Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 05.02.2013


BPatG 05.02.2013 - 24 W (pat) 531/11

Markenbeschwerdeverfahren – "ADP SmartPay (IR-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
05.02.2013
Aktenzeichen:
24 W (pat) 531/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 5 MAbk Madrid
Art 6quinquies Abschn B PVÜ

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 984 289

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 9. Mai 2011 hat die Markenstelle für Klasse 42 IR des Deutschen Patent- und Markenamts durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes der international registrierten Wortmarke IR 984 289

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ADP SmartPay

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für die Dienstleistungen

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“Klasse 42: Providing temporary access to computer software to employees in the field of preparing payrolls, preparing tax declarations, tax declaration preparation services, human resources management services, time and task management services, salary tax debiting services, services for processing tax payments and administration of job benefit programs”.

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gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B PVÜ den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dem Zeichen fehle für die beanspruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. „ADP SmartPay“ weise auf eine automatische Datenverarbeitung in Bezug auf ein intelligentes Zahlsystem hin. Mit dieser Bedeutung stelle die Wortkombination für die beanspruchten Dienstleistungen entweder eine Bestimmungsangabe dar, oder stehe zu ihnen in einem engen sachlichen Bezug.

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Gegen diese Entscheidung wendet sich die Schutzsuchende mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Auffassung, der Durchschnittsverbraucher werde die Buchstabenkombination „ADP“ nicht als Abkürzung des IT-Fachbegriffs „automatic data processing“ erkennen. Objektiv könne „ADP“, wie die Schutzsuchende näher ausgeführt hat, als Abkürzung für eine Vielzahl von Begriffen dienen. Die beanspruchten Dienstleistungen richteten sich an Arbeitnehmer und damit an den informierten Durchschnittsverbraucher. Diesem erscheine „ADP“ als Fantasiebezeichnung. Die von der Markenstelle für „SmartPay“ gefundene Bedeutung „intelligente Zahlsysteme“ beschreibe nicht die angemeldeten Dienstleistungen. Schließlich verweist die Schutzsuchende auf eine Anzahl ihrer Ansicht nach vergleichbarer Voreintragungen und Schutzrechtserstreckungen.

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Die Schutzsuchende beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Mai 2011 aufzuheben.

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In dem auf ihren Hilfsantrag hin anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2013 vor dem Bundespatentgericht ist die Schutzsuchende, wie zuvor angekündigt, nicht erschienen. Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

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Die gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Wie von der Markenstelle zutreffend festgestellt, steht der begehrten Schutzrechtserstreckung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft entgegen, §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6 quinquies B PVÜ.

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Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 - Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - Libertel). Für die hier beanspruchten Dienstleistungen ist das aus den Bestandteilen „ADP“, „Smart“ und „Pay“ sprachüblich zusammengesetzte Anmeldezeichen nicht schutzfähig. Denn die erforderliche Unterscheidungskraft ist nicht nur Wortkombinationen abzusprechen, die einen für die beanspruchten Dienstleistungen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Das zu einer Schutzrechtserstreckung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehlt auch, sofern der sachliche Bedeutungsgehalt, der der beanspruchten Wortkombination zukommt, wie hier einen engen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen herstellt (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 – FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

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Die beanspruchte Dienstleistung, die Bereitstellung eines befristeten Zugangs zu Computer-Software für Angestellte für bestimmte Zwecke wie zur Vorbereitung von Gehaltslisten und Steuererklärungen, spricht schwerpunktmäßig den Geschäfts- und Fachverkehr für Computer- und Informationstechnologie an. Entgegen dem Vortrag der Schutzsuchenden nehmen die Dienstleistung „Bereitstellung eines Zugangs zu Computer-Software für Angestellte“ die Angestellten eines Unternehmens typischerweise nicht selbst gegen Entgelt in Anspruch. Zu den potentiellen Adressaten der Anbieter dieser Dienstleistung zählen vielmehr die Fachabteilungen oder Fachkräfte in Unternehmen. Beim angesprochenen Geschäfts- und Fachverkehr für Computer- und Informationstechnologie, einer von der Fachsprache Englisch im besonderen Maße auch im Inland dominierten Branche, sind fachspezifische Kenntnisse der englischen Sprache jedoch als bekannt vorauszusetzen. Und das Verständnis dieser Verkehrskreise kann für die Frage der Unterscheidungskraft des schutzsuchenden Zeichens allein von ausschlaggebender Bedeutung sein (vgl. EuGH GRUR 2006, 411 - Matratzen Concord/Hukla).

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Wie die der Schutzsuchenden vorab mit Gelegenheit zur Stellungnahme übersandten Belege illustrieren, lässt sich die Abkürzung „ADP“ lexikalisch mit der Bedeutung „automatic data processing“ i. S. v. „automatische Datenverarbeitung“ in einer Vielzahl von Abkürzungswörterbüchern nachweisen. Die genannten Geschäfts- und Fachverkehrskreise für Informationstechnologie werden die ihnen geläufige Abkürzung „ADP“ angesichts dessen ausschließlich als Kurzbezeichnung für „automatic data processing“, jedoch nicht als betrieblichen Herkunftshinweis wahrnehmen, wenn sie ihr als Kennzeichnung der beanspruchten Dienstleistung der Klasse 42 begegnen.

