Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 30.04.2013


BPatG 30.04.2013 - 20 W (pat) 35/12

Patentbeschwerdeverfahren – zur Zuständigkeit für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren – Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt – Erlassen des zurückweisenden Beschlusses durch unzuständige Stelle


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsdatum:
30.04.2013
Aktenzeichen:
20 W (pat) 35/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung …

(hier: Verfahrenskostenhilfe)

beschlossen:

1. Der von der Prüfungsstelle … am 4. Oktober 2012 erstellte,  am 11. Oktober 2012 signierte Beschluss wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2. Der Antrag des Antragstellers vom 30. Oktober 2012 auf Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts  … für das Beschwerdeverfahren nach  § 135 Abs. 3 PatG wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Am 1. Juni 2011 hat der Antragsteller die Patentanmeldung betreffend eine „… …“ eingereicht und zugleich einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren, für alle im Erteilungsverfahren fälligen Jahresgebühren und auf Beiordnung eines Vertreters gestellt. Der Antrag ist vom Deutschen Patent- und Markenamt mit elektronisch am 4. Oktober 2012 erstellten, am 11. Oktober 2012 signierten Beschluss zurückgewiesen worden. Der Beschluss enthält am Ende als Angaben zur entscheidenden Stelle und zum Verfasser: „Prüfungsstelle … Dr. R…“. Zur  Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der Anspruch 1 sei mangels Erfindungshöhe nicht gewährbar, auch der Gegenstand des Patentanspruchs 2 sei dem Fachmann nahegelegt. Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe sei daher mangels hinreichender Aussicht auf Erteilung des Patents zurückzuweisen.

2

Gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, der ihm am 6. November 2012 zugestellt worden ist, hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. November 2012, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt per Telefax am 23. November 2012 sowie im Original am 26. November 2012, Beschwerde eingelegt und angekündigt, die sachliche Begründung der Beschwerde später nachzureichen. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2012, beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am 26. November 2012, hat der Antragsteller beantragt, Rechtsanwalt … für die Weiterführung der Schutzrechtsanmeldungen im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe beizuordnen. Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2013 hat der Antragsteller seine Beschwerde gegen die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe in der Sache begründet.

3

Das Deutsche Patent-und Markenamt hat dem Bundespatentgericht die Amtsakte ausschließlich in elektronischer Form übermittelt. Sie enthält u. a. eine Delegationsverfügung vom 2. Januar 2012, in der für das Aktenzeichen … R… als zuständiger Prüfer die Verfahrenskostenhilfe  betreffend bestimmt wird. Diese Delegationsverfügung ist durch eine weitere Verfügung vom 14. September 2012 wieder aufgehoben worden. Eine weitere Delegationsverfügung vom 13. Dezember 2012 bestimmt für das Aktenzeichen  … die Verfahrenskostenhilfe betreffend D… als Prüferin.

II.

4

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Oktober 2012 bzw. 11. Oktober 2012 und zur Zurückverweisung der Sache gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Soweit der Antragsteller für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe nach § 135 Abs. 3 PatG Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Hans-Christian Sturm beantragt hat, unterliegt dieser Antrag der Zurückweisung.

5

1. Der die Verfahrenskostenhilfe zurückweisende Beschluss ist von einer nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 und 4 PatG, § 24 DPMAV unzuständigen Stelle erlassen worden und leidet daher unter einem wesentlichen Verfahrensmangel.

6

a) Gemäß § 24 DPMAV, § 27 Abs. 1 Nr. 2 PatG ist für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe im patentamtlichen Verfahren grundsätzlich die Patentabteilung zuständig. Dies betrifft das gesamte Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, also auch das Patenterteilungsverfahren. § 27 Abs. 4 PatG eröffnet indes die Möglichkeit, alle Angelegenheiten mit Ausnahme der Beschlussfassung über die Aufrechterhaltung, den Widerruf oder die Beschränkung des Patents sowie über die Festsetzung der Vergütung (§ 23 Abs. 4 PatG) einem technischen Mitglied der Abteilung zu übertragen, wobei die Durchführung einer Anhörung ausgenommen ist. Beschlüsse über die Bewilligung, Verweigerung und die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe sowie die Beiordnung eines Vertreters als Teil der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe können demnach auf ein technisches Mitglied der Patentabteilung durch den Vorsitzenden der Patentabteilung delegiert werden (vgl. Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 27 Rn. 35).

7

b) Vorliegend ist von dieser Delegationsmöglichkeit zwar Gebrauch gemacht worden. Die Delegationsverfügung vom 2. Januar 2012, die R… als für das  Aktenzeichen … die Verfahrenskostenhilfe betreffend zuständi- gen Prüfer ausweist, ist jedoch mit erneuter Delegationsverfügung vom 14. September 2012, die als Verfasser „W…, DV Zuständiger …“ und  damit offensichtlich den Leiter der Patentabteilung … ausweist, aufgehoben wor- den, sodass sie bei Erlass des die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschlusses durch den Prüfer R… am 4. Oktober 2012 (Erstelldatum) bzw.  11. Oktober 2012 (Signierdatum) keinen Bestand mehr hatte. Mit der Aufhebung der Delegationsverfügung am 14. September 2012 ist für das vorliegende Verfahren die Zuständigkeit für Beschlüsse in Verfahrenskostenhilfeverfahren wieder an die originär zuständige Patentabteilung gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 PatG zurückgefallen; eine neuerliche Delegationsverfügung für die Entscheidung über Verfahrenskostenhilfe im vorliegenden Verfahren ist vom Vorsitzenden der Abteilung erst am 13. Dezember 2012, allerdings zugunsten eines anderen technischen Mitglieds der Patentabteilung, getroffen worden. Der Prüfer R… war demnach für  den Erlass des Beschlusses für das Aktenzeichen … die Verfahrenskostenhilfe betreffend nicht zuständig. Der Erlass eines Beschlusses durch eine unzuständige Stelle stellt einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar und rechtfertigt die Zurückverweisung nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Darüber hinaus ist auch die am Ende des Beschlusses angebrachte Bezeichnung „Prüfungsstelle …“  nicht korrekt, da „…“ die Abteilungsbezeichnung darstellt, während die Prüfungs- stellen nach den IPC-Klassen benannt werden. Beide Angaben können daher nicht in zulässiger Weise kombiniert werden.

8

2. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der elektronisch erstellte und signierte Beschluss des DPMA an möglichen weiteren Wirksamkeitsmängeln leidet (vgl. 19 W (pat) 16/12 und 20 W (pat) 28/12 im Hinblick auf das Erfordernis einer signierten Urschrift in der elektronischen Akte).

9

3. Der mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 gestellte, beim Deutschen Patent- und Markenamt am 26. November 2012 eingegangene Antrag des Antragstellers, Rechtsanwalt S… für die Weiterführung seiner Schutzrechtsanmeldungen im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe beizuordnen, ist als Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung eines Vertreters für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht gegen die Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe auszulegen. Dieser Antrag ist zurückzuweisen, da die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gemäß § 135 Abs. 3 PatG gegen die Verweigerung der Verfahrenskostenhilfe nicht zu den in §§ 130 bis 138 PatG genannten Verfahren gehört (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 129 Rn. 10; Busse, a. a. O., § 129 Rn. 3).