Entscheidungsdatum: 22.05.2014
Elektrochemischer Energiespeicher
Der Patentanspruch hat gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG die Aufgabe, eindeutig und unmissverständlich anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll.
Ist den Patentansprüchen im Erteilungsbeschwerdeverfahren nicht zweifelsfrei zu entnehmen, was gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll, sind diese mängelbehaftet und daher nicht zulässig.
Das Erfordernis des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG ist nicht erfüllt, wenn Merkmale eines Patentanspruchs widersprüchlich zueinander sind oder im Widerspruch zu allgemein bekannten mathematischen Definitionen stehen.
Der Fachmann kann zwar zum allgemeinen Verständnis abstrakt formulierter Begriffe im Einzelfall die Ausführungen in der Beschreibung heranziehen, dies findet aber jedenfalls da seine Grenze, wo die Formulierungen im angemeldeten Patentanspruch so deutliche Widersprüche aufweisen, dass sie gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG in dieser Form in einem erteilten Patentanspruch nicht bestehen dürfen und daher im Erteilungsverfahren klarzustellen sind.
Im Anmelde- und Patenterteilungsverfahren ist kein Raum für die Auslegung widersprüchlich formulierter Patentansprüche; vielmehr ist der Forderung nach klaren und deutlichen Patentansprüchen Rechnung zu tragen. Eine andere Ansicht würde zur Aushöhlung der Vorschrift des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG führen.
Die Aufgabe, auf klare Patentansprüche hinzuwirken (vgl. BGH – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren – GRUR 2013, 1210-1212, III.1a), trifft auch das Bundespatentgericht im Erteilungsbeschwerdeverfahren. Diese Aufgabe beinhaltet aber nicht, jeden widersprüchlichen Patentanspruch im Wege der Auslegung zu „reparieren“. Die Beschreibung kann vielmehr nur dann herangezogen werden im Zusammenspiel mit dem Anmelder als Beschwerdeführer, dessen alleinige Aufgabe es ist, einen solchen Patentanspruch klarzustellen. Erscheint der Anmelder in der mündlichen Verhandlung aber nicht und begibt er sich damit seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, so geht er das Risiko ein, dass seine Anmeldung zurückgewiesen wird. Das Bundespatentgericht kann nämlich wegen § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG kein Patent mit einem Patentanspruch erteilen, der nicht aus sich heraus klar und verständlich ist.
Demnach ist es dem Patentgericht aufgrund der Vorschrift des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG verwehrt, einen unklarer Patentanspruch im Erteilungsbeschwerdeverfahren zu erteilen, wenn der Anmelder den Patentanspruch nicht klarstellt.
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 101 28 033.5-35
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Häußler sowie der Richterin Hartlieb, der Richter Dipl.-Ing. Veit und Dipl.-Ing. Univ. Schmidt-Bilkenroth
beschlossen:
1. ) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. ) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 101 28 033 wurde am 8. Juni 2001 mit der Bezeichnung „Verfahren zur Vorhersage der äquilibrierten Ruhespannung eines elektrochemischen Energiespeichers“ beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 12. Dezember 2002.
Im Prüfungsverfahren sind die Druckschriften
D1 DE 198 47 648 A1 D2 DE 35 20 985 C2 D3 US 6 163 133 A
in Betracht gezogen worden.
Im Erstbescheid vom 24. April 2009 hat die Prüfungsstelle u. a. ausgeführt, dass nicht nachvollziehbar sei, mit welcher Dimension die Zeit t im Summand w*ln(t) in der im Patentanspruch 1 angegebenen Formel einzusetzen sei, da die mathematische Operation In (logarithmus naturalis) nur auf dimensionslose Größen anwendbar sei. Schließlich habe gemäß Patentanspruch 1 die äquilibrierte Ruhespannung Uoo eine zeitliche Abhängigkeit, während sie gemäß der Beschreibung als bestimmter Wert angenommen werde, der sich aus den gemessenen Spannungen zu den Zeitpunkten t1 und t2 sowie der Temperatur des Energiespeichers ergebe. Patentanspruch 1 lasse somit nicht zweifelsfrei erkennen, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden solle.
