Entscheidungsdatum: 24.01.2018
...
In seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom ... wurde der frühere Soldat hinsichtlich der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten mit durchschnittlich "4,60" beurteilt. Er sei ein stark praktisch veranlagter Portepeeunteroffizier, der methodisch-didaktisch geschickt ausbilde. Er verfüge über einen großen Erfahrungsschatz und sei deshalb im ... ein anerkannter, seine Vorgesetzten umfassend und kenntnisreich beratender Fachmann. Er stelle eine feste Stütze bei der Sicherstellung der Fernmeldeverbindungen ... dar, bilde sich in seinem Fachgebiet ständig weiter und vermittle sein Wissen fundiert. Der frühere Soldat handele mit gefestigter Berufsauffassung, erledige die ihm übertragenen Aufgaben ordentlich und zuverlässig und führe von vorne. Den physischen und psychischen Anforderungen werde er in vollem Umfang gerecht und auch in Belastungssituationen bleibe er führungs- und handlungsfähig. Der frühere Soldat verfüge noch über ausreichend Potential für Leistungssteigerungen und bewege sich im unteren Leistungsdrittel. Es bestehe eine Entwicklungsprognose bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive.
Die dem früheren Soldaten erteilte Laufbahnbeurteilung vom ... bescheinigt ihm eine "erfreuliche Leistungssteigerung". Er sei ein ausnehmend leistungswilliger Portepeeunteroffizier mit voll den Anforderungen entsprechender physischer Belastbarkeit. Er habe seine Fertigkeiten bemerkenswert vervollkommnet, verfüge aber über noch ungenutztes Potential. Für die Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten sei er außergewöhnlich geeignet. Das ihm unter dem ... erstellte Dienstzeugnis bestätigt ihm, alle Aufgaben stets zur vollsten Zufriedenheit erfüllt zu haben.
Erstinstanzlich hat Major A. als letzter nächster Disziplinarvorgesetzter ausgesagt, bei dem früheren Soldaten handele es sich um einen bedächtigen, teils in sich gekehrten Portepeeunteroffizier, der seine Aufgaben sehr besonnen, stets ordentlich und ohne Beanstandungen erfüllt habe. Er habe den Zug über einen längeren Zeitraum und vertretungsweise auch eigenverantwortlich ordentlich geführt. Der Umgang mit Menschen habe ihm gelegen. Nach dem Dienstvergehen seien dessen Leistungen unverändert geblieben. Es hätte weder Anlass zu Beanstandungen noch Verhaltensauffälligkeiten gegeben. Der frühere Soldat habe ihm von massiven Beziehungsproblemen mit seiner Lebensgefährtin berichtet, die ihm haltlos sexuelle Übergriffe auf die Tochter vorgeworfen habe. Von Todesfällen im persönlichen Umfeld habe er ihm wahrscheinlich auch erzählt. Dass der frühere Soldat depressiv gewesen sei, sei weder ihm noch dessen Teileinheitsführer aufgefallen; der frühere Soldat habe seinen Dienst normal verrichtet. Er könne nicht sagen, ob das Fehlverhalten in der Einheit bekannt geworden sei; darauf angesprochen worden sei er nicht. In der Einheit hätten Lücken geschlossen werden können, wenn der frühere Soldat nach Abbruch der BFD-Maßnahme gleich wieder zurückgekehrt wäre.
Die aktuelle Auskunft aus dem Zentralregister weist den sachgleichen Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom ... aus. Mit ihm wurde der frühere Soldat wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
... Bis zum 31. Oktober 2018 besteht ein Restanspruch auf Berufsförderung. Der frühere Soldat ist zur Zeit arbeitslos.
1. Aufgrund des am 14. Februar 2014 rechtswirksam eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens und aufgrund der am 15. Dezember 2014 eingegangenen Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft hat das Truppendienstgericht Süd den früheren Soldaten mit Urteil vom 26. April 2017 wegen unerlaubten Fernbleibens vom Berufsförderungsdienst in den Dienstgrad eines Unteroffiziers der Reserve herabgesetzt.
