Entscheidungsdatum: 06.03.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 044 801.6
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters am Oberlandesgericht Heimen
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
I.
Am 26. Juli 2010 hat die Anmelderin die Wortmarke
Ambossdichtung
für Warenklasse
„(17) Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Waren daraus (soweit in Klasse 17 enthalten); Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate); Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial; insbesondere in Form von Bändern, insbesondere Gummidichtungsbänder im Fenster- und Fassadenbau, in der Automobilindustrie (ausgenommen Motoren- und Maschinenteile) und in der Elektroindustrie, als Isoliermittel und Isolatoren (Elektrizität) sowie Gummidichtungen zum Schutz gegen Wasser, Staub, Gase und sonstige Partikel; Schläuche (nicht aus Metall), insbesondere bandförmige Dichtungsschläuche, insbesondere aus Gummi und/oder Kunststoff“
angemeldet.
Die Markenstelle für Klasse 17 hat die Markenanmeldung zunächst als beschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 Markengesetz (MarkenG) und als nicht unterscheidungskräftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG beanstandet. Mit Beschluss vom 14. Juli 2011 hat die Markenstelle durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die Anmeldung zurückgewiesen und dazu ausgeführt, dass die angemeldete Marke u. a. nicht unterscheidungskräftig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sei. Die Angabe „Ambossdichtung“ sei – abstrakt betrachtet – nur ein betriebsneutraler Hinweis auf eine bestimmte Eigenschaft der Ware. Dieser liege u. a darin, dass mit Hilfe der Ware auftretenden Kräften entgegengetreten werden könne, den Kräften werde ein Widerlager (Amboss) entgegengestellt, so dass mit Hilfe der Waren diese Kräfte kompensiert werden könnten.
Hiergegen hat die Anmelderin am 17. August 2011 Beschwerde eingelegt.
Sie ist der Auffassung, es sei nicht erkennbar, welcher konkrete und direkte Bezug zwischen der Angabe und den beanspruchten Waren liege, der ohne mehrere gedankliche Zwischenschritte hergestellt werden könnte; dem Markenwort komme keine konkrete beschreibende Bedeutung zu. Der von der Markenstelle mit dem Begriff assoziierte Bezug, dass die Dichtung Kräfte kompensiere wie ein Amboss, werde vom angesprochenen Verkehr nicht erkannt; der Durchschnittsverbraucher mache sich nicht derartige Gedanken; vielmehr werde der Verkehr im Bereich der Dichtungstechnik die Angabe als fantasievollen Begriff ohne jeglichen Sachbezug auffassen.
Sie beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 17 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Juli 2011 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 66 Abs. 1, 2 , 64 Abs. 6 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Zeichen und Angaben ausgeschlossen, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen, wie z. B. ihrer Art, Beschaffenheit, Bestimmung oder ihrer geografischen Herkunft, dienen können. Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, die in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 lit. c der Markenrechtsrichtlinie ergangen ist, verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, unmittelbar warenbeschreibende Angaben für alle zur freien, von Zeichenrechten Dritter ungehinderten Verfügung zu halten. Die Monopolisierung einer solchen Angabe zu Gunsten eines einzigen Unternehmens ist deshalb nicht zulässig (EuGH GRUR 1999, 723, 725 - Chiemsee).
Das angemeldete Wort "Ambossdichtung" ist eine Angabe, die im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen kann.
Das Prüfzeichen setzt sich in sprachüblich gebildeter Weise aus den Begriffen "Amboss" und "Dichtung" zusammen. Das Wort „Amboss“ bezeichnet im hier interessierenden Zusammenhang ein Arbeitsgerät, welches vor allem im Bereich der Metallverarbeitung als besonders feste und widerstandsfähige Unterlage bzw. Widerlager dient. Als „Dichtung“ bezeichnet man in der Technik Elemente oder Konstruktionen, die die Aufgabe haben, ungewollte Stoffübergänge von einem Raum in einen anderen zu verhindern bzw. zu begrenzen. Die Angabe „Dichtung“ führt zu den hier beanspruchten Waren, nämlich „Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Waren daraus (soweit in Klasse 17 enthalten); Waren aus Kunststoffen (Halbfabrikate); Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial; insbesondere in Form von Bändern, insbesondere Gummidichtungsbänder im Fenster- und Fassadenbau, in der Automobilindustrie (ausgenommen Motoren- und Maschinenteile) und in der Elektroindustrie, als Isoliermittel und Iso-latoren (Elektrizität) sowie Gummidichtungen zum Schutz gegen Wasser, Staub, Gase und sonstige Partikel; Schläuche (nicht aus Metall), insbesondere band-förmige Dichtungsschläuche, insbesondere aus Gummi und/oder Kunststoff“ hin, da diese sämtlich dazu dienen können, den technischen Zweck einer Dichtung zu erfüllen.