In ihrer Eingabe vom 16. September 2009 hat die Anmelderin überarbeitete Ansprüche 1-10 eingereicht und u. a. ausgeführt, dass in die im Patentanspruch 1 angegebene Formel einzusetzende Größen, wie beispielsweise die absolute Temperatur, dimensionslos auf Basis der Sl-Einheiten einzusetzen seien. Für die absolute Temperatur sei dies auch in der Beschreibung angegeben. Dasselbe gelte auch für die Zeit t, die in den Summanden w • ln(t) in Sekunden einzusetzen sei.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2009 wurde die Anmelderin zur Anhörung geladen. In einem Hinweis zur Ladung teilte die Prüfungsstelle der Anmelderin u. a. mit, dass weiterhin nicht nachvollziehbar sei, mit welcher Dimension die Zeit t in den Summanden w*ln(t) in der im Anspruch 1 angegebenen Formel einzusetzen sei.
Mit Eingabe vom 7. Januar 2010 hat die Anmelderin abermals geänderte Ansprüche 1-10 eingereicht und bezüglich der Beanstandungen der Prüfungsstelle u. a. ausgeführt, dass bei der vorliegenden Anmeldung dem Fachmann klar sei, dass die physikalischen Größen in der vom Fachmann normalerweise verwendeten Einheit, nämlich dem Sl-Einheitensystem, dimensionslos einzusetzen seien. Außerdem hat die Anmelderin mitgeteilt, dass eine Teilnahme an der anberaumten Anhörung nicht möglich sei.
Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 R hat die Anmeldung mit dem in der Anhörung vom 20. Januar 2010 ergangenen Beschluss zurückgewiesen. Dem Beschluss lagen die mit Eingabe vom 7. Januar 2010 eingereichten Ansprüche 1 bis 10 zugrunde. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt, dass Anspruch 1 auch deshalb nicht gewährbar sei, da nicht klar sei, was für ein Gegenstand genau unter Schutz gestellt werden solle. In der Bestimmungsformel für die äquilibrierte Ruhespannung Uoo im Anspruch 1 werde der natürliche Logarithmus verwendet, in den nur dimensionslose Zahlen einzusetzen seien. Da die Zeit jedoch nicht dimensionslos sei, sei die angegebene Formel so nicht anwendbar. Für den Fachmann sei unklar, was für ein Wert in den natürlichen Logarithmus der angegebenen Formel einzusetzen sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die in ihrem Schriftsatz vom 16. September 2010 beantragt hat,
- den Beschluss über die Zurückweisung der Patentanmeldung aufzuheben und ein Patent gemäß den dem Beschluss zugrunde liegenden Unterlagen (Patentansprüche 1-10 vom 7. Januar 2010, urspr. Beschreibung und Zeichnung) zu erteilen (Hauptantrag);
- hilfsweise ein Patent mit den mit Schriftsatz vom 16. September 2010 eingereichten Ansprüchen 1-10 zu erteilen (Hilfsantrag);
- weiter hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Die Anmelderin hat mit Eingabe vom 6. Mai 2014 mitgeteilt, dass sie den Termin der für den 22. Mai 2014 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen werde.
Die mit Schriftsatz vom 7. Januar 2010 eingereichten nebengeordneten Ansprüche 1 und 10 gemäß Hauptantrag lauten mit Gliederungspunkten versehen:
Anspruch 1
M1 Verfahren zur Vorhersage der äquilibrierten Ruhespannung eines elektrochemischen Energiespeichers durch Messung des Spannungs-Einstellverhaltens Uo(t) in einer lastfreien Periode, dadurch gekennzeichnet,
M2 dass eine formelmäßige Beziehung zwischen der äquilibrierten Ruhespannung Uoo und der abklingenden Spannung Uo(t) der Form Uoo = Uo(t) + w • ln(t) - w • F(T) zur Bestimmung der äquilibrierten Ruhespannung Uoo genutzt wird,
M3 wobei der Vorfaktor w die experimentell bestimmte Steigung der Abhängigkeit von Uo von ln(t) zum Zeitpunkt t ist w = - (Uo(t2) -Uo(t1))/ln(t2/t1) und M4 Uo(t1) die unbelastete Spannung Uo zum Zeitpunkt t1 ist und M5 Uo(t2) die unbelastete Spannung Uo zum späteren Zeitpunkt t2 > t1 ist, und M6‘ F(T) eine Funktion ist, die von der absoluten Temperatur T des Energiespeichers abhängt.
