRUR 2008, 1002, 1004 - Schuhpark).
Hier können sowohl die beiden Widerspruchsmarken als auch die angegriffene Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren als unmittelbar beschreibende Angabe dienen.
Die Waren der angegriffenen Marke sind mit den Waren „Dampferzeuger“ und „Naturumlaufkessel“ beider Widerspruchsmarken teilweise identisch, mindestens aber durchschnittlich ähnlich aufgrund funktioneller Zusammenhänge. Der angesprochene Verkehr besteht hinsichtlich der Waren der Widerspruchsmarken im Wesentlichen aus dem Fachverkehr, nämlich dem Handel sowie gewerblichen Abnehmern. Der allgemeine Endverbraucher wird nur von den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren angesprochen, da diese, z. B. „Wassererhitzer“, auch für den Endverbraucherhaushalt und nicht nur – wie die Waren der Widerspruchsmarken – für die industrielle Erzeugung von Dampf bestimmt sein können.
1. Widerspruchsmarke zu 1.) „NCB-HP“
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu 1.) ist stark geschwächt.
Die Angabe „NCB-HP“ wird vom angesprochenen Verkehr im Bereich der hier betroffenen Waren als Abkürzung der englischen Wortfolge „natural circulation boiler – high pressure“ aufgefasst, die für sämtliche hier in Rede stehenden Waren der Widerspruchsmarke in Klasse 11 eine beschreibenden Sachangabe darstellt. Übersetzt bedeutet die englischen Angabe „natural circulation boiler“ nämlich „Naturumlaufdampferzeuger“ (vgl. Langenscheidt, Fachwörterbuch Technik und angewandte Wissenschaften, Englisch-Deutsch, 2. Aufl., 2004, S. 1271). Mit den Begriffen „Natur-Umlaufkessel“ bzw. „Selbstumlaufkessel“ werden Kessel und Dampferzeuger bezeichnet, in denen - anders als in Zwangsumlaufkesseln mit Umwälzpumpen - im Wesentlichen nur die Schwerkraft wirkt, so dass Dichteunterschiede die zur Funktion nötige Zirkulation des Wasserdampfes erzeugen (vgl. Haeder/ Reichow, Lexikon der Heizung-, Lüftungs- und Klimatechnik, Berlin, 1971, S. 314). Die Angabe ist somit für die beanspruchten Waren „Dampferzeuger“ usw. die Beschreibung einer Funktionsweise in Abgrenzung zu anderen. Die Buchstabenfolge „HP“ ist eine gängige, lexikalisch nachweisbare Abkürzung des auch in Deutschland geläufigen englischen Begriffes „high pressure“ (vgl. z. B. Heister, Lexikon medizinisch-wissenschaftlicher Abkürzungen, 4. Aufl., 1998, S. 184; Duden, Das Wörterbuch der Abkürzungen, 6. Aufl., 2011, S. 205), die ebenfalls für die beanspruchten Waren, die auch für den Betrieb mit hohen Drücken ausgelegt sein können, eine ausschließlich beschreibende Sachangabe ist. Die Widersprechende beruft sich ausdrücklich auf die beschreibende Verwendung der Buchstabenfolge „NCB“, dafür sprechen nicht zuletzt auch die von der Widersprechenden bereits im patentamtlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Belege, die eine beschreibende Verwendung der Buchstaben „NCB“ durch Dritte und durch dem Markeninhaber nahestehende Unternehmen zeigen (vgl. Anl. SSM 1 und SSM 2 zum SchrS. v. 25.6.2010 (AA Bl. 33 ff.); Anl. SSM 6 z. SchrS. v. 4.10.2012 (GA Bl. 29 ff.)).
Deswegen hat die Widerspruchsmarke nur einen geringen Schutzumfang und eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr ist bereits bei geringem Zeichenabstand ausgeschlossen.
Schriftbildlich, klanglich und begrifflich enthält die Widerspruchsmarke zu 1.) das zusätzliche Element „HP“, welches in der angegriffenen Marke keine Entsprechung findet. Der Bestandteil "HP" tritt innerhalb der Widerspruchsmarke nicht in einer Weise zurück, dass er trotz des beschreibenden Inhalts für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnte. Die Buchstabenfolge „NCB“ überwiegt als ebenfalls glatt beschreibende Angabe innerhalb der Widerspruchsmarke nicht den Bestandteil „HP“. Vielmehr treten die beiden Elemente der Widerspruchsmarke dem Publikum als eine sich gegenseitig inhaltlich ergänzende gesamtbegriffliche Einheit gegenüber.
