Entscheidungsdatum: 15.03.2012
Der Milderungsgrund der wirtschaftlichen Notlage ist nur auf zeitlich begrenztes Fehlverhalten anwendbar und ausgeschlossen, wenn es über einen längeren Zeitraum darin besteht, eine weitere Einkunftsquelle zu verwerten.
Der am ... 1960 geborene frühere Soldat absolvierte erfolgreich eine Ausbildung zum Verwaltungsangestellten. 1980 wurde er zum Grundwehrdienst einberufen und im selben Jahr zunächst in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Mit Wirkung vom 15. Juni 1989 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen und zum ... 2010 wurde er vorzeitig in den Ruhestand versetzt.
Nach der allgemeinen Grundausbildung wurde er im Juni 1980 zum Stab Fliegende Gruppe/Aufklärungsgeschwader ... als Nachrichtenbearbeiter versetzt und dort ab Oktober 1980 als Photogehilfe und ab Oktober 1981 als Stabsdienstunteroffizier verwendet. Nach zahlreichen Versetzungen trat er am 1. Oktober 2001 beim ...kommando ... in M. seinen Dienst als Sicherheitsfeldwebel an. Zugleich wurde er mit der Aufgabe betraut, die Einnahmen aus den jährlichen Adventskonzerten an gemeinnützige Einrichtungen weiterzuleiten. Zu diesem Zweck wurde ihm Kontovollmacht erteilt.
Der frühere Soldat hat an zahlreichen Fortbildungen teilgenommen und die Ausbildung zum Sicherheitsmeister und Personalhauptverwalter Luftwaffe erfolgreich absolviert, letztere mit "gut" bestanden. Er wurde zuletzt mit Wirkung vom 31. Oktober 2002 zum Stabsfeldwebel befördert. Er verfügte über den Sicherheitsbescheid der Stufe Ü 3. Die Ausübung entsprechender Tätigkeiten wurde ihm jedoch ab 23. Juni 2008 wegen des angeschuldigten Sachverhalts untersagt, später wurde ihm die Sicherheitsstufe entzogen.
In seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom 2. März 2005 wird der frühere Soldat besonders für seine überragende Einsatzbereitschaft, Selbständigkeit und Zusammenarbeit gelobt. Sein Fachwissen sei ein unschätzbarer Gewinn für sein Aufgabengebiet und er sei eine nicht weg zu denkende Stütze für seinen Abteilungsleiter. Er biete stets seine Hilfe an und sei im Kameradenkreis sehr beliebt. Auch seiner Nebenaufgabe als Kasernenfeldwebel komme er mit gleich hohem Engagement und Gewissenhaftigkeit nach. In seinem Beruf sei er sehr engagiert und aus seiner persönlichen Haltung gehe die positive Einstellung zu den Werten des Staates und seines Berufes hervor. In den Einzelmerkmalen erhielt der frühere Soldat bei einer maximal möglichen Bewertung mit "7" viermal die Wertung "7" (Leistungen überragen in außergewöhnlichem Maß die Anforderungen, Spitzenleistungen), sechsmal die Wertung "6" (Leistungen übertreffen sehr deutlich die Anforderungen) und zweimal die Wertung "5" (Leistungen übertreffen erheblich die Anforderungen). Der nächste Disziplinarvorgesetzte des früheren Soldaten hat die Beurteilung vor dem Truppendienstgericht "voll und ganz unterstützt" und ausgeführt, er habe dem früheren Soldaten dienstlich nichts vorzuwerfen.
Dem früheren Soldaten wurden 1998 das Deutsche Sportabzeichen in Bronze, im April 1982 das Leistungsabzeichen im Truppendienst in Bronze sowie im Juli 1989 das Tätigkeitsabzeichen Personal im Stabsdienst in Silber und im Februar 1994 in Gold verliehen. 1986 wurde ihm das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Bronze, 1992 das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Silber sowie 2004 in Gold verliehen. Als Anerkennung für seine herausragenden Leistungen wurden ihm 2001, 2002 und 2003 Leistungsprämien gewährt; 1989, 1996, 2000 und im Jahr 2008 erhielt er Förmliche Anerkennungen in Würdigung herausragender Leistungen.
Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 26. Januar 2012 enthält die sachgleiche Eintragung einer seit September 2009 rechtskräftigen Verurteilung des früheren Soldaten durch das Amtsgericht M. zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung von 11 Monaten wegen Untreue im besonders schweren Fall, tatmehrheitlich begangen in 16 Fällen.
Der frühere Soldat erhält Versorgungsbezüge von monatlich 1 923 € netto. Er ist verheiratet und seine Ehefrau, die ein inzwischen volljähriges Kind in die Ehe mit eingebracht hat, hat ein monatliches Einkommen von etwa netto 2 200 €. Der aktuelle Schuldenstand belaufe sich auf etwa 40 000 €.
1. Auf der Grundlage der Anschuldigungsschrift vom 1. Juni 2010 hat das Truppendienstgericht Süd dem früheren Soldaten durch Urteil vom 30. November 2010 das Ruhegehalt aberkannt und zu den tatsächlichen Umständen unter Bezugnahme auf das Urteil des Amtsgerichts M. ausgeführt:
"Die Kammer hat aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung unter Berücksichtigung der geständigen Einlassung des früheren Soldaten, der uneidlichen Aussage des Zeugen Hauptmann H. sowie des zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Inhalts der Verfahrensakte der Staatsanwaltschaft M., Az: 257 Js .../08 und des Inhalts der Personalstammakte/-nebenakte des Soldaten folgenden Sachverhalt festgestellt:
Das angeschuldigte Verhalten war Gegenstand eines Strafverfahrens vor dem Amtsgericht M. Geschäftsnummer 852 Ds 257 Js .../08.
Mit Urteil vom 04.06.2009, rechtskräftig seit dem 21.09.2009, wurde der frühere Soldat zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die nach § 84 Abs. 1 Wehrdisziplinarordnung für die Kammer bindenden tatsächlichen Feststellungen des sachgleichen Strafurteils lauten:
'Der Angeklagte ist seit 1989 Berufssoldat im ...kommando ... Stabsquartier, ...str. ... in M., und bekleidet dort den Rang eines Stabsfeldwebels. Im Zeitraum von Oktober 2001 bis Januar 2008 nahm der Angeklagte zudem die Aufgaben des Kasernenfeldwebels der ...-Kaserne wahr.
Das ...kommando ... führte in den Jahren 2002 - 2007 alljährlich ein Adventskonzert durch, dessen Erlös jedes Jahr jeweils zu 50 % an das Bundeswehrsozialwerk und die ... Landesschule für Körperbehinderte gespendet wurde. Der Angeklagte war innerhalb des ...kommandos ... für die ordnungsgemäße Weiterleitung des Erlöses an die o.g. Institutionen verantwortlich.
Die gegen Empfangsquittung übernommenen Spendengelder der Adventskonzerte der Jahre 2003 - 2006 zahlte der Angeklagte nicht auf das eigens hierfür vorgesehene Bundeswehrkonto Nr. ... bei der Stadtsparkasse M. in voller Höhe ein, sondern behielt jeweils einen nicht unerheblichen Betrag für sich. Nach Auflösung des vorgenannten Kontos zum 31.07.2006 behielt der Angeklagte den Erlös aus dem Adventskonzert 2006 für sich, ohne die Gelder an die vorgesehenen Empfänger weiterzuleiten. Im Zeitraum Oktober 2004 bis 31.05.2006 hob der Angeklagte zudem in 12 Fällen größere Bargeldbeträge von dem vorgenannten Konto ab, um die Gelder für seine private Lebensführung zu verwenden. Der Angeklagte war im Zeitraum vom 24.09.1996 bis 31.07.2006 befugt, für die Bundeswehr über das vorgenannte Konto zu verfügen.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
1. Am 16.12.2003 erhielt der Angeklagte in bar den Erlös aus dem Adventskonzert 2003 in Höhe von 2.876,73 Euro, den er weder auf das vorgenannte Bundeswehrkonto einbezahlte noch sonst, wie vorgesehen, an die vorgesehenen Empfänger weiterleitete.
2. Am 14.12.2004 erhielt der Angeklagte aus dem Adventskonzert 2004 den Spendenerlös in bar in Höhe von 3.333,-- Euro, von dem er am 20.12.2004 lediglich einen Betrag in Höhe von 2.878,-- Euro auf das vorgenannte Bundeswehrkonto überwies und den Differenzbetrag in Höhe von 455,-- Euro für sich behielt. Von dem auf das vorgenannte Bundeswehrkonto einbezahlten Betrag überwies er am 17.02.2005 1.666,66 Euro an das Bundeswehrsozialwerk.
