Entscheidungsdatum: 20.05.2014
In der Einspruchsbeschwerdesache
…
betreffend das Patent 10 2005 039 940
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner sowie des Richters Brandt, der Richterin Dr. Hoppe und des Richters Dr. Zebisch
beschlossen:
1. Der Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Oktober / 23. November 2010 wird aufgehoben.
2. Das Patent Nr. 10 2005 039 940 wird widerrufen.
I.
Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts hat das am 24. August 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete und mit der DE 10 2005 039 940 A1 offengelegte Patent 10 2005 039 940 (Streitpatent) durch Beschluss vom 26. Februar 2009 erteilt. Die Patenterteilung wurde am 2. Juli 2009 veröffentlicht.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2009, am selben Tag vorab per Fax beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, fristgerecht Einspruch erhoben. In ihrem Schriftsatz hat sie beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang aufgrund der Widerrufsgründe der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) und der fehlenden Ausführbarkeit durch den Fachmann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) zu widerrufen.
Zur Begründung der fehlenden Patentfähigkeit hat die Einsprechende die folgenden Dokumente vorgelegt:
D1 Tutorialdokumentation zum Tutorial 4, Leistungselektronikmodule- Aufbau und Verbindungstechnik, gehalten auf der Messe „Systemintegration in der Mikroelektronik“ in Nürnberg, 19. - 21. April 2005;
D1.1 Folie 70 aus D1 mit eingefügten Bezugszeichen;
D2 Unterlagen zum 1. Workshop Bio-AVT von Dr. K.-D. Lang, ohne Datumsangabe;
D2.1 Seite 8 von D2 mit eingefügten Bezugszeichen;
D3 M. Bäßler, M. Münzer und S. Burkert: „Research of Current Distribution in IGBT Modules with Multiple Chips in Parallel.“, ohne weitere Angaben.
D3.1 Seite 2 von D3 mit eingefügten Bezugszeichen;
D4 US 2002/0 153 532 A1;
D5 DE 195 49 011 A1;
D6 US 2004/0 238 971 A1;
D7 DE 102 04 157 A1;
D8 Jürgen Wilde: „Lebensdauerprognose von Drahtbond-Verbindungen für die Mechatronik mittels FEM”, ohne weitere Angaben;
D9 Ausdruck Internetseite „Biokompatibilität in der Aufbau- und Verbindungstechnik“ der TU-Dresden, www.avt.et.tu-dresden.de/bio-avt/beitraege.php vom 30.9.2009;
D10 Deckblatt zum Vortrag von Prof. Dr.-Ing. habil. E. Meusel für den 1. Workshop Bio-AVT, 4./5. Dezember 2003;
D11 GMM-Fachbericht 37, Inhaltsverzeichnis;
D12 Conference Program der PCIM Europe 2005, 7. Juni 2005 bis 9. Juni 2005.
Auf den Einspruch hin hat die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 29. Januar 2010 den Darlegungen der Einsprechenden in allen Punkten widersprochen, woraufhin die Einsprechende ihre Ansichten in einer weiteren Eingabe nochmals dargelegt hat.
In der Anhörung vor der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts am 12. Oktober 2010 hat die Einsprechende den Antrag, das Patent zu widerrufen, wiederholt.
Die Patentinhaberin hat einen neuen Anspruch 1 eingereicht und beantragt, das Patent mit dem geänderten - in der Anhörung überreichten - Patentanspruch 1 sowie ansonsten den Unterlagen des erteilten Patents aufrechtzuerhalten.
Als Ergebnis der Anhörung wurde das Streitpatent durch Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 PatG, wie von der Patentinhaberin beantragt, beschränkt aufrechterhalten.
Die Patentabteilung führte in dem auf den 23. November 2010 datierten schriftlichen Beschluss, der an die Patentinhaberin am 27. Dezember 2010 per Einschreiben abgesandt wurde und der Einsprechenden am 28. Dezember 2010 zugestellt wurde, aus, dass die im Verfahren befindlichen Druckschriften den Gegenstand des nunmehr geltenden, gegenüber der Patentschrift eingeschränkten Anspruchs 1 weder neuheitsschädlich vorwegnähmen noch ihn nahelegen könnten, so dass er patentfähig sei.
