Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 15.10.2014


BPatG 15.10.2014 - 20 W (pat) 22/13

Patentbeschwerdeverfahren – „Dokumentationsvorrichtung“ – zur Vertragung der Verhandlung nach Mandatsentzug


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsdatum:
15.10.2014
Aktenzeichen:
20 W (pat) 22/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2008 028 828.4–53

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Kopacek, sowie den Richter Dipl.-Ing. Albertshofer und den Richter Dipl.-Geophys. Dr. Wollny

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelder wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse G 07 C - hat die am 19. Juni 2008 eingegangene Patentanmeldung 10 2008 028 828.4 mit der Bezeichnung „Dokumentationsvorrichtung“ durch Beschluss vom 1. September 2010 zurückgewiesen.

2

Der Zurückweisung lagen als Hauptantrag die in der Anhörung vom 31. August 2010 eingereichten Patentansprüche 1 bis 8 und als Hilfsantrag die ebenfalls in der Anhörung eingereichten Patentansprüche 1 bis 8 zu Grunde.

3

Die Prüfungsstelle hat ihren Beschluss damit begründet, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da er sich jeweils in naheliegender Weise aus einer Zusammenschau der Druckschriften

4

D1 DE 100 61 782 A1

5

D2 DE 202 16 738 U1

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ergebe.

7

Gegen diesen Beschluss richtet sich die durch den Bevollmächtigten der Anmelder eingelegte Beschwerde, die am 26. November 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt als Telefax eingegangen ist.

8

Mit Schriftsatz vom 24. März 2011, eingegangen beim Bundespatentgericht am 25. März 2011, hat der Bevollmächtigte der Anmelder die Beschwerdebegründung nachgereicht. Das Patentbegehren wird im Rahmen des Haupt- und Hilfsantrages weiterverfolgt, die auch der Zurückweisung durch die Prüfungsstelle zugrunde lagen.

9

Die Anmelder haben gemäß Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 24. März 2011, bei Gericht eingegangen am 25. März 2011, sinngemäß beantragt:

10

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 07 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. September 2010 aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

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Patentansprüche:

12

Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag, beim DPMA eingegangen am 31. August 2010

13

Beschreibung:

14

Beschreibungsseiten 1 bis 3a, beim DPMA eingegangen am 30. März 2010,

15

restliche Beschreibungsseiten vom Anmeldetag (19. Juni 2008)

16

Zeichnungen:

17

2 Figuren vom Anmeldetag (19. Juni 2008)

18

Hilfsantrag:

19

Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag, beim DPMA eingegangen am 31. August 2010

20

Beschreibung und Zeichnungen gemäß Hauptantrag.

21

Ferner wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.

22

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

23

„1. Dokumentations- und Arbeitswerterfassungsvorrichtung (20), aufweisend

24

- ein Sprachaufnahmegerät (22),

25

- ein Bildaufnahmegerät (24),

26

- ein Datenverarbeitungsgerät (26),

27

- eine Zeiterfassungsfunktion zur Registrierung und Speicherung von Zeitdauern für Arbeitsschritte

28

wobei

29

- das Sprachaufnahmegerät (22) und das Bildaufnahmegerät (24) mit dem Datenverarbeitungsgerät (26) verbunden sind,

30

- das Datenverarbeitungsgerät (26) ein Datenverarbeitungsprogramm aufweist, das ein finales Dokument (36) erzeugt, durch

31

- Umwandeln von Spracheingabedaten in Schriftdaten und unmittelbares Einfügen in das Dokument (36),

32

- Bedarfsweises Einfügen von vom Bildaufnahmegerät (24) empfangenen Bilddaten unmittelbar in das Dokument (36), und

33

- Ermitteln von Arbeitswerten auf Basis der registrierten Zeitdauern unmittelbar während der Dokumentation in Echtzeit und Einfügen in das Dokument (36)

34

- Spracheingabedaten des Sprachaufnahmegeräts (22) für die Steuerung des Datenverarbeitungsprogramms, insbesondere für die Überarbeitung und Gliederung des Dokuments verwendet und/oder in Schriftdaten umwandelt werden, die unmittelbar in das finale Dokument (36) einfügt werden.“

35

Bezüglich der untergeordneten Ansprüche 2 bis 8 gemäß Hauptantrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.

