Entscheidungsdatum: 11.01.2012
Ein Soldat, der es vorsätzlich pflichtwidrig unterlässt, zwei beteiligte Familienkassen über die Doppelzahlung von Kindergeld in der Form der Steuervergütung in Kenntnis zu setzen, begeht dadurch eine außerdienstlich Steuerhinterziehung und ein schweres Dienstvergehen. Fügt ein Staatsdiener dem Staat durch eine Steuerhinterziehung einen besonders hohen Schaden zu, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich die Dienstgradherabsetzung (vgl. Urteil vom 21. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 10.10).
Ein Berufssoldat im Dienstgrad eines Hauptfeldwebels hatte bei der Familienkasse der Bundeswehr Kindergeld beantragt und eine Einverständniserklärung seiner Ehefrau über seine Kindergeldbezugsberechtigung beigefügt. Danach hatte er im Kindergeldantrag seiner Ehefrau an die Familienkasse des Arbeitsamtes erklärt, mit dem Kindergeldbezug durch seine Ehefrau einverstanden zu sein. Zwischen März 1994 und Dezember 2008 ist durch beide Familiekassen Kindergeld für das älteste Kind gezahlt worden, ohne dass der Soldat den beteiligten Familienkassen den Doppelbezug mitteilte. Der zu Unrecht gezahlte Betrag belief sich auf mehr als 22 000 €. Im Strafverfahren wegen einer Steuerhinterziehung erging gegen den Soldaten ein Strafbefehl über eine Geldstrafe.
Im gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Truppendienstkammer gegen den Soldaten wegen eines vorsätzlichen Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von vier Jahren verbunden mit einer Gehaltskürzung in Höhe von einem Zwanzigstel für die Dauer von drei Jahren verhängt.
Auf die maßnahmebeschränkte Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft hat das Bundesverwaltungsgericht den Soldaten zum Oberfeldwebel degradiert, jedoch die Wiederbeförderungsfrist auf zwei Jahre herabgesetzt.
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2. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.
a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen schwer.
Hierbei hat der Senat wegen der zwar rechtsfehlerhaften, aber den Senat gleichwohl bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts von einer Verletzung der Wahrheitspflicht auszugehen. Ein Soldat, der gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen der Bundeswehr in dienstlichen Angelegenheiten unwahre Erklärungen abgibt, büßt hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein. Die Bedeutung der Wahrheitspflicht (§ 13 Abs. 1 SG) kommt schon darin zum Ausdruck, dass diese - anders als z.B. bei Beamten - für Soldaten gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Eine militärische Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen Untergebener verlassen können. Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst recht im Einsatzfall gegebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - m.w.N.
Auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris m.w.N - und vom 4. Mai 2011 - a.a.O. - Rn. 29). Dies war hier der Fall.
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat aufgrund seines aktuellen Dienstgrades als Hauptfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis steht (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV) und auch schon im April 1994 zu Beginn des erfassten Zeitraums als Stabsunteroffizier in einem solchen Verhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 25 m.w.N., vom 13. Januar 2011 - a.a.O. und vom 4. Mai 2011 - a.a.O. Rn. 30).
Bestimmend für Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sind schließlich auch die weiteren Tatumstände: Der Irrtum zweier Familienkassen über den parallelen Bezug von Kindergeld durch beide Ehegatten wurde über einen langen Zeitraum von etwa 14 Jahren aufrechterhalten. Über diesen langen Zeitraum hinweg hat der Soldat kontinuierlich durch die unberechtigte monatliche Auszahlung von doppeltem Kindergeld profitiert und dem Fiskus einen in der Gesamtsumme hohen Schaden von 22.619,70 € zugefügt.
