Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 05.11.2013


BPatG 05.11.2013 - 23 W (pat) 14/10

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren zum Erfassen von Messpunkten eines Messsignals“ - zur unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs eines erteilten Patents


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
23. Senat
Entscheidungsdatum:
05.11.2013
Aktenzeichen:
23 W (pat) 14/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Einspruchsbeschwerdesache

betreffend das Patent 10 2005 005 850.7

hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Strößner sowie der Richter Metternich, Dr. Friedrich und Dr. Zebisch

beschlossen:

1. Der Beschluss der Patentabteilung 1.31 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. November 2009 wird aufgehoben.

2. Das Patent Nr. 10 2005 005 850.7 wird widerrufen.

Gründe

I.

1

Die Prüfungsstelle für Klasse G 08 C des Deutschen Patent- und Markenamts hat das am 8. Februar 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete Patent DE 10 2005 005 850.7 (Streitpatent) mit der Bezeichnung „Verfahren zum Erfassen von Messpunkten eines Messsignals“ durch Beschluss vom 23. Oktober 2006 erteilt. Die Patenterteilung wurde am 29. März 2007 veröffentlicht.

2

Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 28. Juni 2007, am selben Tag vorab per Fax beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen, fristgerecht Einspruch erhoben. In ihrem Schriftsatz hat sie beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang aufgrund der Widerrufsgründe der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG), der fehlenden Ausführbarkeit durch den Fachmann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) und der fehlenden ursprünglichen Offenbarung des erteilten Gegenstandes (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) zu widerrufen. Mit zwei weiteren Schriftsätzen hat die Einsprechende ihre Argumente bekräftigt.

3

Zur Begründung der fehlenden Patentfähigkeit bezieht sich die Einsprechende neben der im Erteilungsverfahren bereits berücksichtigten Druckschrift

4

D1 DE 195 35 719 A1

5

noch auf die folgenden Schriften:

6

D2 P. Scholz „Methoden der ereignisgesteuerten Datenaufnahme“, in „Messen und Verarbeiten elektrischer und nichtelektrischer Größen, 9. Kongressmesse für industrielle Messtechnik, 05. - 07. September 1995, Wiesbaden, S. 283 - 286;

7

D3 DE 37 44 397 A1;

8

D4  GB 2 340 969 A;

9

D5 DD 225 804 A1;

10

D6 J. D. Outram: „Adaptive storage - automatic data selection and storage in a harmonics power logger“, in IEE Colloquium „Low frequency power measurement and analysis“, London, 1994, S. 5/1 bis 5/6;

11

D7 DE 196 49 525 A1; und

12

D8  H. Hütter, Dissertation: „Störungsaufzeichnung mit Datenreduktion in elektrischen Energieversorgungsnetzen“, Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik der Universität Stuttgart, 1985, Kurzfassung.

13

Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 2. Januar 2008 entgegengetreten und hat beantragt, den Einspruch als unbegründet zurückzuweisen. Hilfsweise wurde beantragt, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

14

In der mündlichen Verhandlung vor der Patentabteilung 31 des Deutschen Patent- und Markenamts am 12. November 2009 hat die Patentinhaberin einen neuen Satz Patentansprüche 1 bis 3 und zwei neue Seiten Beschreibung als Hilfsantrag eingereicht. Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung folglich den Antrag gestellt, das Patent zu widerrufen und das Patent gemäß Hilfsantrag ebenfalls zu widerrufen. Die Patentinhaberin stellte in der Anhörung den Antrag, das Patent unverändert aufrecht zu erhalten, hilfsweise im Umfang der in der Anhörung eingereichten Patentansprüche 1 - 3 beschränkt aufrecht zu erhalten und dabei die geänderten Beschreibungsseiten 2 und 3 zu berücksichtigen.

15

Als Ergebnis der Anhörung wurde das Streitpatent durch Beschluss der Patentabteilung 31 des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 PatG mit nachstehend genannten Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

16

Beschreibung gemäß Patentschrift, wobei deren Absätze [0003] bis [0012] durch die Beschreibungsseiten 2 und 3, eingegangen am 12.11.2009, zu ersetzen sind; Patentanspruch Nummer 1-3, eingegangen am 12.11.2009; und

17

Zeichnung Fig.-Nummer 1, 2 gemäß Patentschrift.

18

Die Patentabteilung führte in diesem Beschluss aus, dass das Verfahren des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber der Druckschrift D5, welche den nächstliegenden Stand der Technik darstelle, auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns beruhe. Hingegen sei das Verfahren des Anspruchs 1 des Hilfsantrags gegenüber den im Verfahren befindlichen Druckschriften neu und es beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns. Zudem gehe der Gegenstand des Patents gemäß Hilfsantrag nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Auch offenbare das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Der Beschluss wurde der Patentinhaberin am 23. Dezember 2009 und der Einsprechenden am 24. Dezember 2009 zugestellt.