Beim Vergleich der Zeichen „NCB“ und „NCB-HP“ ist von dieser eingetragenen Form der Widerspruchsmarke und von dem durch diese Form vermittelten Gesamteindruck auszugehen. Grundsätzlich ist es unzulässig, aus den einander gegenüberstehenden Marken ein Element, hier „NCB“, herauszugreifen und allein auf dieser Grundlage eine Verwechslungsgefahr anzunehmen (st. Rspr. EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 29) - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2008, 903 (Nr. 34) - SIERRA ANTIGUO; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Auflage, § 9 Rn. 326). Dies würde von dem Grundsatz, dass ein Elementschutz dem Markenrecht fremd ist, abweichen (vgl. BGH GRUR 1996, 198, 199 - Springende Raubkatze). Ausnahmsweise jedoch kann ein einzelner Markenbestandteil eine selbstständige kollisionsbegründende Bedeutung haben, wenn er den Gesamteindruck einer mehrgliedrigen Marke prägt oder eine selbstständig kennzeichnende Stellung einnimmt und die übrigen Markenteile für den Verkehr in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (EuGH GRUR Int. 2004, 843 (Nr. 32) - Matratzen; EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 29) - THOMSON LIFE; EuGH GRUR 2010, 1098 - CK CREACIONES KENNYA/CK Calvin Klein; BGH GRUR 2007, 1071 (Nr. 35) - Kinder II; BGH GRUR 2008, 903 (Nr. 18) - SIERRA ANTIGUO; vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9 Rn. 274, 278 m. w. N.). Diese Voraussetzungen treffen auf den Bestandteil „NCB“, der in beiden Vergleichsmarken enthalten ist, wegen seiner Kennzeichnungsschwäche indes nicht zu.
Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr etwa durch gedankliches Inverbindungbringen liegt nicht vor. Die vom Verkehr als beschreibende Angabe wahrgenommene, in beiden Vergleichszeichen vorhandene Buchstabenfolge „NCB“ ist wegen ihrer bereits erörterten beschreibenden Bedeutung weder als Serienbestandteil einer Markenserie der Widersprechenden noch als Unternehmenskennzeichen, welches von einer jüngeren Marke aufgegriffen werden kann, geeignet.
2. Widerspruchsmarke zu 2.) „NUK-HP“
Auch der Widerspruch aus der Widerspruchsmarke zu 2.) ist erfolglos.
Eine klangliche oder schriftbildliche Ähnlichkeit der angegriffenen Marke, die ausschließlich im Anfangsbuchstaben eine Gemeinsamkeit mit der Widerspruchsmarke zu 2.) aufweist, wird selbst von der Widersprechenden nicht geltend gemacht. Sie ist auch sonst nicht ersichtlich.
Die von der Widersprechenden beanstandete begriffliche Ähnlichkeit begründet keine Verwechslungsgefahr, denn ausgehend von dem Grundsatz, dass eine schutzunfähige Angabe für sich gesehen nicht Grundlage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr sein darf, reicht eine inhaltliche Übereinstimmung in beschreibenden Begriffen nicht aus, um eine begriffliche Verwechslungsgefahr zu begründen (vgl. BPatGE 22, 231, 232 ff. - OPTItherm/SUPERTHERM; B. v. 4.4.2006, Az. 24 W (pat) 113/04 - FITAMIN/FIT-H-MIN; B. v. 18.01.2012; Az. 26 W (pat) 50/10 - FRUTAQUELL/FRUCHTQUELL).
Die Buchstabenfolge „NUK-HP““ wird im Zusammenhang mit den von der Widerspruchmarke zu 2.) beanspruchten Waren vom angesprochenen Verkehr als Abkürzung des Begriffes „Natur-Umlaufkessel high pressure“ verstanden. Die begriffliche Übereinstimmung zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke zu 2.) besteht damit nur in der als solchen schutzunfähigen Bedeutung der Abkürzungen „NCB“ und „NUK“. Dieser Umstand schließt eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr aus.
Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens besteht kein Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.