3. Am 13.12.2005 erhielt der Angeklagte gegen Quittung einen Bargeldbetrag in Höhe von 3.238,40 Euro aus dem Adventskonzert 2005. Von diesem Betrag zahlte er lediglich 2.760,-- Euro auf das vorgenannte Bundeswehrkonto bei der Stadtsparkasse ein und behielt die Differenz in Höhe von 478,40 Euro für sich. Vom vorgenannten Bundeswehrkonto überwies der Angeklagte am 23.03.2006 1.666,-- Euro an die ... Landesschule für Körperbehinderte.
4. Nach der Auflösung des Bundeswehrkontos am 31.07.2006 konnte der Angeklagte den im Dezember 2006 gegen Quittung erlangten Bargeldbetrag in Höhe von 2.564,-- Euro aus dem Adventskonzert 2006 nicht mehr auf dieses Konto einzahlen. Der Angeklagte zahlte diesen Geldbetrag aber auch nicht auf ein anderes Konto ein. Auch überwies er den jeweils hälftigen Betrag nicht an die beiden vorgesehenen Leistungsempfänger, sondern behielt den Betrag für sich und verbrauchte diesen für seine private Lebensführung.
5. Im Zeitraum vom 15.10.2004 - 31.05.2006 ließ sich der Angeklagte in unbekannten Geschäftsstellen der Stadtsparkasse M. Geldbeträge in bar auszahlen, um diese für sich zu verwenden, ohne hierzu, wie er wusste, berechtigt zu sein.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
5.1 | 15.10.2004 | 400 € |
5.2 | 12.11.2004 | 400 € |
5.3 | 25.11.2004 | 300 € |
5.4 | 04.02.2005 | 500 € |
5.5 | 16.06.2005 | 400 € |
5.6 | 19.07.2005 | 300 € |
5.7 | 16.08.2005 | 200 € |
5.8 | 21.3.2006 | 100 € |
5.9. | 24.3.2006 | 400 € |
5.10 | 10.5.2006 | 400 € |
5.11 | 18.5.2006 | 300 € |
5.12 | 31.5.2006 | 100 € |
Insgesamt hob er auf diese Weise unberechtigt 3.800,-- Euro vom Bundeswehrkonto für eigene Zwecke ab.
Insgesamt schädigte der Angeklagte die Bundeswehr somit um einen Gesamtgeldbetrag in Höhe von 10.174,13 Euro.'
Ergänzend hat die Kammer festgestellt:
Der frühere Soldat war im Zeitraum 2002 bis 2007 mit der Abrechnung und Verwaltung von gesammelten Spendengeldern im Rahmen des vom ...kommando ... alljährlich durchgeführten Adventskonzerts dienstlich betraut. Seine Aufgabe war die Annahme der eingenommenen Spendengelder sowie deren ordnungsgemäße Verwaltung und Weiterleitung an die in Anschuldigungspunkt 1 aufgeführten gemeinnützigen Institutionen.
Der frühere Soldat nutzte die Geldbeträge zur Überbrückung seiner privaten finanziellen Notlage. Er plante zumindest anfangs, die Beträge wieder der Bundeswehr bzw. den gemeinnützigen Institutionen zurückzuzahlen, sobald seine finanzielle Situation es zugelassen hätte.
Der frühere Soldat hat freiwillig mit der Wehrbereichsverwaltung Süd eine 'Stundungsvereinbarung/Schuldanerkenntnis' über die Rückzahlung des von ihm veruntreuten Betrages in Höhe von 13.325,82 Euro geschlossen. Darin verpflichtete er sich zu einer monatlichen Rückzahlung in Höhe von 400,00 Euro. In dem genannten Betrag sind auch 3151,69 Euro enthalten, auf die sich der Anspruch der Wehrbereichsverwaltung Süd wegen Verjährung nicht mehr erstreckte. Der frühere Soldat hat allerdings - unabhängig von einem durchsetzbaren Rechtsanspruch - darauf bestanden, den gesamten Betrag zurückzuzahlen. Inzwischen hat er den Betrag vollständig zurückbezahlt.
