Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 08.11.2018


BVerwG 08.11.2018 - 2 WRB 1/18

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
08.11.2018
Aktenzeichen:
2 WRB 1/18
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:081118B2WRB1.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Truppendienstgericht Nord, 21. Februar 2018, Az: N 1 BLb 1/18, Beschluss

Leitsätze

1. Nicht jede Änderung einer beabsichtigten Disziplinarmaßnahme verpflichtet zur erneuten Anhörung der Vertrauensperson.

2. Den Tatgerichten steht bei der Maßnahmebemessung im Wehrdisziplinarrecht ein erheblicher Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu.

3. Mit der Rechtsbeschwerde kann die mangelnde Beachtung einer in § 38 WDO niedergelegten Bemessungsrichtlinie geltend gemacht werden.

Tatbestand

1

Die Rechtsbeschwerde betrifft die Verhängung eines Disziplinararrestes.

2

1. Der Beschwerdeführer gehörte als Oberstabsgefreiter der ... in ... an. Er hatte am Vormittag des 19. September 2017 beim Kasernenoffizier Hauptmann M. zu erscheinen. Wegen seines Verhaltens bei einer Kasernentorkontrolle sollte er über die Einhaltung der Kasernenordnung belehrt werden. Als der Soldat der Belehrung achselzuckend folgte, fragte ihn der Hauptmann mehrfach, ob er an spastischen Zuckungen leide. Der Soldat war darüber erbost und die Situation eskalierte. In der späteren Disziplinarverfügung wurde dem Soldaten folgender Sachverhalt als Dienstvergehen zur Last gelegt:

"Er hat am 19.09.2017 in ..., (...) gegen 11:15 Uhr im Büro des Kasernenoffiziers, des Hptm M., während einer Belehrung über die Kasernenordnung, entgegnet: 'Was der Scheiß hier soll'. Im weiteren Verlauf der Belehrung durch Hptm M. sprang der Soldat dann von seinem Stuhl auf und positionierte sich in einer angriffslustigen Haltung in ungefähr einem halben Meter vor ihm und fragte diesen drohend: 'ob sie nicht mal vor die Kaserne gehen sollen, um sich dort wie richtige Männer zu unterhalten'. Dem darauf erteilten Befehl des Hptm M., sich wieder hinzusetzen, befolgte der Soldat erst nach zweimaliger Wiederholung."

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Der Disziplinarvorgesetzte beabsichtigte, deswegen einen Disziplinararrest von 21 Tagen zu verhängen. Die auf Antrag des Beschwerdeführers angehörte Vertrauensperson führte ausweislich der Niederschrift vom 15. November 2017 zum beabsichtigten Disziplinarmaß aus, dass sie trotz der Äußerungen des Soldaten und des daraus entstehenden Verdachtes einer Wehrstraftat 21 Tage Disziplinararrest als nicht zielführend erachte. Dies werde nicht zur Disziplinierung, sondern im Gegenteil eher zu künftigen Problemen im Umgang mit dem Soldaten führen.

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Der Kommandeur hielt an seiner Absicht fest und beantragte die dafür erforderliche Zustimmung des Truppendienstgerichts. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2017 erteilte der Vorsitzende der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord die Zustimmung mit der Maßgabe einer Reduzierung des Disziplinararrestes auf 14 Tage. Zur Begründung führte er aus, dass ein dreiwöchiger Arrest für die vorliegende Ersttat nicht angemessen sei. Der Soldat sei zwar aufsässig und ungehorsam gewesen, aber nicht tätlich geworden. Daraufhin verhängte der Kommandeur Einsatzgruppe stationär mit Disziplinarverfügung vom 20. Dezember 2017 gegen den Beschwerdeführer einen Disziplinararrest von 14 Tagen.

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Mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 legte der Beschwerdeführer gegen die Disziplinarverfügung Beschwerde ein und bestritt die ihm vorgeworfenen Äußerungen und Befehlsverweigerungen. Er habe sich bei dem Vorfall mit Hauptmann M. 2017 völlig richtig verhalten. Er sei provoziert und in seiner Menschenwürde verletzt worden. Nicht er, sondern Hauptmann M. habe sich falsch verhalten. Er habe das Gespräch beenden wollen, während Hauptmann M. die Situation mit voller Absicht unnötig eskaliert habe.

