Entscheidungsdatum: 28.07.2015
I
Der Kläger begehrt mit dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 BVerfSchG vollständige Auskunft über die beim Bundesamt für Verfassungsschutz zu seiner Person gespeicherten Daten und deren anschließende Löschung (§ 12 Abs. 2 BVerfSchG).
Auf Antrag des Klägers teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz diesem mit, dass bestimmte - konkret benannte - Erkenntnisse, etwa über die Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen und Hinweise auf seine Zugehörigkeit zur Antifaschistischen Initiative H. und zur R. e.V. vorlägen. Diese Auskunft wurde im Widerspruchsverfahren ergänzt. Eine weitergehende Auskunft lehnte das Bundesamt für Verfassungsschutz ab. Im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens gab das Verwaltungsgericht Köln dem Bundesamt für Verfassungsschutz mit Beschluss vom 4. Januar 2013 auf, die Personenakte des Klägers vorzulegen.
Daraufhin gab der Beigeladene unter dem 21. Oktober 2013 eine Sperrerklärung ab und legte die Akten dementsprechend nur teilweise und mit Schwärzungen vor. Eine vollständige Vorlage der Akten würde zum einen wegen der Erschwerung der Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden das Wohl des Bundes und der Länder beeinträchtigen. Zum anderen seien Verwaltungsvorgänge insbesondere dann geheim zu halten, soweit sie Namen dritter Personen enthielten. Die dann gebotene Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Interessen rechtfertige die Geheimhaltung der betreffenden Informationen.
II
Der - nach ordnungsgemäßer Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit der angefochtenen Unterlagen durch das Verwaltungsgericht - zulässige, insbesondere auch hinreichend bestimmte Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO ist teilweise begründet. Die Weigerung, die streitige Personenakte vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, ist rechtswidrig, soweit sie die im Entscheidungsausspruch benannten Blätter betrifft. Für diese Unterlagen kann der Fachsenat nicht feststellen, dass die insoweit geltend gemachten Weigerungsgründe ihre Vorlage in nur beschränktem Umfang rechtfertigen. Im Übrigen ist die Weigerung, die angeforderten Aktenbestandteile vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
1. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten und Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
a) Ein Nachteil für das Wohl des Bundes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO ist unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 und vom 27. Oktober 2014 - 20 F 6.14 - LKV 2015, 129 Rn. 7, jeweils m.w.N.). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentlich Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitsweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen.
b) Auch dürfen die Behörden, soweit sie zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen sind, zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten. Als personenbezogene Daten zählen solche Angaben zugleich zu den Vorgängen, die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen; das grundrechtlich geschützte private Interesse an der Geheimhaltung erfasst dabei nicht nur personenbezogene Daten, die ohne weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 17). Die Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO können schließlich auch bei den Namen Dritter, über die der Beklagte ebenfalls im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben Nachrichten sammeln könnte, einschlägig sein (BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 20 F 1.11 - AfP 2012, 298 Rn. 33 m.w.N.).
2. a) Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe bestätigt die Durchsicht der im Original vorgelegten Unterlagen, die ihrerseits auch ungeschwärzte Kopien umfassen, bezüglich des weit überwiegenden Teils der Personenakte sowohl die in der Sperrerklärung detailliert bezogen auf die einzelnen Aktenbestandteile dargelegten Weigerungsgründe als auch die hierauf bezogene Ermessensentscheidung (siehe hierzu BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2008 - 20 F 2.07 - BVerwGE 130, 236 Rn. 19). Dies gilt auch für die in der Sperrerklärung nicht besonders erwähnten und in der geschwärzten Fassung nicht durch Leerblätter kenntlich gemachten Aktenvorblätter, die den eigentlichen Aktenbestandteilen jeweils vorgeheftet sind und - ähnlich etwa der Beschriftung von Aktendeckeln - ausschließlich formale Merkmale zum Zwecke der Aktenführung enthalten, sowie für das in der Sperrerklärung gleichermaßen nicht erwähnte, nach Blatt 272 unpaginiert eingeheftete Aktenblatt.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang nicht darauf an, ob die Beklagte die den Kläger betreffenden Erkenntnisse zu Recht gesammelt hat. Denn der Fachsenat hat im Zwischenverfahren nur darüber zu entscheiden, ob die Sperrerklärung des Bundesministeriums des Innern gemessen an den Maßstäben des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtmäßig ist, nicht hingegen darüber, ob die Datenerhebung die fachgesetzlich und gegebenenfalls verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen beachtet hat (BVerwG, Beschlüsse vom 9. März 2010 - 20 F 16.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 57 Rn. 10 und vom 5. Februar 2009 - 20 F 24.08 - juris Rn. 13).