Gegen diesen Beschluss hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 26. Januar 2011, am selben Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt per Fax eingegangen, fristgerecht Beschwerde eingelegt und diese auch begründet. In ihrem Beschwerdeschriftsatz hat sie wiederum den Widerruf des Patents in vollem Umfang beantragt und ausgeführt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu sei (§ 3 PatG), zumindest aber auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe (§ 4 PatG). Zur Unterstützung ihrer Ansicht hat sie zusätzlich zu den im Einspruchsverfahren eingeführten noch auf die folgenden Dokumente verwiesen:
D3.2 bis D3.4 weitere Abbildungen des in D3 in den Fig. 1 und 3 gezeigten Moduls,
D3.5 Bondplan des in D3, Fig. 1 und 3 gezeigten Moduls,
D13 Katalog Thyristor-/Dioden-Module der Firma eupec, Ausgabe 1992, Deckblatt, S. 54 und S. 284,
D13.1 bis D13.3 Abbildungen eines Leistungshalbleitermoduls,
D14 Dokumente zum Nachweis einer offenkundigen Vorbenutzung durch das Halbleiterrelais 70A 400-600 V 24 DC,
D15 Abnahmekriterien für Large Wire Bonder 3600 vom 3. Mai 2005,
D16 WO 2004/100 258 A2.
Die Parteien wurden vom Senat zur mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2014 geladen. In der mündlichen Verhandlung trat Herr Dr. A…, ein Angestellter der Patentinhaberin, als deren Vertreter auf und hat eine von Dr. G… (Leiter Recht/General Counsel Recht und IP) und von Dr. K… (Leiter IP Team Recht und IP) unterzeichnete Vollmachtsurkunde vom 28. April 2014 vorgelegt, ausweislich der er zur Vertretung der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung befugt sein sollte. Dr. K… hat seinerseits eine auf den 17. Oktober 2005 datierte Handlungsvollmacht vorgelegt, ausweislich derer er zur Erteilung von Vollmachten an Patentanwälte befugt ist.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Vollmachtsurkunden vom 17. Oktober 2005 (Bl. 110 d.A.) und vom 28. April 2014 (Bl. 124 d.A.) verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2014 hat die Einsprechende und Beschwerdeführerin ihre Ansicht nochmals dargelegt und beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Oktober 2010 / 23. November 2010 aufzuheben und das Patent Nr. 10 2005 039 940 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin ist in der mündlichen Verhandlung den Ansichten der Einsprechenden nochmals entgegengetreten und hat beantragt,
1. (Hauptantrag)
Die Beschwerde zurückzuweisen.
2. (Hilfsantrag 1)
Das Patent Nr. 10 2005 039 940 mit der Bezeichnung „Leistungshalbleitermodul mit Bondverbindung der Leistungshalbleiterbauelemente“, dem Anmeldetag 24. August 2005 in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen:
▪ Patentansprüche 1 - 3 vom 20. Mai 2014, eingegangen am gleichen Tag,
▪ Beschreibung vom 20. Mai 2014, eingegangen am gleichen Tag, mit den Absätzen [0001] bis [0035] und
▪ 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6 gemäß Patentschrift.
3. (Hilfsantrag 2)
Das vorgenannte Patent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten nach Maßgabe folgender Unterlagen:
▪ Patentansprüche 1 - 3 vom 20. Mai 2014, eingegangen am gleichen Tag,
▪ Beschreibung vom 20. Mai 2014, eingegangen am gleichen Tag, mit den Absätzen [0001] bis [0035] und
▪ 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6 gemäß Patentschrift.
