Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 25.10.2012


BVerwG 25.10.2012 - 2 WD 32/11

Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst; Maßnahmebemessung; Beförderungsverbot


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Wehrdienstsenat
Entscheidungsdatum:
25.10.2012
Aktenzeichen:
2 WD 32/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Truppendienstgericht Nord, 31. August 2011, Az: N 5 VL 21/11, Urteil
Zitierte Gesetze

Tatbestand

1

Der 25 Jahre alte Soldat wurde nach dem Abitur zum Grundwehrdienst einberufen und bewarb sich im Januar 2007 für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr in der Laufbahn der Offiziere. Im Frühjahr 2008 wurde ihm eine Ernennungsurkunde mit dem folgenden Wortlaut ausgehändigt:

"Im Namen der Bundesrepublik Deutschland ernenne ich den Hauptgefreiten ... - der auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leistet - in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit."

Seine Dienstzeit wurde im August 2011 auf 15 Jahre verlängert. Im Januar 2011 erfolgte die Beförderung zum Oberfähnrich. Eine unter dem 12. April 2011 ausgestellte Urkunde über die Ernennung zum Leutnant wurde wegen der disziplinaren Vorermittlungen nicht übergeben.

2

Der Soldat wurde auf verschiedenen Dienstposten bei der 7./...bataillon ... in Bu., der 2./...bataillon ... und der 2./...-Bataillon in M. eingesetzt. Zum Januar 2010 erfolgte die Versetzung zur ... Inspektion der ...schule der Bundeswehr in O. . Im Januar 2011 wurde der Soldat zur 5./...bataillon ... in T. versetzt.

3

Die planmäßige Beurteilung des Soldaten vom 13. März 2009 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit "4,29".

Der Soldat sei ein offener, aber ruhiger und in sich gereifter Offizieranwärter, der sich sowohl durch korrektes Verhalten und straffes militärisches Auftreten, als auch durch gründliche Ausbildungsvor- und -nachbereitung auszeichne. Er verfüge über ein ansprechendes militärisches Grundwissen, welches ihn ohne Probleme befähige, dem während des Lehrgangs vermittelten Stoff zu folgen. Seine Beiträge seien meist präzise und folgerichtig gewesen. Sein Interesse an der Ausbildung sei ihm deutlich anzumerken. Er habe notenmäßig im Mittelfeld abgeschlossen, aber durchweg solide und stabile Leistungen erbracht, die immer das Gefühl vermittelt hätten, man könne sich auf ihn verlassen. Körperlich sei er voll belastbar. Insgesamt sei er ein tüchtiger Offizieranwärter, der eine blitzsaubere Berufsauffassung vorweisen könne und dementsprechend auch seinen Weg als Offizier seiner Truppengattung machen werde. Die Eignung zum Offizier sei vorhanden.

Der nächsthöhere Vorgesetzte merkte an, der Soldat sei ein Offizieranwärter mit insgesamt ausreichenden Ergebnissen in der bisherigen lehrgangsgebundenen Ausbildung. Mit seinen durchaus vorhandenen Führungseigenschaften werde er sein Eignungs- und Leistungsbild in der Truppe stabilisieren können. Er werde sicher ein tüchtiger Offizier werden.

4

Die Sonderbeurteilung vom 20. Januar 2012 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit "6,30".