b) Das Dienstvergehen hatte keine nachteiligen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Der Soldat wird nach wie vor als Lehrfeldwebel bei der ...schule in A. eingesetzt. Nach den Angaben seines früheren Disziplinarvorgesetzten hat sich der Vorfall im Kameradenkreis nicht herumgesprochen. Er ist auch in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden. Das Vertrauen seines früheren und gegenwärtigen Vorgesetzten in den Soldaten ist nach deren Aussage unbeschädigt geblieben.
c) Die Beweggründe des Soldaten waren nach den den Senat bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts von Eigennutz geprägt, ging es ihm doch darum, über einen längeren Zeitraum eine unberechtigte Doppelzahlung von Kindergeld zu erreichen und sich so auf Kosten des Dienstherrn zu bereichern.
d) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er nach den bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts vorsätzlich gehandelt hat. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, sind nach dem Akteninhalt nicht ersichtlich.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Soldaten mindern könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 m.w. N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Hierfür gibt es auch unter Berücksichtigung des Vortrages des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung keine hinreichenden Gründe. Insbesondere hat er nicht gehandelt, um einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage abzuhelfen. Zum einen hat er die Schulden seiner Eltern erst 1995 und damit nach dem Beginn des Doppelbezuges von Kindergeld übernommen. Zum anderen war die sich hieraus ergebende monatliche, finanzielle Belastung auch nicht so gravierend, dass einer existentiellen Notlage der Familie nicht anders als durch das doppelte Kindergeld hätte abgeholfen werden können. Der Soldat selbst hat dies auch nicht einmal behauptet.
e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen für den Soldaten seine ihm bereits durch die Beurteilungen attestierten überdurchschnittlichen Leistungen sowie die ihm verliehenen Auszeichnungen und förmlichen Anerkennungen. Sowohl sein ehemaliger als auch sein gegenwärtiger Disziplinarvorgesetzter haben diesen Eindruck durch ihre Angaben zur hohen Qualität der Arbeitsleistung des Soldaten, seiner Zuverlässigkeit und Integrität, seinem hohen Engagement und Pflichteifer bestätigt. Da der Soldat auch unter dem Druck des laufenden Verfahrens in seinen Leistungen nicht nachgelassen, diese vielmehr noch gesteigert und seinen Leistungswillen auch durch die erfolgreiche Teilnahme an weiteren Lehrgängen zur Förderung seiner Verwendungsbreite nachgewiesen hat, geht der Senat von einer Nachbewährung des Soldaten aus.
Zugunsten des Soldaten ist weiter zu berücksichtigen, dass er bisher weder disziplinar- noch strafrechtlich in Erscheinung getreten war.
Für den Soldaten spricht weiter, dass er glaubhaft Unrechtseinsicht und Reue bekundet hat. Der Soldat hat davon abgesehen, mit rechtlichen Mitteln gegen den Rückforderungsbescheid und den Strafbefehl vorzugehen und dadurch die Übernahme finanzieller Lasten so wenigstens zu verzögern, vielmehr damit begonnen, die Geldstrafe und die Rückforderung überzahlten Kindergeldes in den finanziellen Spielraum der Familie deutlich einschränkenden Raten zu begleichen. Dieses konsequente Verhalten spricht glaubhaft für seine Bereitschaft, Verantwortung für sein Fehlverhalten zu übernehmen. Diese Bereitschaft ist nach dem Eindruck des Senats Ausdruck der moralischen Grundhaltung des Soldaten, die ihn auch zur Übernahme der Schulden seiner Eltern bewegten. Auch der hierin zum Ausdruck kommende Charakterzug spricht nachdrücklich für den Soldaten.
f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zweckssetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch einer - gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 Satz 3 WDO zulässigen - Dienstgradherabsetzung zum Oberfeldwebel erforderlich und angemessen.
Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. Urteile vom 14. Oktober 2009 - BVerwG 2 WD 16.08 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 43 Rn. 75 und vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris Rn. 35) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägung".
aaa) Fügt ein Staatsdiener dem Staat durch eine schwere Wirtschaftsstraftat, insbesondere eine Steuerhinterziehung, einen besonders hohen Schaden zu, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich die Dienstgradherabsetzung (vgl. Urteil vom 21. Juni 2010 - BVerwG 2 WD 10.10 - juris Rn. 41):
Eine Steuerhinterziehung stellt im Hinblick auf den dem Staat verursachten Schaden ein schweres Wirtschaftsdelikt dar (vgl. zum Beamtendisziplinarrecht z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 336/07 - NJW 2008, 3489 <3491>; BVerwG, Urteil vom 9. November 1994 - BVerwG 1 D 57.93 - BVerwGE 103, 184 <186> und Beschluss vom 5. März 2010 - BVerwG 2 B 22.09 - Buchholz 235.2 LandesdisziplinarG Nr. 10 = NJW 2010, 2229 <2230>). Nach der ständigen Rechtsprechung des für Beamtendisziplinarsachen zuständigen Disziplinarsenats (z.B. Urteil vom 8. September 2004 - BVerwG 1 D 18.03 - Buchholz 235.1 § 85 BDG Nr. 7 m.w.N.) handelt es sich deshalb aus disziplinarischer Sicht bei einer Steuerhinterziehung nicht um ein "Kavaliersdelikt", sondern um eine regelmäßig schwerwiegende Verfehlung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Beamte durch strafbares Verhalten unter Schädigung des Staates - und damit in der Regel auch des eigenen Dienstherrn - persönlich unberechtigt hohe Steuervorteile verschafft, obwohl er öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat und durch Steuermittel alimentiert wird. In Fällen der Steuerhinterziehung durch Beamte ist demzufolge der Ausspruch einer Dienstgradherabsetzung indiziert, wenn der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch ist - sich im fünf- oder sechsstelligen Betragsbereich bewegt - oder wenn mit dem Fehlverhalten zusätzliche schwerwiegende Straftatbestände oder andere nachteilige Umstände von erheblichem Eigengewicht verbunden sind (vgl. Urteil vom 8. September 2004 a.a.O.). Da die allgemeine Gesetzestreue nicht nur bei Beamten, sondern auch bei Soldaten eine wesentliche Grundlage ihres Dienstes bildet, ist aus den genannten Erwägungen auch bei Soldaten die Degradierung Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.
Das Dienstvergehen des Soldaten wird im Wesentlichen dadurch charakterisiert, dass es seit der Zahlung von Kindergeld als Steuervergütung den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. Eine Steuerhinterziehung liegt auch im pflichtwidrigen Unterlassen, zwei beteiligte Familienkassen über die für den Kindergeldberechtigten erkennbare Doppelfestsetzung und -zahlung von Kindergeld in Kenntnis zu setzen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Januar 2010 - 4 K 1507/09 - juris, Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 15. Februar 2011 - 5 K 341/09 - juris). Nach § 31 Satz 3 EStG in der seit dem Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 1996 (BGBl I 1995, 1250) am 21. Oktober 1995 - und damit für den ganz überwiegenden Teil des verfahrensgegenständlichen Zeitraums - geltenden Fassung wird Kindergeld im laufenden Kalenderjahr als Steuervergütung monatlich gezahlt. Geschädigter dieses Delikts ist jedenfalls auch der Bund als Dienstherr des Soldaten, denn nach Art. 106 Abs. 3 und 5 GG kommt die Einkommenssteuer als Gemeinschaftssteuer auch diesem zugute. Dass bei einer Gemeinschaftssteuer der Dienstherr des Soldaten nicht der einzige Geschädigte ist, lässt das Dienstvergehen nicht weniger gewichtig erscheinen. Das besonders Verwerfliche der Tat ist die Schädigung des Staates durch den Staatsdiener. Besonderheiten des föderalen Aufbaus entlasten den Soldaten nicht. Die Schadenshöhe liegt hier eindeutig im fünfstelligen Bereich.
bbb) Der Senat hält es jedoch nicht für geboten, bei einer durch ein Unterlassen wahrheitsgemäßer Angaben gegenüber dem Dienstherrn begangenen Steuerhinterziehung von der Höchstmaßnahme als Regelmaßnahme auszugehen.