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2. Das Truppendienstgericht hat über die Beschwerde auf der Grundlage der schriftlichen Vernehmungsprotokolle des Soldaten und mehrerer Zeugen ohne mündliche Verhandlung entschieden. Es hat mit Beschluss vom 21. Februar 2018 den Disziplinararrest auf neun Tage herabgesetzt, die Beschwerde im Übrigen jedoch zurückgewiesen. In tatsächlicher Hinsicht sei die vorgeworfene Befehlsverweigerung nicht feststellbar. Der Soldat sei zwar bei dem Gespräch der zunächst geäußerten Bitte, sich zu setzen, nicht gefolgt, habe aber dem anschließenden Befehl des Hauptmanns M. Folge geleistet. Zuvor habe er jedoch gegenüber dem Hauptmann geäußert, "Was der Scheiß soll" und "Wollen wir nicht mal vor die Kaserne gehen, um uns dort wie richtige Männer zu unterhalten". Dabei habe er sich in einem Abstand von ca. einem halben Meter vor diesem bedrohlich aufgebaut.

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Durch dieses Verhalten habe der Soldat seine Pflichten verletzt, Disziplin zu wahren und die Stellung des Vorgesetzten in seiner Person zu achten sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordere. Der Soldat habe zwar keine Wehrstraftat, aber ein vorsätzliches Dienstvergehen begangen. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei die Verhängung von Disziplinararrest auch im Hinblick auf die Auswirkungen der Tat angemessen, weil der Beschwerdeführer sein disziplinloses Verhalten im Kameradenkreis kundgetan habe. Eine sichtbare disziplinare Reaktion sei auch aus generalpräventiven Gesichtspunkten geboten. Im konkreten Fall sei die Maßnahme zu mildern gewesen, weil der Soldat wegen ehrverletzender Äußerungen des Zeugen M. provoziert worden sei, so dass schuldmildernd von einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat auszugehen sei.

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Die Disziplinarmaßnahme leide an keinem formalen Mangel. Insbesondere hätte die Vertrauensperson nicht erneut zu dem endgültig verhängten Disziplinararrest von 14 Tagen angehört werden müssen. In Fällen, in denen der verhängende Disziplinarvorgesetzte die Entscheidung des Richters lediglich umsetze, müsse keine erneute Anhörung der Vertrauensperson stattfinden. Dies werde auch dem Grundsatz gerecht, dass Disziplinarverfahren beschleunigt zu behandeln seien. Wegen dieser Frage hat das Truppendienstgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen.

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3. Mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, der Beschluss des Truppendienstgerichts verstoße gegen § 28 Abs. 1 SBG. Nach Reduzierung des ursprünglich beantragten Disziplinarmaßes hätte die Vertrauensperson nochmals angehört werden müssen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Änderung des Disziplinarmaßes auf eigenem Entschluss des Disziplinarvorgesetzten oder auf einer truppendienstlichen Entscheidung beruhe. Der Disziplinarvorgesetzte sei dadurch nicht gezwungen gewesen, das reduzierte Disziplinarmaß aus dem Beschluss vom 18. Dezember 2017 festzusetzen. Vielmehr habe es in seinem Ermessen gelegen, die Entscheidung nochmals zu überdenken, die Vertrauensperson noch einmal anzuhören und eine noch mildere Maßnahme zu verhängen.

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Der Beschluss beachte ferner die Vorschrift des § 38 Abs. 3 WDO nicht, wonach die Verhängung eines Disziplinararrestes nur als letztes Mittel in Betracht komme. Da das Truppendienstgericht von einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat ausgegangen sei, sei eine mildere Disziplinarmaßnahme zur Einwirkung auf den Soldaten ausreichend gewesen. Das Gericht führe nicht aus, inwieweit eine mildere Disziplinarmaßnahme nicht der Generalprävention Genüge getan hätte. Es lasse außer Acht, dass der Soldat aus der Einheit zwangsversetzt worden und ein Nachahmungseffekt nicht zu befürchten gewesen sei. Wegen der Folgen des Verfahrens befinde er sich in ärztlicher Behandlung, was das Truppendienstgericht ermessensfehlerhaft nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt habe. Der Beschwerdeführer bestreitet im Übrigen weiterhin die Vorwürfe und erhebt mehrere Verfahrensrügen.

