Entscheidungsdatum: 15.04.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2012 013 613
(hier: Kostenauferlegung)
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 15. April 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich und der Richter Heimen und Schmid
beschlossen:
Kosten werden nicht auferlegt.
I.
Gegen die prioritätsjüngere, für Waren der Klasse 4 und diverse Dienstleistungen der Klassen 35, 39 und 40 eingetragene Marke 30 2012 013 613
hatte die Widersprechende aus der für diverse Dienstleistungen der Klassen 35, 39, 40, 42 eigetragenen Wort-/Bildmarke 301 04 463
und der geschäftlichen Bezeichnung
Naturstrom
Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche mit Beschluss vom 3. Februar 2014 zurückgewiesen. Die Widersprechende hat dagegen Beschwerde erhoben. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25. November 2014 hat sie die beschwerdegegenständlichen Widersprüche mit Schriftsatz vom 14. Januar 2015 zurückgenommen.
Die Markeninhaberin hat beantragt, der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Sie ist der Auffassung, eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen sei angezeigt, da die Widersprechende ihren Widerspruch auf einen aus Sicht der Markeninhaberin offenkundig schutzunfähigen Markenbestandteil, den Begriff „Naturstrom“, gestützt habe. Soweit die Widersprechende Unterlagen zum Beleg einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eingereicht habe, seien diese hierfür ungeeignet gewesen, was auch von Anfang an offenkundig gewesen sei und die Markenstelle auch festgestellt habe. Gleichwohl habe die Widersprechende Beschwerde eingelegt.
Die Widersprechende ist der Auffassung, eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen komme vorliegend nicht in Betracht. Sie habe nicht nur aus einer Marke, sondern auch aus einer geschäftlichen Bezeichnung Widerspruch erhoben und umfangreiche Unterlagen zur Nutzung der Widerspruchszeichen vorgelegt. Ein Fehlen der Verwechslungsgefahr sei im vorliegenden Fall nicht offensichtlich gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 MarkenG ist vorliegend nicht veranlasst.
Zwar kann in einem Widerspruchs-Beschwerdeverfahren eine Kostenauferlegung in Betracht kommen, wenn sich ersichtlich unähnliche Marken gegenüberstehen, wobei dies auch dann der Fall sein kann, wenn es sich um mehrgliedrige Marken handelt, die nur in einem offensichtlich schutzunfähigen Bestandteil übereinstimmen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 71, Rn. 14 m. w. N.). Allerdings wird dies nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein, zumal nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits die Übereinstimmung von zwei mehrteiligen Zeichen in einem nur unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftigen Bestandteil zur Bejahung einer Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt einer selbständig kennzeichnenden Stellung führen kann (vgl. z. B. BGH GRUR 2013, 833, Tz. 50 – Culinaria/Villa Culinaria). Ungeachtet der Frage, ob es sich insoweit um eine konsistente, Wertungswidersprüche vermeidende und europarechtskonforme Rechtsprechung handelt (vgl. dazu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rn. 459 f.), wobei wiederum nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass selbst die Rechtsprechung des EuGH eine rechtlich relevante Zeichenähnlichkeit mitunter aus sogar schutzunfähigen Markenelementen herleitet (vgl. EuGH, Beschluss vom 29. November 2012, C-42/12, Tz. 63 – ALPINE PRO/alpine; siehe dazu kritisch und aus Sicht des Senats zutreffend: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdn. 335), ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Frage der Verwechslungsgefahr mehrteiliger Marken nur anhand einer komplexen Beurteilung letztlich aller konkreter Einzelfallumstände beantwortet werden kann (vgl. insoweit auch BGH GRUR 2012, 64, Tz. 17 a. E. – Maalox/Melox-GRY). Dann aber kann in derartigen Fällen eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen grundsätzlich nur dann angezeigt sein, wenn sich das Fehlen einer Verwechslungsgefahr aus den vorgetragenen Tatsachen und den dazu vorgelegten Unterlagen offenkundig, gleichsam auf den ersten Blick ergibt.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Insbesondere hat die Widersprechende u. a. eine kraft Benutzung der Widerspruchsmarke erhöhte Kennzeichnungskraft behauptet und insoweit sowohl im Verfahren vor der Markenstelle als auch ergänzend im Beschwerdeverfahren weitere, jeweils für sich zu überprüfende Unterlagen vorgelegt, während zur Beurteilung des Vorliegens und des Umfangs einer entscheidungserheblichen Kennzeichnungsschwäche des Markenbestandteils „Naturstrom“ wie auch der entsprechenden geschäftlichen Bezeichnung und deren Gewichtung im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung eine eingehende Senatsrecherche erforderlich war (vgl. die Anlagen 1 – 5 zum Ladungshinweis vom 6. Oktober 2014, Bl. 46 – 65 d. A.). Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Fehlen einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall ohne weiteres offenkundig war, so dass mithin eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nicht angezeigt war.
Da gegen den vorliegenden Beschluss eine Rechtsbeschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 83 MarkenG i. V. m. § 99 Abs. 1 ZPO als nicht statthaft zu erachten ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 71, Rn. 10 und § 83, Rn. 11), ist eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht veranlasst.