Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 29.04.2014


BPatG 29.04.2014 - 24 W (pat) 521/14

Markenbeschwerdeverfahren – "Chipfilm" – Freihaltungsbedürfnis - keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
29.04.2014
Aktenzeichen:
24 W (pat) 521/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 055 365.6

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Anmelderin begehrt die Eintragung der am 25. Oktober 2012 angemeldeten Bezeichnung

2

Chipfilm.

3

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. April 2014 hat sie eine Erklärung zur Beschränkung ihres Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen abgegeben und beansprucht zuletzt noch Schutz für die folgenden Waren und Dienstleistungen:

4

(Klasse 9): Halbleiterbauelemente in Form von einzelnen Mikrochips mit integrierten elektrischen Schaltkreisen, Halbleiterbauelemente in Form von einzelnen Mikrochips mit mikromechanischen Strukturen

5

(Klasse 40): Materialbearbeitung, nämlich chemische, physikalische und/oder mechanische Bearbeitung von Halbleitermaterialien zur Herstellung von einzelnen Mikrochips mit integrierten elektrischen Schaltkreisen und/oder mikromechanischen Strukturen

6

(Klasse 42): wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen in Bezug auf die Herstellung von Halbleitermaterialien zur Herstellung von einzelnen Mikrochips mit integrierten elektrischen Schaltkreisen und/oder mikromechanischen Strukturen.

7

Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die unter der Nummer 30 2012 055 365.6 geführte Markenanmeldung mit Beschluss vom 4. April 2013 für die ursprünglich beanspruchten Waren und Dienstleistungen „(Klasse 9): Halbleiterprodukte, insbesondere Halbleiterbauelemente mit integrierten elektrischen Schaltkreisen, Halbleiterbauelemente mit mikromechanischen Strukturen und Halbleitersubstrate als Ausgangs- oder Zwischenprodukte zur Herstellung von derartigen Halbleiterbauelementen; (Klasse 40): Materialbearbeitung, insbesondere chemische, physikalische und/oder mechanische Bearbeitung von Halbleitermaterialien; (Klasse 42): wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen“ zurückgewiesen.

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Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, der beschreibenden Wortkombination „Chipfilm“ mit der Bedeutung „dünne Schicht, Überzug, Folie oder Schicht für oder in Form von Chips, integrierten Schaltungen, mikroelektronische(n) Bauteilen, Schaltkreisen oder Halbleiterplatten“ fehle für diese Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. In Verbindung mit den von der Anmeldung umfassten Waren und Dienstleistungen nähmen die hier angesprochenen Verkehrskreise die sprachüblich gebildete Wortkombination „Chipfilm“ lediglich als ohne Weiteres erkennbaren Sachhinweis auf die Eigenschaften, den Inhalt oder die Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen, jedoch nicht als individualisierenden, betrieblichen Herkunftshinweis wahr.

9

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, bei „Chipfilm“ handele es sich um ein unterscheidungskräftiges und nicht freihaltebedürftiges Zeichen. Dass es sich bei der Bezeichnung „Chipfilm“ um eine gebräuchliche Bezeichnung oder Werbeaussage im Deutschen oder in einer im Inland bekannten Fremdsprache handele, habe die Markenstelle nicht festgestellt. Das Wort „Chipfilm“ erschöpfe sich nicht ausschließlich in einer Bezeichnung, die in sprachüblicher Weise und ohne die nach Auffassung der Anmelderin hierzu erforderlichen, mehreren gedanklichen Schritte auf die Qualität oder Beschaffenheit der beanspruchten Waren- und Dienstleistungen hinweise. Dünne Folien oder Schichten hätten im Zusammenhang mit dem Wortbestandteil „Chip“ keine klare Bedeutung, denn sie würden weder für Chips, integrierte Schaltungen, mikroelektronische Bauteile, Schaltkreise und Halbleiterplatten verwendet, noch kennzeichneten sie diese; sie seien weder als Herstellungs- oder Verpackungsmaterial gebräuchlich, noch identifizierten sie eine bestimmte Eigenschaft in oder an Chips, integrierten Schaltungen, mikroelektronischen Bauteilen, Schaltkreisen oder Halbleiterplatten.

