Entscheidungsdatum: 31.03.2014
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2009 060 304
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 31. März 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Heimen
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Gegen die für die Dienstleistungen
(Klasse 35): Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten
(Klasse 36): Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen
(Klasse 42): Entwurf und Entwicklung von Computerhardware
und –software
am 15. Oktober 2009 angemeldete, am 12. November 2009 eingetragene und am 18. Dezember 2009 veröffentlichte Wortmarke 30 2009 060 304
s-report
ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren, am 6. Dezember 2001 eingetragenen und am 18. Januar 2002 veröffentlichten Wortmarke 301 57 265
subreport.
Die Widerspruchsmarke genießt nach einer Teillöschung vom 21. Oktober 2011 noch Schutz für die folgenden Waren und Dienstleistungen, eingetragen für die Klassen 09, 16, 35, 36, 38, 41 und 42:
Erstellung von Software zur automatisierten Durchführung von Vergabeverfahren; Druckerzeugnisse im Bereich des Vergabe- und Auftragswesens; Beratung im Vergabe- und Auftragswesen, auch mittels Telefon (Callcenter), nämlich technische, betriebswirtschaftliche, finanzielle, rechtliche sowie organisatorische Beratung; Sammeln und Liefern von Nachrichten und Informationen im Bereich des Vergabe - und Auftragswesens; Übermittlung dieser Daten per elektronischer Nachrichtenübermittlung, auch mittels Fax; Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken mit dem Schwerpunkt Vergabe- und Auftragswesen; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Schulungsmaterial, nämlich Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate); Fachinformationsdienste im Vergabe-/Auftragsbereich durch Herausgabe von Druckerzeugnissen, Telefaxprodukten, Vermittlung von Verträgen über die Beschaffung von Waren bzw. die Inanspruchnahme von Dienstleistungen per Telefon und über elektronische Medien, technische, betriebswirtschaftliche, finanzielle, organisatorische Beratung bei Vergabeverfahren und Auftragsabwicklungen, Vermittlung von organisatorischem, wirtschaftlichem, technischem und finanziellem Know-how im Bereich Vergabe- und Auftragswesen, Zusammenstellung, Systematisierung und Weitergabe von Daten in Computerdatenbanken; Datendienste im Rahmen des Betriebes von Datenbanken, Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung, Konstruktion von Netzwerken.
In zwei Beschlüssen, von denen einer am 16. Juli 2012 im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, zwischen beiden Zeichen bestehe nicht die Gefahr markenrechtlicher Verwechslungen i. S. d. §§ 43 Abs. 2 Satz 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Dabei ist die Markenstelle zuletzt von einer noch durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und davon ausgegangen, dass beide Marken teilweise Schutz für identische Dienstleistungen beanspruchten. Den angesichts dessen erforderlichen deutlichen Abstand von der Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht ein. Auch bestehe nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Auffassung, „s-report“ werde der Verkehr als Abkürzung vom „subreport“ auffassen. 7 von 9 Buchstaben der Kollisionsmarken seien identisch. „In allen Dienstleistungen“ der Marke „s-report“ bestehe „Identität zu den Waren und Dienstleistungen der Beschwerdeführerin“. Der Verkehr verbinde mit „sub-report“ keinen fest umrissenen Begriffsinhalt.
Mit Schriftsatz vom 13. März 2014 hat die Widersprechende zudem Ergebnisse einer von ihr durchgeführten Google-Recherche zu dem Begriff „sub-report“ vorgelegt, die ihrer Auffassung nach auf die Bekanntheit der Widerspruchsmarke schließen lassen.
Die Widersprechende beantragt zuletzt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Februar 2011 und vom 16. Juli 2012 aufzuheben und die Marke 30 2009 060 304 „s-report“ wegen des Widerspruchs aus der Marke 301 57 265 „subreport“ zu löschen.
Die Markeninhaberin hat in der Beschwerdeinstanz keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen. In einer verfahrensleitenden Verfügung vom 31. Januar 2014 hat der Senat den Verfahrensbeteiligten Belege zur Verwendung des Begriffs „sub-report“ als Sachbezeichnung übersandt. Daraufhin hat die Widersprechende um eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten und ihren ursprünglich auf die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung gerichteten Hilfsantrag zurückgenommen.
