Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 30.05.2012


BPatG 30.05.2012 - 24 W (pat) 100/10

Markenbeschwerdeverfahren "IBT/IBF (Wort-Bildmarke)" – schriftbildliche Verwechslungsgefahr


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
30.05.2012
Aktenzeichen:
24 W (pat) 100/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 029 542

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 30. Mai 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richterin Dr. Schnurr und des Richters am Oberlandesgericht Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

IBT

3

ist am 6. Mai 2008 angemeldet und am 24. Oktober 2008 mit der Nummer 30 2008 029.2 in das Register eingetragen worden, u. a. für die folgenden Dienstleistungen:

4

"(35) Betriebswirtschaftliches Reporting (Berichtswesen) und Controlling;

5

(41) Ausbildung, insbesondere in Form von Seminaren, Schulungen, Workshops, e-learning und Live-Konferenzen".

6

Die Eintragung ist am 28. November 2008 veröffentlicht worden.

7

Gegen diese Eintragung ist Teilwiderspruch erhoben worden aus der Wort-Bild-Marke Nr. 396 01 307.4

Abbildung

8

(Farbe: rot, weiß)

9

die am 22. April 1996 in das Register eingetragen worden ist u. a. für die folgenden Dienstleistungen:

10

"(35) Unternehmens-, Organisations - und betriebswirtschaftliche Beratung;

11

(41) Ausbildung, Unterricht, Fernkurse, Weiterbildung".

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Der Teilwiderspruch stützt sich nur auf die vorgenannten Dienstleistungen der Widerspruchsmarke und ist nur gegen die vorgenannten Dienstleistungen der angegriffenen Marke gerichtet.

13

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts, vertreten durch eine Beamtin des höheren Dienstes, hat mit Beschluss vom 25. Mai 2010 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke im Umfang des Widerspruchs angeordnet. Bei dieser Entscheidung ist die Prüferin von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen und hat die Vergleichswaren im Bereich der Klasse 35 als durchschnittlich ähnlich, im Bereich der Klasse 41 als identisch angesehen. Ausgehend von diesen Beurteilungen hat die Prüferin von der jüngeren Marke einen deutlichen Abstand zur prioritätsälteren gefordert und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Abstand schriftbildlich nicht erreicht wird, die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke also schriftbildlich verwechselbar nahe komme.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin vom 23. Juni 2010.

15

Sie ist der Auffassung, dass bei Kurzzeichen wie hier mit drei Buchstaben bereits eine Abwandlung in einem Buchstaben ausreiche, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, auch weiche das Schriftbild der Vergleichsmarken, wenn man die farbige Gestaltung der Widerspruchsmarke berücksichtige, ausreichend voneinander ab. Selbst bei einer unterstellten schwarz-weiß Darstellung würde die Unterlegung der Wort-Bildmarke noch ein deutliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Anmeldemarke bilden, denn der rote Hintergrund werde dabei dunkel, die Buchstaben dagegen hell dargestellt, bei der Wortmarke der Markeninhaberin sei dies umgekehrt. Die Markeninhaberin ist ferner der Auffassung, die Buchstaben "F" bzw. "T" seien selbst bei undeutlicher Schreibweise hinreichend unterscheidbar.

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Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Mai 2010 aufzuheben.

18

Die Widersprechende ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

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Die gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Denn die Markenstelle für Klasse 42 hat auf den Widerspruch mit zutreffenden Erwägungen die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, weil zwischen den Kollisionszeichen eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr besteht, §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 165 Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 42 MarkenG a. F.

21

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend vorzunehmen. Dabei sind zunächst - und zwar unabhängig von einander - Feststellungen zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, zur Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sowie zur Ähnlichkeit der Vergleichszeichen zu treffen. Bei einer abschließenden Entscheidung über die markenrechtliche Verwechslungsgefahr ist zu berücksichtigen, dass die vorgenannten Faktoren in einem Verhältnis der Wechselwirkung zu einander stehen, so dass ein geringerer Grad des einen Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (ständ. Rspr; vgl. z. B. EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) - Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, 345 (Nr. 48) - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2008, 905, 905 (Nr. 12) - Pantohexal). Bei der weiteren Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den Standpunkt eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Adressaten der betroffenen Art von Waren oder Dienstleistungen abzustellen (EuGH GRUR 2004, 943 - SAT.2; GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND).

22

Wie bereits die Markenstelle im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, ist hier von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen, da auch Abkürzungen von Unternehmensnamen grundsätzlich keinen geringeren Schutz als andere Kurzwörter oder Buchstabenkombinationen genießen. Etwas Anders kann dann gelten, wenn es sich um eine erkennbar an einen im maßgeblichen Bereich verwendeten Begriff angelehnte Abkürzung handelt. Zwar steht der Anfangsbuchstabe "I" in Kurzzeichen häufig für "Inter-", "International", "Institut" oder "Information-" und der Buchstabe "B" kann beispielsweise für "Beratung", "Bildung" oder dergl. stehen, eine mit der Widerspruchsmarke identische oder vergleichbare und gebräuchliche Abkürzung im Zusammenhang mit den hier einschlägigen Dienstleistungen konnte der Senat indes nicht feststellen. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht vorgetragen worden.

23

Die Vergleichsdienstleistungen im Bereich der Klasse 35 sind einander jedenfalls durchschnittlich ähnlich, im Bereich der Klasse 41 sind die Vergleichsdienstleistungen identisch.

24

Die angesprochenen Verkehrskreise sind hier vorrangig gewerbliche Abnehmer von unternehmensbezogenen Dienstleistungen, aber auch die allgemeinen Verkehrskreise, letzterer Verkehrskreis ist insbesondere hinsichtlich der Leistungen in Klasse 41 zu berücksichtigen.