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Dem Antrag des Beschwerdeführers, die Disziplinarmaßnahme vom 20. Dezember 2017 in Gestalt des Beschlusses des Truppendienstgerichts vom 21. Februar 2018 aufzuheben, ist der Bundeswehrdisziplinaranwalt nicht entgegengetreten. Auch er hält die Beschwerde für begründet, weil eine erneute Anhörung der Vertrauensperson geboten gewesen wäre.

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Der Soldat ist mit Verfügung vom 23. Februar 2018 an einen anderen Standort versetzt worden, an dem er seit 1. April 2018 seinen Dienst verrichtet.

Entscheidungsgründe

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Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Truppendienstgericht.

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1. Die Disziplinarverfügung ist allerdings nicht mangels ausreichender Anhörung der Vertrauensperson wegen Verstoßes gegen § 28 Abs. 1 SBG rechtswidrig.

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a) Nach dieser Vorschrift ist die Anhörung der Vertrauensperson vor der Verhängung der Disziplinarmaßnahme zur Person des Soldaten, zum Sachverhalt und zum Disziplinarmaß geboten. Der Disziplinarvorgesetzte soll dadurch eine Einschätzung erhalten, wie der Soldat und das angeschuldigte Verhalten aus Kameradensicht beurteilt werden und welches Disziplinarmaß der Vertrauensperson nach deren disziplinarrechtlicher Prüfung angemessen erscheint. Die Anhörung der Vertrauensperson dient - sowohl im Interesse des Soldaten als auch zur Objektivierung des Verfahrens - der Vorbereitung der Ermessensentscheidung des Disziplinarvorgesetzten (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2010 - 2 WD 24.09 - BVerwGE 138, 263 Rn. 16 zu § 27 Abs. 2 SBG a.F.). Weil es sich um eine Anhörung zu einer beabsichtigten Maßnahme handelt, gilt für ihre Durchführung § 21 SBG mit der Folge, dass die Vertrauensperson rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, dass ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und dass die beabsichtigte Maßnahme mit ihr zu erörtern ist.

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b) Schon aus dem Umstand, dass die Anhörung vor Erlass der "beabsichtigten" Maßnahme (§ 21 Satz 1 SBG) ergehen muss, folgt, dass der Gegenstand der Anhörung nicht die am Ende des Entscheidungsprozesses stehende Verfügung sein kann. Daher hat das Bundesverwaltungsgericht bereits zu dem früheren Begriff der der Beteiligung unterliegenden "Personalmaßnahmen" im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG a.F. entschieden, dass sie nicht in jeder Hinsicht deckungsgleich sein müsse mit den einzelnen Entscheidungen, die später zu ihrer Verwirklichung ergehen. Gerade weil zu Personalmaßnahmen häufig noch Korrekturen erfolgen, die - ohne den wesentlichen Inhalt der Entscheidung zu verändern - zum Beispiel behebbare Rechtsfehler beseitigen oder der "Feinabstimmung" der Maßnahme dienen, löse nicht jede Veränderung die Pflicht zu einer erneuten Anhörung aus. Maßgeblich sei, dass die beabsichtigte Personalmaßnahme - für den betroffenen Soldaten erkennbar - nach Anlass, Ziel und Gegenstand im Kern identisch bleibe und auch ein zeitlicher Zusammenhang gewahrt werde (BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 1 WB 49.07 - BVerwGE 132, 234 Rn. 44).

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Diese Grundsätze sind auch für die Pflicht zur Anhörung von Vertrauenspersonen zu "beabsichtigten Maßnahmen" im Sinne der §§ 21, 28 SBG n.F. anzuwenden. Sie gelten - wie das Bundesverwaltungsgericht mittlerweile entschieden hat - generell und nicht nur für den dort entschiedenen Anwendungsfall. Gerade weil die Beteiligung vor dem Erlass von Verfügungen erfolgt, auf das "Ob" des Erlasses und den Inhalt der jeweiligen Verfügung Einfluss nehmen und die personalbearbeitende Stelle gegebenenfalls zu Korrekturen veranlassen soll (siehe § 24 Abs. 3 SBG), ist allein maßgeblich, dass während des Beteiligungsverfahrens die Identität der (ex ante) beabsichtigten Personalmaßnahme im Wesentlichen erhalten bleibt (BVerwG, Beschluss vom 2. August 2017 - 1 WDS-VR 5.17 - Buchholz 449.7 § 24 SBG Nr. 2 Rn. 46).