36

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:

37

„1. Dokumentations- und Arbeitswerterfassungsvorrichtung (20), aufweisend

38

- ein Sprachaufnahmegerät (22),

39

- ein Bildaufnahmegerät (24),

40

- ein Datenverarbeitungsgerät (26),

41

- eine Zeiterfassungsfunktion zur Registrierung und Speicherung von Zeitdauern für Arbeitsschritte

42

wobei

43

- das Sprachaufnahmegerät (22) und das Bildaufnahmegerät (24) mit dem Datenverarbeitungsgerät (26) verbunden sind,

44

- das Datenverarbeitungsgerät (26) ein Datenverarbeitungsprogramm aufweist, das ein finales Dokument (36) erzeugt, durch

45

- Umwandeln von Spracheingabedaten in Schriftdaten und unmittelbares Einfügen in das Dokument (36),

46

- Bedarfsweises Einfügen von vom Bildaufnahmegerät (24) empfangenen Bilddaten unmittelbar in das Dokument (36), und

47

- Ermitteln von Arbeitswerten auf Basis der registrierten Zeitdauern unmittelbar während der Dokumentation in Echtzeit und Einfügen in das Dokument (36)

48

- Spracheingabedaten des Sprachaufnahmegeräts (22) für die Steuerung des Datenverarbeitungsprogramms, insbesondere für die Überarbeitung und Gliederung des Dokuments verwendet und/oder in Schriftdaten umwandelt werden, die unmittelbar in das finale Dokument (36) einfügt werden,

49

- das Datenverarbeitungsprogramm eine XML-Verwaltung aufweist, die es ermöglicht, elektronische Kataloge auf Basis der ermittelten Daten in verschiedenen Sprachen zu erstellen.“

50

Bezüglich der untergeordneten Ansprüche 2 bis 8 gemäß Hilfsantrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.

51

Mit Schreiben an das Deutsche Patent- und Markenamt vom 20. Mai 2011 (eingegangen dort per Telefax am 24. Mai 2011 und 12. Oktober 2012) hat der Anmelder zu 1. persönlich zur Sache vorgetragen.

52

Am 12. September 2014 ist dem Verfahrensbevollmächtigten die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2014 (9:30 Uhr) zugestellt worden.

53

Mit Telefax vom 15. Oktober 2014 (5:41 Uhr), das an den Senat gerichtet war, haben die Anmelder mitgeteilt, dass sie ihrem Anwalt sehr kurzfristig das Mandat hätten entziehen müssen, und dieser daher nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Gleichzeitig haben die Anmelder um eine Fristverlängerung zu einem neuen Verhandlungstermin gebeten. Ferner haben die Anmelder am 15. Oktober 2014 ihrem Prozessbevollmächtigten ein Schreiben übermittelt, in dem sie erklären, ihm aus persönlichen Gründen das Mandat entziehen zu müssen.

54

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

55

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag mangels des Zugrundeliegens einer erfinderischen Tätigkeit nicht patentfähig ist (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 4 PatG):

56

1. Die Patentanmeldung betrifft laut Seite 1, Absatz 1 der Ursprungsunterlagen eine Dokumentationsvorrichtung für die Erstellung von Berichten, Dokumentationen und ähnlichem.

