Entscheidungsdatum: 20.03.2012
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 307 52 464
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters am Oberlandesgericht Heimen
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
I.
Am 10. August 2007 ist die Wortbildmarke
ursprünglich für Waren aus den Klassen 3, 14 und 25, nämlich
„Kosmetik; Schmuck; Unterwäsche“
beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und am 4. April 2008 entsprechend dieser Anmeldung unter der Nr. 307 52 464.7 in das Register eingetragen worden.
Dagegen ist Widerspruch eingelegt worden aus der am 3. Januar 1986 in das Markenregister eingetragenen Wortmarke Nr. 1 086 187
IMAGINE
die für folgende Waren der Klasse 25 Schutz genießt:
„Oberbekleidung und Schuhe“.
Bereits im patentamtlichen Verfahren haben die Verfahrensbeteiligten unstreitig gestellt, dass die Widerspruchsmarke nur für Jeans und Shirts benutzt wird.
Mit Beschluss vom 2. März 2010 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts den Widerspruch zurückgewiesen. Im Bereich der Waren der Klassen 3 und 14 der angegriffenen Marke sei eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr schon deswegen ausgeschlossen, weil diese Waren den Waren der Widerspruchsmarke in der Klasse 25 unter keinem Gesichtspunkt ähnlich seien. Warenähnlichkeit bestehe nur insoweit, als die angegriffene Marke - damals noch - Schutz für Waren der Klasse 25 genoss. Auch in Bezug auf diese Warengruppe hat die Prüferin eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen mit der Begründung, dass die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken in Wort und Bild für eine sichere Unterscheidung auch durch die angesprochenen weitesten Verkehrskreise ausreichten.
Mit ihrer Beschwerde vom 12. März 2010 gegen den Beschluss vom 2. März 2010 verfolgt die Widersprechende weiter die Löschung der angegriffenen Marke.
Die Widersprechende, die in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, hat im Laufe des Verfahrens den Schwerpunkt ihrer Argumentation auf eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im Bereich der Klasse 25 gelegt, für die - bis zur Verzichtserklärung der Markeninhaberin - auch die angegriffene Marke Schutz genoss. Zur Frage nach der Warenähnlichkeit im Bereich der Waren der Klassen 3 und 14, für die nur die angegriffene Marke Schutz genießt, hat sich die Widersprechende im Wesentlichen auf zwei Beschlüsse des Bundespatentgerichts berufen. Im Übrigen beansprucht die Widersprechende für ihre Marke durchschnittliche Kennzeichnungskraft und meint, dass sich die Vergleichszeichen in hohem Maße ähnlich seien, weil sich bei markenrechtlicher Betrachtung nur die identischen Wörter „Imagine“ gegenüberstünden. Der Wortbestandteil „Imagine“ nehme in der angegriffenen Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung ein und präge deren Gesamteindruck, weil die übrigen Wortbestandteile „Dessous & Cosmetics“ lediglich warenbeschreibend seien und der Verkehr diesen glatt beschreibenden Elementen keine herkunftsbezeichnende Wirkung beimesse. Der Bildbestandteil, der hauptsächlich aus einem rosafarbenen Orchideenblütenzweig bestehe, sei nur dekorativ.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. März 2010 aufzuheben und die Marke Nr. 307 52 464 wegen des Widerspruchs aus der Marke Nr. 1086187 zu löschen.
Die Anmelderin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung das Warenverzeichnis ihrer Marke beschränkt, indem sie auf die Waren der Klasse 25 („Unterwäsche“) verzichtet und die Waren der Klasse 14 beschränkt hat auf „echte Schmuckwaren“.
Die Anmelderin meint, dass jedenfalls nach der Beschränkung des Warenverzeichnisses ihrer Marke zwischen den Vergleichswaren keine Ähnlichkeit bestehe, und ist im Übrigen der Auffassung, dass die Unterschiede zwischen den Vergleichszeichen für einen sicheren Ausschluss jeder markenrechtlichen Verwechslungsgefahr genügten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, denn zwischen den Vergleichsmarken besteht keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr i. S. v. §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MarkenG, 42, 165 Abs. 2 MarkenG.