Oberfähnrich ... sei ein dynamisch auftretender Offizieranwärter, der stets freundlich und offen im Umgang sei. Im Auftreten sei er jederzeit militärisch korrekt. Freundlichkeit, Loyalität und Ehrlichkeit zeichneten ihn aus. Er leiste als Kompanieeinsatzführer solide Arbeit im Bereich der Ausbildungsplanung. Seine Leistungen seien regelmäßig auf hohem Niveau und zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Der seit Oktober 2011 verantwortlich übernommenen Aufgabe der Leitung des Lagezentrums des ...bataillons begegne er sehr selbstständig. Die erfolgreiche Einsatzvorbereitung sei auch seinem Handeln zu verdanken. In Situationen erhöhter Stressintensität agiere er zumeist souverän und überlegt. Marginal würden Unsicherheiten im Handeln auftreten, die dann nach außen transparent erschienen. Gelinge es ihm, künftig gelassener an entsprechende Situationen heranzugehen, werde er seine sonst umfassend wirkende Souveränität stringent ausspielen können. Er sei überaus freundlich und zuvorkommend, verfügte über adäquate Umgangsformen und besitze die Fähigkeit, auf verschiedenste Menschentypen zu- und eingehen zu können. Er wirke stets authentisch, sei ein angenehmer Gesprächspartner, der sich der Sympathie seiner Kameraden sicher sein könne. Geistig flexibel denke und handle er auf ansprechendem Niveau, müsse sich aber teilweise noch deutlicher seiner Wirkung, verbunden mit seinem Dienstgrad bewusst werden. Physisch sei er voll belastbar und erfülle die sportlichen Anforderungen problemlos. Er habe deutliches Entwicklungspotential. Weitere Leistungssteigerungen seien zu erwarten, wenn es ihm gelinge, seine Verbesserungspotenziale zu nutzen.

Im Persönlichkeitsprofil wurde die soziale Kompetenz als bestimmendes Merkmal und als stärker ausgeprägt beurteilt. Gleichfalls stärker ausgeprägt sei die funktionale Kompetenz. Die geistige Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung seien ausgeprägt, während die konzeptionelle Kompetenz weniger ausgeprägt sei.

Für Stabsverwendungen sei der Soldat besonders gut geeignet. Gut geeignet sei er für Lehrverwendungen und geeignet für Führungsverwendungen.

5

Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte der Beurteilung des Kompaniechefs uneingeschränkt zu. Er beschrieb den Soldaten als vielversprechenden Offizieranwärter, der sowohl in seiner Verwendung als Kompanieeinsatzoffizier als auch als Leiter Lagezentrum sein Potenzial angedeutet habe. Er sei überzeugt, dass er sich weiterhin positiv entwickeln werde. Er solle in seiner folgenden Verwendung Zugführer eines NVG/EVG Zuges werden, um so seine Fähigkeiten im Bereich der Menschenführung weiter auszubauen. Er prognostiziere dem Soldaten die allgemeine Laufbahnperspektive.

6

In der Berufungshauptverhandlung hat der Disziplinarvorgesetzte zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Tat, Oberstleutnant St., ausgeführt, er habe den Soldaten als Lehrgangsteilnehmer kennengelernt. Als junger Offizieranwärter habe der Soldat manchmal unüberlegt agiert, sei aber im dienstlichen Bereich immer bemüht gewesen zu tun, was von ihm verlangt worden sei. Der Soldat habe im fraglichen Zeitraum ihn belastende Probleme im persönlichen Bereich mit der Mutter seines Kindes gehabt. Zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Tat sei für den Soldaten kein Lehrgang angesetzt gewesen und er habe auch an keiner weiteren Ausbildung teilnehmen sollen. Das Fernbleiben habe keinerlei Auswirkungen auf den Dienstbetrieb gehabt. Der Soldat sei nur für sich selbst verantwortlich gewesen. Wäre er zum Dienst erschienen, hätte er ihn etwa mit der Vorbereitung einer politischen Bildung beschäftigen können. Das Dienstvergehen sei ihm und dem Inspektionsfeldwebel bekannt geworden. Im Kameradenkreis sei es nicht diskutiert worden.

7

Der ehemalige Disziplinarvorgesetzte Hauptmann der Reserve K. beschrieb den Soldaten als sehr offen, umgänglich, freundlich und liebenswert. In dienstlichen Belangen habe er jederzeit gute Arbeit geleistet. Nach seiner Einschätzung wahre er aber nicht den für angehende Offiziere gebotenen Abstand zu den Mannschaftsdienstgraden, mit denen er zum Teil außerdienstlich in der Freizeit Kontakte pflege. Darauf habe er den Soldaten auch in Personalgesprächen hingewiesen. Von dem Dienstvergehen hätten er und sein Vertreter gewusst. Er habe seine Kenntnis in der Kompanie aber nicht weitergetragen. Dass der Soldat Probleme mit einer ehemaligen Lebensgefährtin gehabt habe, sei ihm bekannt gewesen. Diese hätten den Soldaten sehr belastet, auf seine dienstlichen Leistungen habe dies aber keine Auswirkungen gehabt. Der Soldat habe die ihm übertragenen Aufgaben verlässlich erledigt, ihm habe lediglich noch Truppenpraxis gefehlt.