57

Dokumentationen und Berichte würden in vielen Bereichen regelmäßig erstellt, beispielsweise für die Beschreibung von Wartungs- und Installationsarbeiten oder im Zusammenhang mit Sachverständigengutachten, beispielsweise von Fahrzeugschäden. Ähnliche Dokumentationen würden auch im Versicherungswesen oder in der Reisebranche benötigt. Die Erstellung solcher Dokumente beinhalte in der Regel die Integration von Bildaufnahmen, wie Fotos und/oder Videofrequenzen (ursprüngliche Beschreibung, S. 1, Absatz 2).

58

Üblicherweise würden solche Dokumente in mehreren Arbeitsschritten erzeugt. Zunächst sammle die das Dokument erstellende Person die notwendigen Informationen und notiere diese meist handschriftlich in einer Art Protokoll. Danach oder gleichzeitig würden Foto- oder Videoaufnahmen erstellt. In einem nächsten Schritt würden die aufgenommenen Notizen in einen Text umgewandelt, hierzu werde ein entsprechendes Textdokument diktiert oder geschrieben und das aufgenommene Bildmaterial werde mit entsprechenden Textstellen verknüpft (unmittelbar in den Text integriert oder dem Text als Anhang hinzugefügt). Die Qualität der Dokumentationen leide darunter, wenn mehrere Personen in die Erstellung der Dokumentation mit eingebunden werden müssten. Insbesondere bei Reparaturarbeiten an Maschinen sei es notwendig, den Arbeitsaufwand für eine Reparatur vor Markteinführung zu ermitteln, um bei der Wartung und Instandsetzung derselben die anfallenden Kosten kalkulieren zu können. Zu diesem Zweck würden Dokumentationen von Arbeitsvorgängen erstellt, die als Basis für die Ermittlung von Arbeitszeitvorgaben verwendet würden (ursprüngliche Beschreibung, S. 1, Absatz 3 bis S. 2, Absatz 2).

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Anhand der Dokumentation würden die Arbeitsvorgänge nochmals mit einem Mechaniker und einem AW-Fachmann (Arbeitswerte-Fachmann) durchgeführt und nach bestimmten Vorgaben zeitlich erfasst (Zeitaufnahme). Nach Aufnahme dieser Zeiten erfolge die Auswertung der Zeitstudie und die Arbeitswert-Berechnung. Dieser Ablauf von der Aufnahme der Zeitstudie über die Auswertung zur Arbeitswertberechnung werde als AW-Ermittlung bezeichnet und in Arbeitswerten (AW) ausgedrückt. Arbeitswerte (AW) seien Zahlen, die das Verhältnis des Arbeitsvolumens der einzelnen Arbeiten zueinander ausdrückten. Diese Vorgabezeiten würden in AW-Katalogen veröffentlicht und dem Kundendienst z. B. für die Erstellung von Kostenvoranschlägen bereitgestellt. Aufgrund ökonomischer Vorgaben für die chronologischen Abläufe der Arbeitsvorgänge entstünden Differenzen zwischen den Dokumentationsinhalten einer Reparaturanleitung und der Zeitstudie, die im Nachgang angepasst werden müssten und zusätzliche Erstellungskosten verursachten (ursprüngliche Beschreibung, S. 2, Absatz 3 bis S. 3, Absatz 3).

60

Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung bestehe darin, eine Dokumentationsvorrichtung zu schaffen, die das Erstellen von Dokumentationen erleichtere. Insbesondere solle die Dokumentationsvorrichtung dazu beitragen, den Zeitaufwand für das Erstellen der Dokumentationen zu verringern. Die Kosten für eine solche Dokumentationsvorrichtung sollten gering und die Bedienung möglichst einfach sein (ursprüngliche Beschreibung, S. 4, Absatz 3).

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2. Zum Hauptantrag und zum Hilfsantrag

62

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag und gemäß Hilfsantrag ist als nicht erfinderisch gegenüber einer Zusammenschau der Druckschrift DE 202 16 738 U1 (D2) mit der Druckschrift DE 100 61 782 A1 (D1) anzusehen, wie sich jeweils aus der zutreffenden Begründung der Prüfungsstelle für Klasse G 07 C des Deutschen Patent- und Markenamts in ihrem Zurückweisungsbeschluss vom 1. September 2010 nachvollziehbar ergibt.