Ob Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen und der bei der Auswahl zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 - BAINBRIDGE; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 - SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren s. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 9 Rdn. 40, 41). Eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren kann dabei nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden (EuGH GRUR 1998, 922 - Canon; vgl. auch Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 26, 27, 34, 67, 68 m. w. Nachw.). So verhält es sich hier:
Die für die jüngere Marke (jetzt noch) registrierten Waren „Kosmetik“ der Klasse 3 und „echte Schmuckwaren“ der Klasse 14 sind Oberbekleidung in der Form traditioneller Masseartikel, wie es die „Jeans“ und „Shirts“ der Klasse 25 sind, für die die Widerspruchsmarke unstreitig nur benutzt wird, unter keinem Gesichtspunkt ähnlich (zur Ähnlichkeit von Oberbekleidung der Klasse 25 einerseits mit Kosmetik der Klasse 3 sowie Schmuckwaren der Klasse 14 vgl. bereits BPatG Beschluss vom 23. Februar 2010, 24 W (pat) 87/08 - Noor./.noor; Beschluss vom 20. April 2004, 24 W (pat) 89/03 - Clarisse./.Clarins; Beschluss vom 26. November 2002, 24 W (pat) 39/02 - SUNPOINT./.Sun Island; Beschluss vom 13. Juli 1999, 24 W (pat) 134/98 in PAVIS PROMA).
Nach Art, Beschaffenheit, Verwendungszweck und Nutzung weisen die „Jeans“ und „Shirts“ der Widerspruchsmarke einerseits und die „Kosmetik“ und „echten Schmuckwaren“ der angegriffenen Marke andererseits keine hinreichenden Berührungspunkte auf. Die Vergleichswaren stammen regelmäßig nicht aus denselben Herkunftsbetrieben - selbst wenn insoweit nicht nur auf Produktionsstätten im engeren Sinne abgestellt wird - und werden gewöhnlich auch nicht unter der Qualitätskontrolle eines Unternehmens erzeugt. Sofern - wohl eher in Ausnahmefällen - ein gemeinsamer Vertrieb in räumlicher Nähe erfolgen sollte, käme dem für sich gesehen keine maßgebliche Bedeutung zu (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 88).
Die sich gegenüberstehenden Waren können auch nicht als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Erzeugnisse angesehen werden. Selbst wenn man den Begriff der einander ergänzenden Waren nicht nur in einem funktionalen Sinn versteht, sondern in den Bereichen der Mode und der Produkte für die Pflege des äußeren Erscheinungsbildes auch auf ein ästhetisches Ergänzungsverhältnis abstellt (vgl. EuG GRUR-RR 2007, 347, Nr. 35 bis 37 - TOSCA BLU), kann im vorliegenden Fall nicht von Warenähnlichkeit ausgegangen werden. Denn Voraussetzung wäre, dass die eine Ware für die Verwendung der anderen so unentbehrlich oder wichtig ist, dass die Verbraucher es als üblich und normal empfinden, die fraglichen Erzeugnisse zusammen zu benutzen, und dass sie die Vermarktung dieser Waren unter derselben Marke als gängig ansehen, was normalerweise impliziert, dass die jeweiligen Hersteller oder Händler der Produkte großen Teils dieselben sind (vgl. EuG GRUR-RR 2005, 344, Nr. 63 - SISSI ROSSI). Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben.
