Entscheidungsdatum: 22.11.2011
In dem Einspruchsverfahren
…
betreffend das Patent 103 32 833
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner sowie der Richter Brandt, Metternich und Dr. Friedrich
beschlossen:
Das Patent Nr. 103 32 833 wird widerrufen.
I.
Gegen das am 18. Juli 2003 angemeldete Patent 103 32 833 mit der Bezeichnung „Schalldämpfungsvorrichtung mit Oberflächenmembran“, dessen Erteilung am 28. Juli 2005 veröffentlicht wurde, hat die Einsprechende, über deren Vermögen am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2005, beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag eingegangen, fristgerecht Einspruch erhoben und den Widerruf des Patents beantragt. Sie stützt den Einspruch auf die Widerrufsgründe des § 21, Abs. 1, Nr. 1 in Verbindung mit § 3 PatG (fehlende Neuheit) sowie § 4 PatG (fehlende erfinderische Tätigkeit) und verweist zum Stand der Technik u. a. auf die bereits im Prüfungsverfahren ermittelte Druckschrift
E2 DE 296 17 845 U1.
Diesbezüglich führt sie in ihrem Einspruchsschriftsatz u. a. aus, dass die in Druckschrift E2 offenbarte Schalldämpfungsvorrichtung den Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents neuheitsschädlich vorwegnehme.
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2006, verteidigt die Patentinhaberin ihr Schutzrecht in beschränkter Fassung. Sie vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand dieses Anspruchssatzes durch den nachgewiesenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt werde.
Zusammen mit der Termins-Ladung sind die Einsprechende und die Patentinhaberin darauf hingewiesen worden, dass für die Diskussion der Patentfähigkeit in der mündlichen Verhandlung auch die Druckschrift
E6 DE 26 32 290 C3
relevant sein könnte.
Zu der mündlichen Verhandlung am 22. November 2011, ist die Einsprechende, wie mit Schreiben vom 20. Oktober 2011 angekündigt, nicht erschienen, so dass unverändert der Antrag aus ihrem Einspruchsschriftsatz vom 25. Oktober 2005 gilt,
das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt in der mündlichen Verhandlung den Antrag,
1. das Patent Nr. 103 32 833 auf der Grundlage folgender Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 3, eingereicht am 22. November 2011, Beschreibungsseite 1, eingegangen am 29. Oktober 2004 mit Änderungen gem. P 2480, Beschreibungsseite 1a, ebenfalls eingegangen am 29. Oktober 2004, Beschreibungsseiten 2 bis 6, eingegangen am 18. Juli 2003 und 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5 gemäß der Patentschrift (Hauptantrag);
2. hilfsweise, das Patent Nr. 103 32 833 auf der Grundlage folgender Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Anspruch 1, eingereicht am 22. November 2011 als Hilfsantrag 1, sowie Beschreibungsseiten und Zeichnungen gemäß Hauptantrag;
3. weiterhin hilfsweise, das Patent Nr. 103 32 833 auf der Grundlage folgender Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 und 2, eingereicht am 22. November 2011 als Hilfsantrag 2, sowie Beschreibungsseiten und Zeichnungen gemäß Hauptantrag.