Er sei vom 5. August 2010 bis zum 22. Juli 2012 für die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme vom militärischen Dienst freigestellt worden. Zugleich sei er belehrt worden, dass er Unterbrechungen und den vorzeitigen Abbruch der Maßnahme dem Berufsförderungsdienst anzeigen müsse und sich dann unverzüglich zur Aufnahme des militärischen Dienstes zu melden habe. Der Bildungsmaßnahme sei er ab dem 13. Februar 2012 wissentlich und willentlich unentschuldigt ferngeblieben und er habe sich trotz Aufforderungen des BFD zur Vorlage von Teilnahmenachweisen und einer Mitteilung der Fachschule erst nach dem Widerruf des Freistellungsbescheides und Aufforderung des Kompaniefeldwebels am 8. Mai 2012 zum militärischen Dienst gemeldet. Der rechtswirksam ernannte frühere Soldat habe durch sein vorsätzliches unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst gegen die Pflicht zum treuen Dienen verstoßen und dies auch in Gestalt eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Loyalität der Rechtsordnung gegenüber. Mit seinem Verhalten habe er den Wehrstraftatbestand der eigenmächtigen Abwesenheit verwirklicht und zusätzlich gegen die Pflicht zur innerdienstlichen Achtungs- und Vertrauenswahrung verstoßen.
Das Dienstvergehen wiege angesichts der in einem Vorgesetztenstatus begangenen und auch strafrechtlich bedeutsamen Verletzung zentraler Dienstpflichten schwer. Das aus Eigennutz begangene Dienstvergehen habe für den Bund finanziell nachteilige Auswirkungen gehabt, auch wenn es im Kameradenkreis nicht bekannt geworden sei. Das Maß der Schuld werde durch das vorsätzliche Handeln des schuldfähigen früheren Soldaten bestimmt. Auch wenn die ihn seinerzeit belastenden Lebensumstände weder zu einer erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit geführt noch eine seelische Ausnahmesituation begründet hätten, ließen sie jedenfalls eine mildernd einzustellende psychische Belastungssituation erkennen. Für den früheren Soldaten würden seine dienstlichen Leistungen nur leicht sprechen, zumal keine Nachbewährung vorliege. Für ihn sprächen Geständnis und Unrechtseinsicht.
Trotz der regelmäßig zur Höchstmaßnahme führenden langen Abwesenheitsdauer sei eine Dienstgradherabsetzung auszusprechen, weil das Dienstvergehen während einer Berufsförderungsmaßnahme begangen worden sei. Beim Umfang der Degradierung wirke sich vor allem die unangemessen lange Verfahrensdauer dahingehend aus, dass sie nicht mehr bis in einen Mannschaftsdienstgrad ausgesprochen werde.
2. Mit ihrer am 6. Juni 2017 fristgerecht eingegangenen maßnahmebeschränkten Berufung beantragt die Wehrdisziplinaranwaltschaft, den früheren Soldaten in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten herabzusetzen. Auch wenn er das Dienstvergehen während einer Berufsförderungsmaßnahme begangen habe, verlange der lange Abwesenheitszeitraum, dass ihm kein Vorgesetztendienstgrad mehr belassen werden dürfe.
Die zulässige Berufung ist begründet.
1. Die Zuständigkeit der Wehrdienstgerichtsbarkeit ist gegeben (§ 68 WDO), insbesondere ist die Wehrdisziplinarordnung auf den früheren Soldaten anwendbar, weil er wegen des ihm noch bis Ende Oktober 2018 zustehenden Anspruchs auf Berufsförderung (§ 3 Abs. 2 SVG) gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 WDO als Soldat im Ruhestand gilt. Die zulässigen Disziplinarmaßnahmen bestimmen sich daher nach § 58 Abs. 2 WDO und nicht nach § 58 Abs. 3 WDO.