Zwar hat sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteile vom 14. November 2001 - BVerwG 2 WD 30.01 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 44 und vom 31. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 4.10 - juris Rn. 45 m.w.N.) ein Vorgesetzter, der gegenüber seinen Vorgesetzten oder Dienststellen der Bundeswehr unwahre Erklärungen abgegeben hat, in seinem Status disqualifiziert und deshalb grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung verwirkt; hat er sich durch die unwahren Angaben eine ungerechtfertigte berufliche oder finanzielle Besserstellung erschleichen wollen, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme (so bereits die ständige Rechtsprechung des Bundesdisziplinarhofs, z.B. Urteil vom 6. Mai 1963 -WD 32/63 m.w.N.; vgl. auch Dau, WDO, 5. Aufl. 2009, § 38 Rn. 26).
Jedoch ist bei typisierender Betrachtung der das Dienstvergehen charakterisierenden Umstände die Fallgruppe einer Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen mit dem Erschleichen einer Leistung der Bundeswehr durch wahrheitswidrige Angaben nicht vergleichbar. Das Verschweigen rechtserheblicher wahrer Angaben hat - unabhängig davon, dass es schon nicht unter § 13 Abs. 1 SG fällt - nicht dasselbe Gewicht wie eine etwa durch die Vorlage ge- oder verfälschter Unterlagen ins Werk gesetzte Lüge, da dahinter ein Weniger an "krimineller Energie" steht. Denn die Hemmschwelle zur aktiven Lüge ist höher als die zum Unterbleiben einer Meldung und daher nur durch ein Mehr an "krimineller Energie" zu überwinden. Der finanzielle Vorteil besteht hier anders als in den oben angeführten Fällen auch nicht in einer Leistung der Bundeswehr aus den ihr zur unmittelbaren Erfüllung ihrer Aufgaben zugewiesenen Haushaltsmitteln wie z.B. im Fall von Trennungsgeld oder Dienstbezügen. Durch die Unwahrheit wurde hier - jedenfalls über den überwiegenden Zeitraum - eine Steuervergütung erwirkt, die nur verwaltungstechnisch über die Familienkasse der Bundeswehr als Zahlstelle abgewickelt wurde. Es handelt sich weder um einen Teil der Dienstbezüge noch um eine Aufwandsentschädigung. Zudem sind zur Rechtfertigung der Verhängung der Höchstmaßnahme unwahre Angaben gerade gegenüber den Vorgesetzten des Soldaten oder den Dienststellen der Bundeswehr verlangt, an denen es hier fehlt, waren die Angaben des Soldaten gegenüber der Familienkasse der Bundeswehr doch zutreffend und im Zeitpunkt ihrer Abgabe auch vollständig. Die Leistungen der Familienkasse der Bundeswehr sind demzufolge auch nicht zurückgefordert worden.
bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen.
aaa) Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Für die "Eigenart und Schwere des Dienstvergehens" kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums "Maß der Schuld" hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen.
bbb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist eine nach § 62 Abs. 1 Satz 3 WDO zulässige Dienstgradherabsetzung um eine Stufe geboten, aber auch ausreichend.
Zuungunsten des Soldaten sind der sehr lange Zeitraum des strafrechtlich relevanten Doppelbezuges und das vorsätzliche, von Eigennutz motivierte Handeln durchgängig in Vorgesetztenstellung einzubeziehen. Die hohe Schadenssumme wurde bereits auf der ersten Stufe der Zumessungserwägungen berücksichtigt und soll nicht doppelt zulasten des Soldaten in die Bemessungsentscheidung eingestellt werden.
