Entscheidungsdatum: 18.12.2014
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2010 054 637
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. Dezember 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Heimen
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. Juni 2012 aufgehoben und auf den Widerspruch aus der Marke EM 002 843 951 die Löschung der angegriffene Marke 30 2010 054 637 angeordnet.
I.
Die am 20. September 2010 angemeldete Wortmarke
aerolex
ist am 10. November 2010 unter der Nr. 30 2010 054 637 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen und am 10. Dezember 2010 mit Schutz für die folgenden Waren und Dienstleistungen veröffentlicht worden:
Klasse 9: Elektrische und elektronische Steuer- und Regelgeräte, soweit in Klasse 09 enthalten; Computersoftware, soweit in Klasse 09 enthalten;
Klasse 11: Heizungs-, Kühl-, Trocken- und Lüftungsgeräte sowie sanitäre Anlagen, insbesondere Lüftungsgeräte und -anlagen sowie deren Teile [Klimatisierung], soweit in Klasse 11 enthalten; Luftverteilungsanlagen und deren Teile, soweit in Klasse 11 enthalten; Ventilatoren [Klimatisierung]; Wärmepumpen; Wärmetauscher; Filtergeräte; Steuer- und Regelgeräte für Lüftungsgeräte und -anlagen, soweit in Klasse 11 enthalten; Warmwasserbereiter [Apparate];
Klasse 19: Leitungen für Lüftungs- und Klimageräte und -anlagen [nicht aus Metall]; Rohre nicht aus Metall für Bauzwecke;
Klasse 42: Konstruktionsplanung; technische Projektplanung; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und Computersoftware; technische Beratung, insbesondere im Zusammenhang mit Raumlüftung; Dienstleistungen von Ingenieuren.
Gegen die angegriffene Marke ist am 5. Januar 2011 Widerspruch eingelegt worden aus der am 9. September 2002 und am 2. Februar 2005 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke Nr. EM 002843951
AEREX.
Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für folgende Waren:
Klasse 7: Elektrische Antriebsmotoren, insbesondere für luft- und haustechnische Einrichtungen und Geräte; ausgenommen elektrische Antriebsmotoren für Staubsauger und deren Teile;
Klasse 9: Mess-, Steuer-, Schalt-, Kontroll- und Sicherungsgeräte und hieraus bestehende Anlagen, insbesondere für luft- und haustechnische Einrichtungen und Geräte; Thermostate, Hygrostate, Drehzahlsteller, Temperaturdifferenzregler, Luftqualitätsregler; Sensoren, insbesondere zur Kontrolle und Regulierung von Druck, Temperatur, Gas, Feuchtigkeit, Licht, Bewegung; elektrische Transformatoren und Umformer;
Klasse 11: Beleuchtungs-, Heizungs-, Koch-, Kühl-, Trocken- und Lüftungseinrichtungen, -apparate und -geräte sowie deren Teile, insbesondere elektrisch angetriebene Ventilatoren, Exhaustoren, Klimageräte und hieraus bestehende Anlagen, Heizlüfter, Lufterhitzer und -reiniger, Frischluftgeräte, Wärmerückgewinnungsgeräte, lufttechnische Verschlussklappen und Ventile, Zuluftelemente, Schalldämpfer für Lüftungsanlagen, Brandschutzklappen, Luft- und Schutzgitter soweit in Klasse 11 enthalten, Wärmetauscher, insbesondere regenerative und rekuperative Wärmetauscher, Wärmepumpen, gas-, öl- und holzbefeuerte Heizungen, Trink- und Brauchwasserspeicher und -erwärmer, solarthermische und photovoltaische Anlagen und Geräte;
Klasse 37: Elektroinstallation; Montage, Instandhaltung und Reparatur von luft- und haustechnischen Einrichtungen und Geräten sowie von Teilen solcher Einrichtungen und Geräte;
Klasse 42: Bau- und Konstruktionsberatung, insbesondere Energie- und Sanierungsberatung für private und gewerbliche Bauten; Dienstleistungen eines Ingenieurs; alle vorgenannten Dienstleistungen insbesondere betreffend luft- und haustechnische Einrichtungen und Geräte.