II.
Die gem. § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen nicht die Gefahr markenrechtlicher Verwechslungen i. S. d. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
1. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933, Tz. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Tz. 44 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; GRUR 2013, 833, Tz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343, Tz. 48 – Il Ponte FinanziariaSpa/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9 Rdn. 40 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware oder Dienstleistung, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
a) Nach der Registerlage beanspruchen die Vergleichsmarken teilweise Schutz für identische Dienstleistungen. Die für die jüngere Marke in Klasse 42 registrierten Dienstleistungen „Entwurf und Entwicklung von Computersoftware“ sind identisch mit den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen „Erstellung von Software zur automatisierten Durchführung von Vergabeverfahren“ und „Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung“.
b) Für eine kraft Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Erforderlich ist insoweit, dass die Widerspruchsmarke als Herkunftshinweis für die hier einschlägigen Waren und Dienstleistungen eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit genießt (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2011, Rn. 137 zu § 9 m. w. N.). Insoweit kann die Bekanntheit eines mit der jeweiligen Widerspruchsmarke übereinstimmenden Unternehmenskennzeichens berücksichtigt werden (BGH GRUR 2009, 484, Rn. 29 - METROBUS). Hierbei sind alle relevanten Fallumstände zu berücksichtigen, neben den der Widerspruchsmarke von Haus aus zukommenden Eigenschaften insbesondere der von der Widerspruchsmarke gehaltene Marktanteil, Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die dafür aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit innerhalb der beteiligten Verkehrskreise (Ströbele/Hacker, MarkenG, a. a. O., Rn. 138 zu § 9 m. w. N.).
Der Sachvortrag und insbesondere die von der Widersprechenden mit Schriftsatz vom 13. März 2014 eingereichten Unterlagen genügen diesen Anforderungen aber nicht. Auch wenn Ergebnisse einer Google-Recherche insgesamt auf eine bestimmte Marke oder ein Unternehmenskennzeichen zurückzuführen sind, so lassen diese keinen sicheren Schluss auf einen relevanten Marktanteil oder eine relevante Intensität, Verbreitung und Dauer der Markenverwendung und mithin ebenfalls nicht auf eine infolge der Markenverwendung erhöhte Bekanntheit innerhalb der beteiligten Verkehrskreise zu.
c) Ausgehend von einer zugunsten der Anmelderin unterstellten normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke den angesichts bestehender Dienstleistungsähnlichkeit gebotenen deutlichen Zeichenabstand ein. Die angegriffene Marke hebt sich klanglich, schriftbildlich und begrifflich hinreichend deutlich von der Widerspruchsmarke ab, so dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht gegeben ist.
aa) In klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die Vergleichszeichen am regelmäßig stärker beachteten Wortanfang deutlich voneinander. Der Einzelbuchstabe „s“ am Wortanfang der angegriffenen Marke klingt hell, das Wortelement „sub“, mit dem die Widerspruchsmarke beginnt, hat dagegen einen dunklen Klang. Durch das „u“ in „sub“ der Widerspruchsmarke differiert zugleich auch die insgesamt klangtragende Vokalfolge der Vergleichsmarken.
bb) Wie bereits die Markenstelle ausgeführt hat, wirkt einer schriftbildlichen Verwechslungsgefahr entgegen, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um ein Einwortzeichen handelt, während die angegriffene Marke aufgrund des Bindestriches als zweiteilige Mehrwortmarke ausgestaltet ist. Demgegenüber tritt die von der Widersprechenden angeführte Ähnlichkeit beider Zeichen in 7 von 9 Buchstaben zurück. Ein Bindestrich, der einen Buchstaben vom Rest des Markenwortes abhebt und hier nur in einer der Marken vorhanden ist, beeinflusst das Schriftbild eines Wortes nämlich in markanter Weise. Erfahrungsgemäß bleibt das Schriftbild einer Marke, das eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet, dem Betrachter zudem sehr viel besser in Erinnerung als das schnell verklingende gesprochene Wort (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl. 2011, Rn. 251 zu § 9 m. w. N.).