Anspruch 10
N1 Verwendung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet,
N2 dass die formelmäßige Beziehung zwischen der echten Ruhespannung Uoo und der Abklingspannung Uo(t) zur Vorhersage des Ladezustandes des elektrochemischen Energiespeichers durch die Messung des Spannungs-Einstellverhaltens der lastfreien Batteriespannung genutzt wird.
Die mit der Beschwerdebegründung vom 16. September 2010 eingereichten nebengeordneten Ansprüche 1 und 10 gemäß Hilfsantrag lauten mit Gliederungspunkten versehen:
Anspruch 1
M1 Verfahren zur Vorhersage der äquilibrierten Ruhespannung eines elektrochemischen Energiespeichers durch Messung des Spannungs-Einstellverhaltens Uo(t) in einer lastfreien
Periode, dadurch gekennzeichnet,
M2 dass eine formelmäßige Beziehung zwischen der äquilibrierten Ruhespannung Uoo und der abklingenden Spannung Uo(t) der Form Uoo = Uo(t) + w • ln(t) - w • F(T) zur Bestimmung der äquilibrierten Ruhespannung Uoo genutzt wird,
M3 wobei der Vorfaktor w die experimentell bestimmte Steigung der Abhängigkeit von Uo von ln(t) zum Zeitpunkt t ist w = - (Uo(t2) -Uo(t1))/ln(t2/t1) und M4 Uo(t1) die unbelastete Spannung Uo zum Zeitpunkt t1 ist und M5 Uo(t2) die unbelastete Spannung Uo zum späteren Zeitpunkt t2 > t1 ist, und
M6 F(T) eine Funktion ist, die nur von der absoluten Temperatur T des Energiespeichers abhängt.
Anspruch 10
N1 Verwendung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet,
N2 dass die formelmäßige Beziehung zwischen der echten Ruhespannung Uoo und der Abklingspannung Uo(t) zur Vorhersage des Ladezustandes des elektrochemischen Energiespeichers durch die Messung des Spannungs-Einstellverhaltens der lastfreien Batteriespannung genutzt wird.
Bezüglich der Unteransprüche 2-9 nach Haupt- und Hilfsantrag wird auf die Akte verwiesen.
II.
1. Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerde wird zurückgewiesen, denn den Ansprüchen 1 in den Fassungen des
Haupt- und Hilfsantrags ist nicht zweifelsfrei zu entnehmen, was gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Diese sind daher mängelbehaftet und deshalb nicht zulässig.
2. Die Anmeldung betrifft gemäß der Beschreibung (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. [0001]) ein Verfahren zur Vorhersage der äquilibrierten Ruhespannung eines elektrochemischen Energiespeichers durch Messung des Spannungs-Einstellverhaltens Uo(t) in einer lastfreien Periode.
Für die Ladezustandsbestimmung von elektrochemischen Energiespeichern kann ihre Verknüpfung mit der Ruhespannung genutzt werden. Dies gilt sowohl für primäre wie für sekundäre Speicher (Akkumulatoren). Ein Beispiel hierfür ist der Bleiakkumulator, bei dem der Ladezustand sich mit der Säurekonzentration verbinden lässt, die wiederum an der Ruhespannung ablesbar ist (Abs. [0002]).