25

Die Frage der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang oder in der Bedeutung zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können (st. Rspr.: BGH, BGHZ 139, 340, 347 - Lions; GRUR 2008, 903 - SIERRA ANTIGUO; GRUR 2009, 1055 - airdsl). Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit reicht dabei regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche; es genügt daher, wenn die Zeichen einander entweder im (Schrift-)Bild oder im Klang oder in der Bedeutung ähnlich sind (st. Rspr.: BGHZ 139, 340, 347 - Lions; GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2006, 60 - coccodrillo; GRUR 2008, 803 - HEITEC; BGH, GRUR 2009, 1055 - airdsl; GRUR 2011, 824 - Kappa).

26

Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Identität bzw. durchschnittlicher Ähnlichkeit der Vergleichsdienstleistungen muss die jüngere Marke einen deutlichen Abstand zu der prioritätsälteren halten. Diese Anforderung erfüllt die angegriffene Marke nicht, vielmehr kommt sie der Widerspruchsmarke jedenfalls bildlich verwechselbar nahe.

27

Es besteht zwar kein allgemein gültiger Erfahrungssatz, nach dem der Verkehr bei der rein visuellen Wahrnehmung einer Wort-/Bildmarke in erster Linie den Wort- und nicht den Bildbestandteil in seine Erinnerung aufnimmt (vgl. BGH, BGHZ 139, 340, 348 f. - Lions). Der Verkehr orientiert sich in bildlicher Hinsicht allerdings in der Regel dann eher an dem Wortbestandteil, wenn es sich bei dem Bildbestandteil lediglich um eine nichts sagende oder geläufige und nicht ins Gewicht fallende Verzierung handelt (vgl. BGH, GRUR 2006, 859 – Malteserkreuz I).

28

So verhält es sich hier: Der graphische Bestandteil der Widerspruchsmarke, ein Rechteck in roter Farbe, ist lediglich eine einfache geometrische Grundform in einer werbeüblichen Signalfarbe und erschöpft sich in seiner Funktion als Hintergrund zur Hervorhebung der in weiß gehaltenen Schrift. Demgegenüber steht die Buchstabenfolge "IBF" im Mittelpunkt der Widerspruchsmarke, ist gut wahrnehmbar und der einzige Zeichen-Bestandteil, der auf den ersten Blick in üblicher Weise als Herkunftskennzeichen in Erscheinung tritt.

29

Für die Frage nach der bildlichen Ähnlichkeit der Zeichen kommt es daher allein auf die beiden Buchstabenfolgen "IBF" und "IBT" an. Diese Wörter sind einander jedenfalls dann verwechselbar ähnlich, wenn auch die angegriffene Marke in Großschreibung erscheint. Als reine Wortmarke kann die angegriffene Marke (auch) in Großbuchstaben benutzt werden, so wurde sie auch angemeldet. Bei Großschreibung sind die beiden ersten Buchstaben beider Zeichen in ihrer bildlichen Erscheinung identisch und nur der jeweils dritte, letzte Buchstabe ist verschieden. Dabei kommen sich auch diese beiden Buchstaben - es handelt sich um "F" und "T" - in Großschrift graphisch sehr nahe. Beide haben einen vertikalen Aufstrich, "T" hat einen Querstrich, "F" hat zwei. In Großschreibung handelt es sich bei den beiden Buchstaben um solche, die innerhalb des Alphabets dem jeweils anderen sehr nahe kommen. Beide Buchstabenfolgen können nur als solche ausgesprochen werden und nicht als ein kurzes Wort, es gibt daher keine begrifflichen Inhalte, die zur Unterscheidung beitragen könnten. Schließlich kann die angegriffene Marke als reine Wortmarke in jeder Farbe rechtserhaltend benutzt werden. Sie kann daher bei rechtmäßiger Benutzung der Widerspruchsmarke auch dadurch besonders nahe kommen, dass sie als eine fast buchstabengetreue Inversion der Widerspruchsmarke in dem Rot erscheint, mit dem in der Widerspruchsmarke die weißen Buchstaben hinterlegt sind.

30

Gegenüber diesen wesentlichen Übereinstimmungen und Gemeinsamkeiten treten die wenigen Unterschiede zurück, die zwischen den Vergleichszeichen bestehen.

31

Diesen Feststellungen steht die Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 25. Mai 1998 (Az.:30 W (pat) 1/98 - L.U.T. ./. HUT), auf die sich die Markeninhaberin beruft, nicht entgegen. In diesem Widerspruchsbeschwerdeverfahren ist der 30. Senat davon ausgegangen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Widerspruchsmarke "HUT" nur als ein Zeichen für den bekannten deutschen Begriff "Hut" auffassen und entsprechend auch aussprechen würden. Dass der Verkehr in diesem Zeichen auch eine reine Buchstabenfolge H-U-T ohne begriffliche Bedeutung sehen könnte, hat der 30. Senat nicht in Betracht gezogen. Die Ausgangslage der zitierten Entscheidung ist daher eine grundsätzlich andere als im vorliegendem Fall, da kein Markenwort mit einem bekannten Begriffsinhalt zum Vergleich steht, sondern sich zwei reine Buchstabenfolgen gegenüberstehen, die nur als solche, nicht dagegen als einheitliches Wort ausgesprochen werden können.

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Schon deswegen erlaubt die Tatsache, dass der 30. Marken-Beschwerdesenat die Zeichen "L.U.T." und "HUT" unter markenrechtlichen Gesichtspunkten nicht für verwechselbar gehalten hat, keine Schlussfolgerungen für die Frage der Zeichenähnlichkeit im vorliegenden Fall.

33

Für eine Kostenauferlegung zu Lasten eines der Verfahrensbeteiligten waren keine Billigkeitsgründe erkennbar, § 71 Abs. 1 MarkenG.