Entscheidungsdatum: 03.08.2011
I.
Der Kläger, der eine Tanzschule mit Schankwirtschaft betreibt, begehrt mit dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Verfahren Einsicht in den ungeschwärzten Verwaltungsvorgang über eine durch eine Verbraucherbeschwerde veranlasste Betriebskontrolle des Beklagten im Rahmen der Lebensmittelüberwachung.
Bei der anlässlich einer telefonischen Verbraucherbeschwerde durchgeführten Betriebskontrolle und Nachkontrolle wurden die vom Hinweisgeber angezeigten Mängel nicht festgestellt. Dafür wurden andere Verstöße gegen die Lebensmittelhygieneverordnung festgestellt, die der Kläger nach Beanstandung behob.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Kläger Einsicht in den Verwaltungsvorgang, die ihm mit Ausnahme der personenbezogenen Daten des Hinweisgebers gewährt wurde. Eine Akteneinsicht ohne Schwärzung der personenbezogenen Daten lehnte der Beklagte ab. Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers. Mit gerichtlichem Schreiben des Berichterstatters forderte das Gericht der Hauptsache den Beklagten zur Übersendung des ungeschwärzten Verwaltungsvorgangs oder Herbeiführung einer Entscheidung nach § 99 VwGO auf. Daraufhin gab der Beigeladene mit Schreiben vom 14. Juni 2010 eine Sperrerklärung ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Behörden seien zur Wahrnehmung ihrer ordnungsrechtlichen Aufgaben zwingend auf die Informationen von Seiten Dritter angewiesen. Daher sei dem Hinweisgeber zugesichert worden, seine Identität geheim zu halten. Auf Antrag des Klägers legte das Gericht der Hauptsache die Sache dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts vor.
Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat den Hinweisgeber in nichtöffentlicher Sitzung als Zeugen vernommen. Mit Beschluss vom 28. September 2010 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Weigerung des Beigeladenen, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorzulegen, soweit aus diesen die Identität des Hinweisgebers hervorgehe, rechtmäßig sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zu Recht entschieden, dass die Weigerung des Beigeladenen, den Verwaltungsvorgang ohne Schwärzung der personenbezogenen Daten des Hinweisgebers vorzulegen, rechtmäßig ist.
Es ist nicht zu beanstanden, dass der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts eine Entscheidung im Zwischenverfahren getroffen hat, obwohl das Gericht der Hauptsache keinen förmlichen Beschluss zur Entscheidungserheblichkeit der ungeschwärzten Vorlage gefasst, sondern sich auf die Anforderung der Akten durch den zuständigen Berichterstatter beschränkt hat. Eine förmliche Äußerung zur Entscheidungserheblichkeit war hier ausnahmsweise entbehrlich, weil die Entscheidung des Hauptsachegerichts allein von der Frage abhängt, ob die geschwärzten Angaben, wie von der Behörde geltend gemacht, geheimhaltungsbedürftig sind.
Zu Recht ist der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts davon ausgegangen, dass ein Geheimhaltungsgrund i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gegeben ist, weil die geschwärzten Angaben personenbezogene Daten betreffen, die ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sind.
Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Sind Behörden bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben (auch) auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten (Urteil vom 27. Februar 2003 - BVerwG 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <14> = Buchholz 237.7 § 85 NWLBG Nr. 9; Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - BVerwG 20 F 11.10 - NVwZ 2010, 1493 - juris Rn. 10 und vom 1. August 2011 - BVerwG 20 F 26.10 - Rn. 6). Ob Vertraulichkeit zugesichert worden ist, ist im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO unerheblich (Beschluss vom 25. Juni 2010 - BVerwG 20 F 1.10 - NVwZ 2010, 1495 Rn. 15). Informantenschutz ist weder abhängig von der ausdrücklichen Bitte um vertrauliche Behandlung noch von der begründeten Befürchtung, sich im Fall einer Offenlegung möglichen Repressalien ausgesetzt zu sehen. Nicht jede öffentliche Aufgabe rechtfertigt indes die Annahme, Informationen von Seiten Dritter seien zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe unerlässlich. Die Aufgabe, auf die die behördlichen Ermittlungen ausgerichtet sind, muss vielmehr dem Schutz gewichtiger Rechtsgüter dienen (Urteil vom 30. April 1965 - BVerwG 7 C 83.63 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 7, S. 11).