10

Beschreibend für spezielle Chips oder Produktions- oder Designverfahren zum Herstellen dieser wäre allenfalls eine Wortkombination wie „Filmchip“, nicht jedoch das hier beanspruchte Zeichen „Chipfilm“. Für die hier ganz überwiegend angesprochenen Fachverkehrskreise sei die Bedeutung „dünne Schicht für einen Chip“ bedeutungslos, weil bei der Herstellung von Verarbeitung von Halbleitern stets in dünnen Schichten gearbeitet werde. Schließlich sei dem Verkehr eine Vielzahl eingetragener Marken bekannt, die Schutz für Waren der Klasse 9 beanspruchten und mit dem Wortbestandteil „Chip“ begännen, wie beispielsweise „Chipsize“ Reg.-Nr. 2071640) oder „Chipdisk“ (Reg.-Nr. 369496849).

11

Die Anmelderin beantragt,

12

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2013 aufzuheben.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

14

Die zulässige, insbesondere nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG statthafte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Einer Eintragung der Marke „Chipfilm“ stehen auch für die zuletzt noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 40 und 42 die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen. „Chipfilm“ stellt für die nach erklärter Beschränkung noch im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis verbliebenen Waren und Dienstleistungen eine nicht unterscheidungskräftige, zugleich im Interesse der Mitbewerber der Anmelderin freihaltebedürftige Merkmalsbeschreibung dar.

1.

15

Für die Prüfung von Schutzhindernissen maßgeblich ist die durch die Anmelderin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. April 2014 veränderte Fassung ihres Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen. Denn durch ihre in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebene Erklärung hat die Anmelderin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ihrer Markenanmeldung 30 2012 055 365.6 „Chipfilm“ nach Maßgabe des § 39 Abs. 1 MarkenG wirksam beschränkt.

2.

16

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dürfen Marken nicht eingetragen werden, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, für welche die Eintragung beantragt wird. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 265). Es genügt also, wenn das schutzsuchende Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 30, 31 - Chiemsee; GRUR 2004, 674, Rn. 56 - Postkantoor).

17

Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen, wobei auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, und für die Beurteilung des beschreibenden Charakters nicht notwendig die Sprach- und Branchenkenntnisse inländischer Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Waren und Dienstleistungen entscheidungserheblich sind (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Nr. 29 - Chiemsee; GRUR 2006, 411, Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 8 Rn. 100; Ströbele MarkenR 2006, 433, 435).

18

Die eingangs genannten, nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 40 und 42 richten sich vorwiegend an den inländischen Fachverkehr für Halbleiterbauelemente und deren Be- und Verarbeitung sowie zusätzlich an interessierte Laien.

19

Die angemeldete Bezeichnung ist in sprachüblicher Weise aus den Wortbestandteilen „Chip“ und „Film“ zusammengesetzt. Der aus der englischen Sprache stammende Wortbestandteil „Chip“ hat, wie sich aus den von der Anmelderin in das patentamtliche Verfahren selbst eingebrachten Belegen ergibt, auch in Alleinstellung u. a. die Bedeutung „kleine Platte aus Halbleitermaterial, auf der elektronische Halbleiterschaltungen untergebracht sind“ (vgl. die Anlagen zum Schriftsatz der Anmelderin vom 11. März 2013), während das weitere Wortelement „Film“ in der englischen Sprache u. a. die Bedeutung „(hauch-) dünne Schicht, Überzug“ hat (vgl. Langenscheidt Muret-Sanders, Großwörterbuch Englisch-Deutsch, Neubearb. 2010, S. 369, der Anmelderin als Anlage 1 zum Senatshinweis vom 2. April 2014 mitgeteilt). Im Bereich der Elektronik wird der Begriff „Film“ in entsprechendem Sinne auch verwendet, so z. B. in der englischsprachigen Bezeichnung „Thin-film transistor (TFT)“ für einen Dünnschichttransistor.

20

In seiner Wortbildung und Zusammenschreibung entspricht „Chipfilm“ der im Deutschen üblichen Bildung eines Determinativkompositums, dessen erstes Glied, hier „Chip“, das Bestimmungswort bzw. Determinans mit dem Zweitglied, dem Grundwort oder Determinativum, hier „film“, in einem Subordinationsverhältnis verbindet. Für die hier angesprochenen Verkehrskreise bezeichnet das sprachüblich gebildete Markenwort „Chipfilm“ daher ohne eine mehrere Gedankenschritte erfordernde, analysierende Betrachtungsweise einen Film für einen (Mikro-)Chip oder auch einen hauchdünnen Chip in Form eines Films.