19

Gegen diesen Beschluss hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 12. Januar 2010, am darauffolgenden Tag beim Deutschen Patent- und Markenamt per Fax eingegangen, fristgerecht Beschwerde eingelegt, welche sie mit Schriftsatz vom 14. Mai 2010 begründet hat.

20

Auf die Ladung zur Anhörung hin hat die Patentinhaberin den Ansichten der Einsprechenden nochmals in einem am 7. Oktober 2013 per Fax eingegangenen Schriftsatz widersprochen und ihre Sichtweise durch die Dokumente

21

D9 W. Müller: Skript der Carl-Engler-Schule Karlsruhe, „1. Analoge Signale“ bis „2.8 Einheitssignale“, Oktober 2009;

22

D10 Ausdruck der Internetseite http://www.itwissen.info/definition/lexikon/Signal-signal.html vom 6. Oktober 2013; und

23

D11 Ausdruck der Internetseite http://de.wikipedia.org/wiki/Signal vom 6. Oktober 2013

24

unterstützt.

25

In der mündlichen Verhandlung am 5. November 2013 hat die Einsprechende und Beschwerdeführerin ihre Ansicht nochmals dargelegt und beantragt,

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den Beschluss der Patentabteilung 1.31 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. November 2009 aufzuheben und das Patent Nr. 10 2005 005 850.7 in vollem Umfang zu widerrufen.

27

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin ist in der mündlichen Verhandlung den Ansichten der Einsprechenden nochmals entgegengetreten und stellte den Antrag,

28

die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.

29

Der geltende, in der Anhörung vor der Patentabteilung 31 am 12. November 2009 überreichte Anspruch 1, auf Grundlage dessen die Patentabteilung das Patent in beschränktem Umfang aufrecht erhalten hat, lautet (Gliederung bei ansonsten unverändertem Wortlaut eingefügt):

30

1.1 „Verfahren zum Erfassen von Messpunkten eines Messsignals und deren Weitergabe an eine Auswerte- und/oder Speichereinheit,

31

1.2 wobei das Messsignal mit einer veränderbaren Abtastrate abgetastet wird

32

1.3 und ein Messpunkt bestehend aus dem Messwert des Signals und der Abtastrate, mit der der Messwert gemessen wird,

33

1.4 nur bei einer Änderung des Messwerts des Messsignals gegenüber dem Messwert des Messsignals des vorherigen Messpunkts an die Auswerte- und/oder Speichereinheit weitergegeben,

34

1.5 wobei die Dynamik der Abtastrate der Dynamik der Änderungen angepasst wird.“

II.

35

Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat Erfolg, denn das Verfahren zum Erfassen von Messpunkten eines Messsignals nach dem geltenden Anspruch 1 ist nicht vom Schutzbereich des erteilten Patents umfasst, so dass eine Erweiterung des Schutzbereichs des Patents vorliegt (§ 22 Abs. 1 2. Alternative PatG). Der Anspruch 1 des Streitpatents in der von der Patentabteilung aufrechterhaltenen Fassung ist demnach unzulässig.

36

1. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium, auch im Beschwerdeverfahren, zu prüfen (vgl. Schulte PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 56 und 160 bis 162, BGH GRUR 1972, 592 - „Sortiergerät“), da nur das Vorliegen eines zulässigen Einspruchs die sachliche Überprüfung eines erteilten Patents erlaubt.

37

Vorliegend ist der form- und fristgerecht erhobene Einspruch zulässig, weil zu allen geltend gemachten Einspruchsgründen substantiiert Stellung genommen wurde. So wurde zum Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) angegeben, welches Merkmal gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 weggelassen worden sei, und warum dieses Weglassen zu einer unzulässigen Erweiterung führen solle. Zum Einspruchsgrund der fehlenden Ausführbarkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) wurde detailliert dargelegt, welche Widersprüche sich auf Grund der Darstellung im Patent ergäben und welche Informationen dem Fachmann zur Ausführung der Erfindung fehlten. Und zuletzt wurde zum Einspruchsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) angegeben, wo welche Merkmale des Verfahrens des Anspruchs 1 in den einzelnen Druckschriften offenbart seien. Auch zu den Unteransprüchen wurde substantiiert Stellung genommen. Insgesamt sind somit die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen aufgeführt (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG). Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts und auch der Patentinhaber wurden demnach in die Lage versetzt, ohne eigene Nachforschungen festzustellen, ob die behaupteten Einspruchsgründe vorliegen (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, liSp., Abs. 1 - „Epoxidation“; Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 93 bis 97).