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist eine Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 1 und 7 und hat folgenden Wortlaut (Zusatzmerkmale gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind unterstrichen):
„Schalldämpfungsvorrichtung (1, 1A, 1B) bestehend aus einem Trägerelement (3, 3A, 3B) und einer Oberflächenmembran (7, 7A, 7B), die miteinander verbunden sind und gemeinsam ein Gasvolumen (11) umschließen, wobei ein Federelement (5) mit einer degressiven Abhängigkeit der durch die Auslenkung des Federelements erzeugten Kraft die Oberflächenmembran vom Trägerelement (3, 3A, 3B) in Abstand hält.“
Der einzige Anspruch nach Hilfsantrag 1 umfasst die Merkmale der erteilten Ansprüche 1, 2 und 10. Er lautet folgendermaßen (Zusatzmerkmale gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind unterstrichen):
„Schalldämpfungsvorrichtung (1, 1A, 1B) bestehend aus einem Trägerelement (3, 3A, 3B) und einer Oberflächenmembran (7, 7A, 7B), die miteinander verbunden sind und gemeinsam ein Gasvolumen (11) umschließen, wobei ein Federelement (5) die Oberflächenmembran vom Trägerelement (3, 3A, 3B) in Abstand hält und das Federelement (5) einen Biegefederstab umfasst, wobei der Abstand der Oberflächenmembran (7, 7A, 7B) vom Trägerelement (3, 3A, 3B) durch eine Federwirkung des Federelements (5) und des Gasvolumens (11) bestimmt ist.“
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 präzisiert den erteilten Anspruch 1 durch Aufnahme von Merkmalen aus dem erteilten Anspruch 6 und der Beschreibung. Er hat folgenden Wortlaut (Zusatzmerkmale gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind unterstrichen):
„Schalldämpfungsvorrichtung (1, 1A, 1B) bestehend aus einem Trägerelement (3, 3A, 3B) und einer Oberflächenmembran (7, 7A, 7B), die miteinander verbunden sind und gemeinsam ein Gasvolumen (11) umschließen, wobei ein Federelement (5) die Oberflächenmembran vom Trägerelement (3, 3A, 3B) in Abstand hält, wobei das Gasvolumen (11) mit Mitteln, die vorzugsweise am Trägerelement (3, 3A, 3B) oder der Oberflächenmembran (7, 7A, 7B) anschließbar sind, evakuierbar ist, derart dass der Arbeitspunkt des Federelements (5) einstellbar ist.“
Bezüglich der Unteransprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 2 sowie der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitpatentschrift und den Akteninhalt verwiesen.
II.
Für das vorliegende Einspruchsverfahren ist gemäß § 147 Abs. 3, Satz 1 Nr. 1 PatG in der zum Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs geltenden Fassung das Bundespatentgericht zuständig. Diese zeitlich bis zum 30. Juni 2006 begrenzte Verlagerung der Zuständigkeit hat der BGH als nicht verfassungswidrig beurteilt, vgl. BGH GRUR 2009, 184 - Ventilsteuerung m. w. N. Demnach besteht eine vor dem 1. Juli 2006 begründete Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch auch nach der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG durch Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes vom 21. Juni 2006 fort.
III.
Die Insolvenz der Einsprechenden führt nicht zu einer Unterbrechung des Einspruchsverfahrens.
Zwar ist für die Nichtigkeitsklage anerkannt, dass eine Insolvenz des Nichtigkeitsklägers jedenfalls dann das Nichtigkeitsverfahren unterbricht, wenn der Nichtigkeitskläger Gewerbetreibender ist und die Umstände dafür sprechen, dass er die Klage mit Rücksicht auf den Gewerbebetrieb erhoben hat (so schon RGZ 141, 427). Diese Rechtsprechung ist von Senaten des BPatG auf die Beantwortung der Frage übertragen worden, ob eine Insolvenz des Einsprechenden das Einspruchsverfahren unterbricht (vgl. z.B. BPatGE 40, 229).
Der Senat teilt die letztgenannte Ansicht jedoch nicht und ist der Auffassung, dass die Rechtsprechung zur Unterbrechung der Nichtigkeitsklage infolge Insolvenz des Klägers nicht ohne weiteres auf das Einspruchsverfahren übertragen werden kann. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Stellung des Einsprechenden eher formal ist. Zum einen ist ein eigenes Rechtsschutzinteresse des Einsprechenden nicht erforderlich, da der Einspruch ein Popularrechtsbehelf ist (vgl. Schulte/Moufang, Patentgesetz mit EPÜ, 8. Aufl., § 59, Rdn. 60 m. w. N.). Zum anderen ist der Einsprechende, anders als der Nichtigkeitskläger, in der Disposition über das Einspruchsverfahren insoweit eingeschränkt, als die Rücknahme des Einspruchs nicht zur Beendigung des Verfahrens führt, sondern ohne den Einsprechenden fortgesetzt wird (§ 59 Abs. 1 Satz 2 PatG). Dies belegt zugleich, dass es im Einspruchsverfahren vorrangig um öffentliche Interessen an der Klärung der Rechtmäßigkeit einer inter omnes wirkenden Patenterteilung geht. Zwar ist davon auszugehen, dass Einsprechende üblicherweise eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen; diese sind nach Auffassung des Senats aber aufgrund der vorgenannten Ausführungen grundsätzlich als durch das Einspruchsverfahren lediglich mittelbar betroffen zu erachten. Dann ist auch grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass die mit der Einspruchserhebung verbundene Geltendmachung der Widerrufbarkeit des Streitpatents einen Vermögenswert darstellt, der als solcher in die Insolvenzmasse fallen würde.
