Entscheidungsdatum: 17.07.2012
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 304 66 859.1
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 17. Juli 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters am Oberlandesgericht Heimen
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die Wort/-Bildmarke 304 66 859.1
ist am 24. November 2004 für die Waren und Dienstleistungen
"Klasse 9: Computerprogramme (gespeichert); Computer-Software (gespeichert); Computerbetriebsprogramme (gespeichert); Computerprogramme (herunterladbar);
Klasse 35: Dateienverwaltung mittels Computer; Nachforschungen in Computerdateien (für Dritte); organisatorisches Projektmanagement im EDV- Bereich; Systematisierung von Dateien in Computerdatenbanken; Zusammenstellung von Dateien in Computerdatenbanken;
Klasse 42: Aktualisieren von Computersoftware; Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen; Computerberatungsdienste; Computersoftwareberatung; Computersystemdesign; Computersystemanalysen; Design von Computersoftware; Dienstleistungen eines EDV-Programmierers; EDV-Beratung; Erstellung von Computeranimationen; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung; Implementierung von EDV-Programmen in Netzwerken; Installieren von Computerprogrammen; Konfiguration von Computer-Netzwerken durch Software; Konvertieren von Computerprogrammen und Daten (ausgenommen physische Veränderung); Kopieren von Computerprogrammen; Technisches Projektmanagement im EDV-Bereich; Vermietung von Computer Software; Wartung von Computer-Software; Wiederherstellung von Computerdaten"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Eine erste Beanstandung mit Bescheid vom 3. März 2005 hat die Markenstelle für Klasse 42 mit Bescheid vom 19. Mai 2005 aufrechterhalten und um Hinweise zur Glaubhaftmachung einer ausreichenden Verkehrsdurchsetzung ergänzt.
Daraufhin hat die Anmelderin mitgeteilt, dass sich ihr Zeichen hauptsächlich an die deutschen Kommunalverwaltungen richte. Derzeit gebe es bundesweit rund 13.000 Kommunen und 327 Kreisverwaltungen sowie 4.500 - 4.800 Kommunalverwaltungen. Mit Schriftsatz vom 26. August 2005 hat die Anmelderin zu Marktanteilen und Werbeaktivitäten vorgetragen.
Mit Bescheid vom 14. September 2005 hat die Markenstelle festgestellt, die Anmelderin habe eine Verkehrsdurchsetzung ihrer Marke hinreichend glaubhaft gemacht und Verkehrsbefragungen durch die Industrie- und Handelskammern in Aussicht gestellt. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2006 hat sie der Anmelderin mitgeteilt, dass der Deutsche Industrie- und Handelskammertag eine Befragung über kommunale Dachverbände wie den Deutschen Städtetag, den Gemeindetag oder den Landkreistag vorgeschlagen habe, die die Anmelderin auf ihre Kosten in Auftrag geben möge. Auf Rückfrage der Markenstelle mit Bescheid vom 4. Dezember 2007 hat die Anmelderin unter dem 9. Juni 2008 alsdann angekündigt, eine Umfrage über die kommunalen Dachverbände, den Deutschen Städtetag, den Gemeindetag und den Landkreistag zu lancieren. Zwei Sachstandsanfragen der Markenstelle mit Gelegenheit zur Äußerung binnen zwei Monaten vom 21. Oktober 2008 und vom 18. August 2009 sind unbeantwortet geblieben. In ihrer Mitteilung vom 18. August 2009 hat die Markenstelle ergänzend darauf hingewiesen, dass die Anmelderin mit einer Zurückweisung ihrer Anmeldung durch Beschluss rechnen müsse, sofern sie die gesetzte Frist fruchtlos verstreichen lasse.
Schließlich hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Marken-amts die Anmeldung mit Beschluss vom 12. Januar 2010 zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat sie damit begründet, dass es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine freihaltebedürftige, für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibende Sachangabe handele, welcher zugleich jegliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. Ihr Sinngehalt erschöpfe sich in einem Sachhinweis darauf, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen für die doppelte Buchführung geschaffen und bestimmt seien oder einer professionellen doppelten Buchführung dienten. Seine graphische Ausgestaltung vermöge die Schutzunfähigkeit des Anmeldezeichens nicht zu beseitigen. Den zur behaupteten Verkehrsdurchsetzung erforderlichen Nachweis habe die Anmelderin nicht erbracht.
Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Anmelderin, welche diese nicht begründet hat, hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 20. September 2010 aus den bereits dargelegten Gründen zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde vom 18. Oktober 2010, die sie ebenfalls nicht begründet hat.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Januar und 20. September 2010 aufzuheben.
Auf eine Hinweisverfügung des Senats vom 12. April 2012 hin hat sich die Anmelderin nicht geäußert. Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Anmeldezeichen ist nicht schutzfähig, weil ihm das notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehlt, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, und dieses Schutzhindernis nicht im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden worden ist, § 8 Abs. 3 MarkenG.
Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 - Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 - Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 - EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 - Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 - FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Für die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist das Anmeldezeichen daher nicht schutzfähig.
Seinem Wortbestandteil "pro Doppik" kommt, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, die Bedeutung "für eine doppelte Buchführung" zu. Damit geht die Bedeutung der Wortkombination nicht über die Summe ihrer Bestandteile hinaus. "Pro" ist der lateinische, in die deutsche Sprache eingegangene Ausdruck für "vor, für, anstatt" (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 (CD-ROM)). "Doppik" bedeutet "doppelte Buchführung" und hat sich in Anlehnung an den Begriff "Kameralistik" als Kunstwort etabliert (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 (CD-ROM)). Damit ist das Zeichen eine beschreibende Sachangabe zum Verwendungszweck aller beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Wie dem Senat aus eigener Erfahrung bekannt ist, ist die computergestützte Rechnungslegung im Deutschland seit vielen Jahren Standard. Die hier beanspruchten computergestützten Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 können für eine doppelte Buchführung bestimmt sein, oder sie stehen zu ihr in einem engen sachlichen beschreibenden Bezug, der sich den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres aufdrängt (vgl. EuG GRUR Int. 2006, 1021, Rn. 50, 51 – map & guide; bestätigt durch EuGH GRUR-RR 2008, 47, Rn. 38 – 42 – map & guide; Ströbele, Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2011, Rn. 81 zu § 8). Zu den durch eine doppelte Buchführung angesprochenen Verkehrskreisen zählen zumindest alle Körperschaften des öffentlichen Rechts und alle Unternehmen der Privatwirtschaft, welche sich einer Rechnungslegung bedienen oder sich mit der Einführung einer solchen befassen. Weil der Einsatz von Computern bei der Erstellung, Bearbeitung und Einführung einer Rechnungslegung in Form einer doppelten Buchführung aus der inländischen Praxis heutzutage nicht mehr wegzudenken ist, werden diese Verkehrskreise "Pro Doppik" auch dann für eine Sachangabe halten, wenn ihnen das Anmeldezeichen als Kennzeichnung der hier in den Klassen 35 und 42 beanspruchten, universell einsetzbaren, computergestützten Dienstleistungen begegnet. Als betrieblichen Herkunftshinweis werden sie das Zeichen demgegenüber nicht auffassen.
Seine graphische Ausgestaltung verhilft dem Anmeldezeichen nicht zur Schutzfähigkeit, denn sie weist keine charakteristischen Gestaltungselemente auf. Der Verkehr ist an die Verwendung mehrerer Schriftfarben (vgl. BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 20, 21) - VISAGE; GRUR 2009, 954 (Nr. 17) - Kinder III; GRUR 2010, 640 (Nr. 16, 17) - hey!; Ströbele, Hacker/Ströbele, Markengesetz, 10. Aufl. 2011, Rn. 155 zu § 8); und an Begriffe gewöhnt, deren aus zwei Wörtern bestehende Wortbestandteile in ihrer Höhe zueinander versetzt dargestellt werden (vgl. BPatG 24 W (pat) 357/03, Entsch. v. 10. Oktober 2004 – Web Hits; BPatG 24 W (pat) 23/04, Entsch. v. 24. Mai 2006 – internet print service). Sowohl den Schriftfarben als auch der Anordnung der Wortbestandteile zueinander kommt lediglich dekorative Funktion, auch in ihrer Kombination jedoch keine schutzbegründende Bedeutung zu. Geringe Veränderungen, zum Beispiel die einfache grafische Ausgestaltung von Schriftzügen, vermögen umso weniger die erforderliche Unterscheidungskraft zu begründen, je deutlicher ein sachlicher Bezug des Wortbestandteils zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen erkennbar ist, weil insoweit nicht der Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern die sachbezogene Aussage im Vordergrund steht (vgl. BGH GRUR 2001, 1153 - antiKALK; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 20, 21) - VISAGE; GRUR 2009, 954 (Nr. 17) - Kinder III; GRUR 2010, 640 (Nr. 16, 17) - hey!; Ströbele, Hacker/Ströbele, a. a. O., Rn. 150 zu § 8).
Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG ist nicht im Wege der Verkehrsdurchsetzung überwunden worden, § 8 Abs. 3 MarkenG.
Amts- oder gerichtsbekannt ist die Verkehrsdurchsetzung des Anmeldezeichens nicht. Die Anmelderin hat eine Verkehrsdurchsetzung ihres Zeichens in den beteiligten Verkehrskreisen nicht nachgewiesen.
Entgegen der von der Markenstelle am 14. September 2005 getroffenen Feststellung hat die Anmelderin eine Verkehrsdurchsetzung ihres Zeichens auch nicht entsprechend § 291 ZPO glaubhaft gemacht. Hierauf hat der Senat die Anmelderin mit Verfügung vom 12. April 2012 rechtzeitig hingewiesen. Diese hat sich innerhalb gesetzter Frist nicht geäußert.
Dargelegt hat die Anmelderin in ihrem Schriftsatz vom 26. August 2005, dass die von ihr entwickelte Sammlung von integrierten Programmkomponenten, die sie unter ihrer Markenanmeldung vertreibe, ein Rechnungswesen der kommunalen Gebietskörperschaften betreffe und lediglich u. a. Softwarekomponenten für den Umstieg vom kameralistischen auf das doppische Rechnungswesen enthalte. Weiter hat sie Angaben zu Marktanteilen in den Kreisverwaltungen (mehr als 10 %) und in einzelnen Bundesländern (Brandenburg: 39,5 %, Sachsen: 18 %, Thüringen: 17,5 %, Niedersachsen: 9 %) gemacht und darauf hingewiesen, dass die öffentlichen Verwaltungen in der Verwaltungspraxis herstellerneutrale Produktbezeichnungen verwendeten. Die Marke bzw. den Begriff "pro Doppik" verwende sie seit August 2004 in Werbematerialien und Anzeigen mit näher bezeichneter Auflagenstärke sowie in Produktpräsentationen auf Veranstaltungen, die sich unter anderem mit kommunaler Verwaltung und kommunalem Finanzwesen befassten. Als Zielmarkt hat sie ca. 4.500 - 4.800 kommunale Verwaltungen bezeichnet.
Diese Gruppe potentieller Anwender der von der Anmelderin vertriebenen Software deckt sich jedoch nicht mit den für die Frage einer Verkehrsdurchsetzung maßgeblichen, beteiligten Verkehrskreisen. Über die von der Anmelderin avisierten Kreisverwaltungen bzw. kommunalen Gebietskörperschaften hinaus handelt es sich dabei um alle Kreise, in denen die Marke Verwendung finden oder Auswirkungen zeitigen kann, wobei eine an den objektiven Merkmalen der Waren und Dienstleistungen und nicht eine an subjektiven Vermarktungsstrategien des Anmelders orientierte Betrachtung angezeigt ist (vgl. BGH GRUR 1986, 894, 895 - OCM; GRUR 1990, 360, 361 – Apropos Film II; GRUR 2008, 710 (Nr. 32-35) - VISAGE; GRUR 2009, 411 (Nr. 12) - STREETBALL; Ströbele, a. a. O., Rn. 499 zu § 8). Eine Beschränkung auf bestimmte Abnehmerkreise ist nur erheblich, wenn sie auf objektiven Merkmalen der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beruht (BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 32) – VISAGE; Ströbele, a. a. O., Rn. 505 zu § 8). Derartige Merkmale hat die Anmelderin weder benannt, noch zur Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses verwendet. In ihrem Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen beansprucht sie in den Klassen 9, 35 und 42 Schutz für ihr Zeichen ohne spezifischen Bezug zu kommunaler Finanzverwaltung. Die Marke "pro Doppik" richtet sich somit nicht etwa nur an inländische Kreisverwaltungen oder kommunale Gebietskörperschaften, sondern zumindest auch an alle Körperschaften des öffentlichen Rechts und alle Unternehmen der Privatwirtschaft, die eine computergestützte Rechnungslegung nach den Grundsätzen der doppelten Buchführung betreiben. Wie der Senat der Anmelderin bereits mitgeteilt hat, reichen daher die zur Akte gereichten Belege zur Glaubhaftmachung einer Verkehrsdurchsetzung nicht aus.
Der Beschwerde war daher der Erfolg zu versagen.