8

Der Vertreter des aktuellen Disziplinarvorgesetzten des Soldaten, Oberstleutnant S., beschrieb die Leistungen des Soldaten als sehr gut. Ihm sei die Leitung des Einsatzlagezentrums des Bataillons anvertraut. In dieser Funktion unterstünden ihm zwei Soldaten. Diese Aufgabe habe er sehr gut und selbstständig wahrgenommen. Er habe seine Leistungen im Vergleich zu den in der Berufungshauptverhandlung auszugsweise verlesenen Vorbeurteilungen wesentlich steigern können. Von Schwierigkeiten des Soldaten im familiären Bereich habe er nur im Gespräch erfahren. Auswirkungen auf den Dienstbetrieb hätten diese oder die Belastungen durch das Verfahren nicht gehabt.

9

Der Soldat ist Träger des Leistungsabzeichens in Gold und der Schützenschnur in Silber.

10

Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 8. August 2012 verweist auf eine am 26. November 2011 durch das Amtsgericht M. verhängte Geldstrafe in Höhe von 4 000 €. Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 8. August 2012 weist zwei Eintragungen aus: Seit dem 26. November 2011 ist eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 50 € durch das Amtsgericht M. vom 7. November 2011 wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in vier Fällen, Datum der letzten Tat: November 2010, rechtskräftig. Eingetragen ist weiter ein Suchvermerk des Landkreises Finanzservice/VO P. vom 2. Februar 2012 "wegen Aufenthaltsermittlung".

11

Der Soldat ist ledig und Vater einer 2009 geborenen Tochter.

12

Nach der Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Ost vom 8. August 2012 erhielt er im September 2012 Bezüge in Höhe von 2 457,39 € brutto. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge und von Pfändungen in Höhe von 306,95 € wurden ihm tatsächlich 1 753,80 € netto ausgezahlt. Er hat zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Berufungshauptverhandlung keine weiteren Angaben gemacht.

13

1. In dem nach Anhörung des Soldaten mit Verfügung des Amtschefs des Streitkräfteamtes vom 8. Februar 2011 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten nach Gewährung des Schlussgehörs mit Anschuldigungsschrift vom 17. Mai 2011 ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 7, 17 Abs. 2 Satz 1 2. Alt SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG zur Last gelegt. Der Anhörung der Vertrauensperson hatte der Soldat zuvor widersprochen.

14

Die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit Urteil vom 31. August 2011 den Soldaten wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Oberfeldwebels (OA) herabgesetzt.

15

Ihrer Entscheidung legt die Kammer auf der Grundlage der geständigen Einlassungen des Soldaten und der Angaben des Zeugen Sch. folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