Etwas anderes könnte dann in Betracht kommen, wenn, ähnlich wie in Bezug auf die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens nach Erlöschen des Streitpatents, ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Einsprechenden gegeben ist, weil er z. B. aufgrund des Streitpatents bereits in Anspruch genommen wurde; denn dann könnte nicht mehr von nur mittelbar betroffenen wirtschaftlichen Interessen des Einsprechenden, sondern von einem konkreten Bezug zu dessen Vermögen und damit auch zur Insolvenzmasse auszugehen sein. Dies ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich.
IV.
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist zwar nicht angegriffen worden, jedoch ist diese von Amts wegen zu prüfen, vgl. Schulte PatG, 8. Auflage § 59 Rdn. 56 und 160 bis 162.
Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, weil der Widerrufsgrund des § 21 PatG, insbesondere bzgl. der fehlenden Neuheit (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 und § 3) hinsichtlich der Druckschrift E2 angegeben ist und die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen aufgeführt sind (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), da in der zugehörigen Begründung ein konkreter Bezug der einzelnen Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 zum Stand der Technik nach der Druckschrift E2 hergestellt wird, um fehlende Neuheit zu belegen, vgl. BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp, Abs. 1 - Epoxidation.
V.
Das Streitpatent betrifft eine Schalldämpfungsvorrichtung.
Zur Lärmdämmung werden üblicherweise schallabsorbierende Materialien wie Schaumstoff verwendet, deren Lärmdämmung bei niedrigen Schallfrequenzen allerdings meist gering ist. Insbesondere bei medizinischen Großgeräten, bspw. Magnetresonanzgeräten, ist jedoch eine Lärmdämmung in einem großen Frequenzbereich von beispielsweise 50 Hz bis 5 kHz wichtig, da die Patienten dem Lärm des medizinischen Großgeräts im Untersuchungszeitraum in einem geringen Abstand ausgesetzt sind, vgl. Streitpatent Abs. [0001] bis [0002].
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine kompakte, d. h. wenig Platz beanspruchende, Vorrichtung zur Schalldämpfung anzugeben, wobei die Schalldämpfung vorzugsweise auch im niederfrequenten Bereich stattfinden soll, vgl. Streitpatent Abs. [0007].
Diese Aufgabe wird gemäß dem Anspruch 1 nach Hauptantrag gelöst durch eine Schalldämpfungsvorrichtung, bestehend aus einem Trägerelement und einer Oberflächenmembran, die miteinander verbunden sind und gemeinsam ein Gasvolumen umschließen, wobei ein Federelement mit einer degressiven Abhängigkeit der durch die Auslenkung des Federelements erzeugten Kraft die Oberflächenmembran vom Trägerelement in Abstand hält.
Demgegenüber wird gemäß dem einzigen Anspruch des Hilfsantrags 1 die gestellte Aufgabe mit einer Schalldämpfungsvorrichtung gelöst, deren Federelement einen Biegestab umfasst, wobei der Abstand der Oberflächenmembran vom Trägerelement durch eine Federwirkung des Federelements und des Gasvolumens bestimmt ist.
Die Maßnahme, die Schalldämpfungsvorrichtung so auszubilden, dass das Gasvolumen mit Mitteln, die vorzugsweise am Trägerelement oder der Oberflächenmembran anschließbar sind, derart evakuierbar ist, dass der Arbeitspunkt des Federelements einstellbar ist, ist Gegenstand des Hilfsantrags 2.
Der Kerngedanke der Lösung nach Hauptantrag besteht demnach darin, dass das Federelement der Schalldämpfungsvorrichtung keine lineare, sondern eine degressive Federkennlinie, d. h. ein Abfallen der Federkraft bei zunehmender Auslenkung aufweist. Dadurch ergibt sich eine große Drucknachgiebigkeit der Oberflächenmembran und damit eine gute Schalldämmung, vgl. Streitpatent Abs. [0008]. Abweichend davon ist für die Lösung nach Hilfsantrag 1 wesentlich, dass das Federelement einen Biegestab umfasst, was eine Schalldämpfung im Frequenzbereich von wenigen Hz bis zu einigen kHz ermöglicht. Im Unterschied dazu steht für die Lösung nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 die Möglichkeit im Vordergrund, den Arbeitspunkt des Federelements durch an das Trägerelement oder an die Oberflächenmembran anschließbare Evakuiermittel einstellen zu können, vgl. Streitpatent Abs. [0025] und [0026].
VI.