Der frühere Soldat ist geständig."
Der frühere Soldat habe durch diese Pflichtverletzungen wiederholt seine Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG), in Gestalt der Vermögensverwahrungspflicht gegenüber dem Dienstherrn sowie in ihrer Ausprägung als Pflicht zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem zur Beachtung der Strafgesetze, vorsätzlich verletzt. Darüber hinaus habe er durch die Verwendung des Geldes zu privaten Zwecken gegenüber dem Dienstherrn auch seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) vorsätzlich verletzt. Durch die vorsätzliche Verletzung seiner Dienstpflichten habe der frühere Soldat ein sehr schweres Dienstvergehen begangen, das den Ausspruch der disziplinarischen Höchstmaßnahme erforderlich mache.
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei von Bedeutung, dass das Dienstvergehen sehr schwer wiege und keine mildernden Umstände vorlägen, die es unverhältnismäßig erscheinen ließen, gegen den früheren Soldaten die Höchstmaßnahme zu verhängen; insbesondere läge der Milderungsgrund einer unverschuldeten, ausweglos erscheinenden Notlage ebenso wenig vor wie eine unterlassene Dienstaufsicht.
2. Der frühere Soldat hat gegen das Urteil frist- und formgerecht Berufung eingelegt, sie ausdrücklich auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Da er 2003 kurz vor dem finanziellen Ruin gestanden habe, habe er sich seinerzeit nicht anders zu helfen gewusst, als aus den Spenden des Adventskonzerts zur Überbrückung der Engpässe Gelder zu entnehmen. Er habe die einzelnen Beträge zunächst auch zurückzahlen wollen, was jedoch aufgrund der immer enger werdenden finanziellen Verhältnisse nicht möglich gewesen sei. Neben seinen besonderen Leistungen sei deshalb zu berücksichtigen, dass er sich seinerzeit in einer ihm ausweglos erscheinenden wirtschaftlichen Notlage befunden habe. Den beigefügten Unterlagen sei insbesondere zu entnehmen, dass er 1993 in rechtswidriger Weise zum Erwerb einer so genannten Schrottimmobilie und dadurch auch zum Abschluss eines Darlehnsvertrages verleitet worden sei, der ihn bis in die Gegenwart belaste. Versuche, die Immobilie zu veräußern, seien erfolglos geblieben. Zudem habe er 1994 seine jetzige Ehefrau kennengelernt, die ihren 1985 geborenen Sohn in die Ehe mitgebracht habe. Er und seine Frau hätten ihn bis 2009 finanziell unterstützt. Mehrkosten von monatlich gut 380 € seien von September 1999 bis August 2002 durch die Finanzierung des Besuchs einer privaten Realschule angefallen. Deren Besuch sei erforderlich gewesen, weil bei dem Sohn eine gravierende Schwerhörigkeit vorliege. Als im Oktober 2002 sein PKW einen Totalschaden erlitten habe, sei er gezwungen gewesen, sich einen neuen PKW zu kaufen, um zur Arbeit zu gelangen. Bei - wie in der Berufungshauptverhandlung vom früheren Soldaten vorgetragen - Erstattung eines Schadensbetrags von 6 000 € und einer Steuerrückerstattung von etwa 3 000 € sei der Erwerb eines Vorführwagens für 17 777 € sinnvoll gewesen, weil dadurch drei Jahre lang keine Kraftfahrzeugsteuer angefallen und geringere Reparaturen zu erwarten gewesen seien. Zum Kauf des Fahrzeugs habe er einen Finanzierungsleasingvertrag abgeschlossen, der monatlich mit 334 € bedient werde. Gemäß der Kontenaufstellung ergebe sich für den Zeitraum der ersten Tat Ende Dezember 2003 bis März 2004 für jeden Monat ein Minus von ungefähr 400 €, was dem Betrag, den er an die B. AG zur Finanzierung der Schrottimmobilie zahlen müsse, entsprochen habe. Er habe aus "falscher Scham" versäumt, die finanziellen Probleme seinem Dienstherrn zu offenbaren. Überdies habe er sich einsichtig, geständig und reuig gezeigt und den gesamten Betrag von 13 325,82 € zurückgezahlt, obwohl hinsichtlich eines Teilbetrags fraglich gewesen sei, ob er nicht bereits verjährt sei. Das Maß der Schuld sei im Übrigen auch wegen des erheblichen Defizits bei der Wahrnehmung der Dienstaufsicht ihm gegenüber entstanden. Wäre eine regelmäßige Kontrolle erfolgt, wäre - so der frühere Soldat in der Berufungshauptverhandlung - bereits nach der ersten Veruntreuungshandlung seine Pflichtverletzung aufgefallen; der Schaden hätte sich auf wenige hundert Euro reduziert. Den Schaden später in voller Höhe zu begleichen, sei möglich geworden, weil seine - ebenfalls beträchtlich verschuldete - Ehefrau eine Versicherung ausbezahlt bekommen habe.