Eine dabei auftretende Schwierigkeit bei vielen Batteriesystemen, besonders auch beim Bleiakkumulator, liegt darin, dass nach Belastung der Batterie sich die Ruhespannung nur sehr langsam einstellt. Häufig liegt die Situation vor, dass die Ruhepausen so kurz sind, dass keine Gelegenheit besteht, das Einschwingen der Ruhespannung abzuwarten, um aus deren stationären Wert auf den Ladezustand zu schließen (Abs. [0003]). Gemäß Beschreibung (Abs. [0004]) wird bei im Stand der Technik bekannten Verfahren zur Bestimmung des Ladezustandes eines Bleiakkumulators bspw. eine Beruhigungszeit von mindestens fünf Stunden empfohlen, bevor die Ruhespannung als erreicht angenommen und gemessen wird (DE 35 20 985 C2). Zwar sind auch Verfahren zur Bestimmung des Ladezustandes bekannt, bei denen der Spannungsverlauf während des Abklingverhaltens bereits vor Erreichen eines eingeschwungenen Zustandes ausgewertet wird (DE 198 47 648 A1, US 6 163 133). Bei diesen Verfahren wird jedoch die Temperaturabhängigkeit nicht berücksichtigt, was insbesondere bei tiefen Temperaturen stören kann. Außerdem ist bei diesen Verfahren die Auswertung zu bestimmten festgelegten Zeitpunkten vorgesehen (Abs. [0005]).
Gemäß Beschreibung liegt der Anmeldung die Aufgabe zugrunde, aus dem zeitlichen Verlauf des Einschwingens der lastfreien Spannung (bzw. der Spannung unter nur kleiner Last) auf die wahre Ruhespannung zu schließen, bevor sich eine stationäre Ruhespannung einstellt (Abs. [0006]).
Dies schaffe die Voraussetzung zur Anwendung eines Verfahrens zur Bestimmung des Ladezustandes aus dem Ruhespannungswert. Aus dem nicht stationären Spannungsverhalten eines unbelasteten elektrochemischen Speichers solle die tatsächliche äquilibrierte Ruhespannung und daraus der Ladezustand ermittelt werden (Abs. [0006]).
3. Die Ansprüche 1 in den Fassungen des Haupt- und Hilfsantrags lassen allerdings nicht zweifelsfrei erkennen, was gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll.
Der Patentanspruch hat gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG die Aufgabe, eindeutig und unmissverständlich anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Denn der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt (§ 14 PatG); diese haben Rechtsnormcharakter (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 34 Rdn. 77). Grundsätzlich muss ein Anspruch daher so formuliert sein, dass sein Inhalt aus sich heraus verständlich ist (vgl. Schulte a. a. O. § 34 Rdn. 101). Dabei muss der Anspruch entsprechend seiner Aufgabe, für Dritte deutlich anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt ist, klar und knapp formuliert sein. Aus der Forderung nach Klarheit folgt, dass der Anspruch den Gesetzen der Logik entsprechen und frei von Widersprüchen sein muss. Widerspruchsfrei muss der Anspruch in sich selbst und gegenüber der Beschreibung sein. Ob ein Anspruch ausreichend klar ist, richtet sich letztlich nach dem Verständnis des Fachmanns, an den sich der Anspruch wendet (vgl. Schulte a. a. O. § 34 Rdn. 110, 111, 112).
a) Als hier zuständiger Fachmann ist dabei ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik oder ein Diplom-Physiker anzusehen, die über berufliche Erfahrung in der Entwicklung von Lade- bzw. Diagnosegeräten für Batterien verfügen.
Gemäß dem Merkmal M1 der Ansprüche 1 in den Fassungen des Haupt- und Hilfsantrags, soll ein Verfahren zur Vorhersage der äquilibrierten Ruhespannung eines elektrochemischen Energiespeichers angegeben werden. In einem ersten Schritt wird hierzu das Einstellverhalten der Batteriespannung Uo(t) in einer lastfreien Periode gemessen (Merkmal M1). Nach bspw. vorangegangener Ladung liegt die Batteriespannung unmittelbar nach Abschalten der elektrischen Belastung höher als die stationäre (äquilibrierte) Ruhespannung. Die unbelastete Batteriespannung fällt daher über die Zeit ab und erreicht schließlich den stationären Ruhespannungswert (Offenlegungsschrift, Abs. [0011]). Aus der gemessenen abklingenden Batteriespannung Uo(t) soll sodann mittels der Formel Uoo = Uo(t) + w • ln(t) - w • F(T) die äquilibrierte (stationäre) Ruhespannung Uoo bestimmt werden (Merkmal M2). In den weiteren Merkmalen der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag werden die in der vorgenannten Formel verwendeten Größen genauer definiert. So soll nach Merkmal M3 der Vorfaktor w die experimentell bestimmte Steigung der Abhängigkeit von Uo von ln(t) zum Zeitpunkt t gemäß der Formel w = -(Uo(t2) - Uo(t1))/ln(t2/t1) sein, wobei Uo(t1) die unbelastete Spannung Uo zum Zeitpunkt t1 ist (Merkmal M4) und Uo(t2) die unbelastete Spannung Uo zum späteren Zeitpunkt t2 > t1 ist (Merkmal M5). Die in der Formel im Merkmal M2 genannte Funktion F(T) soll schließlich nach Merkmal M6 (Hauptantrag) von der absoluten Temperatur T des Energiespeichers abhängen bzw. nach Merkmal M6‘ (Hilfsantrag) nur von der absoluten Temperatur T des Energiespeichers abhängen.