Der geltende, in der Anhörung vor der Patentabteilung 33 am 12. Oktober 2010 überreichte Anspruch 1, auf Grundlage dessen die Patentabteilung 33 das Patent in beschränktem Umfang aufrecht erhalten hat, lautet (Gliederung bei ansonsten unverändertem Wortlaut eingefügt):
M1 „Leistungshalbleitermodul mit Bondverbindung für die Laststrom leitende Verbindung einer Leiterbahn mit einem Leistungshalbleiterbauelement (1),
M2 mit einem elektrisch isolierenden Substrat (10),
M3 hierauf angeordneten Leiterbahnen (12, 14, 16),
M4 mindestens einem auf einer ersten Leiterbahn (12) angeordneten und
M5 mit mindestens einer zweiten Leiterbahn (14) verbundenen Leistungshalbleiterbauelement (20),
M6 wobei dieses Leistungshalbleiterbauelement (20) auf seiner der ersten Leiterbahn (12) abgewandten ersten Hauptfläche mindestens eine Metallisierung (22) aufweist und
M7 die Bondverbindung eine Mehrzahl von Bonddrähten oder Bondbändern aufweist,
M8 die jeweils eine Mehrzahl von Bondfüßen auf der Metallisierung des Leistungshalbleiterbauelements aufweisen und
M9 diese Bondfüße (42) benachbarter Bonddrähte oder Bondbänder auf der Metallisierung (22) des Leistungshalbleiterbauelements (20) gegeneinander versetzt sind und somit diese Bondfüße schachbrettartig nur auf gleichen Feldern (50) angeordnet sind.“
Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 weist zusätzlich zu den Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hauptantrag noch das Merkmal
M10 „wobei die Abstände (54) eines Bondfusses (42) zu seinen vier nächsten Nachbarn bis auf den zehnten Teil ihrer Länge gleich sind.“
auf, welches an das Ende des Anspruchs gesetzt ist.
Zusätzlich zum Merkmal M10 weist der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung überreichte Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 das wiederum an das Ende des Anspruchs gesetzte Merkmal
M11 „wobei die Bondfüsse (42) der Bondverbindung auf der zweiten Leiterbahn (14) gegeneinander versetzt sind.“
auf.
Bezüglich der Unteransprüche zum jeweiligen Anspruch 1 der einzelnen Anträge und der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Mit Beschluss vom 20. Mai 2014 hat der Senat der Patentinhaberin aufgegeben, bis zum 30. Mai 2014 eine Vollmacht für Dr. A… im Original zu den Gerichtsakten zu reichen.
Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2014, eingegangen am 27. Mai 2014, hat die Patentinhaberin eine von den Geschäftsführern der S… GmbH unterzeichnete Vollmachtsurkunde eingereicht, in der Dr. A… zur Vertretung in der mündlichen Verhandlung ermächtigt und das Einverständnis mit den von ihm abgegebenen Erklärungen bekundet wird.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Urkunde vom 21. Mai 2014 (Bl. 136 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat Erfolg, denn die Leistungshalbleitermodule nach den Ansprüchen 1 aller Anträge erweisen sich auf Grund mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG) als nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG), so dass das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen ist. |
1. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium, auch im Beschwerdeverfahren, zu prüfen (vgl. Schulte PatG, 9. Auflage, § 59 Rdn. 51 und 150 bis 152, BGH GRUR 1972, 592 - „Sortiergerät“),
Vorliegend ist der form- und fristgerecht erhobene Einspruch jedoch zulässig, weil zu den beiden geltend gemachten Einspruchsgründen substantiiert Stellung genommen wurde. So hat die Einsprechende zum Einspruchsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) genau angegeben, wo welche Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 1 in den einzelnen Dokumenten offenbart seien. Auch zu den Unteransprüchen wurde substantiiert Stellung genommen. Dabei wurde mit Bezug auf Anspruch 3 dargestellt, dass und wie sich dort ein Widerspruch ergebe, so dass zum Einspruchsgrund der fehlenden Ausführbarkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) ebenfalls eine detaillierte Darstellung erfolgt ist. Insgesamt sind somit die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen aufgeführt (§ 59, Abs. 1, Satz 4 PatG). Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts und auch die Patentinhaberin wurden demnach in die Lage versetzt, ohne eigene Nachforschungen festzustellen, ob die behaupteten Einspruchsgründe vorliegen (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp., Abs. 1 - „Epoxidation“; Schulte, PatG, 9. Auflage, § 59 Rdn. 84 bis 88).