Die vom früheren Soldaten gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.
1. Das Rechtsmittel ist auf die Anfechtung der Maßnahmebemessung beschränkt eingelegt worden, so dass der Senat von Rechts wegen die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 327 StPO) und nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden hat, wobei er an das Verschlechterungsverbot (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) gebunden ist. Der Senat hat bei der Maßnahmebemessung deshalb zugrunde zu legen, dass der frühere Soldat durch 16 tatmehrheitlich begangene, sich über einen Zeitraum von Jahren erstreckende Veruntreuungshandlungen vorsätzlich gegen seine Pflicht zu treuem Dienen (§ 7 SG) sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen und damit ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen hat, wobei er als Vorgesetzter gemäß § 10 Abs. 1 SG verschärfter Haftung unterliegt.
2. Die gegenüber dem früheren Soldaten gem. § 58 Abs. 2 Nr. 4 WDO in Verbindung mit § 65 WDO vorgenommene Aberkennung des Ruhegehalts ist nicht zu beanstanden.
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten. Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
a) Eigenart und Schwere eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Die festgestellte Verletzung der in § 7 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG normierten Pflichten wiegt äußerst schwer, weil sie zum einen mit der Verwirklichung kriminellen, zum Ausspruch einer Freiheitsstrafe führenden Unrechts verbunden war und zum anderen der Verstoß gegen die Rechtsordnung nicht nur durch zahlreiche, sondern auch durch Handlungen erfolgte, die den originären dienstlichen Pflichtenkreis betrafen und zu einem beträchtlichen, jenseits der so genannten "Bagatellgrenze" liegenden Schaden führten (Urteil vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 <163 f.> = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 S. 2 f.). Darüber hinaus wurde es vom früheren Soldaten als Angehöriger eines Spitzenamtes mit Vorgesetztenfunktionen (§ 10 Abs. 1 SG) begangen.
b) Das Dienstvergehen hatte über den eigentlichen Schaden hinaus auch auf die Personalplanung Auswirkungen. Dem früheren Soldaten wurde wegen des Dienstvergehens die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderliche Sicherheitsstufe Ü 3 entzogen. Ferner hat das Dienstvergehen das Ansehen der Bundeswehr erheblich beeinträchtigt, weil die Institutionen, denen das vom früheren Soldaten veruntreute Geld zugedacht war, von dem Geschehen im Rahmen der Ermittlungsmaßnahmen Kenntnis erlangt haben.
c) Der frühere Soldat hat eigennützig gehandelt; für ihn sprechende Beweggründe sind nicht erkennbar. Dass er jedenfalls zunächst die Absicht gehabt hat, das veruntreute Geld wieder zu ersetzen, ändert nichts daran, dass er gleichwohl Veruntreuungstatbestände verwirklicht und er es nicht vor Aufdeckung der Taten freiwillig zurückgezahlt hat (vgl. dazu Urteil vom 6. Mai 2003 a.a.O. S. 164 bzw. S. 3). Er hat das Geld auch nicht etwa zugunsten eines anderen, in Not geratenen Soldaten mit der konkreten Chance einer Rückführung entzogen (vgl. Urteil vom 8. März 2011 - BVerwG 2 WD 15.09 - juris Rn. 28 und 36).
d) Das Maß der Schuld des früheren Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Anders als von ihm geltend gemacht, liegen Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die seine Schuld mindern könnten, nicht vor. Sie sind nur dann gegeben, wenn die Situation, in der ein Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Dazu hat der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung verschiedene - nicht abschließende - Fallgruppen entwickelt, wozu ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, gehört (aa)). Mildernd kann sich schließlich auch der Umstand einer unzureichend ausgeübten Dienstaufsicht auswirken (bb)). Beide Tatmilderungsgründe liegen jedoch nicht vor (vgl. Urteil vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - Rn. 25 und 30 f.).