Der Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags unterscheidet sich damit vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lediglich durch die Einfügung des Wortes „nur" im Merkmal M6‘.
b) Vorliegend ist das Erfordernis des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG nicht erfüllt, denn Merkmale der Patentansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag sind widersprüchlich zueinander oder stehen im Widerspruch zu allgemein bekannten mathematischen Definitionen.
So ist die im Merkmal M2 genannte Formel für die Bestimmung der äquilibrierten Ruhespannung Uoo als eine allgemein von der Zeit t abhängige Funktion angegeben (Uoo = Uo(t) + w • ln(t) - w • F(T)). Die Berechnung der äquilibrierten Ruhespannung Uoo kann nach dieser Formel somit für einen beliebigen Zeitpunkt t durchgeführt werden. Die Bestimmung des in diese Formel einzusetzenden Vorfaktors w hingegen soll gemäß den Merkmalen M3-M5 für konkrete Zeitpunkte t1 und t2 erfolgen (w = -(Uo(t2) - Uo(t1))/ln(t2/t1)). Die Anspruchsmerkmale lassen offen, in welcher Beziehung diese Zeitpunkte t1 und t2 zu der allgemeinen Zeitvariablen t in der Formel im Merkmal M2 stehen sollen. Das Merkmal M2 und die Merkmale M3-M5 stehen somit im Widerspruch zueinander. Für den Fachmann ist im Hinblick auf die im Merkmal M3 angegebene Formel nicht erkennbar, für welchen konkreten Zeitwert t nach dem Merkmal M2 die äquilibrierten Ruhespannung Uoo tatsächlich berechnet werden soll.
Des Weiteren wird als Variable für den natürlichen Logarithmus in der Bestimmungsformel gemäß Merkmal M2 die Zeit t verwendet (Uoo = Uo(t) + w • ln(t) - w • F(T)). In den natürlichen Logarithmus sind nur dimensionslose Zahlen einzusetzen. Da die Zeit t jedoch nicht dimensionslos ist, steht die Formel nach Merkmal M2 im Widerspruch zu allgemein bekannten mathematischen Definitionen. Für den Fachmann ist nicht erkennbar, was für ein Wert in den natürlichen Logarithmus der angegebenen Formel einzusetzen ist.
Angesichts dieser Widersprüche lassen die Ansprüche 1 nach Haupt- und Hilfsantrag nicht erkennen, was tatsächlich unter Schutz gestellt werden soll, so dass die Voraussetzungen, die § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG an die Patentansprüche stellt, nicht erfüllt sind.
c) Der Senat vertritt die Ansicht, dass der Fachmann zwar zum allgemeinen Verständnis abstrakt formulierter Begriffe im Einzelfall die Ausführungen in der Beschreibung heranziehen kann, dass dies aber jedenfalls da seine Grenze findet, wo - wie im vorliegenden Fall - die Formulierungen im angemeldeten Patentanspruch so deutliche Widersprüche aufweisen, dass sie gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG in dieser Form in einem erteilten Patentanspruch nicht bestehen dürfen und daher im Erteilungsverfahren zu beseitigen sind. Denn der Patentanspruch muss aus sich heraus klar und verständlich sein, um den Schutzumfang festlegen zu können.