38

2. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Erfassen von Messpunkten eines Messsignals und deren Weitergabe an eine Auswerte- und/oder Speichereinheit (vgl. Abs. [0001] der geltenden Unterlagen).

39

Messsignale, gleich welcher Art, werden üblicherweise mit einer hohen Abtastrate aufgenommen und in Messkurven dargestellt. Dadurch werden die Änderungen der Messwerte in der Kurve erfasst. Beispielhaft wird die Erfassung von Daten bei einer Spritzgießmaschine erwähnt. Z. B. können beim Spritzen die Temperatur des Spritzgießwerkzeugs, die Temperatur der Werkzeuginnenwand und/oder der Druck in einer Kavität überwacht werden. Es gibt aber unzählige Möglichkeiten der Generierung von Messsignalen, die aufgenommen, ausgewertet und/oder gespeichert werden müssen (vgl. Abs. [0002] der geltenden Unterlagen).

40

In vielen Fällen ist die Änderung des Messwertes und damit ein Ansteigen oder Fallen der Kurve nur in einem bestimmten Abschnitt vorhanden, während der Rest der Kurve über lange Zeit völlig horizontal verläuft. Mit den bisherigen Verfahren wird jedoch die gesamte Kurve mit einer hohen Abtastrate aufgenommen, obwohl beispielsweise 80 % bis 90 % der Aufnahmen den gleichen Wert aufweisen können. Daraus ergibt sich zwangsläufig eine hohe Datenmenge. In der Regel wird diese Datenmenge auf ein Medium abgespeichert, was dort entsprechend große Kapazitäten bindet. Ebenso werden hohe Übertragungskapazitäten bei der Datenübertragung gebunden (vgl. S. 2, Z. 2 bis 9 der geltenden Unterlagen).

41

Im Stand der Technik, so in der DE 195 35 719 A1 (= D1) wird ein Messwerterfassungsgerät für elektrische Spannungen, Ströme, Impulse und/oder starke Signale beschrieben. Dabei werden die Messwerte auf einem Datenträger in einem nicht äquidistanten Zeitraster gespeichert. Die Führungsgröße zur Abspeicherung der Messwerte ist eine Messwerttoleranz. Abgespeichert wird nur dann ein Messwert, wenn sein Wert außerhalb einer vorgegebenen Toleranz im Vergleich zum letzten gespeicherten Wert des Messsignals liegt. Ferner ist noch vorgesehen, den jeweiligen gespeicherten Messwerten eine Zeitinformation mitzugeben (vgl. S. 2, Z. 11 bis 18 der geltenden Unterlagen).

42

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Erfassen von Messpunkten eines Messsignals und deren Weitergabe an eine Auswerte- und/oder Speichereinheit anzubieten, mit Hilfe dessen die zu erfassende bzw. abzuspeichernde oder auszuwertende Datenmenge reduziert wird (vgl. S. 2, Z. 21 bis 23 der geltenden Unterlagen).

43

Diese Aufgabe wird durch das Verfahren des geltenden Anspruchs 1 gelöst.

44

Das beanspruchte Verfahren ist demnach zum Erfassen von Messpunkten eines Messsignals und der Weitergabe der Messpunkte an eine Auswerte- und/oder Speichereinheit geeignet. Ein solcher Messpunkt besteht aus zwei Werten, nämlich dem Messwert und der Abtastrate, mit der das Messsignal beim Bestimmen des Messwertes abgetastet wird. Die Abtastrate, mit der das Messsignal abgetastet wird, ist anders als beim Stand der Technik, von dem die Anmeldung ausgeht, nicht konstant, sondern sie ist veränderbar. Das Verfahren gibt einen Messpunkt, also ein Paar bestehend aus dem Messwert und der zugehörigen Abtastrate, dann und nur dann an die Auswerte- und/oder Speichereinheit weiter, wenn der Messwert des Messsignals sich gegenüber dem vorherigen Messpunkt geändert hat. Andernfalls unterbleibt eine Weitergabe. Zudem wird die Dynamik der Abtastrate der Dynamik der Änderungen des Messwertes angepasst.

45

3. Der geltende Anspruch 1 ist unzulässig, da sein Schutzbereich gegenüber dem erteilten Patent erweitert worden (§ 22 Abs. 1 2. Alternative PatG) ist. So lautet der einzige selbständige Anspruch des von der Prüfungsstelle für Klasse G 08 C erteilten Patents (Gliederung bei ansonsten unverändertem Wortlaut eingefügt):

46

1.1 „Verfahren zum Erfassen von Messpunkten eines Messsignals und deren Weitergabe an eine Auswerte- und/oder Speichereinheit,

47

1.2 wobei das Messsignal mit einer veränderbaren Abtastrate abgetastet wird

48

1.3 und ein Messpunkt bestehend aus dem Messwert des Signals und der Abtastrate, mit der der Messwert gemessen wird,

49

1.4‘ nur bei einer Änderung gegenüber dem vorherigen Messpunkt an die Auswerte- und/oder Speichereinheit weitergegeben wird.“

50

Gegenüber diesem erteilten Anspruch 1 ist der geltende Anspruch 1 durch das zusätzliche Merkmal 1.5 eingeschränkt. Das Merkmal 1.4 ist gegenüber dem Merkmal 1.4‘ in der erteilten Fassung verändert.