Auch die weiteren Unterschiede, die in der Widerspruchsmarke zusätzlich enthaltenen Buchstaben „u“ und „b“, bleiben bei einer schriftbildlichen Wahrnehmung nicht unbemerkt. Sie lassen das Schriftbild des Zeichens „subreport“ insgesamt kompakter erscheinen als dasjenige des Vergleichszeichens „s-report“.
cc) In begrifflicher Hinsicht weisen die Kollisionszeichen ebenfalls zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr hinreichende Unterschiede auf.
Entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Rechtsansicht wird „s-report“ in begrifflicher Hinsicht vom angesprochenen Verkehr nicht als Abkürzung von „Subreport“ aufgefasst werden.
Wie die durch den Senat unter dem 31. Januar 2014 übersandten Belege zeigen, hat der lexikalisch nachweisbare, einheitliche Gesamtbegriff „sub-report“ im Englischen die Bedeutung „Unterbericht“ (vgl. http://de.glosbe.com/en/de/sub-report). Er wird u. a. verwendet, um Texte zu beschreiben, die auf Internetseiten mit bestimmten, markierten Wörtern verknüpft sind und angezeigt werden, wenn man mit dem Cursor über das bestimmte Schlüsselwort fährt.
Das auch im Deutschen gebräuchliche, aus dem Lateinischen stammende Wortbildungselement „sub“- bedeutet, wie die Markenstelle unter Angabe von Belegen ausgeführt hat, in Bildungen mit Substantiven, Adjektiven und Verben „unter, sich unterhalb befindend, niedriger als … (in räumlicher und hierarchischer Hinsicht)“. Beispielhaft angeführt hat die Markenstelle hierzu die deutschen Wortkombinationen „subalpin“, „Subalternation“, „Subdiakon“, „subdifferenzieren“, „Subdirigent“, „subimperialistisch“, „Subkategorie“, „Subkultur“ und „subversiv“. Dieselbe Bedeutung kommt dem Suffix „sub“- im Englischen zu. Dies belegen beispielsweise die Wortbildungen „submarine“ i. S. v. „Unterseeboot“, „subaccount“ i. S. v. „Nebenkonto“ und „subconscious“ i. S. v. „Unterbewusstsein“ (vgl. Pons, Großwörterbuch Englisch 2008, S. 976). Weder im Deutschen noch im Englischen ist es jedoch üblich, Wortbildungen mit dem Suffix „sub“- mit dem Buchstaben „s“- abzukürzen. Gegenteiliges hat auch die Widersprechende nicht behauptet. Für ihre Annahme, dass der hier angesprochene Fachverkehr für das Vergabe- und Auftragswesen, der Fachverkehr für die von der jüngeren Marke in den Klassen 35, 36 und 42 beanspruchten Dienstleistungen oder der allgemeine, durchschnittlich aufmerksame Endverbraucher das Suffix „sub“ in „sub-report“ mit dem Buchstaben „s“- abkürzen könnte, fehlt mithin jeder Anhalt.
Soweit der übereinstimmende Endbestandteil „report“ i. S. v. „Bericht“ als Hinweis auf den Bestimmungszweck der mit den Vergleichsmarken gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen verstanden werden kann, rechtfertigt dies nicht die Bejahung einer begrifflichen Verwechslungsgefahr. Denn der Verkehr entnimmt einer solchen Übereinstimmung allenfalls dieselbe beschreibende Aussage und schließt daraus nicht auf eine übereinstimmende betriebliche Herkunft der so gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 258 zu § 9 m. w. N.).
2. Die Voraussetzungen einer Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen sind ebenfalls nicht gegeben. Die Widersprechende hat nicht vorgetragenen, etwa Inhaberin einer benutzten Zeichenserie zu sein, in die sich das angegriffene Zeichen einfügte. Wer die Unterschiede zwischen beiden Zeichen erkennt, wird nicht aufgrund einer Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Kennzeichen davon ausgehen, dass die Erbringer von mit „s-report“ und „subreport“ gekennzeichneten Dienstleistungen identisch oder wirtschaftlich miteinander verbunden sind, weil er, wie ausgeführt, „s“- nicht für eine Abkürzung von „sub“- halten wird.
3. Da gemäß den o. g. Ausführungen bereits im Bereich identischer Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr gegeben ist, ist diese in Bezug auf weitere, nicht identische Dienstleistungen erst recht zu verneinen.
4. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.