2. Dr. A… hat die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung rechtswirksam gem. § 97 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. PatG vertreten und wirksam Anträge gestellt.
a) Allerdings entsprach die von Herrn Dr. A…, einem Angestellten der Patentinhaberin, in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Vollmacht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Zum Nachweis einer ordnungsgemäßen Vollmacht ist nämlich darzulegen bzw. nachzuweisen, dass die Person, die diese erteilt hat, ihrerseits hierzu berechtigt war (BGH WM 2002, 1147 (1148); BGH NJW-RR 1986, 1252 (1253)). Der Unterbevollmächtigte hat den Vollmachtsnachweis daher in der Weise zu führen, dass seine Vertretungsmacht bis auf die vertretene Partei zurückgeführt werden kann; er muss deshalb nicht nur die Untervollmacht nachweisen, sondern auch die Vertretungsmacht der Person, von der er die Untervollmacht ableitet (BGH WM 2002, 1147 (1148) m. w. N.).
Als GmbH & Co. KG wird die Patentinhaberin gem. § 170 HGB durch die Komplementär-GmbH, d. h. die S… GmbH, vertreten, deren Vertretung sich nach § 35 GmbHG richtet. Die S… … GmbH wird ausweislich des Registers durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten (sog. unechte Gesamtvertretung entspr. § 125 Abs. 3 HGB i. V. m. § 35 Abs. 2 S. 1 2. Hs. GmbHG). Diese nach § 39 GmbHG eintragungsbedürftige Tatsache ergibt sich aus dem Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Nürnberg HRB 21338. Diesem ist weiterhin die Eintragung der Herren J… und S1… als Geschäftsführer zu entnehmen. Ein Prokurist ist gegenwärtig nicht registriert.
Die von der Patentinhaberin zum Nachweis der Bevollmächtigung des Dr. A… vorgelegte Vollmacht vom 28. April 2014 ist jedoch nicht von den Geschäftsführern der S… GmbH, sondern lediglich von Dr. G… (Leiter Recht) und Dr. K… (Leiter IP Team) unterzeichnet worden. Diese Vollmacht ist damit weder von den gesetzlich hierzu befugten Personen unterschrieben worden noch genügt sie den in der für Herrn Dr. K… eingereichten Vollmacht vom 17. Oktober 2005 genannten Anforderungen zur Erteilung einer Untervollmacht, da mit Dr. A… kein Patentanwalt bevollmächtigt wurde.
b) Da es zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an einem ordnungsgemäßen Nachweis der Bevollmächtigung des anwesenden Dr. A… gem. § 97 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 PatG fehlte, hat der Senat diesen gem. § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 89 ZPO zur einstweiligen Verfahrensführung zugelassen und der Patentinhaberin eine Frist zur Beibringung einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung gesetzt. § 89 Abs. 1 ZPO ist im Patentverfahren entsprechend anzuwenden (§ 99 PatG; BGH GRUR 1995, 333 (334)), so dass der ohne Vollmacht Auftretende auch wirksam Anträge einreichen kann (BGH GRUR 1995, 333 (334)). Eine Fristsetzung nach § 99 PatG, § 89 Abs. 1 ZPO kann auch noch im Verhandlungstermin erfolgen (vgl. OLG Düsseldorf 16 U 89/11; OLG Koblenz NJW-RR 2006, 377 (377)).
c) Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2014 hat die Patentinhaberin fristgerecht eine Vollmachtsurkunde im Original (zur Notwendigkeit einer Originalurkunde BGH NJW 1994, 2298; BGH WM 2002, 1147 (1148)) nachgereicht, ausweislich derer Dr. A… zur Vertretung in der mündlichen Verhandlung ermächtigt und die von ihm vorgenommenen Erklärungen genehmigt werden. Diese Urkunde ist, den gesetzlichen Vorgaben entsprechend, von den beiden Geschäftsführern der S… GmbH, unterzeichnet worden. Mit dieser Urkunde vom 21. Mai 2014 ist folglich eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung nachgewiesen worden.