1. Hauptantrag
Die Zulässigkeit der Ansprüche ist im Einspruchsverfahren von Amts wegen auch dann zu überprüfen, wenn von der Einsprechenden der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung - wie vorliegend - nicht geltend gemacht worden ist (vgl. hierzu BGH GRUR 1995, 333 - „Aluminium-Trihydroxid“).
Im vorliegenden Fall kann jedoch dahinstehen, ob die gemäß Hauptantrag verteidigten Patentansprüche 1 bis 3 zulässig sind (BGH GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 - „Elastische Bandage“), denn der Einspruch hat hinsichtlich des Hauptantrags jedenfalls deshalb Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gegenüber dem Stand der Technik gemäß den Druckschriften E2 und E6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruht (§ 4 PatG), der hier als ein mit der Entwicklung von schallabsorbierenden Abschirmungen betrauter, berufserfahrener Diplom-Ingenieur mit Hochschulabschluss zu definieren ist.
So offenbart Druckschrift E2, vgl. deren Fig. 3 und Beschreibung auf Seite 6, letzter Absatz, mit den Worten des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag eine
Schalldämpfungsvorrichtung (Kammersystem zum Schallabsorbieren / S. 6, le. Abs.) bestehend aus einem Trägerelement (Träger 4 / Fig. 3) und einer Oberflächenmembran (Aluminiumfolie 1 / Fig. 3), die miteinander verbunden sind und gemeinsam ein Gasvolumen umschließen (Kammer 2 / Fig. 3), wobei ein Federelement (Aluminium-Thermoplast-Verbundfolie 1a / Fig. 3) die Oberflächenmembran vom Trägerelement in Abstand hält (Bei dem Ausführungsbeispiel von Figur 3 ist der Träger 4 als Schale geformt, die beispielsweise eine Kfz-Trennwand oder ein Armaturenbrett bildet. An einer Seite des Trägers 4 ist ein Kammersystem zum Schallabsorbieren der vom Motorraum einfallenden Schallwellen angeordnet, indem eine Aluminium-Thermoplast-Verbundfolie 1a in der schematisch dargestellten Weise tiefgezogen und zusätzlich mit einer Aluminiumfolie 1, die wiederum mit einer Thermoplastfolie kaschiert sein kann, überzogen ist. Hierdurch wird ein System gebildet, daß Resonanzen in den Kammern 2 erzeugt. Dadurch, daß auch die Aluminium-Thermoplast-Verbundfolie 1a schwingfähig ist, wird die Breitbandigkeit noch weiter verbessert / S. 6, le. Abs. bis S. 7, erster Abs.).
Aus Druckschrift E2 sind somit bis auf die Angabe, dass das Federelement eine degressive Abhängigkeit der durch die Auslenkung des Federelements erzeugten Kraft aufweist, sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag bekannt.
Dieses Merkmal entnimmt der Fachmann jedoch in naheliegender Weise der Druckschrift E6, deren Aufgabe in Übereinstimmung mit der Aufgabe des Streitpatents darin besteht, volumenändernde Resonatoren mit kleinen Bauvolumen bereitzustellen, die auch bei tiefen Frequenzen Schall absorbieren (vgl. Sp. 2, Zn. 15 bis 30). Als Lösung stellt Druckschrift E6 Schwingsysteme bereit, die aus einem Volumen mit Unterdruck und damit verringerter Volumensteifigkeit bestehen und zudem Wandungselemente umfassen, die bei Unterdruckbelastung eine sehr geringe, einschließlich eine negative Federkonstante haben und somit eine degressive Abhängigkeit der durch die Auslenkung des Federelements erzeugten Kraft aufweisen. Gemäß Druckschrift D6 bringen diese speziellen Wandungselemente gerade die Kraftdifferenz von Außen- und Innendruck auf, weshalb sich damit tieffrequente Resonatoren mit kleinen Volumina realisieren lassen. Als bevorzugte Wandungselemente lehrt Druckschrift D6 ebenso wie das Streitpatent Tellerfedern und Eulersche Knickfedern (vgl. Sp. 2, Zn. 31 bis 52 sowie die Ansprüche 1 bis 3). Somit gibt Druckschrift E6 dem Fachmann die allgemeine Lehre, dass sich kompakte und im niederfrequenten Bereich wirksame Schalldämpfungsvorrichtungen durch die Verwendung von Wandungselementen verwirklichen lassen, die eine degressive Abhängigkeit der durch die Auslenkung des Federelements erzeugten Kraft aufweisen. Diese Erkenntnis auf die Schalldämpfungsvorrichtung nach Fig. 3 der Druckschrift E2 zu übertragen, indem die dort aus der schwingfähigen Aluminium-Thermoplast-Verbundfolie gebildeten Federelemente 1a gemäß der Lehre von Druckschrift E6 durch schwingfähige Elemente mit negativer Federkonstante ersetzt werden, wodurch kompakte und insbesondere im niedrigen Frequenzbereich wirksame Schalldämpfungsvorrichtungen ausgebildet werden, bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
Die Patentinhaberin hat demgegenüber vorgetragen, dass die patentgemäße Schalldämpfungsvorrichtung eine andere Anordnung der Federelemente aufweise als die in Druckschrift E6 offenbarte Schalldämpfungsvorrichtung. Denn während die bspw. in den Figuren 4 und 5 der Druckschrift E6 gezeigten Wandungselemente 33 und 43 dem Schall zugewandt seien, hätten die in den Figuren des Streitpatents dargestellten Federelemente eine diesbezüglich um 90° gedrehte Ausrichtung. Deshalb könne auch eine Kombination der Druckschriften E2 und E6 den Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag nicht nahelegen.
