Entscheidungsdatum: 28.08.2013
I.
Der frühere Soldat schied nach einer achtjährigen Dienstzeit als Soldat auf Zeit am 31. März 2013 als Stabsunteroffizier aus der Bundeswehr aus. In einem mit Verfügung des Befehlshabers Wehrbereichskommando III vom 14. November 2011 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren, in dem dem früheren Soldaten für den Zeitraum vom 3. Januar 2011 bis mindestens 5. September 2011 regelmäßiger und zur Dienstunfähigkeit führender Konsum des Betäubungsmittels Crystal Meth vorgeworfen wird, verhängte die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd mit Urteil vom 14. November 2012 wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von vierundzwanzig Monaten in Verbindung mit einer Kürzung der jeweiligen Dienstbezüge um ein Zwanzigstel auf die Dauer von sechs Monaten. Die dagegen in vollem Umfang mit dem Ziel einer schärferen gerichtlichen Disziplinarmaßnahme eingelegte Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist beim Senat unter dem Az. BVerwG 2 WD 7.13 anhängig.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2013 beantragte der frühere Soldat "gemäß § 82 Abs. 2 WDO" die Auszahlung seiner Übergangsbeihilfe. Diesen Antrag lehnte der Bundeswehrdisziplinaranwalt mit Bescheid vom 17. Juli 2013, dem früheren Soldaten zugestellt am 20. Juli 2013, ab, weil nach einer summarischen Prüfung des Berufungsvorbringens nicht auszuschließen sei, dass die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die disziplinare Höchstmaßnahme verhängt werde. Bei dem früheren Soldaten wäre dies die Aberkennung des Ruhegehaltes, was auch die Übergangsbeihilfe umfasse. Jegliche Zahlung würde deshalb das mögliche Verfahrensergebnis gefährden und laufe dem mit § 82 Abs. 2 Satz 1 WDO verfolgten Gesetzeszweck zuwider.
Mit an den Bundeswehrdisziplinaranwalt und das Bundesverwaltungsgericht gerichtetem Schreiben vom 21. Juli 2013 hat der frühere Soldat unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 17. Juli 2013 "die Entscheidung zum Disziplinarverfahren BVerwG 2 WD 7.13" beantragt. Eine Begründung enthält der Antrag nicht. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat ihn mit Schreiben vom 24. Juli 2013 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II.
Der Senat legt den Antrag des früheren Soldaten als Antrag gemäß § 82 Abs. 2 Satz 4 und 6 WDO aus, mit dem sich der frühere Soldat gegen die Ablehnung seines Antrags gemäß § 82 Abs. 2 Satz 2 WDO auf Auszahlung der Übergangsbeihilfe durch den Bundeswehrdisziplinaranwalt wendet.
Dieser Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung des Bundeswehrdisziplinaranwalts ist nicht zu beanstanden.
Nach § 82 Abs. 2 Satz 1 WDO darf, wenn gegen einen früheren Soldaten (vgl. § 1 Abs. 3 WDO) ein gerichtliches Disziplinarverfahren schwebt, vor dessen rechtskräftigem Abschluss ein Ausgleich oder eine Übergangsbeihilfe nicht gezahlt werden. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, die Auszahlung der Versorgungsleistung zu verhindern, solange das gerichtliche Disziplinarverfahren noch nicht abgeschlossen ist und daher nicht feststeht, ob die Versorgungsleistung durch Urteil des Wehrdienstgerichts aberkannt oder gekürzt wird (vgl. Beschluss vom 11. Juni 1985 - BVerwG 2 WDB 13.84 - BVerwGE 83, 22 <25>). Durch die zwingende Vorschrift soll nicht nur der Zugriff des Dienstherrn aus Ansprüchen gegen den früheren Soldaten, sondern auch der Verfall der einbehaltenen Übergangsbeihilfe im Fall der Aberkennung des Ruhegehalts oder des anderweitigen Verlustes des Soldatenstatus gesichert werden. Bei vorzeitiger Auszahlung des Ruhegehalts, zu dem auch die Übergangsbeihilfe gehört (§ 1 Abs. 3 Satz 2 WDO), könnten Ansprüche des Dienstherrn gegen den früheren Soldaten meist nicht befriedigt werden oder eine rechtskräftige Aberkennung ginge ins Leere.