Schließlich lässt sich eine markenrechtliche Ähnlichkeit zwischen den Vergleichswaren vorliegend nicht allein mit den im Mode- und Luxusgüterbereich - gelegentlich - feststellbaren Vermarktungsstrategien und Lizenzpraktiken begründen, wonach „Jeans“ und „Shirts“ der Klasse 25 einerseits und andererseits „Kosmetik“ der Klasse 3, eventuell auch „echte Schmuckwaren“ der Klasse 14 unter derselben Marke vertrieben werden können. Zu dieser Praxis hat der Bundesgerichtshof mehrfach festgestellt (vgl. GRUR 2004, 594, 596 re. Sp. - Ferrari-Pferd; GRUR 2006, 941, Nr. 12, 14 - TOSCA BLU), dass allein aus der Erteilung von Lizenzen für andere als diejenigen Waren, für die der Markenschutz gilt, keine Anhaltspunkte für eine Warenähnlichkeit abgeleitet werden können. Eine an sich bestehende (absolute) Warenunähnlichkeit - wie sie vorliegend gegeben ist - kann mit einer solchen Praxis, die auf der Erfahrung beruht, dass sich die positiven Assoziationen, welche bekannte, als exklusiv geltende Marken erwecken, auch für völlig andere Produkte nutzbar machen lassen, nicht überwunden werden.
Im Übrigen ist die Frage, ob solche Lizenz- und Marketingpraktiken zumindest eine entfernte markenrechtliche Ähnlichkeit zwischen den betroffenen Waren begründen können, bisher nur im Zusammenhang mit berühmten, jedenfalls aber bekannten Marken aufgeworfen worden. Dass die Widerspruchsmarke zu dieser Kategorie gehören würde, hat der Senat nicht feststellen können. Die Widersprechende hat dazu nicht ausdrücklich vorgetragen und ihre Meinung, wonach die Widerspruchsmarke jedenfalls eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft habe, nur auf die Tatsachen gestützt, die sie zur Benutzung vorgetragen hat. Danach sind unter der Widerspruchsmarke in der Zeit vom Jahre 2000 bis zum Jahre 2007 einschließlich mit den Waren „Jeans“ und „Shirts“ jährliche Umsätze von bis zu € … erzielt worden. Da Jeans und Shirts traditionelle Masseartikel im Bereich der – sportlichen - Oberbekleidung sind, können diese geringen Umsätze für sich genommen keine allgemeine Bekanntheit der Widerspruchsmarke belegen. Dass die unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Waren exklusiv gewesen wären und die Widerspruchsmarke dadurch eine allgemeine Bekanntheit erreicht hätte, hat die Widersprechende nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht erkennbar.
Diesen Feststellungen stehen auch die Entscheidungen des 27. Marken-Beschwerdesenats, auf die sich die Widersprechende berufen hat, nicht entgegen. In dem Beschluss vom 10. Februar 2004, 27 W (pat) 118/03 - ENZO LAZZARO./. AZZARO - wird lediglich die Möglichkeit einer entfernten Ähnlichkeit zwischen Bekleidungsstücken einerseits und Kosmetik andererseits nur für den Fall einer bekannten Widerspruchsmarke nicht ganz ausgeschlossen. Das ist auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil sich nicht feststellen ließ, dass die Widerspruchsmarke „IMAGINE“ den dazu notwendigen Grad der Bekanntheit erreicht hätte. In dem nur wenig später ergangenen Beschluss vom 23. November 2004, 27 W (pat) 47/02 - Formel 1./.F Formula 1 - wird unter Hinweis auf BGH GRUR 2004, 594 ff. - Ferrari-Pferd - für die Waren „Kosmetik“ und „Bekleidungsstücken“ Warenunähnlichkeit festgestellt. Soweit im selben Beschluss eine Ähnlichkeit zwischen „Schmuckwaren“ der Klasse 14 einerseits und „Bekleidungsstücken“ der Klasse 25 festgestellt worden ist, gilt diese Feststellung ausdrücklich nur für „Modeschmuck“, den hier die Markeninhaberin durch die Formulierung „echte Schmuckwaren“ in ihrem Warenverzeichnis nicht beansprucht.
Aus diesen Gründen konnte der Widerspruch auch im Beschwerdeverfahren keinen Erfolg haben.
Dafür, einem der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG), bestand kein Anlass.