"Der Soldat war als Offizieranwärter ohne Studium seit dem 01.10.2010 zur .... Inspektion der ...schule der Bundeswehr versetzt, wo er auf einem Schülerdienstposten geführt wurde. Von dort aus erfolgten zahlreiche Kommandierungen im Rahmen seiner Offizierausbildung, was zur Folge hatte, dass sich der Soldat nur selten in seiner 'Stammeinheit' ... Inspektion aufhielt, da er vorwiegend als Lehrgangsteilnehmer Dienst leistete. Im November 2010 erlitt der Soldat einen Leistenbruch, der im Bundeswehrkrankenhaus B. operiert wurde. Im Vorfeld hatte der Soldat am 19. November 2010 ein Gespräch mit dem Inspektionsfeldwebel der ... Inspektion, dem Zeugen Hauptfeldwebel Sch. . Dabei wurde besprochen, wie die Zeit zwischen Krankschreibung und Jahresende 2010 gestaltet werden sollte. Da zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, wie lange der Soldat nach der Operation krankgeschrieben würde, wurde vereinbart, dass sich der Soldat bei der ... Inspektion melden sollte, sobald das Ende der Krankschreibung bekannt war. Für den Fall, dass die Krankschreibung nicht bis zum Jahresende andauern würde, wurde mit dem Inspektionsfeldwebel vereinbart, dass der Soldat die ihm noch verbleibenden sechs Tage Erholungsurlaub nehmen würde. Der Soldat unterfertigte einen 'Blanko' - Urlaubsantrag, in dem die Tage der konkreten Urlaubsgewährung freigelassen wurden und hinterließ ihn beim Inspektionsfeldwebel. Dieser sagte ihm ausdrücklich die Gewährung von sechs Tagen Urlaub zu. Der Inspektionschef, der Zeuge St., billigte im Nachgang die Urlaubszusage. In dem am 19. November 2010 mit dem Inspektionsfeldwebel geführten Gespräch war der Soldat ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die ihm noch zustehenden sechs Tage Erholungsurlaub für das Jahr 2010 möglicherweise nicht ausreichen würden, um die Zeit bis zum Jahresende abzudecken. Nachdem der Soldat im Bundeswehrkrankenhaus operiert worden war, wurde er zunächst bis zum 10. Dezember 2010 krank geschrieben. Es folgte eine Wiedervorstellung beim Sanitätszentrum O. und eine anschließende Krankschreibung bis zum 14. Dezember 2010. Damit hätte der Soldat spätestens ab 15. Dezember 2010 Dienst in der ... Inspektion der ...schule der Bundeswehr in O. leisten oder sich versichern müssen, dass die folgenden Tage durch die Urlaubsgewährung abgedeckt waren. Dies tat er jedoch nicht und meldete sich auch sonst nicht beim Inspektionsfeldwebel oder dem Inspektionschef der ... Inspektion. Dabei war dem Soldaten klar, dass ihm nur noch sechs Tage Erholungsurlaub zustanden und diese nicht ausreichten, um die Zeit bis zum Jahresende zu überbrücken. Unter Berücksichtigung dessen, dass dem Soldaten durch Urlaubsgewährung das Fernbleiben für 6 Tage genehmigt war, unterließ er es in der Zeit vom 15. Dezember 2010 bis 30. Dezember 2010 an insgesamt 5 Tagen seinen Dienst in der ... Inspektion der ...schule der Bundeswehr in O. zu versehen. Der Soldat entschied sich in Kenntnis seiner Dienstleistungspflicht bewusst dafür, sich nicht in seiner Einheit zu melden oder mit seinen Vorgesetzten Kontakt aufzunehmen. Damit wollte er ein Pendeln zwischen M. und seiner Dienststelle vermeiden."

16

Der Angeschuldigte habe trotz des nicht dem § 41 Abs. 1 SG entsprechenden Wortlautes seiner Ernennungsurkunde mit Inkrafttreten des § 41 Abs. 5 SG in der Fassung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes den Soldatenstatus inne gehabt.

17

Der Soldat habe durch sein Fernbleiben vom Dienst vorsätzlich ein Dienstvergehen begangen, indem er seine Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 2. Alt SG) verletzt habe.

18

Das Dienstvergehen wiege schwer, da zentrale Pflichten eines Soldaten verletzt seien, die hohe Bedeutung für die Erfüllung der Aufgaben der Bundeswehr und die Einsatzbereitschaft der Truppe hätten. Dass der Soldat der Inspektion nicht zur Verfügung gestanden habe, habe wegen des dort ruhenden Dienstbetriebes aber keine nennenswerten Auswirkungen gehabt. Das Maß der Schuld sei durch den Vorsatz gekennzeichnet. Die Folgen der Trennung des Soldaten von seiner Freundin begründeten keine Milderungsgründe in den Umständen der Tat. Maßnahmemildernd könnten aber Defizite bei der Dienstaufsicht berücksichtigt werden. Hier sei die tägliche Kontrolle der Anwesenheit des Personals versäumt und nicht Rücksprache mit dem länger als abgesprochen abwesenden Soldaten genommen worden, sodass das Dienstvergehen unentdeckt blieb. Der Soldat sei disziplinar- und strafrechtlich nicht vorgeahndet. Er habe zumindest durchschnittliche Leistungen erbracht. Von einer Nachbewährung sei nicht zu sprechen. Er habe sich geständig eingelassen und Unrechtsbewusstsein gezeigt. Beweggrund seines Fehlverhaltens sei Bequemlichkeit gewesen.