2. Das allein von der Wehrdisziplinaranwaltschaft eingelegte Rechtsmittel ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 WD 6.11 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 35). Von der Beschränkung unberührt bleibt jedoch die Prüfung der Prozessvoraussetzungen und möglicher Verfahrenshindernisse. Dazu gehört insbesondere das Bestehen eines (früheren) Soldatenverhältnisses (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 WD 32.11 - juris Rn. 25), an dessen Begründung vorliegend keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Zwar sind die im Empfangsbekenntnis (...) aufgeführten Daten über die Mitteilung der Beförderung zum Obergefreiten, die Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit sowie die Verfügung über die Einweisung in eine Planstelle unzutreffend; der frühere Soldat hat jedoch unter dem 30. April 2001 durch Unterschrift bestätigt, jene Dokumente erhalten zu haben. Dass die Ernennungsurkunde als Zeitpunkt der Beförderung erst den 1. Mai 2001 ausweist, steht der damit nachgewiesenen Aushändigung auch dieses zulässigerweise auf zukünftige Wirkungen ausgerichteten Dokuments nicht entgegen.
3. Die Tat- und Schuldfeststellungen des Truppendienstgerichts sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit bindend. Bei der auf dieser Grundlage vorzunehmenden Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Sie besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. BVerwG, Urteil vom 28. August 2014 - 2 WD 20.13 - juris Rn. 49). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.
a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen schwer, obgleich der Dienstherr den früheren Soldaten während des für die Teilnahme an der Berufsförderungsmaßnahme vorgesehenen Zeitraums nicht für den Truppeneinsatz eingeplant hatte (BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 WD 6.11 - juris Rn. 18).
Das Schwergewicht der Verfehlung liegt in der vorsätzlichen Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Ein Soldat, der unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten, wodurch der Verstoß erhebliches Gewicht erlangt. Der frühere Soldat hat darüber hinaus auch gegen seine ebenfalls von § 7 SG umschlossene Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung verstoßen und damit das Dienstvergehen zusätzlich erschwert. Auch die vorsätzliche Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG wiegt schwer (vgl. zu allem: BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 WD 6.11 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 35 Rn. 20 und vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - Rn. 30, 33).
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat zum Tatzeitpunkt aufgrund seines Dienstgrades als Oberfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 WD 6.11 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 35 Rn. 20 und vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - juris Rn. 34).
Erschwerend tritt die lange Dauer der Abwesenheit hinzu, die bei durchgängiger Betrachtung des Abwesenheitszeitraums von 84 Tagen und selbst bei Ausklammerung von Wochenenden und Feiertagen noch bei 58 Werktagen liegt. Erschwerend wirkt zudem der Umstand, dass der frühere Soldat trotz schriftlicher Erinnerungen an seine Pflichten durch Anschreiben des Kreiswehrersatzamtes und der Fachschule B. sein Verhalten nicht überdacht und der damit verbundenen Pflichtenmahnung folgend sein pflichtwidriges Verhalten nicht geändert hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit seine Einlassung glaubhaft ist, er könne sich nicht mehr des Zugangs der Anschreiben des Kreiswehrersatzamtes C. erinnern, zumal wegen seiner seinerzeitigen Lebenssituation nicht gewährleistet gewesen sei, dass Postsendungen ihn auch erreicht hätten; bestätigt hat er jedenfalls in der Berufungshauptverhandlung, die Mitteilung der Fachschule B. erhalten zu haben, wodurch für ihn Anlass bestanden hat, sein Verhalten zu überdenken.
b) Das Dienstvergehen hatte nachteilige Auswirkungen für den Dienstherrn, weil dieser Bezüge für einen Zeitraum zahlte, in dem der frühere Soldat weder Truppendienst geleistet noch die Ausbildung absolviert hat. Auch wenn der Vorfall im - weiteren - Kameradenkreis nicht bekannt wurde, ist nach den Aussagen des Zeugen A. davon auszugehen, dass die durch die Abwesenheit des früheren Soldaten entstandenen Lücken in der Einheit nicht mehr durch andere Soldaten hätten geschlossen werden müssen, wenn dieser nach dem Abbruch der BFD-Maßnahme wieder in die Einheit zurückgekehrt wäre.
c) Die Beweggründe des früheren Soldaten waren eigennützig, weil er private Interessen über dienstliche Pflichten gesetzt hat.
d) Das Maß der Schuld wird vor allem durch das vorsätzliche Handeln des früheren Soldaten bestimmt.
aa) Dass seine Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat gem. § 20 StGB nicht ausgeschlossen gewesen ist, folgt bereits aus der erstinstanzlich bindenden Feststellung eines schuldhaft begangenen Dienstvergehens (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. März 2015 - 2 WD 3.14 - juris Rn. 58).
bb) Für das Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB bestehen keine vernünftigen Anhaltspunkte, die nach § 106 Abs. 1 WDO zu einer gutachterlichen Klärung veranlassen mussten.