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Der Senat macht sich diese Begründung zu eigen und verweist insoweit auf sie (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 1993 - X ZB 22/92, GRUR 1993, 896 – Leistungshalbleiter), da der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag und der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag, jeweils identisch zum Patentanspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag ist, wie sie dem Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle zugrunde lagen; auch unter Berücksichtigung der schriftlichen Ausführungen der Anmelder bzw. ihres Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ergeben sich keine neu zu beurteilenden Sachverhalte.

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Mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag fallen jeweils auch die sonstigen Ansprüche, da das Patent nur so erteilt werden kann, wie es beantragt ist (BGH, Beschluss vom 22. Juni 1993 - X ZB 22/92, GRUR 1993, 896 - Leistungshalbleiter; BGH, Beschluss vom 27. Februar 2008 - X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 - Installiereinrichtung, Tz. 22, mit weiteren Nachweisen).

65

3. Bei dieser Sachlage konnte dahinstehen, ob die mit den gestellten Anträgen jeweils verfolgten Gegenstände für sich als unzulässig erweitert anzusehen sind.

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4. Die von der Anmelderin im Beschwerdeschriftsatz vom 26. November 2010 beantragte Rückerstattung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 (3) PatG ist nicht veranlasst. Besondere hinzutretende Umstände, aufgrund derer eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr billig wäre, sind weder zu erkennen noch wurde hierzu seitens der Anmelder substantiiert vorgetragen (vgl. BPatG, Beschl. vom 10. November 2011, 12 W (pat) 23/07 - Muffelofen für industrielle Zwecke).

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5. Der von den Anmeldern gemäß Telefax vom 15. Oktober 2014 beantragte neue Verhandlungstermin war nicht zu gewähren, da keine erheblichen Gründe für eine Aufhebung des Termins bzw. für eine Vertagung der Verhandlung substantiiert vorgetragen worden sind (vgl. § 227 Abs. 1 ZPO). Der Hinweis auf den gegenüber dem Prozessbevollmächtigten erklärten, äußerst kurzfristigen Mandatsentzug ohne Angabe konkreter Gründe ist hierfür nicht ausreichend.

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Beteiligte vor dem Bundespatentgericht können zwar nach § 97 Abs. 1 PatG alle Verfahren selbst führen, sind also nicht verpflichtet, einen Vertreter zu bestellen. Die Verfahrensbeteiligten sind jedoch berechtigt, sich in jeder Lage des Verfahrens, insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung, durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen (vgl. § 97 Abs. 2 Satz 1 PatG; BVerwG Urt. v. 28. August 1992 5 B 259/91). Kann ein bisher anwaltlich vertretener Verfahrensbeteiligter vor der mündlichen Verhandlung nicht für eine anderweitige Bevollmächtigung sorgen, ist ihm dadurch aber das rechtliche Gehör zumindest dann nicht versagt worden, wenn der Verfahrensbeteiligte selbst – wie vorliegend - dem Prozessbevollmächtigten das Mandat kurz vor der mündlichen Verhandlung entzieht. Da somit die Anmelder und Beschwerdeführer selbst die Ursache für die mangelnde Prozessvertretung gesetzt haben, wäre zu begründen gewesen, dass und aus welchen Gründen der Mandatsentzug unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung zwingend erforderlich war. Der pauschale Hinweis auf persönliche Gründe kann hierfür nicht als ausreichend erachtet werden.

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6. Im Ergebnis konnte somit den Anträgen der Anmelder, nämlich den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle vom 9. März 2010 aufzuheben und in Folge ein Patent auf Basis eines der von ihr gestellten Anträge zu erteilen, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen bzw. einen neuen Verhandlungstermin vorzusehen, nicht stattgegeben werden.

70

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.