19

2. Gegen das ihr am 12. September 2011 zugestellte Urteil hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft am 10. Oktober 2011 beschränkt auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme Berufung eingelegt.

20

Zwar verstoße die ausgesprochene Degradierung nicht gegen ein direktes gesetzliches Verbot. Sie durchbreche aber die Grundregel, in der Laufbahn zu degradieren. Nach § 24 SLV müsse der Soldat als Offizieranwärter des Truppendienstes den Dienstgrad, in den er degradiert worden sei, nicht durchlaufen. Dieser Dienstgrad werde nach § 29 oder § 40 SLV nur Soldaten aus der Feldwebellaufbahn zuerkannt, die zur Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes oder des militärfachlichen Dienstes zugelassen worden seien. Der durch die ausgesprochene Degradierung erweckte irrige Eindruck über den dienstlichen Werdegang des Soldaten konterkariere das Erziehungsziel des Disziplinarverfahrens. Eine Degradierung zum Fähnrich sei nach den finanziellen Auswirkungen nicht unangemessen.

Entscheidungsgründe

21

Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und zugunsten des Soldaten auch begründet.

22

Das von der Wehrdisziplinaranwaltschaft eingelegte Rechtsmittel ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt eingelegt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Dass die Wehrdisziplinaranwaltschaft zu Ungunsten des Soldaten Berufung mit dem Ziel der Verschärfung der Maßnahme eingelegt hat, steht einer Milderung der Maßnahme zu seinen Gunsten nicht entgegen, da nach § 91 Abs. 1 WDO in Verbindung mit § 301 StPO das Rechtsmittel auch als zu seinen Gunsten eingelegt gilt (Urteile vom 25. Juli 1990 - BVerwG 2 WD 16.89 - BVerwGE 86, 309 <310> und vom 13. September 2011 - BVerwG 2 WD 15.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 33 Rn. 21).

23

1. Das Truppendienstgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass der Soldat nach dem Ende seiner Krankschreibung am 14. Dezember 2010 bis zum 30. Dezember 2010 nicht in der ... Inspektion der ...schule der Bundeswehr Dienst tat, obwohl er - was er wusste - für diesen Zeitraum nur noch sechs Tage Urlaub genehmigt bekommen hatte, sodass er an fünf Tagen hätte Dienst leisten müssen. In rechtlicher Hinsicht hat es diesen Sachverhalt als vorsätzliche Verletzung der Dienstpflichten aus §§ 7, 17 Abs. 2 Satz 1 2. Alt SG gewertet.

24

Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt.

25

2. Von der Beschränkung der Berufung unberührt bleibt die Prüfung der Prozessvoraussetzungen und möglicher Verfahrenshindernisse (Dau, WDO, 5. Auflage, § 116 Rn. 20). Das Truppendienstgericht geht zutreffend davon aus, dass dem Verfahren nicht das Hindernis einer unwirksamen Begründung des Soldatenverhältnisses entgegensteht.

26

Zwar entspricht der Text der Ernennungsurkunde nicht dem durch § 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. Satz 3 SG vorgegebenen Wortlaut. Allerdings greift hier die Heilungsvorschrift des § 41 Abs. 5 SG ein, die durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 in das Soldatengesetz eingefügt wurde. Dieses trat mit Wirkung vom 12. Februar 2009 in Kraft. Hiernach soll die Ernennung "als von Anfang an in der beabsichtigten Form wirksam" gelten, wenn sich aus der Urkunde oder dem Akteninhalt eindeutig ergibt, dass die zuständige Stelle in Übereinstimmung mit den hierfür bestehenden Voraussetzungen das Verhältnis eines Soldaten auf Zeit begründen wollte. An einem entsprechenden Willen der zuständigen Stelle und dem Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen bestehen keine Zweifel. Da vorliegend die vorgeworfene Dienstpflichtverletzung nach dem Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes liegt, stellt sich auch nicht die Frage, ob der Soldat verfassungsrechtlich zulässig rückwirkend einem Pflichtenregime unterstellt werden darf, das er in einem abgeschlossenen Zeitraum der Vergangenheit nicht beachtet hat und dessen Beachtung er unmöglich nachholen kann.

27

3. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

28

a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen schwer.