Das an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichtete Schreiben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom 19. Dezember 2012 gibt ebenso wenig Anlass für eine abweichende Beurteilung. Die darin geäußerte Auffassung, dass "aus der ... vorgelegten Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsbedürfnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz und den grundrechtlich abgesicherten Informationsansprüchen (des Klägers) ... das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Auskunftsverweigerung gemäß § 15 Abs. 2 BVerfSchG nicht (zu) erkennen (sei)", ist zwar nicht schon deswegen von vornherein unbeachtlich, weil das Schreiben sich mit den fachgesetzlichen Geheimhaltungsgründen befasst und sich nicht auf die prozessrechtlichen Sonderregelungen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO bezieht. Denn die Bestimmungen sind, wie die Bezugnahme auf das Wohl des Bundes oder eines Landes (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BVerfSchG) und dessen Ausprägungen in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BVerfSchG (Gefährdung der Aufgabenerfüllung, Quellenschutz) sowie der Verweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit nach einer Rechtsvorschrift oder dem Wesen nach (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BVerfSchG) belegt, im Wesentlichen deckungsgleich. Ob sich die rechtliche Einschätzung des Bundesbeauftragten durch eine (unzulängliche) Darlegung der für die Abwägung maßgeblichen Erwägungen erklärt, kann dahinstehen. Jedenfalls auf der Grundlage der ausführlichen Zuordnung von Weigerungsgründen in der Sperrerklärung ist die von ihm vertretene Rechtsansicht in ihrer Allgemeinheit nicht nachvollziehbar. So ist insbesondere nicht ansatzweise erkennbar, dass diese den Erfordernissen des von der Beklagten und vom Beigeladenen für einen Großteil des Akteninhalts in Anspruch genommenen Quellenschutzes Rechnung trägt.
b) Eine von der Sperrerklärung abweichende rechtliche Bewertung ist indessen bei einer Reihe von Aktenblättern geboten.
aa) Dies gilt zunächst bei einer Reihe von Schwärzungen, bei denen sich die Sperrerklärung nach Ziffer IV.1.d auf den Schutz von Hervorhebungen und Unterstreichungen beruft. Solche Hinweise in den Akten können Rückschlüsse auf operative Interessen und Ziele des Bundesamts für Verfassungsschutz zulassen. Die mit so bearbeiteten Texten versehenen Aktenseiten werden im Interesse des Schutzes der Arbeitsweise des Bundesamts für Verfassungsschutz vorzugsweise ausgetauscht oder die betreffenden Passagen werden, falls dies nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, insgesamt geschwärzt. Das Geheimhaltungsinteresse ist allerdings nur dann schutzwürdig, wenn die Unterstreichungen und Hervorhebungen auf Erkenntnisinteressen schließen lassen, die sich nicht bereits ohne weiteres aus der Zuordnung des Schriftstücks zur Personenakte des Klägers ergeben. Auch wenn ein Geheimhaltungsinteresse angenommen wird, so können solche Schwärzungen ihren Zweck allerdings nur dann erfüllen, wenn der gesamte Text nicht anderweitig leicht verfügbar ist. Dies ist insbesondere bei Ausschnitten aus Presseerzeugnissen und Pressemitteilungen anzunehmen, gilt aber auch für Schriftstücke, die gerade dem Kläger bekannt sind oder deren Kenntnis er sich durch ein besonderes Näheverhältnis zum Urheber ohne besonderen Aufwand verschaffen kann. Vor diesem Hintergrund sind die entsprechenden Schwärzungen auf Blatt 305, 309, 342, 345, 370, 372, 416, 420, 602, 603, 604, 606, 622, 653, 656, 658, 670, 769, 770, 771, 785, 793, 794, 796, 1085, 1137, 1163, 1164 und 1165 jedenfalls ermessensfehlerhaft, weil sie nicht geeignet sind, den mit ihnen verfolgten Zweck zu erreichen. Gleiches gilt für die Schwärzung auf Blatt 197 und 199.