Diese Argumentation konnte jedoch nicht durchgreifen, da sich die Anordnung der Federelemente im Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht widerspiegelt. Vielmehr wird dort hinsichtlich des Federelements lediglich beansprucht, dass es mit einer degressiven Abhängigkeit der durch die Auslenkung des Federelements erzeugten Kraft die Oberflächenmembran vom Trägerelement in Abstand hält. Hingegen ist die räumliche Orientierung des Federelements zur Schallquelle kein Merkmal dieses Anspruchs.
Somit wird der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag dem Fachmann durch den Stand der Technik gemäß den Druckschriften E2 und E6 nahegelegt.
Das gemäß Hauptantrag verteidigte Patent ist daher nicht rechtsbeständig.
Mit dem Anspruch 1 fallen wegen der Antragsbindung auch die Unteransprüche nach dem Hauptantrag, vgl. BGH GRUR 2007, 862, Abs. [22] - Informationsübermittlungsverfahren II m. w. N.
2. Hilfsantrag 1
Es kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob der einzige Patentanspruch des Hilfsantrags 1 zulässig ist, denn der Einspruch hat auch hinsichtlich des Hilfsantrags 1 jedenfalls deshalb Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift E2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des vorstehend definierten Fachmanns beruht.
Denn Druckschrift E2, vgl. deren Fig. 3 und die bereits zum Hauptantrag zitierte Beschreibung auf Seite 6, letzter Absatz, offenbart in der Terminologie des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 eine
Schalldämpfungsvorrichtung (Kammersystem zum Schallabsorbieren / S. 6, le. Abs.) bestehend aus einem Trägerelement (Träger 4 / Fig. 3) und einer Oberflächenmembran (Aluminiumfolie 1 / Fig. 3), die miteinander verbunden sind und gemeinsam ein Gasvolumen umschließen (Kammer 2 / Fig. 3), wobei ein Federelement (Aluminium-Thermoplast-Verbundfolie 1a / Fig. 3) die Oberflächenmembran vom Trägerelement in Abstand hält, wobei der Abstand der Oberflächenmembran (1) vom Trägerelement (4) durch eine Federwirkung des Federelements (1a) und des Gasvolumens (2) bestimmt ist.
Folglich offenbart Druckschrift E2 bis auf das Merkmal, dass das Federelement einen Biegefederstab umfasst, sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1.
Dieser Unterschied beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des vorstehend definierten Fachmanns, sondern ergibt sich für ihn in naheliegender Weise aus der Druckschrift E2 in Verbindung mit seinem Fachwissen (§ 4 PatG).