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Soweit der Senat für beabsichtigte Disziplinarmaßnahmen im Beschluss vom 26. Januar 2011 - 2 WNB 9.10 - (Buchholz 449.7 § 27 SBG Nr. 6 Rn. 3 f.) für jedwede Änderung des Disziplinarmaßes eine erneute Anhörung vorgesehen hat, hält er daran nicht mehr fest. Vielmehr besteht auch bei beabsichtigten Disziplinarmaßnahmen nur bei wesentlichen Änderungen eine Pflicht zur erneuten Anhörung (z.B. bei grundlegend verändertem Sachverhalt, neuen Anschuldigungen oder der Absicht, eine andere Art von Disziplinarmaßnahme zu verhängen). Denn auch bei Disziplinarmaßnahmen kommt es des Öfteren vor, dass das ursprünglich beabsichtigte Disziplinarmaß nach Durchführung der vorgeschriebenen Anhörungs- und Beteiligungsverfahren abgemildert oder modifiziert wird, ohne dass dadurch die Identität der Disziplinarmaßnahme im Kern verloren geht.

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c) Nach diesen Maßstäben liegt bei unverändertem Sachverhalt allein in der Abmilderung des Disziplinarmaßes durch eine Reduzierung der Arresttage in aller Regel keine wesentliche Änderung vor. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Abmilderung auf dem Anraten der Vertrauensperson beruht, auf die Intervention des Truppendienstgerichts zurückgeht oder unter dem Eindruck des Schlussgehörs des angeschuldigten Soldaten erfolgt. Ein Abrücken von der ursprünglich beabsichtigten Höhe des Disziplinarmaßes löst auch typischer Weise keinen neuen personalvertretungsrechtlichen Erörterungsbedarf aus. Das Truppendienstgericht weist zu Recht darauf hin, dass es dem bei Disziplinarmaßnahmen geltenden Beschleunigungsgebot widersprechen würde, wenn jedwede Änderung des Disziplinarmaßes zugunsten des Betroffenen zwingend zu einer erneuten Anhörung der Vertrauensperson führen müsste. Dementsprechend war auch hier bei der Reduzierung der Arresttage von 21 auf 14 Tage keine erneute Anhörung der Vertrauensperson vor Erlass der Disziplinarentscheidung erforderlich. Dass die ursprüngliche Anhörung der Vertrauensperson ordnungsgemäß erfolgt ist, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten und folgt aus der hierzu angefertigten Niederschrift vom 15. November 2017.

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2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch begründet, soweit sie die Bemessung der Disziplinarmaßnahme angreift und eine unzureichende Berücksichtigung des § 38 Abs. 3 WDO rügt.

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a) Nach den "Richtlinien für das Bemessen der Disziplinarmaßnahme" in § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258> und vom 28. September 2018 - 2 WD 14.17 - Rn. 99). Denn diese Kriterien sind Ausdruck verfassungsrechtlicher Gebote. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelten das Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) grundsätzlich auch im Disziplinarverfahren (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - NJW 2005, 1344 <1346> m.w.N.). Dabei konkretisieren § 38 Abs. 2 und 3 WDO den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Weise, dass in der Regel mit der milderen Disziplinarmaßnahme zu beginnen und erst bei erneutem Dienstvergehen zu schwereren Disziplinarmaßnahmen überzugehen ist; insbesondere Disziplinararrest soll erst dann verhängt werden, wenn vorausgegangene erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen ihren Zweck nicht erreicht haben oder die Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung eine disziplinare Freiheitsentziehung gebietet.

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b) Allerdings ist die Maßnahmebemessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Da es bei Beachtung der oben genannten Bemessungsrichtlinien eine Bandbreite vertretbarer Entscheidungen gibt, steht den Tatgerichten im Disziplinarrecht ebenso wie im Strafrecht ein erheblicher Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Ein Eingriff des Rechtsbeschwerdegerichts in die Maßnahmebemessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht die normativen Bemessungsrichtlinien nicht oder nicht hinreichend beachtet oder wenn sich die verhängte Disziplinarmaßnahme nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGH, Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80 - BGHSt 29, 319 <320> und vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11 - BGHSt 57, 123 Rn. 17). Nur in diesem Rahmen kann bei Rechtsbeschwerden nach § 22a WBO eine Verletzung von Bundesrecht (§ 23a WBO i.V.m. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) festgestellt werden. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle - ebenso wie bei der revisionsrechtlichen Überprüfung von Strafzumessungserwägungen - ausgeschlossen (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86 - BGHSt 34, 345 <349>).