Die zu Gunsten des Soldaten sprechenden Aspekte - insbesondere die guten Leistungen in der Vergangenheit, die Nachbewährung, Reue und Wiedergutmachungsbemühungen - sind zwar in Abwägung mit den erschwerenden Gesichtspunkten nicht so hoch bewerten, dass man von einem insgesamt leichten Fall ausgehen könnte, der eine weniger einschneidende Maßnahmeart als die Dienstgradherabsetzung ausreichend erscheinen lässt. Jedoch sind sie hinreichend gewichtig, um die rechtlich mögliche Degradierung zum Feldwebel noch nicht für erforderlich zu halten.
Generalpräventive Erwägungen machen eine nach außen sichtbare Maßnahme erforderlich. Dem besonderen Gewicht einer über mehr als zehn Jahre währenden, kontinuierlichen Bereicherung zulasten des Staates durch einen diesem besonders verpflichteten Angehörigen des öffentlichen Dienstes muss nach außen sichtbar durch eine Herabsetzung im Dienstgrad Rechnung getragen werden. Zum einen ist durch eine solche Maßnahme das Bewusstsein für das Gewicht der verletzten Pflicht wachzuhalten. Weil die gerechte Verteilung knapper staatlicher Mittel auf die Kooperation der Leistungsbezieher angewiesen ist und ein umfassender, anlassloser Abgleich mit Daten anderer Behörden an rechtliche und tatsächliche Grenzen stößt, muss durch eine Androhung gewichtiger Sanktionen die Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Pflicht zur Meldung veränderter Umstände gesichert werden. Zum anderen kann durch eine deutlich fühlbare Maßnahme auch dem dem Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit abträglichen Eindruck eines nachsichtigen Umganges mit über einen langen Zeitraum fortgesetzten Bereicherung auf Kosten der Gesamtheit der Steuerzahler entgegengewirkt werden. Unter spezialpräventiven Gesichtspunkten ist eine Degradierung zum Oberfeldwebel als Mahnung zur künftigen Einhaltung von Dienstpflichten an den Soldaten vor allem angesichts des Persönlichkeitsbildes des Soldaten jedoch ausreichend.
Weder § 16 Abs. 1 WDO noch § 17 Abs. 2 bis 4 WDO stehen einer Degradierung entgegen. Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme ist auch nicht mit Rücksicht auf die sachgleiche strafrechtliche Verurteilung des früheren Soldaten geboten. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris, m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 51).
g) Um den Besonderheiten der Situation des Soldaten Rechnung zu tragen, ist zusätzlich die Frist, nach deren Ablauf eine Wiederbeförderung möglich ist, nach § 62 Abs. 3 Satz 3 WDO von drei auf zwei Jahre herabzusetzen. Besondere Gründe hierfür liegen zum einen in der Dauer des Berufungsverfahrens, das jedenfalls faktisch der rechtlich seit dem Oktober 2010 bestehenden Beförderungsmöglichkeit entgegensteht und wegen der Ungewissheit über die zu verhängende Maßnahme den Betroffenen belastet. Zum anderen ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Tat als der Persönlichkeit des Soldaten insbesondere nach seinem Eindruck auf den Senat in der Berufungshauptverhandlung völlig fremd darstellt. Sowohl der ehemalige als auch der gegenwärtige Disziplinarvorgesetzte haben den besonderen Pflichteifer und die Zuverlässigkeit und persönliche Integrität des Soldaten herausgestellt, nach denen die Vorwürfe für sie völlig überraschend gekommen seien. Gerade die Übernahme von Schulden der Eltern, zu der sich der Soldat nach seinen glaubhaften Angaben moralisch verpflichtet sah, lässt Eigennutz zulasten Dritter in finanziellen Angelegenheiten als einen dem Soldaten fremden Charakterzug erscheinen. Die mit dieser Einschätzung verbundene Erwartung künftiger Pflichttreue rechtfertigt es, jedenfalls die rechtlichen Hürden für eine Wiedererlangung des bisherigen Dienstgrades herabzusetzen.
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