So lehrt Druckschrift E2 eine Schalldämpfungsvorrichtung mit einer dünnen Aluminiumschicht als schwingfähiger Membran, die an vorgegebenen Bereichen abgestützt wird (vgl. S. 3, erster Abs.). Diese Abstützung kann gemäß Druckschrift E2 auf unterschiedliche Weise erfolgen, bspw. durch einen porösen Aluminiumkörper (3 / Fig. 1) aus Aluminiumwolle, durch eine tiefgezogene Aluminium-Thermoplast-Verbundfolie (1a / Fig. 3), durch einen mit Kammern versehenen porösen Körper (2, 3 / Fig. 6) oder durch plattenförmige Abstandshalter (14 / Fig. 10) zwischen der Membran (1) und dem Träger (4). Dabei ist nach Druckschrift E2 entscheidend, dass die Aluminiumfolie ihre Schwingfähigkeit nicht verliert (Seite 4, zw. Abs.) und dass die Schwingungsamplituden davon abhängen, welche Schwingungsfreiheitsgrade die Aluminiumfolie zwischen den abstützenden Teilen aufweist (vgl. S. 3, erster Abs.). Wenn das Stützelement als Federelement ausgebildet und damit selber schwingfähig ist, verbessert dies nach der Druckschrift E2 die Breitbandigkeit der Schalldämpfungsvorrichtung zusätzlich (S. 6, le. Zeile bis S. 7, zw. Zeile). Der Fachmann entnimmt somit diesen Ausführungen die allgemeine Lehre, die Membran der Schalldämpfungsvorrichtung zur Gewährleistung einer breitbandigen Absorptionsfähigkeit mit schwingfähigen Federelementen abzustützen. Diese schwingfähigen Federelemente stabförmig in Gestalt von Biegefederstäben auszubilden, ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus seinem allgemeinen Fachwissen, denn Stäbe als Abstützmittel sind dem Fachmann grundsätzlich bekannt.
Demnach wird der Gegenstand des einzigen Anspruchs nach Hilfsantrag 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik gemäß der Druckschrift E2 nahegelegt.
Das gemäß Hilfsantrag 1 verteidigte Patent ist daher nicht rechtsbeständig.
3. Hilfsantrag 2
Es kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 2 zulässig ist, denn der Einspruch hat auch hinsichtlich des Hilfsantrags 2 jedenfalls deshalb Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften E2 und E6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruht (§ 4 PatG).
Denn wie bereits zum Haupt- und Hilfsantrag 1 ausgeführt, offenbart Druckschrift E2 eine Schalldämpfungsvorrichtung (Kammersystem zum Schallabsorbieren / S. 6, le. Abs.) bestehend aus einem Trägerelement (Träger 4 / Fig. 3) und einer Oberflächenmembran (Aluminiumfolie 1 / Fig. 3), die miteinander verbunden sind und gemeinsam ein Gasvolumen umschließen (Kammer 2 / Fig. 3), wobei ein Federelement (Aluminium-Thermoplast-Verbundfolie 1a / Fig. 3) die Oberflächenmembran vom Trägerelement in Abstand hält.
Von dieser bekannten Vorrichtung unterscheidet sich die Schalldämpfungsvorrichtung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 lediglich durch das Zusatzmerkmal, dass das Gasvolumen mit Mitteln, die vorzugsweise am Trägerelement oder der Oberflächenmembran anschließbar sind, evakuierbar ist, derart dass der Arbeitspunkt des Federelements einstellbar ist.
Diese Mittel sind dem Fachmann jedoch aus der ebenfalls zum Hauptantrag bereits angeführten Druckschrift E6 bekannt. Insbesondere stellt Druckschrift E6 Schalldämpfungsvorrichtungen mit Schwingsystemen bereit, die aus einem Volumen mit Unterdruck und damit verringerter Volumensteifigkeit bestehen (Sp. 2, Zn. 31 bis 36). Zur Herstellung des Unterdrucks muss das Schwingsystem vorab evakuiert und somit entsprechend dem Wortlaut des Anspruchs mit Mitteln evakuierbar sein. Dass dadurch der Arbeitspunkt des Federelements einstellbar ist, lehrt Druckschrift E6 ebenfalls, denn sie führt diesbezüglich in Spalte 3, Zeilen 60 bis 66 aus, dass die einzelnen Resonatoren u. a. durch die Größe des Unterdrucks auf verschiedene Frequenzen abgestimmt werden können.
Damit wird der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 dem Fachmann durch den Stand der Technik gemäß den Druckschriften E2 und E6 nahegelegt.
Das Streitpatent hat somit auch in der mit Hilfsantrag 2 verteidigten Fassung keinen Bestand.
Mit dem Anspruch 1 fallen wegen der Antragsbindung auch die Unteransprüche nach Hilfsantrag 2, vgl. BGH GRUR 2007, 862, Abs [22] - Informationsübermittlungsverfahren II m. w. N.
VII.
Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen (§ 61 Abs. 1 Satz 1 PatG i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).