d) Durch die Genehmigung wird der Verfahrensmangel der nicht ordnungsgemäßen Vertretung gem. § 99 Abs. 1 PatG, § 89 Abs. 2 ZPO geheilt (BGH GRUR 1995, 333 (334)). Die Genehmigung wirkt dabei auf den Zeitpunkt der Verfahrenshandlung zurück (vgl. BGH GRUR 1995, 333 (334); OLG Düsseldorf 16 U 89/11). Mithin sind die Anträge in der mündlichen Verhandlung wirksam im Namen der Patentinhaberin gestellt worden.
3. Das Streitpatent betrifft Bondverbindungen für Leistungshalbleiterbauelemente wie sie in Leistungshalbleitermodulen vielfältig Anwendung finden. Die Anforderungen und damit die Leistungsfähigkeit derartiger Leistungshalbleitermodule sowie der zu deren Aufbau notwendigen Leistungshalbleiterbauelemente sind in den letzten Jahren stetig gestiegen. Es stieg beispielhaft die Stromstärke pro Fläche der Halbleiterbauelemente. Weiterhin werden aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten heraus die Halbleiterbauelemente immer näher an ihrer Leistungsgrenze betrieben (vgl. Abs. [0001] der Streitpatentschrift).
Entscheidende externe Faktoren für die Leistungsfähigkeit von Leistungshalbleitermodulen bzw. Leistungshalbleiterbauelementen sind die Wärmeabfuhr sowie die Stromzu- und -abführung. Stand der Technik in der Stromzu- und -abführung von Leistungshalbleiterbauelementen sind voll- oder teilflächige Lotverbindungen sowie Bondverbindungen in verschiedenen Ausgestaltungen, beispielhaft als Drahtbondverbindung gemäß US 2004 0238 971 A1 (= D6) oder als Bandbondverbindung gemäß US 2004 0262 720 A1 oder der WO 2004 100 258 A2 (= D16). Im Patent soll die Leistungsfähigkeit derartiger Bondverbindungen betrachtet werden (vgl. Abs. [0002] der Streitpatentschrift).
Drahtbondverbindungen für Leistungshalbleiterbauelemente sind weiterhin aus der DE 195 49 011 A1 bekannt. In diesen dort vorgestellten Leistungshalbleitermodulen werden die Leistungshalbleiterbauelemente mittels Lotverbindungen auf einem Substrat angeordnet. Diese Lotverbindung der zweiten Hauptfläche des Leistungshalbleiterbauelements stellt einen Teil der Stromzu- bzw. -abführung dar. Weitere Stromanschlüsse werden mittels Drahtbondverbindungen zwischen der Metallisierung der ersten Hauptfläche des Leistungshalbleiterbauelements und einer Leiterbahn hergestellt. Charakteristisch für die bekannten Drahtbondverbindungen ist, dass die Bonddrähte eng benachbart zueinander angeordnet sind, und dass die Bondfüße der einzelnen Bonddrähte, speziell auf der Metallisierung des Leistungshalbleiterbauelements, in einer Reihe angeordnet sind (vgl. Abs. [0003] der Streitpatentschrift).
Nach dem Stand der Technik werden Leistungshalbleiterbauelemente nicht nur mittels einzelner nebeneinander angeordneter Bonddrähte mit der Leiterbahn der Stromzuführung kontaktiert, sondern häufig mit zwei oder mehreren in Richtung der Bonddrähte übereinander liegenden einzelnen Bonddrähten. Die einzelnen Bonddrähte werden häufig auch zur Verbesserung der Stromverteilung auf dem Leistungshalbleiterbauelement und/oder auf der Stromzuführung mittels mehrerer Bondfüße kontaktiert (vgl. Abs. [0004] der Streitpatentschrift).
Simulationen zeigen, dass bei einer Anordnung der Bonddrähte zwischen einer Leiterbahn und einem Leistungshalbleiterbauelement nach dem Stand der Technik der Strom inhomogen über die Metallisierung in das Leistungshalbleiterbauelement eingespeist wird und dieses somit nicht in seiner gesamten Fläche gleichmäßig zur Stromführung belastet wird (vgl. Abs. [0005] der Streitpatentschrift).