aa) Dem Senat erscheint bereits äußerst fraglich, ob sich der frühere Soldat im Dezember 2003 tatsächlich in einer wirtschaftlichen Notsituation befunden hat. Den Kreditverpflichtungen standen nämlich gut 4 200 € an regelmäßigen Einnahmen auf Seiten des früheren Soldaten und seiner Frau gegenüber, wobei - ausweislich der in der Berufungshauptverhandlung näher erörterten und den Kontoauszügen entnehmbaren - Ausgaben für über die GEZ-Gebühren hinaus kostenpflichtige Privatfernsehsender und Handys sowie Sparrücklagen noch erhebliche Einsparmöglichkeiten (von etwa 100 €) eröffnet hätten. Der Senat kann dies aber letztlich dahingestellt sein lassen; dies gilt ebenso für die Frage, ob der frühere Soldat 1993 tatsächlich Opfer eines rechtswidrigen Geschäftsgebarens geworden ist, das ihn - nach seinen Aussagen in der Berufungshauptverhandlung - nun zu gerichtlichen Schritten veranlasst hat. Denn der Milderungsgrund der wirtschaftlichen Notlage setzt eine Konfliktsituation voraus, in der der Soldat keinen anderen Ausweg als den Zugriff auf Vermögen des Dienstherrn sieht, um den Notbedarf der Familie zu decken, und ist daher nur auf zeitlich begrenztes Fehlverhalten anwendbar. Eine solche Situation liegt dann nicht mehr vor, wenn dies - wie vorliegend - über einen längeren Zeitraum in dem Sinne geschieht, dass eine weitere Einkunftsquelle verwertet wird. Der Senat schließt sich insoweit der für das Beamtendisziplinarrecht maßgeblichen Rechtsprechung an (vgl. Urteil vom 28. November 1995 - BVerwG 1 D 29.95 - juris Rn. 15).
Selbst wenn jedoch der Senat den Umstand ausblendete, dass der frühere Soldat sich durch den regelmäßigen Zugriff über Jahre hinweg gleichsam eine zusätzliche Einnahmequelle verschafft hat, wäre die Situation zu Beginn der Veruntreuungshandlungen jedenfalls 2003 nicht unverschuldet eingetreten. Der im Oktober 2002 erfolgte Erwerb eines Kraftfahrzeugs für 17 777 € verschärfte vorwerfbar die finanzielle Bedrängnis, weil der frühere Soldat bereits seinerzeit nicht nur erhebliche Kreditverpflichtungen zu bedienen hatte, sondern sein Girokonto (schon im August 2002) mit annähernd 7 670 € im Soll stand. Angesichts dessen hätte es nahe gelegen, ein wesentlich preisgünstigeres Auto zu kaufen und die als Schadensersatz erhaltenen 6 000 € - die er zur Anzahlung des neuen Kraftfahrzeugs verwendet haben will - zur Tilgung einzusetzen. Stattdessen erhöhte der frühere Soldat seine monatlichen Verpflichtungen um weitere 334 € zur Finanzierung des neuen Autos.
Ferner wäre die Situation auch nicht ausweglos gewesen, da der frühere Soldat - wie er in der Berufungshauptverhandlung erneut bestätigte - nicht den Versuch unternommen hat, sich wegen der Verschuldung in sachverständige Beratung oder auf den Weg einer geordneten Privatinsolvenz zu begeben.