Demgemäß sind Patentansprüche im Interesse einer eindeutigen Abgrenzung des Schutzbegehrens so genau wie möglich zu formulieren (vgl. BGH - Farbbildröhre - GRUR 1979, 461, 462, 2.d) und das, wofür Schutz begehrt wird, ist sorgfältig in den Merkmalen des Patentanspruchs niederzulegen (vgl. BGH - Batteriekastenschnur - GRUR 1989, 903, 905, III. 2.). Hieraus ergibt sich auch die Forderung des BGH, im Erteilungsverfahren für Patentansprüche zu sorgen, die die unter Schutz gestellte Erfindung klar und deutlich umschreiben (vgl. BGH - Düngerstreuer - GRUR 1988, 757, 760, V.) sowie vermeidbare Unklarheiten im Erteilungsverfahren zu beseitigen (vgl. BGH - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren - GRUR 2013, 1210-1212, lll.l.a). Im vorliegenden Fall ist es dem Senat daher verwehrt, die Widersprüche im Patentanspruch unter Verweisung auf die Beschreibung und eine mögliche Auslegung bestehen zu lassen. Denn ein in sich widersprüchlicher Anspruch, der dem Erfordernis des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG nicht entspricht, ist nach Überzeugung des Senats unzulässig (vgl. hierzu BGH - Acrylfasern - GRUR 1985, 31 zur Frage der Zulässigkeit von Ansprüchen).
Soweit teilweise in der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts in Erteilungsbeschwerdeverfahren in vergleichbaren Fällen eine Auslegung der angemeldeten unklaren Patentansprüche unter Heranziehung der Beschreibung und dem Verweis auf die Rechtsprechung des BGH (vgl. z. B. BGH - Momentanpol II - GRUR 2008, 887; Spannschraube - GRUR 1999, 909) vorgenommen wurde, ist dabei nach Auffassung des Senats nicht berücksichtigt worden, dass sich die dort zitierte Rechtsprechung des BGH durchgängig und ausschließlich auf Verfahren nach der Patenterteilung bezieht. Im Anmelde- und Patenterteilungsverfahren ist aber nach Überzeugung des Senats kein Raum für die Auslegung widersprüchlich formulierter Patentansprüche; vielmehr ist der Forderung nach klaren und deutlichen Ansprüchen Rechnung zu tragen. Eine andere Ansicht würde zur Aushöhlung der Vorschrift des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG führen.
d) Folglich trifft die Aufgabe, auf klare Ansprüche hinzuwirken, auch das Bundespatentgericht im Erteilungsbeschwerdeverfahren. Diese Aufgabe beinhaltet aber nicht, jeden widersprüchlichen Anspruch im Wege der Auslegung zu „reparieren". Die Beschreibung kann vielmehr nur dann herangezogen werden im Zusammenspiel mit dem Anmelder als Beschwerdeführer, dessen alleinige Aufgabe es ist, einen solchen Anspruch klarzustellen. Erscheint der Anmelder in der mündlichen Verhandlung aber nicht und begibt er sich damit seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, so geht er das Risiko ein, dass seine Anmeldung zurückgewiesen wird. Das Bundespatentgericht kann nämlich wegen § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG kein Patent mit einem Anspruch erteilen, der nicht aus sich heraus klar und verständlich ist.