21

Die hier in Klasse 9 beanspruchten Halbleiterbauelemente in Form von einzelnen Mikrochips mit integrierten elektrischen Schaltkreisen und mit mikromechanischen Strukturen können durch das sukzessive Auftragen von sehr dünnen Materialschichten gewonnen oder mit dünnen, atomaren Schichten versehen werden, die aufgedampft und auch als „Film“ bezeichnet werden. Dünne Silizium-Chips können in der Mikroelektronik, in der Mikrosystemtechnik und in der Medizintechnik zum Einsatz kommen. Halbleiterbauelemente bzw. Mikrochips können zur Herstellung flexibler elektronischer Bauteile entweder selbst als biegsames Bauteil hergestellt oder zum Schutz vor Umwelteinflüssen beschichtet bzw. in eine Folie laminiert oder in eine bestehende Beschichtung eingebettet werden. Folglich stellt „Chipfilm“ für die von der Anmelderin in Klasse 9 beanspruchten Waren eine Merkmalsbezeichnung dar.

22

Gleiches gilt für die in Klasse 40 beanspruchten Dienstleistungen zur Bearbeitung von Halbleitermaterialien zur Herstellung von Mikrochips, denn diese können sich mit der Applikation eines „Chipfilms“, also mit der Beschichtung von Mikrochips bzw. der Herstellung von Dünnfilm-Chips befassen.

23

Auch die in Klasse 42 beanspruchten wissenschaftlichen und technologischen Dienstleistungen werden ausdrücklich mit Bezug auf die Herstellung von Halbleitermaterialien zur Herstellung von einzelnen Mikrochips mit integrierten elektrischen Schaltkreisen und/oder mikromechanischen Strukturen beansprucht. Für sie kann „Chipfilm“ ebenfalls eine Sachangabe darstellen, denn sie können die Beschichtung von Mikrochips bzw. der Herstellung von Dünnfilm-Chips zum Gegenstand haben.

24

Dass es sich bei „Chipfilm" um eine in der Bundesrepublik Deutschland durch die Anmelderin erstmals verwendete Wortneuschöpfung handeln könnte, verhilft dem Zeichen nicht zur Schutzfähigkeit. Die Neuheit einer Wortbildung ist weder eine unabdingbare Voraussetzung für deren Eintragungsfähigkeit, noch begründet sie für sich gesehen eine hinreichende Unterscheidungskraft (vgl. EuGH GRUR 2006, 680 (Rn. 39–41) - Biomild; Ströbele, Ströbele/Hacker, a. a. O). Dass die beanspruchte Wortkombination als solche der üblichen Art und Weise bekannter Bezeichnungen der beanspruchten Waren entspricht (EuGH GRUR 1999, 723 (Rn. 29) - Chiemsee) oder in ihrer Gesamtheit bereits in enzyklopädische Werke eingegangen ist, wird zur Verneinung der Schutzfähigkeit eines Zeichens ebenfalls nicht vorausgesetzt. Das gilt umso mehr, als der Verkehr, insbesondere der Fachverkehr für die sich derzeit schnell entwickelnde Halbleitertechnologie, daran gewöhnt ist, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen und Abbildungen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen (vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl. 2009, § 8, Rn. 379).

25

Aus der Schutzgewährung für andere Marken wie „Chipsize“ (Reg.-Nr. 2071640) und „Chipdisk“ (Reg.-Nr. 369496849) kann die Anmelderin keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, führen Voreintragungen jedweder Zeichen weder für sich genommen, noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 (Rn. 39) - Terranus; GRUR 2004, 674 (Rn. 43, 44) - Postkantoor; GRUR 2004, 428 (Rn. 63) - Henkel; BPatG MarkenR 2007, 351, 352 f. - Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. - Papaya; GRUR 2010, 423 - amazing discoveries; GRUR 2010, 425 - Volksflat).

26

Für die nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist der Begriff „Chipfilm“ als beschreibende Sachangabe daher im Interesse von Mitbewerbern der Anmelderin freihaltebedürftig und gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

3.

27

Zusätzlich fehlt ihm für diese Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise werden „Chipfilm“ ohne tiefer gehende Überlegungen als Merkmalsbeschreibung, jedoch nicht als Angabe zur unternehmerischen Herkunft der nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen auffassen.

28

Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.