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Das Adjektiv „smart“ gehört zu dem diesen Verkehrskreisen geläufigen englischen Grundwortschatz und ist als Synonym für „clever, gewitzt“ inzwischen ebenso wie die Wortkombinationen „Smartcard, Smartphone“ in die Deutsche Sprache eingegangen (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-Rom]). Im Zusammenhang mit Computertechnologie bezeichnet es gerätetechnische Intelligenz (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 594 – 596, Rn. 18 - Smartkey; BPatG 30 W (pat) 111/98, Entsch. v. 19. Oktober 1998 – smartATM; BPatG 30 W (pat) 129/06, Entsch. v. 10. November 2009 – SMARTLINE).

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Der zum englischen Grundwortschatz gehörende Wortbestandteil “pay” wird vom angesprochenen Verkehr ebenfalls in seiner Bedeutung „Bezahlung, Entlohnung, Lohn, Gehalt, Entgelt, Vergütung, zahlen, bezahlen, Zahlung leisten" verstanden. Er wird in zahlreichen Zusammensetzungen wie u. a. in „advance pay" für „Gehaltsvorauszahlung", „average pay" für „Durchschnittsbezahlung", „continued pay" für „Lohnfortzahlung" oder „extra pay" für „Sondervergütung" (vgl. LEO; Online- Wörterbuch Englisch der TU München, Stw. „pay“) benutzt. Neben dem allgemein bekannten Begriff „pay-TV" finden im Bereich des sogenannten „e-commerce" im Inland u. a. Wortbildungen wie "pay per sale" für "Bezahlung pro Verkauf" oder "pay per click" für „Klickvergütung" Verwendung (vgl. u. a. BPatG 30 W (pat) 223/03, Entsch. v. 14. Februar 2005 - TelePay GmbH; BPatG 33 W (pat) 136/98, Entsch. v. 8. Mai 1998 - Pay Card; 33 W (pat) 128/06, Entsch. v. 29. April 2008 - GIROPAY).

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An eine Zusammenschreibung von Wortbestandteilen als Hinweis- und Sachinformation ist der Verkehr gewöhnt, denn sie wird in der beschreibenden Werbesprache und insbesondere bei der Eingabe von Suchbegriffen im Internet oder in Domainadressen häufig verwendet, ohne dass der beschreibende Begriffsinhalt dadurch in den Hintergrund tritt (vgl. BPatG 29 W (pat) 192/01, Entsch. v. 15. Oktober 2003, - Travelagain).

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In ihrer Gesamtheit vermag die Wort-Buchstabenkombination „ADP SmartPay“ den Bestimmungszweck einer Hard- und/oder einer Software zu bezeichnen, die ein intelligentes Zahlungssystem mithilfe automatischer Datenverarbeitung darstellen. Diese können dazu dienen, die in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen zu erbringen, nämlich Angestellten einen befristeten Zugang zu Computer-Software für bestimmte Zwecke wie zur Vorbereitung von Gehaltslisten und Steuererklärungen zu ermöglichen. Und die Beschreibung des Verwendungszwecks eines zur Erbringung der beanspruchten Dienstleistung wesentlichen Hilfsmittels durch das Markenwort begründet zu diesem zumindest einen engen beschreibenden Bezug (vgl. BGH GRUR 2009, 952, Rn. 13 - 15, 19 - DeutschlandCard; BGH GRUR 2006, 850, Rn. 32 - FUSSBALL WM 2006; Ströbele, Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl. 2011, Rn. 70 zu § 8).

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Innerhalb von „ADP SmartPay“ werden die drei Bestandteile dieser Wortkombination dabei entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen, über ihre bloße Kombination hinausgehenden Begriff (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, Rn. 37 - BIOMILD; Ströbele, Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl. 2011, Rn. 142 zu § 8 m. w. N.).

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Für eine Schutzversagung reicht es bereits aus, wenn ein Wortzeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 (Rn. 21) - Companyline; MarkenR 2003, 450, 453 (Rn. 32) - Doublemint, MarkenR 2004, 99, 109 (Rn. 97) - Postkantoor; MarkenR 2004, 111, 115 (Rn. 38) - Biomild).

20

Dass es sich bei „ADP SmartPay" um eine in der Bundesrepublik Deutschland durch die Anmelderin erstmals verwendete Wortneuschöpfung handeln könnte, verhilft dem Zeichen nicht zur Schutzfähigkeit. Die Neuheit einer Wortbildung ist weder eine unabdingbare Voraussetzung für deren Eintragungsfähigkeit, noch begründet sie für sich gesehen eine hinreichende Unterscheidungskraft (vgl. EuGH GRUR 2006, 680, Rn. 39 - 41 Biomild; Ströbele, Ströbele/Hacker, a. a. O.).

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Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann die Anmelderin schließlich keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen ebenso wie vorhergehende Schutzrechtserstreckungen weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] - Terranus; GRUR 2004, 674, Nr. 43, 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 - Henkel; BPatG MarkenR 2007,351, 352 f. - Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. - Papaya; GRUR 2010, 423 amazing discoveries; GRUR 2010, 425 - Volksflat).

22

Aus diesen Gründen war der internationalen Registrierung IR 984 289 „ADP SmartPay“ gemäß §§ 119, 124, 113, 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Verbindung mit Art. 5 PMMA, Art. 6quinquies B PVÜ der Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verweigern.