Entscheidungsdatum: 25.10.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 307 36 803
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 25. Oktober 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Bayer und des Richters Paetzold
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Der Widersprechenden werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
I.
Die Wortmarke
REVITALIQUE
ist am 6. Juni 2007 angemeldet und am 10. August 2007 unter der Nummer 307 36 803 für Waren der Klasse 3 in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 14. September 2007.
Im Zuge der Widerspruchsverfahren im Anschluss an diese Eintragung ist es zu einer Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke gekommen, die jetzt noch für die folgenden Waren der Klasse 3 im Markenregister eingetragen ist:
„Haarwässer, Mittel zum Reinigen, Pflegen und Verschönern von Kopfhaut und Haar; Haarstylingprodukte, Präparate zum Tönen, Bleichen, Blondieren und Färben der Haare“
Widerspruch erhoben ist u. a. aus der am 5. November 1997 angemeldeten und am 7. Januar 1998 eingetragenen Wortmarke 397 52 683
VITANIQUE
die jetzt noch für die folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 5 und 35 Schutz genießt:
„Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer;
Pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide;
Geschäftsvermittlung bezüglich Ein- und Verkauf der vorgenannten Waren der Klassen 3 und 5 für andere“.
Der Widerspruch richtet sich gegen alle ähnlichen Waren der jüngeren Marke.
Mit einem beim Deutschen Patent- und Markenamt am 13. März 2008 eingegangenen Schriftsatz hat die Markeninhaberin mitgeteilt, sie erhebe den Nichtbenutzungseinwand und fordere die Widersprechende dazu auf, die Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen. Unter Bezugnahme auf diesen Schriftsatz hat die Widersprechende im patentamtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 9. Juni 2008 zur Glaubhaftmachung einer rechtshaltenden Benutzung ihrer Marke die eidesstattliche Versicherung einer Produktmanagerin vom 5. Mai 2008 zusammen mit weiteren Unterlagen vorgelegt. Dazu hat sich die Markeninhaberin nicht geäußert.
Mit Beschluss vom 5. Juli 2010 hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts, vertreten durch eine Beamtin des höheren Dienstes, den Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung, dass zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 MarkenG bestehe. Bei dieser Sachlage - so meinte die Markenstelle - komme es auf die Frage nicht mehr an, ob die Widerspruchsmarke - was die Markeninhaberin bestritten habe - rechtserhaltend benutzt worden sei.
Mit ihrer Beschwerde möchte die Widersprechende weiterhin die Löschung der angegriffenen Marke erreichen, soweit diese der Widerspruchsmarke verwechselbar nahekommt. Die Widersprechende meint, dass zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 MarkenG bestehe.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet und mußte daher zurückgewiesen werden. Denn die Markeninhaberin hat in zulässiger Weise die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG erhoben und die Widersprechende hat eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke jedenfalls nicht für den maßgeblichen Benutzungszeitraum gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG glaubhaft gemacht. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG können im Falle der zulässigen Erhebung einer Nichtbenutzungseinrede bei der Entscheidung über einen Widerspruch nur die Waren und Dienstleistungen berücksichtigt werden, für die die Benutzung glaubhaft gemacht worden ist. Da die Widersprechende für keine der Waren und Dienstleistungen, für die ihre Marke eingetragen ist, eine rechtserhaltende Benutzung für den gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgebenden Zeitraum glaubhaft gemacht hat, war ihr Widerspruch als unbegründet zurückzuweisen.
In ihrem am 13. März 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Schriftsatz hatte die Markeninhaberin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke allgemein bestritten, d. h. ohne eine Beschränkung auf eine der beiden Alternativen des § 43 Abs. 1 MarkenG. Die Nichtbenutzungseinrede ist zulässig, denn bei ihrer Erhebung waren die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG erfüllt: Die Widerspruchsmarke war im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke bereits länger als fünf Jahre im Register eingetragen und gegen diese Eintragung war kein Widerspruch erhoben worden. In den Fällen, in denen - wie hier - die Voraussetzungen für die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG vorliegen, sind notwendig auch die Voraussetzungen einer Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG erfüllt, weil bei diesen Voraussetzungen theoretisch immer die Möglichkeit besteht, dass die Widerspruchsmarke auch in den letzten fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch nicht rechtserhaltend benutzt worden ist (std. Rechtsprechung, vgl. aus jüngerer Zeit BGH GRUR 2008, 719, 721 (Nr. 20) - idw Informationsdienst Wissenschaft). Bei der vorliegenden Entscheidung durften daher nur diejenigen Waren der Widerspruchsmarke berücksichtigt werden, für die die Widersprechende eine Benutzung glaubhaft gemacht hat (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Der maßgebliche Benutzungszeitraum gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG sind die letzten fünf Jahre vor der abschließenden Beschlussfassung über das hiesige Beschwerdeverfahren, das ist die Zeit vom Oktober 2006 bis zum Oktober 2011.
Für diesen Zeitraum hat die Widersprechende keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung vorgelegt. Die im patentamtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen beziehen sich nur auf die Jahrgänge 2002, 2003 und 2004.