Die DE 102 04 157 A1 (= D7) offenbart eine Drahtbondverbindung für die Strom leitende Verbindung einer Leiterbahn mit einem Leistungshalbleiterbauelement, wobei die Abstände von allen Bonddrähten oder innerhalb von einzelnen Gruppen von Bonddrähten variieren und somit die Stromeinspeisung in Richtung senkrecht zum Verlauf der Bonddrähte gegenüber dem Stand der Technik homogener gestaltet ist. Nachteilig an dieser Ausgestaltung einer Drahtbondverbindung ist, dass hierbei eine genügend große Fläche der Metallisierung des Leistungshalbleiterbauelements zur Verfügung stehen muss, um derartig komplexe Topologien sinnvoll einsetzen zu können (vgl. Abs. [0006] und [0007] der Streitpatentschrift).
Speziell bei Leistungshalbleitermodulen mit Dioden und Thyristoren sind Stoßstrombelastungen dieser Leistungshalbleiterbauelemente besonders zu beachten. Diese Stoßströme übersteigen in einem kurzen Zeitraum in der Größenordnung von Zehntelsekunden die Dauerbelastung des Leistungshalbleiterbauelements um ein Vielfaches. Hierbei erweisen sich im Dauerbetrieb durchaus geeignete Ausgestaltungen von Bondverbindungen als wenig vorteilhaft (vgl. Abs. [0008] der Streitpatentschrift).
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein Leistungshalbleitermodul mit Bondverbindung für Leistungshalbleiterbauelemente vorzustellen, wobei die maximale Stromtragfähigkeit der Bondverbindung in ihrer Gesamtheit, speziell bei Stoßstrombelastung, gegenüber den aus dem Stand der Technik bekannten Bondverbindungen verbessert wird (vgl. Abs. [0009] der Streitpatentschrift).
Diese Aufgabe wird durch die Leistungshalbleitermodule mit Bondverbindung gemäß der geltenden Ansprüche 1 des Hauptantrags und der beiden Hilfsanträge gelöst.
Das beanspruchte Leistungshalbleitermodul weist somit ein isolierendes Substrat auf, auf dem ein Leistungshalbleiterbauelement auf einer Leiterbahn befestigt ist. Dieses Leistungshalbleiterbauelement ist dabei auf seiner Oberseite auf eine besondere Weise kontaktiert. Dorthin sind Bonddrähte oder Bondbänder geführt, die mit einer Mehrzahl von Bondfüßen, also Bondkontakten, mit einer sich auf der Oberseite des Leistungshalbleiters befindenden Metallisierung verbunden sind. Die Anordnung dieser Bondfüße ist dabei anders als im oben angegebenen Stand der Technik und wird durch das Merkmal M9 so beschrieben, dass die „Bondfüße benachbarter Bonddrähte oder Bondbänder auf der Metallisierung des Leistungshalbleiterbauelements gegeneinander versetzt sind und somit diese Bondfüße schachbrettartig nur auf gleichen Feldern angeordnet sind.“ Mit dieser Formulierung soll ausgedrückt werden, dass die Bondfüße näherungsweise im Muster einer rechteckig flächenzentrierten Anordnung auf der Oberfläche befestigt werden (vgl. Fig. 3 der Streitpatentschrift), wobei aber nicht beansprucht wird, dass jedes der gleichen Felder von einem Bondfuß besetzt ist. Auch wird nicht angegeben, wie das virtuelle Schachbrett auf der Oberfläche der Metallisierung orientiert ist.