29

Das Schwergewicht der Verfehlung liegt in der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung. Ein Soldat, der der Truppe unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Gerade bei einem aufgrund freiwilliger Verpflichtung berufenen Soldaten gehören Anwesenheit und Dienstleistung zu den zentralen Dienstpflichten. Die Bundeswehr kann die ihr obliegenden Aufgaben nur dann hinreichend erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderlichen Maße jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrages der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft. Dazu gehören insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung (vgl. z.B. Urteile vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 WD 2.05 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 50 - und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 5).

30

Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt schwer. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 29 § 58 WDO 2002 Nr. 5>). Dies war hier der Fall.

31

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberfähnrich in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - m.w.N. § 38 WDO 2002 Nr. 29>, vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 30 § 58 WDO 2002 Nr. 5>).

32

b) Das Dienstvergehen hatte keinerlei nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb, wie der Disziplinarvorgesetzte des Soldaten zum Zeitpunkt der Verfehlung in der Berufungshauptverhandlung erläuterte. Dem Soldaten waren in seiner Stammeinheit keine Aufgaben übertragen, die in seiner Abwesenheit ein Kamerad als sein Vertreter erledigen musste. Er hat keinen Lehrgang versäumt oder einen ansonsten für ihn vorgesehenen Teil seiner Ausbildung. Vielmehr hätte sein damaliger Disziplinarvorgesetzter für ihn, wäre er zum Dienst erschienen, erst nach einer sinnvollen Beschäftigung suchen müssen. Das Dienstvergehen ist auch nicht einem größeren Kreis an Kameraden bekannt geworden, sondern nur den Personen, die mit Personalangelegenheiten befasst oder mit den disziplinarischen Ermittlungen betraut waren.

33

c) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn. Er hat aus Bequemlichkeit gehandelt, um sich die Fahrten von M. nach Br. zu ersparen und gemeinsame Tage mit seiner Freundin verbringen zu können.

34

d) Das Maß der Schuld wird durch das vorsätzliche Handeln des voll schuldfähigen Soldaten bestimmt.

35

Milderungsgründe in den Umständen der Tat (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N.) liegen nicht vor.

36

Insbesondere ist das Dienstvergehen nicht durch ein Mitverschulden des Dienstherrn in der Form einer mangelhaften Dienstaufsicht verursacht worden. Dieser Milderungsgrund steht einem Soldaten nur dann zur Seite, wenn er der Dienstaufsicht bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich macht (vgl. z.B. Urteile vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2 und vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 37). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da der Soldat wusste, keine ausreichende Zahl von Urlaubstagen mehr zu haben, um den Zeitraum zwischen seiner Krankschreibung und dem Jahresende vollständig abzudecken. Dass eine unterbliebene Kontrolle das Dienstvergehen begünstigt oder erst ermöglicht hat, dass es in diesem Ausmaß begangen worden ist, mindert für sich genommen die Eigenverantwortung des Soldaten noch nicht (vgl. Urteile vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - Rn. 31 und vom 15. März 2012 - BVerwG 2 WD 9.11 - juris Rn. 23).

37

Der Soldat hat auch nicht in einer seelischen Ausnahmesituation (vgl. dazu z.B. Urteil vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 23.01, 32.02 - BVerwGE 117, 117 <124> = Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 9 m.w.N.) gehandelt. Die in der Berufungshauptverhandlung angehörten (ehemaligen) Disziplinarvorgesetzten berichteten zwar von privaten Problemen mit der ehemaligen Lebensgefährtin des Soldaten. Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung auf Nachfrage aber selbst ausgeführt, in der fraglichen Zeit habe er keine Streitigkeiten mit der Mutter seiner Tochter ausgetragen. Er habe mit seiner neuen Freundin "ein bisschen abschalten" wollen.

38

e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" ist dem Soldaten zugute zu halten, dass er schon im Schlussgehör wie auch in der truppendienstgerichtlichen Hauptverhandlung und der Berufungshauptverhandlung seine Unrechtseinsicht deutlich gemacht hat und sich geständig eingelassen hat. Für ihn spricht auch, dass er seine Leistungen in seiner aktuellen Verwendung wesentlich steigern konnte und sich trotz der Belastungen des Verfahrens in einer verantwortungsvollen Position, die selbstständiges Handeln verlangt und mit der Verantwortung für unterstellte Soldaten verbunden ist, bewährt hat. Wegen der Erläuterungen des Zeugen Oberstleutnant S. geht der Senat von einer Nachbewährung des Soldaten im Laufe des Berufungsverfahrens aus.