51

Gemäß dem in beiden Anspruchsfassungen enthaltenen Merkmal 1.3 besteht ein Messpunkt aus einem Messwert und der Abtastrate, mit der der Messwert gemessen wird. Im Merkmal 1.4 bzw. 1.4‘ geben die beiden Ansprüche jeweils eine Regel an, nach der der Messpunkt weitergegeben wird. Nach der im Merkmal 1.4 des Anspruchs 1 in der Fassung, in der die Patentabteilung die Aufrechterhaltung des Streitpatents beschlossen hat, angegebenen Regel wird ein Messpunkt nur bei einer Änderung des Messwerts des Messsignals gegenüber dem Messwert des Messsignals des vorherigen Messpunkts weitergegeben. Dies bedeutet, dass das beanspruchte Verfahren wie folgt reagiert:

52

1. Messwert und Abtastrate unverändert => keine Weitergabe

53

2. Messwert verändert, Abtastrate unverändert => Weitergabe

54

3. Messwert unverändert, Abtastrate verändert => keine Weitergabe

55

4. Messwert und Abtastrate verändert => Weitergabe.

56

Nach dem Merkmal 1.4‘ des Anspruchs 1 der Streitpatentschrift heißt es, dass „ein Messpunkt …nur bei einer Änderung gegenüber dem vorherigen Messpunkt … weitergegeben wird“. Dies bedeutet, dass das Verfahren wie folgt reagiert:

57

1. Messwert und Abtastrate unverändert => keine Weitergabe

58

2. Messwert verändert, Abtastrate unverändert => Weitergabe

59

3. Messwert unverändert, Abtastrate verändert => Weitergabe

60

4. Messwert und Abtastrate verändert => Weitergabe.

61

Daraus ist ersichtlich, dass die beiden Regeln sich im Punkt 3. unterscheiden, was daher rührt, dass in der erteilten Fassung vom Messpunkt ausgegangen wird, während in der geltenden Fassung wieder vom Messwert ausgegangen wird. Damit liegen zwei unterschiedliche Verfahren, die verschieden auf die Gegebenheiten reagieren und in der Folge ein Aliud vor. Der Schutzbereich des Patents ist demnach zu Verfahren verschoben worden, die für den Fall, dass nur die Abtastrate sich verändert hat, während der Messwert gleich geblieben ist, den Messpunkt nicht weitergeben. Anders als von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung dargestellt, handelt es sich demnach bei der Änderung dieses Merkmals 1.4‘ in 1.4 um keine Einschränkung, sondern um eine Verschiebung des Schutzbereichs, was eine Erweiterung des Schutzbereichs beinhaltet.

62

Zwar handelt es sich insoweit um einen Widerrufsgrund, der nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens vor der Patentabteilung war. Jedoch ist bei der Verteidigung eines Patents in veränderter Fassung im Einspruchs- und im Einspruchsbeschwerdeverfahren die Zulässigkeit dieser Fassung ohne Beschränkung auf die gesetzlichen oder die geltend gemachten Widerrufsgründe zu prüfen, zumal die Befugnis des Patentinhabers, sein Schutzrecht im Einspruchsverfahren zu beschränken, dadurch begrenzt wird, dass er auf diese Weise weder den Schutzbereich seines Patents erweitern, noch an die Stelle der im erteilten Patent bezeichneten Erfindung eine andere setzen darf (vgl. BGH GRUR 1998, 901 - „Polymermasse“, insbes. Leitsatz und B. III. 2. b sowie BGH GRUR 1990, 432 - „Spleißkammer“, insbes. Leitsatz 1 und II. 3. b). Denn weder im Einspruchs- noch im Einspruchsbeschwerdeverfahren darf der Nichtigkeitsgrund des § 22 Abs. 1 2. Alternative PatG geschaffen werden. Hiervon ausgehend kann das Streitpatent in der von der Patentabteilung aufrechterhaltenen und von der Patentinhaberin alleinig verteidigten Fassung nicht aufrechterhalten werden, wobei es auf das Vorliegen anderweitiger Widerrufsgründe nicht ankommt.

63

4. Bei der dargelegten Sachlage war der Beschluss der Patentabteilung 31 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. November 2009 aufzuheben und das Patent zu widerrufen.