e) Dies entspricht auch der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, wonach das in Artikel 84 EPÜ verankerte Erfordernis der Klarheit bedeute, dass die Patentansprüche für einen Fachmann mit allgemeinem Fachwissen in sich deutlich sein müssen, so dass er nicht die Beschreibung des betreffenden Patents hinzuziehen müsse (s. T 2/80, Abl EPA 1981, 431, Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Die Bedeutung eines Anspruchs müsse sich also unmissverständlich aus den darin verwendeten Begriffen ergeben, damit der Anspruch für sich genommen einen zweckmäßigen und somit eindeutigen Schutz gewährleisten könne. Sei die genaue Bedeutung eines Begriffs nur in der Beschreibung explizit offenbart, aber nicht im Anspruch, so sei das Erfordernis der Klarheit nicht erfüllt. Zwar sehe Artikel 69 (1) EPÜ vor, dass die Beschreibung zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sei. Artikel 69 EPÜ beziehe sich aber nur auf die Bestimmung des Schutzbereichs, insbesondere gegenüber Dritten, und nicht - wie Artikel 84 EPÜ - auf die Angabe des Gegenstands, für den in einem Anspruch Schutz begehrt werde. Daher sei es nicht möglich, sich für die Zwecke des Artikels 84 EPÜ auf Artikel 69 EPÜ und die Offenbarung der Beschreibung zu berufen, denn sonst wäre zum Einen das grundlegende Erfordernis der Eigenständigkeit der Ansprüche nicht erfüllt, und zum Anderen würde die Auslegung des gewährten Schutzes willkürlich (vgl. Europäisches Patentamt, Entscheidung vom 26. Oktober 2000 - T 1129/97 - 3.3.1 - juris).
Nach Überzeugung des Senats sind diese Erwägungen auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen (vgl. BGH - Walzenformgebungsmaschine - GRUR 2010, 950; BGH - Proxyserversystem - GRUR 2010, 709).
Demnach ist es dem Patentgericht aufgrund der Vorschrift des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG verwehrt, einen unklaren Anspruch im Erteilungsbeschwerdeverfahren zu erteilen, wenn der Anmelder den Anspruch nicht klarstellt.
f) Für die Ansicht des Senats, dass das Patentgericht wegen der im Erteilungsverfahren zu beachtenden Vorschrift des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG gehindert ist, das Patent zu erteilen, spricht auch folgende weitere Überlegung. Der Patentanspruch hat Rechtsnormcharakter (vgl. BGH - Kettenradanordnung II - GRUR 2010, 314) und gibt dem Patentinhaber gegenüber der Allgemeinheit ein Verbietungsrecht. Daher muss klar bestimmt sein, was die Allgemeinheit zu unterlassen hat, um das Patent nicht zu verletzen. Dies kann aber nicht der Auslegung überlassen sein. Im Interesse der Allgemeinheit müssen daher die Ansprüche so präzise wie möglich abgefasst sein (vgl. Schulte a. a. O. § 34 Rdn. 78, 79). Erst wenn es darum geht, den Schutzumfang gemäß § 14 PatG zu bestimmen, darf ein bereits erteilter, unklarer Patentanspruch ausgelegt werden. Dem Patentgericht ist es im Erteilungsbeschwerdeverfahren daher nicht möglich, unklare Ansprüche auszulegen, vielmehr soll es ebenso wie die Prüfungsstelle auf klare Ansprüche hinwirken. Eine Klarstellung kann aber allein der Anmelder durch Umformulierung der Ansprüche vornehmen.
Im vorliegenden Fall war der Senat ohne die Mitwirkung des in der mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Anmelders gehindert, die aufgezeigten Unklarheiten zu beheben. Denn nach dem Grundsatz der Antragsbindung darf das Gericht ein vom vorliegenden (Haupt- oder Hilfs-)Antrag abweichendes Patent im Anmelderbeschwerdeverfahren nicht erteilen. Kann den Anträgen, wie hier, aus zwingenden patentrechtlichen Gründen nicht entsprochen werden, hat es die Beschwerde vielmehr zurückzuweisen.
Da zulässige Ansprüche nicht vorliegen, war die Frage der Ausführbarkeit nicht mehr zu überprüfen.
4. Die jeweiligen Unteransprüche 2-9 und der jeweilige nebengeordnete Anspruch 10 fallen aufgrund der Antragsbindung mit den Ansprüchen 1 nach Haupt- und Hilfsantrag (vgl. BGH, GRUR 1983, 171 - Schneidhaspel).
Angesichts der vorangehend erläuterten Sachlage war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 100 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 PatG zuzulassen. Die Frage, ob Patentansprüche, die den Anforderungen des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG nicht genügen, im Erteilungsbeschwerdeverfahren als unzulässig zurückgewiesen werden können, ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die außerdem von den einzelnen Senaten des Bundespatentgerichts unterschiedlich beantwortet wird, so dass die Rechtsbeschwerde auch zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.