Für einen Sachvortrag zur rechtserhaltenden Benutzung und die Einreichung entsprechender Unterlagen bedurfte es keiner besonderen Aufforderung durch das Gericht. Ein Widersprechender hat nach Übermittlung der Einrede von sich aus unverzüglich alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Der im Rahmen des Benutzungszwanges herrschende Beibringungsgrundsatz läßt es grundsätzlich nicht zu, einen Widersprechenden auf diese Verpflichtung zum Vortrag hinzuweisen (vgl. BPatG GRUR 1996, 981, 982 - ESTAVITAL m. w. N. zur früheren Rechtslage). Zwar besteht die Hinweispflicht des Gerichtes entsprechend § 139 ZPO auch im Widerspruchsverfahren. Sie hat aber ihre Grenze in Fällen, in denen ein solcher Hinweis die Stellung der einen Partei stärken und gleichzeitig die der anderen schwächen würde, also zu einer Parteinahme des Gerichts führen würde (vgl. BPatG GRUR 2004, 950, 953 - ACELAT/Acesal). Insoweit hat das Gericht auch das Gebot der Unparteilichkeit zu beachten (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Auflage, § 43, Rdn. 46, 47).
Das gilt auch dann, wenn - wie hier - die Nichtbenutzungseinrede im patentamtlichen Verfahren erhoben wurde, dort aber dahingestellt geblieben ist, weil der Widerspruch aus anderen Gründen zurückgewiesen wurde. Eine einmal zulässig erhobene Nichtbenutzungseinrede bleibt für alle weiteren Instanzen rechtswirksam (vgl. BGH GRUR 2006, 152, 153 (Nr. 13) - GALLUP; GRUR 1999, 995, 996 - HONKA - und GRUR 1999, 54, 55 - Holtkamp). Greift der Widersprechende die aus anderen Gründen erfolgte Zurückweisung des Widerspruchs mit der Beschwerde an, so hat er im anschließenden Beschwerdeverfahren die rechtserhaltende Benutzung für den jeweils maßgeblichen Zeitraum glaubhaft zu machen. Eine Aufforderung seitens des Gerichts zur Glaubhaftmachung ist nicht geboten. Das Gericht ist auch nicht gehalten, den beabsichtigten Erlaß einer Entscheidung vorher anzukündigen oder vorab darauf hinzuweisen, dass es die entscheidungserhebliche Bedeutung einer Glaubhaftmachung der Benutzung anders beurteile als die Vorinstanz. Vielmehr obliegt es jedem Verfahrensbeteiligten, alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht zu ziehen (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Auflage, § 43 Rdn. 49 mit den Nachweisen zur hier maßgeblichen Rechtssprechung).
Entsprechendes gilt für die Fälle, in denen sich im Laufe der verschiedenen Verfahren vor Patentamt und Patentgericht der gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgebliche Benutzungszeitraum verschiebt. Dass § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG einen sich ständig verändernden Benutzungszeitraum betrifft, ist eine allgemein bekannte Rechtstatsache, die ein Verfahrensbeteiligter berücksichtigen muß, wenn ihm die Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung seiner Marke obliegt. Der Widersprechende muß von sich aus überprüfen, inwieweit sein bisheriger Vortrag und die dazu eingereichten Unterlagen dem beweglichen zeitlichen Rahmen des § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG noch entsprechen. Auf den offensichtlichen Umstand, dass bisheriges Vorbringen zwischenzeitlich überholt sein könnte, hat die Rechtsmittelinstanz ebensowenig hinzuweisen, wie auf andere offenkundige Mängel der Glaubhaftmachung (std. Rspr. des BPatG, vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Auflage, § 43 Rdn. 50, dort mit Hinweis auf BPatG, Beschluss vom 18. Juli 2007, 26 W (pat) 74/05 - Chrystal/christal - und Kliems MarkenR 2001, 185, 196, sowie auf die abweichende Meinung von Fezer/Grabrucker, Hdb Markenpraxis, Bd. I, 1. Teil, Kap. 2, Rn. 264).
Die Widersprechende hatte ausreichend Gelegenheit, zur rechtserhaltenden Benutzung ihrer Marke weiter vorzutragen und entsprechende Unterlagen einzureichen. Denn seit der Einlegung der Beschwerde im August 2010 ist inzwischen mehr als ein Jahr vergangen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich. Die Widersprechende hat sie nicht beantragt, § 69 Nr. 1 MarkenG, und der Senat hat sie nicht für sachdienlich erachtet, § 69 Nr. 3 MarkenG.
Der Widersprechenden waren aus Gründen der Billigkeit die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG aufzuerlegen. Eine Kostenauferlegung unter Billigkeitsgesichtspunkten kommt vor allem bei dem Verhalten eines Beteiligten in Betracht, das mit der prozessualen Sorgfaltspflicht nicht zu vereinbaren ist. Im Falle einer zulässigerweise erhobenen Einrede der Nichtbenutzung ist dies dann anzunehmen, wenn der Widerspruch ohne ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung weiterverfolgt wird (ständige Rechtsprechung, BPatG GRUR 1996, 981 f.). Dies gilt auch im Rechtsmittelverfahren, in dem der Widersprechende nicht besonders auf die Erforderlichkeit der Glaubhaftmachung hingewiesen worden ist (Knoll in: Ströbele/Hacker, 9. Auflage, § 71 Rdn. 15 m. w. N.). Vorliegend hat die Widersprechende das Beschwerdeverfahren betrieben, ohne den Versuch zu unternehmen, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für den maßgeblichen Benutzungszeitraum gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG glaubhaft zu machen. Dabei stand bereits bei Einlegung der Beschwerde im August 2010 fest, dass sich der inzwischen weitergewanderte Benutzungszeitraum gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG nunmehr vom August 2005 bis zum August 2010 erstreckte und von den bis dahin eingereichten Benutzungsunterlagen nicht mehr erfasst wurde.