23

c) Im vorliegenden Fall hat das Truppendienstgericht die von § 38 Abs. 3 WDO vorgegebene Bemessungsrichtlinie nicht hinreichend beachtet. Es stellt zwar auf der einen Seite den Soldaten von dem schwerwiegenden Vorwurf einer Wehrstraftat frei; es nimmt weder eine Vorgesetztenbedrohung noch eine Befehlsverweigerung an. Auch geht die Entscheidung nicht davon aus, dass die verbalen Entgleisungen des Soldaten eine strafbare Beleidigung darstellen. Ferner ist der Soldat nach den tatrichterlichen Feststellungen disziplinar nicht vorbelastet; zu dessen Gunsten wird eingestellt, dass aufgrund der vorangegangenen Provokation eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat vorliegt. Auf der anderen Seite verhängt das Truppendienstgericht entgegen der Richtlinie des § 38 Abs. 2 und Abs. 3 Alt. 1 WDO nicht zuerst eine mildere Disziplinarmaßnahme, sondern sofort einen Disziplinararrest.

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Auch wenn die festgestellten verbalen und gestischen Entgleisungen des Soldaten ohne Zweifel eine Disziplinlosigkeit und ein nicht leicht wiegendes Dienstvergehen darstellen, das mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme geahndet werden kann, wird in den tatrichterlichen Zumessungserwägungen weder ausgeführt noch deutlich, dass schon die Schwere des Dienstvergehens oder dessen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb eine Durchbrechung dieser "ultima-ratio"-Regel rechtfertigen. Vielmehr legen es die bisherige Führung, die Beweggründe des Soldaten und die Annahme einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat, als klassischer Milderungsgrund, nahe, nach dieser Regel zunächst eine mildere Disziplinarmaßnahme zu verhängen. Denn es spricht wenig dafür, dass zur Einwirkung auf einen bislang unbescholtenen Soldaten, der sich nach einer Provokation zu einer verbalen und gestischen Entgleisung hinreißen lässt, entgegen § 38 Abs. 3 WDO sofort die höchste einfache Disziplinarmaßnahme erforderlich ist.

25

Soweit das Truppendienstgericht generalpräventive Gründe für die Verhängung der schärfsten einfachen Disziplinarmaßnahme anführt, wird damit zwar der Aspekt der "Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung" angesprochen, der nach § 38 Abs. 3 Alt. 2 WDO auch bei Ersttätern und Vorliegen von Schuldminderungsgründen eine disziplinare Freiheitsentziehung rechtfertigen kann. Es fehlt jedoch an einer tragfähigen Begründung dafür, dass die mit der sichtbaren Maßnahme eines Disziplinararrestes verbundene abschreckende Wirkung im vorliegenden Fall auch - wie es § 38 Abs. 3 Alt. 2 WDO fordert - geboten ist, um Andere von vergleichbaren Entgleisungen abzuhalten oder Nachahmungseffekte zu verhindern.

26

Allein das Bekanntwerden eines Dienstvergehens im Kameradenkreis genügt dafür nicht. Denn dies kommt regelmäßig vor und begründet - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend hervorhebt - für sich genommen noch keine besondere Gefahr von Bezugstaten; im Normalfall sind die von der Durchführung eines Disziplinarverfahrens und von der Verhängung einer schuldangemessenen Disziplinarmaßnahme ausgehenden generalpräventiven Wirkungen zu deren Verhinderung ausreichend. Trägt ein Dienstvergehen zudem eher singuläre Züge, besteht - wie in anderem Zusammenhang bereits entschieden - regelmäßig kein Bedürfnis für ein generalpräventives Handeln (vgl. zu alldem BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 1979 - 1 B 238.78 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 59 S. 56 ff.).

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Im vorliegenden Fall bedarf es zur Gewichtung der Schwere des Dienstvergehens und zur Bedeutung generalpräventiver Aspekte weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Es bedarf weiterer Ermittlungen, ob im vorliegenden Fall besondere Umstände für eine Bezugstatenprognose sprechen oder ob der Sachverhalt aufgrund der vorangegangenen Provokation des Vorgesetzten eher singuläre Züge trägt, die einer generalpräventiven Maßnahmebemessung entgegenstehen. Daher war die Entscheidung nach § 22a Abs. 6 Satz 2 WBO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Ein näheres Eingehen auf die Verfahrensrügen des Soldaten ist aufgrund der Zurückverweisung entbehrlich.