Der frühere Soldat hat zwar die außergewöhnlichen Belastungen beschrieben, denen er während des Tatzeitraums durch die Trennungsumstände und vor allem durch den unberechtigten Vorwurf des sexuellen Missbrauchs der Tochter und anschließender Umgangsvereitelungen ausgesetzt gewesen ist; ebenso hat er vor dem Amtsgericht ausgeführt, er sei seinerzeit wahrscheinlich in eine Depression gefallen, wozu auch der Tod seiner Großmutter und eines nahen Freundes beigetragen hätten. Diese Umstände vermitteln jedoch noch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Eingangsmerkmals im Sinne des § 21 StGB etwa in Form einer schweren Depression. Der frühere Soldat hat während der Zeit der Abwesenheit nach eigenem Bekunden noch Gerichtstermine wahrgenommen, keine psychologische oder psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen und vor allem auch keine ärztlichen Bescheinigungen vorlegen können, die auf eine derart gravierende Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit hinweisen.
cc) Der Senat hält dem früheren Soldaten statt dessen zugute, dass er unter dem Eindruck einer durch die Kombination verschiedener Faktoren außergewöhnlich stark belasteten Lebenssituation versagt hat, so dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten kaum noch erwartet werden konnte. Die für seine Unterlassungstat kausale und derart zugespitzte Lebenslage ist mit dem Gewicht einer seelischen Ausnahmesituation (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 2011 - 2 WD 15.10 - juris Rn. 53) in die Bemessung einzustellen.
Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung auf Nachfragen ausgeführt, dass sich in der Folge der Trennung von seiner Lebensgefährtin zahlreiche Konflikte mit der ehemaligen Lebensgefährtin und weiteren Familienangehörigen entwickelten. In diesem Kontext kam es zu gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten um Unterhalt und den Umgang mit seiner Tochter. Er habe sich gegen unberechtigte Zugriffe auf sein Konto durch gefälschte Unterschriften auf Überweisungsträgern wehren müssen. Es sei zu Pfändungen, Vollstreckungsbeschlüssen und Gerichtsvollzieherbesuchen gekommen. Schließlich sei auch ein Haftbefehl gegen ihn ergangen, der dann aber nicht vollstreckt wurde. Er habe sich auch im Rahmen polizeilicher Vernehmungen gegen Vorwürfe, seine Tochter missbraucht zu haben, wehren müssen. Zudem habe er vor dem Dienstvergehen einen Familienangehörigen und durch eine Selbsttötung einen Freund verloren.
Diese Einlassungen des früheren Soldaten sind glaubhaft. Er hat bereits vor dem Amtsgericht und in seiner polizeilichen Vernehmung vergleichbar ausgesagt. Er hat diese Belastungsfaktoren auch unmittelbar nach seiner Rückkehr in den militärischen Dienst gegenüber seinem Vorgesetzten als Grund für sein Vergehen angegeben, wie der Zeuge Major A. in seiner Vernehmung vor dem Truppendienstgericht ausgeführt hat. Daher ist der Senat auch überzeugt, dass der Soldat zur Zeit des Dienstvergehens noch unter dem Eindruck der gesamten, vorwiegend trennungsbedingten, aber extreme Ausmaße annehmenden Konfliktsituation stand, auch wenn einzelne von ihm geschilderte Ereignisse bereits zuvor eingetreten waren. Es ist auch nachvollziehbar, dass durch diese Ausnahmesituation zeitweise depressive Verstimmungen ausgelöst wurden, die die Belastungswirkung im fraglichen Zeitraum verstärkten, auch wenn sie nicht die Schwere einer depressiven Erkrankung erreichten und bei Wiederantritt des militärischen Dienstes überwunden gewesen sein mögen.
e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen sowohl die Beurteilung zum ..., in der dem früheren Soldaten als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung lediglich die Note "4,60" zuerkannt wurde, als auch die erstinstanzliche Aussage des früheren Disziplinarvorgesetzten nicht für überdurchschnittliche Leistungen. Dass die Leistungen des früheren Soldaten nach Aussage des Disziplinarvorgesetzten nach Bekanntwerden des Dienstvergehens unverändert geblieben sind, steht einer Nachbewährung entgegen. Auch die Laufbahnbeurteilung trägt eine solche Annahme nicht, weil sie noch vor dem Dienstvergehen erstellt wurde.
4. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris Rn. 35).
a) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.
Für Fälle des vorsätzlichen eigenmächtigen Fernbleibens eines aktiven Soldaten von der Truppe ist bei kürzerer unerlaubter Abwesenheit Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich eine ggfs. bis in den Mannschaftsdienstgrad hinabreichende Dienstgradherabsetzung; bei länger dauernder, wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht ist das Dienstvergehen so schwerwiegend, dass es regelmäßig den Ausspruch der Höchstmaßnahme indiziert (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2009 - 2 WD 17.08 - juris Rn. 110). Ein längeres oder wiederholtes Fernbleiben während einer Maßnahme der Berufsförderung am Ende der Dienstzeit ist grundsätzlich weniger schwerwiegend, weil die dienstlichen Nachteile regelmäßig geringer sind als diejenigen, die für die Truppe durch das eigenmächtige Fernbleiben eines in der aktiven Dienstleistung stehenden Soldaten ausgelöst werden. Der Senat lässt es in solchen Fällen grundsätzlich bei der Dienstgradherabsetzung bewenden (BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 WD 6.11 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 35 Rn. 31 m.w.N.).
b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion sind ebenfalls dann zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet wie dies bei Dienstgradherabsetzungen der Fall ist. Gemäß § 62 Abs. 1 Satz 4 WDO ist die Dienstgradherabsetzung beim früheren Soldaten unbeschränkt zulässig.
aa) Für einen höheren Schweregrad des Dienstvergehens spricht die besondere Dauer des sich über 84 Tage erstreckenden Fernbleibens, womit es sich weit jenseits des dem früheren Soldaten nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung i.V.m. § 5 Abs. 1 EUrlV jährlich zustehenden Urlaubszeitraums von 30 Tagen bewegt (BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 WD 6.11 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 35 Rn. 30, vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 47 Rn. 55 und vom 19. Mai 2015 - 2 WD 13.14 - juris Rn. 42). Die extrem lange Dauer des Fernbleibens zu berücksichtigen widerspricht auch nicht dem Rechtsgrundsatz, einen bereits auf erster Stufe berücksichtigten Umstand auf der zweiten Stufe nicht erneut belastend einzustellen (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2017 - 2 WD 1.16 - juris Rn. 82). Eine Konsumtion des langen Zeitraums trat mit seiner Verwertung auf der ersten Bemessungsstufe nicht generell, sondern nur in dem Umfang ein, in dem er dort beachtlich war. Rechtlich beachtlich war er dort jedoch längstens bis zum einunddreißigsten Abwesenheitstag.
bb) Allerdings liegt nicht zusätzlich ein wiederholtes Fernbleiben als erschwerender Faktor vor. Denn bei wiederholtem Fernbleiben muss für jede Wiederholung neu der Vorsatz gefasst werden, das Verhalten zu ändern. Dabei muss eine höhere Hemmschwelle überwunden werden als für die bloße Fortsetzung eines im Unterlassen bestehenden Dauerdeliktes. Je länger nämlich ein Dauerdelikt durch Unterlassen fortdauert, desto eher tritt ein "Gewöhnungseffekt" ein und desto geringer wird die Hemmschwelle zur weiteren Fortsetzung des Unterlassens. Wird aber "nur" eine geringere Hemmschwelle überwunden, kommt darin eine geringere kriminelle Energie zum Ausdruck.
cc) Zu Gunsten des früheren Soldaten ist vor allem zu gewichten, dass er sich - wie ausgeführt - in einer schweren seelischen Ausnahmesituation befunden hat. Die sich hieraus ergebende Milderung wiegt genauso schwer wie eine erheblich verminderte Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit analog § 21 StGB, kann aber auch nicht mehrfach - als Milderungsgrund in den Umständen der Tat und analog § 21 StGB - zugunsten des früheren Soldaten berücksichtigt werden (BVerwG, Urteil vom 27. März 2017 - 2 WD 11.16 - juris Rn. 118 m.w.N.).
