Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.06.2011


BPatG 09.06.2011 - 21 W (pat) 39/07

Patentbeschwerdeverfahren – Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren – zur Mutwilligkeit des Verfahrenskostenhilfeantrags – Fehlen ernsthafter Versuche, Erfindung wirtschaftlich zu verwerten


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
21. Senat
Entscheidungsdatum:
09.06.2011
Aktenzeichen:
21 W (pat) 39/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung …

(hier: Verfahrenskostenhilfe)

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Juni 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Winterfeldt sowie der Richter Baumgärtner, Dipl.-Phys. Dr. Morawek und Dipl.-Ing. Veit

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Für die vorliegende, einen V… betreffende Anmeldung vom 5. September 2005 hat der Anmelder am 20. September 2005 die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die anfallenden Gebühren der Patentanmeldung beantragt.

2

Diesen Antrag hat die Patentabteilung 1.44 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 25. Mai 2007 zurückgewiesen. Dabei hat sie die Erfolgsaussichten der Anmeldung dahinstehen lassen und die Zurückweisung damit begründet, die Rechtsverfolgung erscheine angesichts der Vielzahl der vom Anmelder seit 2001 getätigten 351 Patent- und 351 Gebrauchsmusteranmeldungen, die bisher zu keiner Verwertung geführt hätten, mutwillig. Es bestünden schon Zweifel daran, ob dem Anmelder angesichts seiner Berufstätigkeit neben der für die Ausarbeitung und Einreichung der Anmeldungen erforderlichen Zeit überhaupt Zeit für eine Verwertung seiner Schutzrechte bliebe. Die für die konkrete Anmeldung vorgelegten Unterlagen zeigten nicht einmal ansatzweise die Aussicht auf Verwertung der Erfindung. Die Vielzahl der Anmeldungen übersteige zweifellos diejenigen eines mittelständischen Unternehmens, was zusätzlich zu dem für die Ausarbeitung und Einreichung der Anmeldungen anzusetzenden Zeitaufwand in Verbindung mit der Bandbreite der technischen Gebiete, aus denen die bisherigen Anmeldungen stammten, darüber hinaus Zweifel an der persönlichen Erfindereigenschaft des Anmelders begründeten. Entgegen der Aufforderung im Bescheid vom 30. Januar 2007 habe der Beschwerdeführer seine Erfindereigenschaft nicht glaubhaft nachgewiesen. Dies gelte auch hinsichtlich seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die nicht plausibel seien. Auch ohne Berücksichtigung der privaten Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers und der Kosten für die Entwicklung der Anmeldungen verbliebe dem Beschwerdeführer bei der Gegenüberstellung der Einkünfte und der monatlichen Fixkosten nur ein verfügbarer Geldbetrag, der deutlich unter dem für ihn und seine Ehefrau anzusetzenden Selbstbehalt liege.

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Gegen diesen Beschluss wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde und beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Patentabteilung 1.44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Mai 2007 aufzuheben und Verfahrenskostenhilfe für die im Anmeldeverfahren für die Patentanmeldung … anfallenden Gebühren zu bewilligen.

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Zur Begründung führt der Anmelder aus, er sei Erfinder seiner sämtlichen Anmeldungen. Darüber hinaus habe er für die vorliegende Anmeldung konkrete Verwertungsversuche unternommen. Was seine finanzielle Situation anbelange, sei es in der Tat zutreffend, dass das verfügbare Geld kaum ausreiche.

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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keine Erfolg. Die Patentabteilung hat den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zu Recht zurückgewiesen.

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1. Bei der Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren ist gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 PatG § 114 ZPO entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift muss die dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Erfolg versprechend sein und darf nicht mutwillig erscheinen. Diese Einschränkungen sind erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrensführung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern. Verfassungsrechtlich ist keine vollständige Gleichstellung geboten, sondern nur eine weitgehende Angleichung. Wirtschaftlich schwache Personen sollen nicht allein aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse von der Verwirklichung des Rechtsschutzes ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund kann nicht darauf abgestellt werden, dass der Beschwerdeführer, wie sich aus seinem bisherigen Verhalten ergibt, wenn er über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen würde, die Aufrechterhaltungsgebühren bezahlen würde. Denn eine bemittelte Person hat die freie Entscheidung über die Verwendung ihres Vermögens. Die Gleichstellung gerade in dieser Beziehung bedeutet die Verfahrenskostenhilfe nicht.

9

2.1 Ob Mutwilligkeit im Sinne des Gesetzes vorliegt, entscheidet sich danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde, wie der Beschwerdeführer (vgl. Busse PatG, 6. Aufl. 2003, § 130 Rn. 34 m. w. N.; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, § 130 Rn. 53; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.). Mutwilligkeit ist danach ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der vorliegenden Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender Patentanmelder, wie der Beschwerdeführer handelt würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "nicht mutwillig erscheint" ergibt (BPatG a. a. O. m. w. N.).

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2.2. Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aus. Die Rechtswahrnehmung des Beschwerdeführers entspricht bei objektiver Betrachtung nicht der einer vermögenden Person in derselben Situation. Die Patentabteilung hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, ob der Beschwerdeführer bisher ernsthaft versucht hat, die Erfindung wirtschaftlich zu verwerten. Denn bei der Anmeldung eines Schutzrechts geht es nicht vorrangig um deren Ausarbeitung und Einreichung. Während eine Bereicherung des Standes der Technik alleine durch Publikationen erfolgen kann, ist das Ziel eines technischen Schutzrechts in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 5 PatG) und auch in den mit der Erteilung verbundenen Benutzungs- und Verbietungsrechten (§ 9 ff. PatG) wider. Die Frage, ob das Verhalten eines Anmelders mutwillig ist oder nicht, beurteilt sich vor diesem Hintergrund danach, wie sich ein nicht bedürftiger Anmelder bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich seiner Anmeldung verhalten hätte. Der Beschwerdeführer hat, wie dies der von ihm vorgelegten E-Mail-Korrespondenz zu entnehmen ist, bei verschiedenen Stellen seine Erfindung angeboten. Allerdings enthalten auch die aus Sicht des Beschwerdeführers tendenziell noch als positiv zu bewertenden Antworten letztlich nicht mehr als eine unverbindliche Interessenbekundung. Die alsbaldige Aufnahme einer Produktion ist nicht in Aussicht gestellt worden. Der Beschwerdeführer kann oder konnte nicht davon ausgehen, dass die vorliegend angemeldete Erfindung zu einem wirtschaftlichen Erfolg führen werde. Ein vermögender Anmelder würde daher bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage keine Mittel einsetzen, um die Anmeldung aufrecht zu erhalten, da er erkennen müsste, dass die insoweit eingesetzten Gelder mit hoher Wahrscheinlichkeit verlorene Kosten sein würden, für einen wirtschaftlichen Erfolg allenfalls eine vage Hoffnung bestünde.

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Die weitere Aufrechterhaltung der Anmeldung durch den Beschwerdeführer erscheint daher als mutwilliges Verhalten im Sinne von § 114 ZPO. Dies um so mehr, als auch für keines der zahlreichen weiteren Schutzrechte des Beschwerdeführers konkrete Verwertungsfolge vorgetragen wurden oder bekannt sind. Allein für die bloße weitere Existenz einer Anmeldung, von der keine positiven wirtschaftlichen Resultate zu erwarten sind, kann Verfahrenskostenhilfe nicht beansprucht werden.

12

3. Auf die Frage, ob alle von ihm angemeldeten Erfindungen vom Beschwerdeführer selbst stammen und ob seine Angaben hierzu plausibel sind, kommt es daher ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob die Darstellung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft ist oder nicht.