Das zusätzliche Merkmal M10 der Ansprüche 1 der beiden Hilfsanträge gibt an, wie weit die Anordnung von einer idealen gleichmäßig verteilten Anordnung der Bondfüße auf der Metallisierung abweichen darf. Hierzu wird angegeben, dass die Abstände eines Bondfußes zu seinen vier nächsten Nachbarn bis auf den zehnten Teil ihrer Länge gleich sein sollen.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wird zudem im Merkmal M11 eine Aussage über die Bondfüße am anderen Ende der Bonddrähte oder Bondbänder, also dort, wo diese mit der zweiten Leiterbahn verbunden sind, getroffen. Diese sind auf der zweiten Leiterbahn gegeneinander versetzt.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht gegenüber der Zusammenschau der Lehren der Druckschriften D2 und D16 auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 PatG), so dass er nicht patentfähig ist.
Als zuständiger Fachmann ist hier ein berufserfahrener Physiker oder Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss zu definieren, der über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet des Bondens von Leistungshalbleiterbauelementen verfügt.
Bei dem Dokument D2 handelt es sich um eine kein Veröffentlichungsdatum tragende Präsentation zu einem Vortrag, der gemäß den Dokumenten D9 (vgl. die Angabe „Drahtbonden in der Mikroelektronik (1. Workshop BioAVT, 2003) Dr.-Ing. Klaus-Dieter Lang“) und D10 (vgl. die Datumsangabe „1. Workshop Bio-AVT 4./5. Dezember 2003“) anlässlich eines Workshops „Bio-AVT“ am 4./5. Dezember 2003 und damit vor dem Anmeldetag des Streitpatents gehalten wurde. Der auf S. 8 dieses Dokuments gezeigten Figur entnimmt der Fachmann in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ein
M1 Leistungshalbleitermodul (vgl. das mit Bezugszeichen versehene Dokument D2.1, das bis auf diese Bezugszeichen mit der 8. Seite des Dokuments D2 identisch ist: „IGBT-Leistungsmodule“) mit Bondverbindung für die Laststrom leitende Verbindung einer Leiterbahn (3) mit einem Leistungshalbleiterbauelement (4),
M2 mit einem elektrisch isolierenden Substrat (6, dass das Substrat elektrisch isolierend ist, ergibt sich daraus, dass anderenfalls das Leistungshalbleitermodul auf Grund von Kurzschlüssen nicht funktionsfähig wäre),
M3 hierauf angeordneten Leiterbahnen (3),
M4 mindestens einem auf einer ersten Leiterbahn (nicht bezeichnet und auch nicht direkt zu erkennen, muss aber vorhanden sein, da der IGBT von unten kontaktiert werden muss) angeordneten und
M5 mit mindestens einer zweiten Leiterbahn (3) verbundenen Leistungshalbleiterbauelement (4),
M6 wobei dieses Leistungshalbleiterbauelement (4) auf seiner der ersten Leiterbahn abgewandten ersten Hauptfläche mindestens eine Metallisierung (7) aufweist und
M7 die Bondverbindung eine Mehrzahl von Bonddrähten (8) mit Bondfüßen (9) aufweist,
M9 diese Bondfüße (9) benachbarter Bonddrähte auf der Metallisierung (7) des Leistungshalbleiterbauelements (4) gegeneinander versetzt sind und somit diese Bondfüße (9) schachbrettartig nur auf gleichen Feldern angeordnet sind.
Damit unterscheidet sich das im geltenden Anspruch 1 beanspruchte Leistungshalbleitermodul von dem im Dokument D2 gezeigten durch das Merkmal M8, dass die Bonddrähte jeweils eine Mehrzahl von Bondfüßen auf der Metallisierung des Leistungshalbleiterbauelements aufweisen, denn das Dokument D2 zeigt nur jeweils einen Bondfuß (9) pro Bonddraht auf der Metallisierung (7) des Leistungshalbleiterbauelements (4). Dieser Unterschied beruht aber auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
So ist aus der Figur der Seite D2.1 ersichtlich, dass nur die in der Darstellung linke Seite des Leistungshalbleiterbauelements (4) kontaktiert wird, was zu einer Konzentration des Stroms auf der linken Seite führt. Druckschrift D16 zeigt in Fig. 4A eine Anordnung, welche mehrere Bondfüße in einem Bondband aufweist, was zu einer gleichmäßigeren Verteilung des Stromes in der Richtung parallel zum Bondband im Halbleiter führt (vgl. S. 12, Z. 9 bis 20: „Fig. 4A is a side view showing another embodiment of the present invention in which multiple bonds or stitches 500 are used to contact ribbon 404 to metalized portion 406. Stitches 500 are formed using ultrasonic bonding in one embodiment. Multiple stitches reduce spreading resistance along metalized portion 406. As seen from Fig. 4, the shorter the distance between stitches 500, the less distance current has to travel in the metalization with high electrical resistance, resulting in less spreading resistance and higher current flow to terminals 408 of lead frame 402. In one embodiment, the number of stitches is between 2 and 6, although a single stitch may also be used.”).