39

f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die Verhängung eines längeren Beförderungsverbotes erforderlich und auch noch angemessen.

40

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

41

aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägung".

42

Vorliegend ist auf dieser ersten Stufe für Fälle des (vorsätzlichen) eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe aus spezial- und generalpräventiven Gründen bei kürzerer unerlaubter Abwesenheit nach der Rechtsprechung des Senats Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschaftsdienstgrad; bei länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht ist das Dienstvergehen so schwerwiegend, dass es regelmäßig die Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder den Ausspruch der sonst gebotenen Höchstmaßnahme indiziert (vgl. Urteil vom 4. September 2009 - BVerwG 2 WD 17.08 - juris m.w.N. § 13 WDO 2002 Nr. 1>).

43

Hier liegt mit fünf Tagen noch eine kürzere eigenmächtige Abwesenheit auf der Grundlage eines einzigen Tatentschlusses und ohne eine Fahnenflucht nach § 16 WStG begründende Absicht vor, sodass Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Dienstgradherabsetzung ist.

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bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Für die "Eigenart und Schwere des Dienstvergehens" kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums "Maß der Schuld" hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen.

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Der vorliegende Fall ist von Besonderheiten gekennzeichnet, die es erlauben, von einem leichten Fall einer Dienstpflichtverletzung zu sprechen und zu der gegenüber der Dienstgradherabsetzung geringeren Maßnahme des Beförderungsverbotes nach § 58 Abs. 1 Nr. 2, § 60 WDO überzugehen.

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Zunächst ist zugunsten des Soldaten davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 15 WStG nicht vorliegen, sodass kriminelles Unrecht nicht verwirklicht ist und die Dauer des Dienstvergehens nicht schon deshalb schwer wiegt, weil sie eine Wehrstraftat begründen würde. Denn das Truppendienstgericht hat entsprechend der Anschuldigungsschrift ein Fernbleiben vom Dienst an fünf konkret nicht bestimmbaren Werktagen festgestellt. § 15 Abs. 1 WStG ist nur dann erfüllt, wenn eine Abwesenheit an drei ununterbrochen hintereinander folgenden Tagen in Rede steht (vgl. Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz, § 15 Rn. 13). Dies kann nicht festgestellt werden, wenn - wie hier - unklar bleibt, an welchen konkreten Tagen der Soldat eigenmächtig seinem Dienst fern blieb.

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Hinzu kommt, dass die Dienstpflichtverletzung im konkreten Zeitraum und in der besonderen Verwendung des Soldaten überhaupt keine Folgen für den Dienstbetrieb oder den Fortgang seiner Ausbildung gehabt hatte. Es sind keine Aufgaben unerledigt geblieben, die dem Soldaten übertragen worden waren. Für ihn war zum fraglichen Zeitraum keine Ausbildung angesetzt. Er musste nicht durch einen Kameraden vertreten werden. Wäre er erschienen, hätte sein Vorgesetzter erst nach einer sinnvollen Beschäftigung für ihn suchen müssen. Diese Besonderheiten unterscheiden den Fall erheblich vom durchschnittlichen Fall einer unerlaubten Abwesenheit, in der die Abwesenheit eines Soldaten regelmäßig zumindest zu einer Mehrbelastung von Kameraden führt.

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Zugunsten des Soldaten ist weiter die wesentliche Leistungssteigerung noch während des laufenden Disziplinarverfahrens zu berücksichtigen. Diese Nachbewährung verleiht der im Verfahren kontinuierlich geäußerten Unrechtseinsicht Überzeugungskraft, weil hiermit auch die Bereitschaft dokumentiert wird, künftig Dienstpflichten - wie von § 10 Abs. 1 SG gefordert - beispielhaft zu erfüllen. Damit ist eine Grundlage für eine positive Prognose zur weiteren Leistungsentwicklung gelegt und das Maß der für eine wirksame Einwirkung auf den Soldaten erforderlichen Pflichtenmahnung herabgesetzt.