Das Gesetz lässt deshalb eine vorzeitige Auszahlung nur insoweit zu, als dies ohne Gefährdung des Verfahrensergebnisses vertretbar ist (Beschluss vom 17. Juli 1991 - BVerwG 2 WDB 14.91 - ZBR 1991, 376 m.w.N. = juris Rn. 6). Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Auszahlung gemäß § 82 Abs. 2 Satz 2 WDO ist deshalb das Verfahrensergebnis im Wege einer summarischen Prüfung anhand des Verfahrensstandes im Zeitpunkt der Entscheidung zu ermitteln. Dabei erfordert der Zweck des Gesetzes bei mehreren Möglichkeiten, nicht von der für den früheren Soldat günstigeren, sondern von der für ihn ungünstigeren Möglichkeit auszugehen (Urteil vom 20. November 1973 - BVerwG II WD 39.73 - BVerwGE 46, 196 <200>).
Infolge der in vollem Umfang eingelegten Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird in der Berufungshauptverhandlung eine Beweisaufnahme mit der Vernehmung mehrerer Zeugen erforderlich sein. Es erscheint nach summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen, dass die Berufung Erfolg hat und der frühere Soldat zu einer höheren Disziplinarmaßnahme verurteilt wird. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist für Fälle des strafbaren Erwerbs, Besitzes, Konsums sowie der strafbaren Weitergabe von Betäubungsmitteln im oder außer Dienst bei aktiven Soldaten grundsätzlich ein Beförderungsverbot, in schweren Fällen eine Dienstgradherabsetzung (vgl. zuletzt Urteil vom 7. Mai 2013 - BVerwG 2 WD 20.12 - Rn. 61 m.w.N.). Ein schwererer Fall kommt hier - auch wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat - nicht nur deshalb in Betracht, weil der frühere Soldat nach seiner eigenen Einlassung in seiner aktiven Dienstzeit über einen längeren Zeitraum regelmäßig Crystal Meth konsumiert hat, sondern auch, weil im Raum steht, dass er damit vorsätzlich seine Dienstunfähigkeit herbeigeführt haben könnte. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die disziplinare Höchstmaßnahme, hier die Aberkennung des Ruhegehalts, nicht auszuschließen.
Im Fall einer Dienstgradherabsetzung würde sich die zunächst auf 14 126, 22 € berechnete Übergangsbeihilfe (vgl. Angabe der Wehrbereichsverwaltung Ost - Gebührniswesen - vom 31. Januar 2013, GA S. 214) nicht mehr aus den Dienstbezügen des letzten Monats des aktiven Dienstes des früheren Soldaten, das heißt aus der Besoldungsgruppe A 7 in der Stufe 4 berechnen, sondern wäre nach dem dann niedrigeren Dienstgrad und der Besoldungsgruppe, in die der frühere Soldat zurücktritt, neu zu berechnen (stRspr, vgl. Beschluss vom 25. Januar 1993 - BVerwG 2 WDB 7.92 - BVerwGE 93, 342 <349>). Zudem hätte der frühere Soldat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen, was ebenfalls durch das Auszahlungsverbot der Übergangsbeihilfe gesichert werden soll (vgl. Dau, a.a.O. § 82 Rn. 6). Die Aberkennung des Ruhegehalts ginge bei einer vorzeitigen Auszahlung der Übergangsbeihilfe ins Leere (vgl. Beschluss vom 11. Juni 1985 a.a.O.).
Da das Ausmaß einer eventuellen Degradierung nach summarischer Prüfung nicht absehbar und auch nicht völlig ausgeschlossen ist, dass es zur Verhängung der Höchstmaßnahme, der Aberkennung des Ruhegehaltes kommt, kommt auch eine teilweise vorzeitige Auszahlung der Übergangsbeihilfe nicht in Betracht.
Der frühere Soldat hat seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht begründet. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die eine andere Entscheidung ermöglichen würden. Zwar ergibt sich aus den Feststellungen des Truppendienstgerichts, dass der frühere Soldat seine finanzielle Situation als "angespannt" ansieht, das reicht aber für eine abweichende Entscheidung nicht aus. Denn die Auszahlung der Versorgungsleistungen ist nach § 82 Abs. 2 WDO ohne Rücksicht auf die soziale oder wirtschaftliche Lage des Soldaten nur insoweit zulässig, als dies ohne Gefährdung des Verfahrensergebnisses vertretbar ist (Beschluss vom 17. Juli 1991 a.a.O.).