bb) Der Schutz der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter (Ziffer IV.1.e der Sperrerklärung) wird von der Sperrerklärung zu Unrecht in Anspruch genommen, soweit es sich um Namen und sonstige personenbezogene Daten handelt, die in für die Öffentlichkeit bestimmten Schriftstücken und Internetseiten aufgeführt (Bl. 194, 468, 658) oder dem Kläger ersichtlich ohnehin bekannt sind (Bl. 85). Der Name und die Kommunikationsdaten der Pressesprecherin eines Landesministeriums, die auf einer in den Akten enthaltenen Presseinformation angegeben sind, bedürfen ebenso wenig der Geheimhaltung (Bl. 362).
cc) Der Schutz von Aktenvermerken, Arbeitshinweisen, Randbemerkungen und Querverweisen (Sperrerklärung Ziffer IV.1.c) rechtfertigt mangels eines nachvollziehbaren Geheimhaltungsinteresses wieder die Schwärzung des Namens des Klägers auf Blatt 443 und 445 noch die Schwärzung auf Blatt 447 der als solchen offensichtlichen Bezeichnung des Inhalts der nachfolgenden Aktenseiten.
dd) Soweit auf den - in der Personenakte als Fotokopien eingehefteten - Blättern 8, 10, 23 und 24 der Stempelaufdruck "Original schlecht lesbar" geschwärzt worden ist, handelt es sich ersichtlich um einen Irrtum, da insoweit ein Geheimhaltungsgrund offensichtlich nicht vorliegt. Auch wenn mit dieser Information bei isolierter Betrachtung für den Kläger ein nennenswerter Erkenntnisgewinn nicht verbunden ist, ist ein hierauf bezogener gerichtlicher Ausspruch gleichwohl angezeigt, um das Ausmaß der zulässigen Schwärzung zu verdeutlichen.
ee) Bei einer Reihe von Deckblattberichten erschließt sich nicht, dass insbesondere aus Gründen des Quellenschutzes selbst jeglicher Hinweis auf den Anlass, über den berichtet wird, zu unterbleiben hat. Dies gilt für Veranstaltungen, in erster Linie Demonstrationen, bei denen die Identität der Quelle aufgrund der Anonymität eines großen nicht individualisierbaren Teilnehmerkreises verborgen bleiben kann. Dass allein mit der Offenlegung der Tatsache, dass über eine bestimmte Veranstaltung Erkundigungen eingezogen worden sind, schützenswerte Geheimnisse über operative Interessen des Bundesamts für Verfassungsschutz enthüllt werden, ist angesichts der bereits jetzt gewährten Auskünfte nicht ersichtlich. Eine differenzierende Bewertung des Inhalts der Berichte liegt nicht zuletzt dann nahe, wenn darin jeweils auf verschiedene VS-Grade hingewiesen und Teile der Unterlagen als gerichtsverwertbar eingestuft werden oder festgehalten wird, dass Teile der Berichte "sinngemäß 'offen' verwertet werden" können. (Bl. 74-78, 94-99, 104-108, 252-253, 858-860, 861-863, 867-869, 885-887, 888-889, 893-895, 915-917, 918-920, 921-923, 973-976, 993-996, 1159-1161, 1198-1200, 1242-1244 und 1253-1255).
Schließlich ist auf Blatt 70 ein Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich der dort eingefügten Kopie eines Zeitungsartikels nicht dargetan. Denn das Aufklärungsinteresse in Bezug auf die dort erwähnte Veranstaltung folgt bereits aus der in den Aktenblättern 66 und 67 dokumentierten Demonstrationsanmeldung, die gegenüber dem Kläger nicht geschwärzt worden ist.