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Zugunsten des Soldaten zu berücksichtigen ist auch, dass das laufende gerichtliche Disziplinarverfahren wegen seiner konkreten Folgen für den Soldaten bereits nachdrücklich pflichtenmahnende Wirkung hatte. Dem Soldaten ist wegen der laufenden Vorermittlungen die bereits in seiner Personalakte befindliche Urkunde über die Ernennung zum Leutnant nicht ausgehändigt worden. Außerdem unterlag er während des Verfahrens bereits einem faktischen Beförderungsverbot. Er hat damit durch das Verfahren als solches erhebliche Nachteile in seinem beruflichen Fortkommen erlitten, die geeignet sind, ihm die Pflichtwidrigkeit seines Handelns vor Augen zu führen, kommen sie in ihrer Wirkung doch einer Dienstgradherabsetzung bereits sehr nahe.

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Der Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwaltes hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Soldat im Rahmen der Absprache mit dem Inspektionsfeldwebel bzw. seinem Disziplinarvorgesetzten über die Gestaltung seiner Dienstzeiten zwischen dem Ende seiner Krankschreibung und dem Jahresende Vertrauen in Anspruch genommen und durch die Dienstpflichtverletzung enttäuscht hat. Der Senat bewertet diesen Umstand aber nicht als zusätzlich erschwerenden Gesichtspunkt. Denn das Dienstvergehen einer unerlaubten Abwesenheit ist typischerweise mit dem Missbrauch von Vertrauen des Disziplinarvorgesetzten darauf verbunden, dass ein Soldat seiner Anwesenheitspflicht eigenverantwortlich nachkommt, ohne dass dies täglicher Anwesenheitskontrollen und engmaschiger Überwachung der Berechtigung von Abwesenheitszeiten bedürfte. Das Dienstvergehen des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst erhält sein Gewicht gerade durch den Missbrauch dieses Vertrauens in den eigenständigen und verantwortlichen Umgang der einzelnen Soldaten mit ihrer Anwesenheitspflicht, auf die die Streitkräfte schon wegen der Notwendigkeit einer praktikablen Handhabung der Dienstaufsicht in diesem Bereich angewiesen sind. Gerade weil der Missbrauch von Vertrauen in einem nur mit hohem Verwaltungsaufwand engmaschig zu überwachenden Bereich leicht möglich ist, bedarf es aus generalpräventiven Gründen vor dem Hintergrund der Zwecke des Disziplinarverfahrens der vergleichsweise harten Sanktion der Dienstgradherabsetzung schon bei kurzzeitigen unerlaubten Abwesenheiten. Ein das Dienstvergehen typischerweise kennzeichnender und deshalb bei der Bestimmung des Ausgangspunktes der Zumessungserwägungen bereits berücksichtigter Umstand kann aber nicht zugleich ein das Gewicht der Verfehlung zusätzlich erschwerender Aspekt sein.

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Vor diesem Hintergrund hält der Senat ein längeres Beförderungsverbot am oberen Rand des Rahmens des § 60 Abs. 2 Satz 1 WDO für noch ausreichend, um dem Soldaten die hohe Bedeutung seiner Pflichtverletzung über einen längeren Zeitraum spürbar werden zu lassen und auf ihn erzieherisch einzuwirken. Der Umstand, dass der Soldat damit im Ergebnis für seine Kameraden erkennbar eine ungewöhnlich lange Zeit im Dienstgrad eines Oberfähnrichs verbringen wird, verleiht der Maßnahme auch eine Sichtbarkeit nach außen. Damit ist auch generalpräventiven Aspekten angemessen Rechnung getragen und dem Eindruck vorgebeugt, das Fernbleiben vom Dienst sei eine Pflichtverletzung von geringerer Bedeutung. Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, bemisst der Senat die Dauer des Beförderungsverbotes zudem länger als für den Fall einer Dienstgradherabsetzung durch § 62 Abs. 3 Satz 1 WDO vorgesehen.

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§ 17 Abs. 4 WDO steht der Verhängung eines Beförderungsverbotes schon wegen der Einleitung des Verfahrens im Februar 2011 (§ 17 Abs. 5 WDO) nicht entgegen.