Auch die - bei Zeichen, die aus mehreren Worten oder Wortbestandteilen zusammengefügt sind - vorzunehmende Gesamtbetrachtung (EuGH a. a. O. Rdnr. 28 - SAT 2; a. a. O. Rdnr. 96 - Postkantoor; BGH a. a. O. Rdnr. 13 - VISAGE) führt bei der Wortkombination „Ambossdichtung“ nicht zu einem Bedeutungsgehalt, der über die Summe der Einzelbestandteile des Wortzeichens hinausgehen würde. Maßgeblich hierfür ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise im entscheidungserheblichen Zeitpunkt. Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen zeitigen kann. Von den beanspruchten Waren werden hier vornehmlich Fachkreise, insbesondere Automobilproduzenten, Bauunternehmungen, Spediteure sowie die Elektroindustrie und die jeweiligen Zulieferer angesprochen. Der Bedeutungsgehalt der zusammengesetzten Angabe „Ambossdichtung“ wird von diesen technisch versierten Fachverkehrskreisen auch ohne besondere analytische Betrachtung als schlagwortartige Bezeichnung für ein besonders festes und widerstandsfähiges Dichtungsmaterial aus den genannten Waren verstanden, welches entweder aufgrund seiner Belastungsfähigkeit geeignet ist, wie ein Amboss als Unterlage bzw. Widerlager für etwas zu dienen und einer solchen Beanspruchung standzuhalten, oder auch die charakteristische Form eines Ambosses aufweisen könnte.
Der Senat hat festgestellt, dass die Idee, umlaufende Profildichtungen im Inneren mit einem als Amboss bezeichneten Widerlager zu versehen und so leistungsfähiger zu machen, bereits in einer Europäischen Patentanmeldung aus dem Jahre 1984 für eine Fensterdichtung entwickelt worden ist (EP 0 133 924 A1, Profildichtung, Anlage zum Sitzungsprotokoll, Bl. 31 bis 41 der Gerichtsakte). In diesem Fall sollte der im Inneren des Profils befindliche „Andruck-Steg“ oder „Amboss-Steg“ mit dazu beitragen, dass das Dichtungsteil unter stärkerem Andruck, also größerem Dichtungsdruck, gegen die Fensterscheibe gehalten wird, wobei die erforderliche Beweglichkeit und Flexibilität bestehen bleiben soll (EP 0 133 924 A1 [0003]).
Auch die Anmelderin hat eine konkrete Anwendung für diese Art Dichtungen entwickelt. Dabei handelt es sich um selbstklebende Dichtungsprofile für den Fahrzeugbau, die als Endlosbänder von Robotern direkt in die Metallrahmen der Türöffnungen von Kraftfahrzeugen eingeklebt werden können. Dazu heißt es in dem Artikel „Selbstklebende Gummidichtungen für den Fahrzeugbau“, in K-Zeitung online - Kunststoff & Kautschuk vom 16. November 2011, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, über die Anmelderin:
„Angetrieben von den beherrschenden Leitbildern im Automobilbau - Leichtbau und Energieeffizienz - hat GTG schon seit Jahren die Entwicklung einer selbstklebenden karosserieseitigen Bodydichtung vorangetrieben. Gegenüber den bislang üblicherweise eingesetzten Dichtungen mit Stahlcarrier im Inneren schafft diese Entwicklung Gewichtsvorteile von bis zu 40 %. Auch in punkto Verbaubarkeit und Haftung habe GTG dank der besonderen Geometrie der Profile mit einem sog. Amboss im Inneren der Dichtung nach eigenen Angaben neue Maßstäbe gesetzt. Der Amboss garantiere einerseits einen konstanten Anpressdruck und fungiere gleichzeitig für den Abroller des Roboterkopfes als eine Art Schiene.“
Auf der Internetseite der Anmelderin (s. Anlagen zur Terminsladung, Bl. 18 f. der Gerichtsakte) heißt es dazu unter der Überschrift: „Die Vorteile der neuen GTG-Bodydichtung bleiben kleben!“ u. a.:
„revolutionäres Design mit „Amboss“
ermöglicht automatisierte Verklebung
Anbringung mit konstanter Andrückkraft und genauer Positionierung anwendbar auf fast allen Karosserievarianten und Fahrzeuglacke“
und an anderer Stelle:
„Mit der selbstklebenden karosserieseitigen Bodydichtung leistet auch GTG einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Gewichtsreduzierung. Das revolutionäre Design dieser Bodydichtung - mit „Amboss“ im Inneren - sorgt zudem dafür, dass eine automatisierte Verklebung mit konstanter Andrückkraft und genauester Positionierung erst möglich wird.“
Wie die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung weiter erläutert hat, kann beim Einkleben der Dichtungsprofile der im Inneren der Dichtung mitlaufende, von der Anmelderin „Amboss“ genannte Teil besonders hohe Drücke aufnehmen, wirkt also wie ein Widerlager oder wie ein Amboss.