Mit Beschluss vom 26. Juni 2012 hat die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 11 den Widerspruch zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr vorliege. Auch soweit bei den Vergleichsmarken eine hochgradige Ähnlichkeit der jeweiligen Waren und Dienstleistungen vorliege, halte die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand zur durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke in jeder Hinsicht ein. Zwar glichen sich die Markenwörter im Wortanfang („aer-“) und im Wortende („-ex“), sie seien aber insgesamt noch Kurzwörter und wiesen eine abweichende Vokalfolge auf („a – e –o -e“ bzw. „a - e – e“). Insbesondere wegen des klangstarken Vokals „o“ in der Wortmitte der angegriffenen Marke seien die klanglichen Übereinstimmungen der zweisilbigen Wörter gering. Auch im Bedeutungsgehalt zwischen „aero“ der jüngeren Marke und „aer“ der Widerspruchsmarke bestünden ausreichende Unterschiede, denn der Begriff „aero“ sei dem deutschen Verkehr im Zusammenhang mit der Bedeutung „Luft, Gas“ als Bestimmungswort bei zahlreichen deutschen Wörtern bekannt. Es lägen daher hinreichende Abweichungen vor, um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.
Dagegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde.
Sie führt zur Begründung aus, die jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen seien entweder identisch oder sehr ähnlich. Die markanten Wortanfänge und Wortenden „aer“ und „ex“ beider Vergleichszeichen seien identisch, die angegriffene Marke enthalte lediglich die zusätzlichen Buchstaben „ol“ in der weniger beachteten Wortmitte. Daraus folge eine erhebliche klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit.
Die Widersprechende hat sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 11 vom 26. Juni 2012 aufzuheben und auf den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke EM 002 843 951 die Löschung der Marke 30 2010 054 637 anzuordnen.
Die Markeninhaberin hat sinngemäß beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat im Beschwerdeverfahren auf ihren Vortrag im patentamtlichen Verfahren verwiesen. Die Markeninhaberin hat dort ausgeführt, eine schriftbildliche Ähnlichkeit der Zeichen bestehe schon nicht aufgrund der Oberlänge des Buchstaben „l“, die in der Widerspruchsmarke fehle. Die zusätzliche Silbe führe zu einer abweichenden Betonung, die angegriffene Marke sei dreisilbig („ae-ro-lex“), die Widerspruchsmarke lediglich zweisilbig („ae-rex“). Zudem spreche der Bedeutungsgehalt, welcher nur den Silben der angegriffenen Marke zukomme, nämlich „Luft“ für „aero“ und Gesetz für „lex“ gegen eine Verwechslungsgefahr. Schließlich sei die Aufmerksamkeit der Verbraucher gesteigert, weil es sich bei den beanspruchten Waren um größere, wohlüberlegte Anschaffungen handele.
Keine der Beteiligten hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG statthafte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Auf den Widerspruch ist die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen, weil zwischen den Kollisionszeichen eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr besteht, §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42, 125b MarkenG.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933, Tz. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098, Tz. 44 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; GRUR 2013, 833, Tz. 30 – Culinaria/Villa Culinaria). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343, Tz. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64, Tz. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040, Tz. 25 - pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 9 Rdn. 40 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
Vorliegend können sich die Vergleichsmarken auf identischen und hochgradig ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen. Die für beide Vergleichsmarken geschützten Waren der Klassen 9 und 11 sowie die Dienstleistungen der Klasse 42 sind teilweise identisch, im Übrigen zumindest durchschnittlich ähnlich, die Dienstleistungen der Klasse 42 der angegriffenen Marke stehen zudem in einem relevanten Ähnlichkeitsverhältnis zu den Waren der Klasse 9 der Widerspruchsmarke. Die in der Warenklasse 9 enthaltenen Geräte verfügen heute typischerweise über proprietäre Software. Die Entwicklung derartiger Software (Klasse 42) wird von den Herstellern regelmäßig auch nach kundenspezifischem Bedarf durchgeführt. Die Waren der Klasse 19 der angegriffenen Marke sind als Bauteile und Ersatzteile der Waren der Klasse 11 der Widerspruchsmarke ebenfalls im engen Ähnlichkeitsbereich.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich. Das Markenwort „AEREX“ hat im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Vergleichswaren und Dienstleistungen keine erkennbar beschreibende Bedeutung. Selbst wenn man zugunsten der Markeninhaberin von einer Assoziation der Anfangsbuchstaben „AER“ der Widerspruchsmarke mit dem in den beanspruchten Warenklassen sachlich beschreibenden Begriff „Luft“ ausgeht, so ist das Markenwort „AEREX“ in seiner Gesamtheit ein von diesem Bedeutungsgehalt deutlich wegführender Phantasiebegriff.