dd) Die entlastenden Umstände führen dazu, dass ungeachtet der langen Abwesenheitszeit noch nicht von einem besonders schwerwiegenden Fall auszugehen und eine Degradierung als pflichtenmahnende Maßnahme ausreichend ist (ähnlich BVerwG, Urteil vom 6. März 1990 - 2 WD 36.89 - BVerwGE 86, 258 <260 f.>).
ee) Soweit es die Degradierungstiefe betrifft, kann dem früheren Soldaten zwar kein Vorgesetztendienstgrad mehr belassen werden (1.); die überlange Verfahrensdauer verbietet jedoch eine Herabsetzung bis in die untersten Mannschaftsdienstgrade (2.).
(1) Durch die ausnehmend lange Dauer des Fernbleibens ist der frühere Soldat seiner Pflicht zur vorbildlichen Pflichterfüllung als Vorgesetzter so wenig gerecht geworden, dass es nicht mehr angemessen wäre, ihm eine Vorgesetztenstellung mit der Aufgabe der Dienstaufsicht über Mannschaftsdienstgrade zu belassen. Die Degradierung zum Unteroffizier der Reserve würde - wie der Bundeswehrdisziplinaranwalt zu Recht rügt - dem durch das Dienstvergehen eingetretenen Vertrauensverlust nicht ausreichend Rechnung tragen. Der frühere Soldat kann angesichts des eigenen massiven Verstoßes gegen die Pflicht zum treuen Dienen nicht glaubwürdig andere Soldaten zu deren Befolgung anhalten. Vielmehr wäre angesichts der Schwere des Dienstvergehens eine Degradierung in einen unteren Mannschaftsdienstgrad angemessen. Berücksichtigt man, dass der frühere Soldat ansonsten disziplinarisch unbescholten ist, müsste an sich eine Herabsetzung in den Dienstgrad eines Obergefreiten erfolgen.
(2) Die unangemessen lange Verfahrensdauer steht jedoch einer Degradierung bis in die unteren Mannschaftsdienstgrade entgegen.
Eine überlange Verfahrensdauer, die einen Verstoß gegen die Gewährleistung einer Verhandlung innerhalb angemessener Frist durch Art. 6 EMRK wie auch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Rechtsschutzgewährleistung nach Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG darstellt (BVerwG, Urteile vom 14. September 2017 - 2 WA 2.17 D - Rn. 12 und vom 17. August 2017 - 5 A 2.17 D - BeckRS 2017, 127647 Rn. 27), begründet einen Milderungsgrund bei solchen Disziplinarmaßnahmen, die - wie vorliegend die Dienstgradherabsetzung - der Pflichtenmahnung dienen (BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 2 WD 3.17 - Rn. 77). Denn das Verfahren als solches wirkt bereits belastend und ist deshalb mit Nachteilen verbunden, die das Sanktionsbedürfnis mindern können.