Vor diesem Hintergrund ist die Anmeldung " Ambossdichtung " im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG in Anbetracht der hier hauptsächlich angesprochenen fachkundigen Verkehrskreise geeignet, Waren der Klassen 17 als rein beschreibender Hinweis auf die Art und Beschaffenheit sowie die mögliche Verwendung der solchermaßen bezeichneten Waren zu dienen. So kommt in Betracht, wie die Anmelderin selbst, den Begriff „Ambossdichtung“ im Zusammenhang mit einem nicht formstabilen Dichtungsmaterial beschreibend zu verwenden, bei dem im Inneren der Dichtung ein eigens verstärkter Teil als „Amboss“ bezeichnet wird, der als stabiles Widerlager dazu dient, bei der automatisierten Montage eines Dichtungsmaterials einen gleichmäßigen Anpressdruck zu gewährleisten.
Der Eintragungsunfähigkeit wegen warenbeschreibender Angabe des Zeichens steht auch die Auffassung der Anmelderin nicht entgegen, dass der Begriff „Ambossdichtung“ von ihr neu geschaffen und unterschiedlich interpretierbar sei. Dass eine Marke neben der beschreibenden Bedeutung noch andere Bedeutungen aufweisen und insoweit mehrdeutig sein kann, beseitigt für sich gesehen nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (vgl. EuGH GRUR 2004, 146, 147 f. - DOUBLEMINT; GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD). Von einer schutzbegründenden Unbestimmtheit kann vielmehr nur ausgegangen werden, wenn eine derartige begriffliche Ungenauigkeit erreicht ist, die ausschließt, dass die fragliche Angabe in Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Waren/Dienstleistungen noch zu einer konkret beschreibenden Bezeichnung dienen kann (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt).
Ausreichend ist hier, dass die im Vordergrund stehende Bedeutung von mehreren möglichen zur Warenbeschreibung geeignet ist. Entgegen der Auffassung der Anmelderin ist auch davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der Lage sind, die typische Funktion eines Ambosses, nämlich zur Aufnahme von Kräften zu dienen, unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken zu erkennen. Bereits die objektiv bestehende bloße Eignung einer Angabe oder eines Zeichens, zur Beschreibung der beanspruchten Waren für den wesentlichen Teil des angesprochenen Verkehr, hier den fachkundigen Handel bzw. der (Zuliefer-)Industrie als Endabnehmer, verwendet werden zu können, genügt den Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu erfüllen. Unerheblich ist, ob die fragliche Marke zusätzlich auch von den allgemeinen Verkehrskreisen, die mit den technischen Verhältnissen nicht im Einzelnen vertraut sein mögen, beschreibend verstanden wird (vgl. Ströbele/ Hacker, MarkenG § 8 Rn. 29).
Dass die Bezeichnung "Ambossdichtung" zwar eine sprachliche Neuschöpfung ist und vor der von der Anmelderin selbst vorgenommenen sachbeschreibenden Verwendung (vgl. K-Zeitung online, a. a. O.) jedenfalls in der angemeldeten Form nicht nachweisbar ist, lässt das objektive Schutzhindernis demnach nicht entfallen.
Der Verkehr ist daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Deswegen wird er auch bisher noch nicht verwendete, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen als solche und nicht als betriebliche Herkunftshinweise auffassen. So liegt der Fall auch bei der hier angemeldeten, nicht besonders ungewöhnlich gebildeten Wortkombination.
Ob dem angemeldeten Zeichen darüber hinaus, wie die Markenstelle außerdem angenommen hat, wegen der Eignung zur Merkmalsbeschreibung auch die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt, kann dahin stehen.