Die Lebensmittelüberwachung ist eine öffentliche Aufgabe aus dem Bereich der Gefahrenabwehr, die dem Verbraucher- und Gesundheitsschutz und damit dem Schutz eines gewichtigen Rechtsguts dient. Sowohl das nationale Recht als auch das Unionsrecht gehen von einem hohen Schutzniveau im Bereich des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes aus. Entgegen der Auffassung des Klägers geht es bei der Lebensmittelüberwachung nicht um "abstrakten" Verbraucherschutz, sondern um konkrete Gefahrenabwehr. Die Einhaltung lebensmittel- und hygienerechtlicher Vorschriften ist eine wesentliche Voraussetzung für den Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren. Die Zugriffsmöglichkeiten der zuständigen Behörden sind jedoch schon aus personellen Gründen beschränkt; sie können sich meist nur punktuell die notwendigen Erkenntnisse über die Einhaltung lebensmittel- und hygienerechtlicher Vorschriften in einem Betrieb verschaffen. Gerade in diesem durchaus missbrauchsanfälligen Bereich sind die zuständigen Behörden auf Informationen Dritter angewiesen. Eine effektive Gefahrenabwehr setzt Hinweise auf mögliche Missstände voraus.
Informantenschutz greift grundsätzlich unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Angaben (Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 20 F 11.10 - NVwZ 2010, 1493 - juris Rn. 13). Die zuständige Behörde ist aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr verpflichtet, allen vom Ansatz her sachlich begründeten Hinweisen nachzugehen, und muss daher die Vertraulichkeit von Angaben Dritter auch dann wahren dürfen, wenn sich die Hinweise nach Abschluss der Ermittlungen als unzutreffend erweisen sollten. Der Vertraulichkeitsschutz entfällt nur, wenn hinreichend aussagekräftige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Informant wider besseres Wissen oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat (Urteile vom 4. September 2003 - BVerwG 5 C 48.02 - BVerwGE 119, 11 <15>, vom 3. September 1991 - BVerwG 1 C 48.88 - BVerwGE 89, 14 <19> und vom 23. Juni 1982 - BVerwG 1 C 222.79 - Buchholz 316 § 29 VwVfG Nr. 2, S. 6).
Wie der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts unter Bezugnahme auf die im Zwischenverfahren erfolgte Vernehmung des Hinweisgebers dargelegt hat, liegen solche Anhaltspunkte hier nicht vor. Der Umstand, dass bei den durchgeführten behördlichen Kontrollen nicht die in der Verbraucherbeschwerde angegebenen Mängel, sondern Mängel anderer Art festgestellt worden sind, erlaubt nicht den Schluss, die Angaben seien wider besseres Wissen oder leichtfertig falsch gemacht worden. Zu Recht weist der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts darauf hin, dass es sich nicht um Angaben "ins Blaue hinein" gehandelt hat. Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Vernehmung des Hinweisgebers verpflichtet war (vgl. dazu Urteil vom 27. Februar 2003 a.a.O. S. 14 f.) oder - wie der Beklagte geltend macht - seine Einschätzung, dass der Hinweisgeber nicht leichtfertig falsche Angaben gemacht hat, auch darauf hätte stützen können, dass nach Aktenlage die festgestellten Mängel zumindest teilweise Ähnlichkeiten mit den angezeigten Mängeln aufweisen. Die Vernehmung bestätigt jedenfalls, dass sich der Hinweisgeber verantwortungsvoll mit der Frage einer Verbraucherbeschwerde und den Folgen für den Kläger auseinander gesetzt hat. Die in der Gerichtsakte befindliche Sitzungsniederschrift, die dem Senat vorliegt und die in analoger Anwendung des § 99 Abs. 2 Satz 9 VwGO von der Akteneinsicht gemäß § 100 Abs. 1 VwGO ausgenommen ist, belegt die Einschätzung des Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts, dass der Hinweisgeber glaubwürdig und sein Vortrag glaubhaft ist. Von einer weiteren Begründung wird angesichts der gebotenen Geheimhaltung abgesehen (§ 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO).
Das Ergebnis der nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Abwägung war im vorliegenden Fall rechtlich vorgezeichnet. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass der Beigeladene auf Erwägungen zur Ermessensausübung verzichtet hat. Besondere Umstände, aus denen sich ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse ergeben könnte, das ausnahmsweise eine Offenbarung geschützter personenbezogener Daten zu rechtfertigen vermag, sind nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO (vgl. dazu auch Beschlüsse vom 8. Mai 2009 - BVerwG 20 KSt 1.09 / BVerwG 20 F 26.08 - und vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 20 F 15.10 - NVwZ-RR 2011, 261 Rn. 11). Einer Streitwertfestsetzung bedarf es mit Blick auf Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses nicht; danach fällt für eine sonstige Beschwerde eine Gebühr in Höhe von 50 € im Fall der Zurückweisung an.