Ob die Dauer eines Verfahrens noch angemessen ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Falls und folgender Kriterien zu beurteilen: die Schwierigkeit des Falls, das Verhalten des Betroffenen und das der zuständigen Behörden und Gerichte sowie die Bedeutung des Rechtsstreits für den Betroffenen. Hier ist eine Einzelfallprüfung erforderlich und es ist nicht auf feste Zeitvorgaben oder abstrakte Orientierungs- bzw. Anhaltswerte abzustellen, unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen. Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige Entscheidung zu treffen. Bei der Verfahrensgestaltung kommt dem Gericht deshalb ein Spielraum zu. Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen deshalb nur dann zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (zusammenfassend: BVerwG, Urteile vom 16. Juni 2016 - 2 WD 2.16 - juris Rn. 50 ff. m.w.N. und vom 14. September 2017 - 2 WD 4.17 - juris Rn. 40 ff. m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben ist die Dauer des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens berechnet ab dem Eingang der Anschuldigungsschrift (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2017 - 2 WD 1.17 - Rn. 91) bis zur Zustellung der Entscheidung am 16. Mai 2017 mit zwei Jahren und sechs Monaten unangemessen lang. Das Verfahren hatte für den früheren Soldaten zwar keine besonders hohe Bedeutung, weil es nur noch um seine Rechtsstellung als Reservist und um Restansprüche auf Berufsfortbildung ging. Auch hat der frühere Soldat nicht auf eine frühere Terminierung gedrängt. Umgekehrt hat er durch sein prozessuales Verhalten zu der Verfahrensdauer auch nicht nachteilig beigetragen. Die Sachlage war in objektiver Hinsicht leicht aufklärbar, da der frühere Soldat sich geständig eingelassen hatte und die Beweislage auch im Übrigen eindeutig war. In subjektiver Hinsicht waren lediglich dessen Einlassungen zu seiner seelischen Belastungssituation zu würdigen. Die Beurteilung der Rechtslage gestaltete sich angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Senats zum vorliegend maßgeblichen Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. III.4a) unproblematisch. Das Strafverfahren war bereits im Juli 2014 und somit bereits vor Vorlage der Anschuldigungsschrift rechtskräftig abgeschlossen worden.
Angesichts dessen hätte das Verfahren auch bei Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraumes bei der Terminierung und Priorisierung der anhängigen Disziplinarverfahren binnen eines Jahres abgeschlossen werden können. Das Truppendienstgericht hat die unterbliebene Förderung dieses Verfahrens selbst auf strukturelle Mängel zurückgeführt und zutreffend darauf hingewiesen, dass eine organisatorisch bedingt zu hohe Belastung des Gerichts oder etwaige Besetzungsvakanzen allein in die staatliche Sphäre fallen und nicht geeignet sind, eine längere Verfahrensdauer zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 - 2 WD 2.16 - juris Rn. 52). Das Berufungsverfahren wurde hingegen binnen sieben Monaten beschleunigt zum Abschluss gebracht.
Die Überlänge des Verfahrens von einem Jahr und sechs Monaten hatte für den früheren Soldaten auch immaterielle Nachteile. Zwar gehörte sein Prozess nicht zu den Verfahren, die nach § 17 Abs. 1 WDO deshalb beschleunigt abgeschlossen werden mussten, weil sie für den Soldaten erhebliche Nachteile im beruflichen Fortkommen oder finanzieller Art - etwa durch ein faktisches Beförderungsverbot oder eine konkret entgangene Beförderung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 - 2 WD 2.16 - juris Rn. 48) - zeitigen. Das berufliche Fortkommen des früheren Soldaten konnte durch die Verfahrensdauer nicht mehr nachteilig beeinflusst werden, weil er schon vor Einleitung des Disziplinarverfahrens aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war. Darüber hinaus hat er von der Verfahrensdauer finanziell insofern profitiert, als er bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens Leistungen des Dienstherrn erhalten hat, die sich noch nach dem Statusamt eines Oberfeldwebels (der Reserve) bemaßen. Vor diesem Hintergrund verliert auch der Umstand, dass die Höchstmaßnahme im Raum stand, sein ansonsten besonderes Gewicht.
Allerdings verblieben kompensationsbedürftige immaterielle Nachteile, weil der frühere Soldat länger als nötig mit der seelischen Ungewissheit einer drohenden, sein soziales Ansehen stark beeinträchtigenden Sanktion leben musste und weil er weitere Berufsförderungsmaßnahmen angesichts der Möglichkeit einer Aberkennung des Ruhegehalts nur unter dem Risiko vorzeitigen Abbruchs antreten konnte. Dies rechtfertigt es, die an sich fällige Disziplinarmaßnahme zu seinen Gunsten um eine Stufe abzumildern und mit der Degradierung zum Hauptgefreiten (der Reserve) eine Degradierung auszusprechen, die sich in der Mitte zwischen dem Dienstgrad eines Unteroffiziers (der Reserve) und eines untersten Mannschaftsdienstgrades bewegt.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 139 Abs. 1 Satz 2, Halbs. 1 WDO, § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO, da keine Gründe vorliegen, die es unbillig erscheinen ließen, den früheren Soldaten seine notwendigen Auslagen tragen zu lassen.