bb) Dass es dem früheren Soldaten nicht möglich gewesen wäre, mehr als 10 000 € zu veruntreuen, wenn es eine jedenfalls jährliche Kontrolle durch Dienstvorgesetzte gegeben hätte, steht zwar außer Zweifel; anders als von ihm vertreten, begründet dieses Defizit jedoch kein Mitverschulden, das sich zu seinen Gunsten mildernd niederschlüge. Zum einen hat der frühere Soldat in der Berufungshauptverhandlung selbst eingeräumt, dass auch eine jährliche Kontrolle die erste angeschuldigte Untreuehandlung nicht verhindert hätte, so dass in jedem Fall ein Schaden von jedenfalls mehreren hundert Euro und somit jenseits des "Bagatell-Betrags" eingetreten wäre, bei dem die Höchstmaßnahme im Regelfall nicht in Rede steht; insoweit würde es an der Kausalität eines Mitverschuldens fehlen. Zum anderen setzt der Milderungsgrund der mangelnden Dienstaufsicht nach der Rechtsprechung des Senats eine Überforderungssituation voraus, in der ein hilfreiches Eingreifen der Dienstaufsicht erforderlich ist (Urteil vom 10. September 2009 a.a.O. Rn. 30.). Der frühere Soldat bedurfte aber offensichtlich keiner dienstaufsichtlichen Begleitung, um zur Erkenntnis zu gelangen, dass die eigennützige Verwendung anvertrauter Gelder rechtswidrig war. Auch bedurfte der in Verwaltungsangelegenheiten geschulte frühere Soldat keiner besonderen Einweisung, um den ihm erteilten Auftrag, die ihm jährlich einmal in einem Betrag übergebenen Spendengelder je zur Hälfte an zwei bestimmte Empfänger weiterzuleiten, erledigen zu können.
e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen für den früheren Soldaten die während seiner aktiven Dienstzeit zahlreich erhaltenen Förmlichen Anerkennungen und seine auch ansonsten weit überdurchschnittlichen Leistungen. Ebenso spricht für ihn, dass er den Schaden in vollem Umfang beglichen hat, obwohl ein Teil des Schadensersatzanspruchs bereits verjährt gewesen sein mag. Dass dies erst nach Aufdeckung der Pflichtverletzungen erfolgte, stand der Würdigung als mildernder Umstand in den Umständen der Tat entgegen (Urteil vom 6. Mai 2003 a.a.O. S. 164 bzw. S. 3).
f) Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe. Vergreift sich ein Soldat in Vorgesetztenstellung vorsätzlich an Eigentum oder Vermögen seines Dienstherrn, so indiziert ein solches schweres Fehlverhalten regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung (Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Erfolgt der vorsätzliche Zugriff jedoch auf Vermögensgüter, die dem Soldaten dienstlich anvertraut sind, ist in der Regel die Entfernung aus dem Dienstverhältnis Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (Urteil vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr 29). Ein solches besonders schweres Dienstvergehen liegt hier vor, weil der frühere Soldat Gelder veruntreut hat, die ihm anvertraut waren.
bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die im Fall des früheren Soldaten die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der in Ansatz gebrachten Maßnahmeart und ihres Maßes eröffnen.
Dabei ist vor allem hinsichtlich der "Eigenart und Schwere" sowie der "Auswirkungen" des Dienstvergehens zu klären, ob die zu verhängende Disziplinarmaßnahme zu modifizieren ist. Für die "Eigenart und Schwere des Dienstvergehens" kann z. B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt versagt hat, etwa in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich. Bei den "Auswirkungen" des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb (insbesondere die weitere Verwendbarkeit des Soldaten, Rückwirkungen auf Vorgesetzte oder Untergebene, negative personalwirtschaftliche Konsequenzen) sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums "Maß der Schuld" hat der Senat neben der Schuldform (Vorsatz, Fahrlässigkeit) und der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB analog) das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen bei der endgültigen Bestimmung der Disziplinarmaßnahme in Betracht zu ziehen.
Nach diesen Kriterien liegen angesichts der Dauer und der Vielzahl der zugleich auch strafrechtlich mit Freiheitsstrafe geahndeten Pflichtverletzungen sowie des erheblichen Schadens keine Anhaltspunkte für eine Modifizierung der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme nach "unten" vor. Die Maßnahme wird auch nicht im Hinblick auf die besonderen Leistungen des früheren Soldaten unverhältnismäßig. Die persönliche Integrität eines Soldaten steht gleichwertig neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, so dass gravierende Defizite an der persönlichen Integrität, die bei objektiver Betrachtung zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen, auch nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (Urteil vom 16. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 11.10 - NVwZ-RR 2012, 114 <115>). Angesichts der Vielzahl der Zugriffshandlungen und der Höhe des Schadens rechtfertigen auch die Bereitschaft, auch möglicherweise verjährte Schadensersatzansprüche zu erfüllen, und der Umstand, dass fehlende Kontrollen den Zugriff erleichterten, nicht ein Absehen von der Höchstmaßnahme.