Zwischen den zu vergleichenden Marken besteht eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr, denn die angegriffene Marke hält den angesichts einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderlichen deutlichen Abstand zumindest in schriftbildlicher Hinsicht nicht ein.
Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr grundsätzlich ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 254 m. w. N.). Dabei sind grundsätzlich die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 237 m. w. N.).
Die gegenüberstehenden Wortmarken sind am Anfang und Ende schriftbildlich identisch. Es stehen sich die – zulässigen - Schreibweisen „AEROLEX“ und „AEREX“ bzw. „Aerolex“ und „Aerex“, sowie „aerex“ und „aerolex“ gegenüber. Sie unterscheiden sich lediglich durch die zusätzlichen Buchstaben „o“ und „l“ an vierter bzw. fünfter Stelle der angegriffenen Marke. Die übrigen fünf Buchstaben sind gleich. Derartige Unterschiede in der Wortmitte werden erfahrungsgemäß bei Markenwörtern, die – wie hier – mit fünf bzw. sieben Buchstaben keine bloßen Kurzzeichen mehr sind, vom Verkehr weniger deutlich wahrgenommen und in Erinnerung behalten als Unterschiede am Anfang oder Schluss. Verwechslungsfördernd wirkt zudem, dass die Buchstabenkombination „aer“ am Wortanfang in deutschen Sprache fast ausnahmslos im Zusammenhang mit der griechischen Vorsilbe „aer“, die bedeutungsgleich mit „aero“ ist, auftritt (vgl. Duden, Bd. 6, Aussprachewörterbuch, 4. Aufl., S. 137, von der Widersprechenden mit Schr. v. 18.7.2014 überreicht), so dass der Verkehr die Buchstabenfolgen „aer“ und „aero“ als im Wesentlichen gleichwertig wahrnimmt . Des Weiteren ist der am jeweiligen Wortende stehende Buchstabe „x“ bzw. „X“ schriftbildlich sehr markant. Die bestehenden Unterschiede durch die zusätzlichen Buchstaben „o“ und „l“ fallen demgegenüber schriftbildlich nicht entscheidend ins Gewicht. Soweit die Markeninhaberin darauf verweist, dass die angegriffene Marke bei Kleinschreibung über eine der Widerspruchsmarke fehlende Oberlänge verfüge, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Bei Großschreibung entfällt vorliegend bereits der vorgenannte Unterschied, denn beim schriftbildlichen Vergleich von Wortmarken sind alle verkehrsüblichen Schreibweisen zu berücksichtigen (vgl. nur Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 9 Rn. 182).
Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin kann auch nicht von einer gesteigerten Aufmerksamkeit des Verkehrs beim Kauf von Waren bzw. Dienstleistungen der in Rede stehenden Art ausgegangen werden. Die beanspruchten Waren umfassen auch alltägliche Produkte, denen der Verkehr nicht mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnet.
Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung fallen die geringen schriftbildlichen Unterschiede der Zeichen bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und bis zur Identität reichender, mindestens aber durchschnittlicher Ähnlichkeit der zu hier berücksichtigenden Waren und Dienstleistungen nicht ausreichend ins Gewicht, um eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr auszuschließen.
Demnach war der angefochtene Beschluss aufzuheben und insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht vorliegend kein Anlass.