Für den Fachmann ist es angesichts dieser Lehre naheliegend, auch den rechten Teil der Metallisierung des in der Figur der Seite D2.1 des Dokuments D2 Leistungshalbleiterbauelements (4) zu kontaktieren, indem er in diesem Bereich die Bonddrähte niederdrückt und dort nochmals einen Bondfuß erzeugt. Um die Strombelastung der Bonddrähte dabei gleichmäßig zu halten, wählt er dabei die Anzahl der Bondfüße pro Draht gleich, was erfordert, dass er die in der Figur gezeigten Bondfüße noch etwas nach links verschiebt, so dass bei jedem Draht noch ein weiterer Bondfuß rechts der Mittellinie des Leistungsbauelements ausgebildet werden kann. Auch eine noch größere Anzahl von Bondfüßen als ein weiterer pro Bonddraht liegt für den Fachmann auf Grund der Anregung aus Druckschrift D16 nahe, sofern hierfür ausreichend Platz vorhanden ist, also ein größeres Leistungshalbleiterbauelement als das auf der Seite D2.1 gezeigte vorliegt. Damit ergibt sich für den Fachmann das Merkmal M8 und damit der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags in naheliegender Weise durch die Zusammenschau der Lehren der Dokumente D2 und D16 (§ 4 PatG), so dass dieser nicht patentfähig ist.
5. Das zusätzliche Merkmal M10 des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist ungeeignet, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen, da es sich ausgehend von der Figur der Seite D2.1 des Dokuments D2 bei einer Kontaktierung der rechten Seite des Leistungshalbleiterbauelements (4) in der bereits beschriebenen Weise von selbst ergibt. So zeigt die Figur auf Seite D2.1 Bondfüße (9), welche von zwei benachbarten Bondfüßen nahezu denselben Abstand haben. Wird die Anordnung der Bondfüße auf der rechten Seite fortgeführt, so ergeben sich Bondfüße, welche von vier benachbarten Bondfüßen nahezu den gleichen Abstand haben, so dass die Abstände eines Bondfusses (9) zu seinen vier nächsten Nachbarn bis auf den zehnten Teil ihrer Länge gleich sind. Damit ergibt sich auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 für den Fachmann in naheliegender Weise (§ 4 PatG), so dass auch er nicht patentfähig ist.
6. Das weitere Merkmal M11 des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2, dass die Bondfüsse der Bondverbindung auf der zweiten Leiterbahn gegeneinander versetzt sind, ist aus der Figur auf der Seite D2.1 des Dokuments D2 bereits ersichtlich (siehe die Lage der Bondfüße 10 zueinander), so dass damit auch der Gegenstand dieses Anspruches für den Fachmann naheliegend (§ 4 PatG) und damit nicht patentfähig ist.
7. Es kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben, ob ein weiterer der Widerrufsgründe des § 21 PatG bei der beantragten Fassung des Patents gegeben ist (analog zu BGH GRUR 1991, 120, 121 II.1. - „Elastische Bandage“).
8. Auf Grund der Antragsbindung fallen auch die auf Anspruch 1 zurückbezogenen Unteransprüche zum jeweiligen Anspruch 1 der verschiedenen Anträge (vgl. BGH GRUR 2007, 862 - „Informationsübermittlungsverfahren II“).
9. Bei der dargelegten Sachlage war der Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Oktober 2010 / 23. November 2010 aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.